Diskrete Gleichverteilung
Die diskrete Gleichverteilung ist eine spezielle Wahrscheinlichkeitsverteilung in der Stochastik. Eine diskrete Zufallsvariable mit endlich vielen Ausprägungen hat eine diskrete Gleichverteilung, wenn die Wahrscheinlichkeit für jede ihrer Ausprägungen gleich ist. Es gilt dann für . Die diskrete Gleichverteilung ist univariat und zählt, wie ihr Name sagt, zu den diskreten Wahrscheinlichkeitsverteilungen.
Typischerweise findet diese Wahrscheinlichkeitsverteilung Anwendung bei Zufallsexperimenten, deren Ergebnisse gleichhäufig sind. Wenn man (mit oder ohne Begründung) annimmt, dass die Elementarereignisse gleich wahrscheinlich sind, spricht man von einem Laplace-Experiment. Gängige Beispiele für Laplace-Experimente sind der Laplace-Würfel (ein perfekter sechsseitiger Würfel, bei dem jede Zahl von eins bis sechs mit Wahrscheinlichkeit fällt) und die Laplace-Münze (eine perfekte Münze, bei der jede der beiden Seiten mit Wahrscheinlichkeit fällt). Siehe auch Stetige Gleichverteilung, Laplace-Formel.
Definition
Bei der diskreten Gleichverteilung werden verschiedene Fälle unterschieden. Diese unterscheiden sich durch die Ergebnismengen und dementsprechend unterschiedlich definierte Wahrscheinlichkeitsfunktionen und Verteilungsfunktionen. In allen Fällen wird die Gleichverteilung mit bezeichnet, wobei der Träger ist.
Allgemeiner Fall
Im allgemeinsten Fall sind die auftretenden Ergebnisse beliebige mit und , wenn ist. Der Träger ist also . Die Wahrscheinlichkeitsfunktion der diskreten Gleichverteilung ist dann
und damit genügt sie der Verteilungsfunktion
- .
Hier sind insbesondere auch nichtnatürliche Zahlen für die zugelassen.
Auf beliebigen ganzen Zahlen
Wählt man zwei mit , so wählt man als Träger die Menge
und definiert die Wahrscheinlichkeitsfunktion
und die Verteilungsfunktion
- .
Auf natürlichen Zahlen bis n
Als Spezialfall der beiden obigen Definitionen (setze oder ) wählt man als Träger
und erhält als Wahrscheinlichkeitsfunktion
sowie die Verteilungsfunktion
Hierbei bezeichnet die Abrundungsfunktion.
Eigenschaften
Erwartungswert
Der Erwartungswert ist im allgemeinen Fall
Im zweiten Fall erhält man
- ,
was sich im dritten Fall zu
vereinfacht. Der Beweis folgt dabei jeweils der Gaußschen Summenformel.
Varianz
Die Darstellung der Varianz ist für den allgemeinen Fall bereits unübersichtlich, da keine Vereinfachungen möglich sind:
- .
Für den zweiten Fall ergibt sich
- .
Im dritten Fall gilt
- .
Symmetrie
Im zweiten und dritten Fall ist die diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilung symmetrisch um ihren Erwartungswert. Im allgemeinen Fall ist keine Aussage möglich.
Schiefe
Für die letzten beiden Varianten ist die Schiefe gleich Null, im ersten Fall benötigt man eine symmetrische Verteilung, um auf die Schiefe Null schließen zu können.
Wölbung und Exzess
Die Exzess ist im zweiten Fall
und damit ist die Wölbung
Dies vereinfacht sich im dritten Fall zum Exzess
und zur Wölbung
Entropie
Die Entropie der diskreten Gleichverteilung ist für alle drei Varianten
gemessen in Bit. Unter allen diskreten Verteilungen ist die Gleichverteilung diejenige mit der größtmöglichen Entropie.[1]
Median
Im allgemeinen Fall fällt der Median der diskret gleichverteilten Zufallsvariable mit dem Median der Ausprägungen zusammen:
- .
Im zweiten Fall ist dann
und dementsprechend im dritten Fall
- .
Modus
Der Modus lässt sich zwar angeben, hat aber wenig Aussagekraft. Er entspricht genau dem Träger der Verteilung, sprich , bzw. oder .
Wahrscheinlichkeitserzeugende Funktion
Sind im zweiten Fall , so ist die wahrscheinlichkeitserzeugende Funktion gegeben durch
- .
Im dritten Fall ergibt dies dann
Beide Fälle lassen sich elementar mittels der geometrischen Reihe zeigen.
Schätzer
Das Problem, bei einer auf gleichverteilten Zufallsvariable den Parameter zu schätzen, wird auch das Taxiproblem genannt. Diese Bezeichnung entsteht aus der Überlegung, dass man am Bahnhof steht und die Nummern der Taxis beobachten kann. Geht man davon aus, dass alle Nummern gleichverteilt sind, entsprechen die Taxis dem Ziehen einer Stichprobe und der Parameter der Gesamtzahl der Taxis in der Stadt. Ist eine diskret gleichverteilte Stichprobe aus , so ist der Maximum-Likelihood-Schätzer für den Parameter gegeben durch
- .
Er ist insbesondere nicht erwartungstreu, da er den wirklichen Wert tendenziell unterschätzt und nie überschätzt, sondern nur asymptotisch erwartungstreu. Die Einführung eines Korrekturterms führt zu dem Schätzer
- .
Oder aber man schätzt den mittleren Abstand der Werte in der Stichprobe durch ab und erhält aufs Neue einen Schätzer
- .
Dieser ist erwartungstreu, genauso wie
- .
Das Taxiproblem ist ein Standardbeispiel der Schätztheorie, um zu zeigen, dass sich ohne Probleme mehrere verschiedene Schätzer für dasselbe Problem finden lassen, von denen a priori nicht klar ist, welcher besser ist.[2] Varianten des Taxiproblems waren anscheinend im Zweiten Weltkrieg wichtig, um aus den Seriennummern abgeschossener Panzer Rückschlüsse auf die Anzahl der Panzer in der gegnerischen Armee zu ziehen. Dies entspräche dann dem Schätzen von , wenn man davon ausgeht, dass die Seriennummern auf gleichverteilt sind.
Beziehung zu anderen Verteilungen
Beziehung zur Bernoulli-Verteilung
Die Bernoulli-Verteilung mit ist eine diskrete Gleichverteilung auf .
Beziehung zur Beta-Binomialverteilung
Die Beta-Binomialverteilung mit ist eine diskrete Gleichverteilung auf .
Beziehung zur Zweipunktverteilung
Die Zweipunktverteilung ist für eine diskrete Gleichverteilung auf .
Beziehung zur Rademacher-Verteilung
Die Rademacher-Verteilung ist eine diskrete Gleichverteilung auf
Beziehung zum Urnenmodell
Die diskrete Gleichverteilung ist die Basis aller Überlegungen, die Im Urnenmodell angestellt werden, da das Ziehen jeder der Kugeln aus der Urne gleich wahrscheinlich sein soll. Je nachdem, wie die Kugeln gefärbt, nummeriert oder zurückgelegt werden (oder auch nicht), ergeben sich somit aus der diskreten Gleichverteilung eine Vielzahl anderer wichtiger Verteilungen wie z. B. die Binomialverteilung, Geometrische Verteilung, Hypergeometrische Verteilung, Negative Binomialverteilung und Multinomialverteilung.
Summe von gleichverteilten Zufallsgrößen
Die Summe zweier unabhängiger gleichverteilter Zufallsgrößen ist trapezverteilt, sind die Zufallsgrößen zudem identisch verteilt, so ist die Summe dreiecksverteilt.
Stetiger Fall
Die diskrete Gleichverteilung kann leicht auf reelle Intervalle oder beliebige messbare Mengen mit positivem Volumen verallgemeinert werden. Sie wird dann stetige Gleichverteilung genannt.
Beispiel
Sechsseitiger Laplace-Würfel
Das Zufallsexperiment ist: Ein Würfel wird einmal geworfen. Die möglichen Ausprägungen der Zufallsvariablen sind: . Nach der klassischen Wahrscheinlichkeitsauffassung ist die Wahrscheinlichkeit für jede Ausprägung gleich. Sie hat dann die Wahrscheinlichkeitsfunktion
mit dem Erwartungswert für und :
und der Varianz
- .
Entscheidungsproblem des Marketing
Eine Anwendung in der Praxis könnte etwa ein Problem des Operations Research (Marketing) sein. Ein Unternehmen möchte ein neues Produkt auf dem Markt einführen:
Man versucht, den Erfolg des Produkts quantitativ vorauszuschätzen. Es wird vereinfachend von 5 verschiedenen verkauften Stückzahlen ausgegangen: 0, 1.000, 5.000, 10.000 und 50.000. Da über die Wahrscheinlichkeit der einzelnen Absatzzahlen keine verlässliche Schätzung möglich ist, verwendet man der Einfachheit halber gleiche Wahrscheinlichkeiten.
Man kann nun den Entscheidungsprozess, d. h. die individuelle Kaufentscheidung objektivieren, also den erwarteten durchschnittlichen Absatz ermitteln und sich überlegen, etwa anhand von Entscheidungsbäumen, inwieweit erhöhte Werbeausgaben die Absatzzahlen erhöhen könnten.
Abgrenzung
Die diskrete Gleichverteilung wird oft auch nach Pierre-Simon Laplace benannt (Laplace-Würfel). Sie hat jedoch nichts mit der stetigen Laplace-Verteilung zu tun.
Weblinks
- Eric W. Weisstein: Discrete Uniform Distribution. In: MathWorld (englisch).
Einzelnachweise
- Andy Lawrence: Probability in Physics: An Introductory Guide. Springer, 2019, ISBN 978-3-030-04544-9, S. 215, OCLC 1119539118.
- Ann Largey, John E. Spencer: Estimation of the Parameter in the Discrete “Taxi” Problem, With and Without Replacement. In: The Economic and Social Review. Band 27, Nr. 2, 1996, S. 119–136 (tara.tcd.ie [PDF]).