Scharfschütze
Scharfschützen sind Soldaten, die im Schusswaffengebrauch durch selektiven gezielten Schusswaffeneinsatz ihren Auftrag ausführen. Polizisten in diesem besonderen Auftrag werden als Präzisionsschützen bezeichnet. Zivilpersonen, die eine Schusswaffe mit Zielfernrohr gezielt einsetzen, werden ebenfalls als Scharfschütze bezeichnet.
Herkunft des Begriffs
Das Wort „Schütze“ entstand im deutschen Sprachraum als ein Ausdruck für „Sender für Geschosse“, wobei kein Bezug zu der Form des Projektils oder der Schusswaffe bestand. Die Brüder Grimm als Autoren des Deutschen Wörterbuches leiten die Entwicklung dieses Begriffes aus dem althochdeutschen „scuzzo“ ab und verweisen auf die verwandten Worte in anderen Sprachräumen, „skut“ im Angelsächsischen, „skytt“ und „skytte“ im Norwegischen, Schwedischen und Dänischen. In Anlehnung daran verweisen spätere Sprachforscher auf die enge Beziehung zum friesischen „sketta“ und dem niederdeutschen „schütte“, aus dem dann im Mittelhochdeutschen „schütze“ entstand.
Die französische Sprache bezieht ihr Wort für Schütze, französisch tireur, aus dem Verb „tirer“, d. h. „ziehen“, und beschreibt damit die Tätigkeit beim Abfeuern eines Bogens, einer Armbrust (Sehne) oder einer Schusswaffe (Abzug), während der lateinische Schütze nach seiner Waffe oder dem Geschoss als „sagittarius“ (Pfeilschießer) oder „ballistarius“ (Schleuderer) bezeichnet wurde.
Die Bezeichnung für einen besonders guten Schützen entstand in der deutschen Umgangssprache in Verbindung mit dem Wort „scharf“, das auch mit „Scharfblick“, „scharfes Auge“, aber auch mit „scharfe Munition“ eine besondere Bedeutung erhält. Das Französische kennt nur die Steigerung des „tireur d’élite“, des Meister- oder Eliteschützen. Am aufschlussreichsten sind die im Englischen entstandenen Begriffe: So bezeichnet englisch marksman jemanden, der mit Genauigkeit das „mark“ (Ziel) trifft.
Der „sharpshooter“ entstand als Lehnübersetzung des deutschen Begriffs und ist spätestens seit dem 17. Jahrhundert bekannt. Auch die Herleitung von amerikanischen „Sharpshooters“, den Schützeneinheiten mit weitreichenden Sharpsgewehren, ist möglich.
Zusätzlich kam der Begriff „Sniper“ für den militärischen Spezialisten auf. In diesem Fall stammt er aus dem Jagdwesen. Jemand, der eine „snipe“ (Schnepfe) mit einer Büchsenkugel, also nicht mit dem dafür sonst üblichen Schrotgewehr treffen konnte, musste schon ein sehr guter Schütze sein, da diese Vögel äußerst scheu, gut getarnt und im Flug sehr gewandt sind. Sniper ist inzwischen auch in Deutschland eine gebräuchliche Bezeichnung für Scharfschützen. Das Russische übernahm das englische Wort: russisch Снайпер Snajper.
Das Schimpfwort „Heckenschütze“ entwickelte sich aus der Umgangssprache des Mittelalters und steht in Beziehung zu den im Hinterhalt lauernden „Heckenräubern“. Es fand in den militärischen Sprachgebrauch noch in einem anderen Zusammenhang Eingang: Das preußische Exerzierreglement von 1714 sah zur Abwehr umherstreifender Kavallerie das „Heckenfeuer“ vor. Aus jedem halben Peloton (Aufstellungsart beim Gefecht) traten zwei Rotten hervor, gaben ihre Salve ab und traten wieder zurück. Sie traten dabei oft an die „Hecke“ heran, ein „Abatis“ genanntes Gewirr von Holzgestrüpp, gefällten Bäumen und Ästen, das dem Feind als erstes Hindernis in den Weg gelegt wurde. Das Heckenfeuer war kein Einzelfeuer, sondern Salvenschießen, wobei das Zielen eher sekundär war.
Geschichte
Wurzeln und erste Anfänge
Die historischen Wurzeln der Scharfschützen reichen bis in das 15. Jahrhundert zurück, zu den mit Arkebusen bewaffneten Soldaten, die vor den streng geordneten Gewalthaufen kämpften, um besser zielen zu können. Die Tirailleure oder Plänkler sowie Jäger führten im 18. Jahrhundert das zerstreute Gefecht. Die mit Büchsen ausgerüsteten deutschen Jäger- und Schützenbataillone wurden aus Förstern, Waldarbeitern und Jägern rekrutiert, die der Schützen aus den städtischen Schützenvereinen, und erhielten eine bessere Schießausbildung im gezielten Schuss als die reguläre Linieninfanterie.
Unter Wilhelm V. (Hessen-Kassel) wurde 1631 in Hessen eine Jägertruppe aufgestellt, die größtenteils aus freiwilligen Jägern und Förstern bestand. Diese brachten oftmals ihre eigenen Jagdwaffen mit gezogenen Läufen (Büchsen) mit, mit denen sie deutlich weiter und vor allem präziser schießen konnten. Der Nachteil der Vorderladerbüchsen war der deutlich längere Ladevorgang und die teurere Herstellung. Die Jägertruppe hatte den Auftrag, aufzuklären und mit gezieltem Schuss auf ausgewählte Ziele (vor allem Offiziere und Kanoniere) den Gegner zu schwächen. Dies erfolgte außerhalb der regulären Schlachtordnung, selbständig und ohne direkten Kontakt zur Führung (Auftragstaktik). Mit der Aufstellung von speziellen Jägertruppen folgten 1645 Bayern, 1674 Brandenburg und 1744 Preußen.[1] Im Doppelherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach wurde 1790 eine rund 750 Köpfe starke Scharfschützeneinheit gebildet, ein sogenanntes Büchsenschützen-Bataillon. Die Unteroffiziere waren meist gelernte Berufsjäger. In der Schlacht bei Auerstedt stand das Bataillon auf dem äußersten rechten Flügel. Dort deckte es mit Bravour den Rückzug des Kalckreuthschen Reserve-Korps.[2]
Im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg standen Soldaten aus solchen Einheiten in britischen Diensten den teilweise mit Büchsen ausgerüsteten aufständischen Siedlern gegenüber. Auf diese Erfahrung und Vorbilder griff die britische Armee auch während der Napoleonischen Kriege zurück. In Großbritannien wurde 1800 eine experimentelle Scharfschützeneinheit aufgestellt, die 1802 in das reguläre Feldheer als 95th (Rifle) Regiment of Foot aufgenommen wurde. Sie waren mit der Baker Rifle, einer Büchse im Stil deutscher Jägerbüchsen, bewaffnet und trugen dunkelgrüne Uniformröcke sowie dunkelgrüne oder graue Hosen anstatt der auffälligen roten Uniformröcke und weißen Hosen der Linieninfanterie.
Ähnliche Einheiten fanden sich mit den Tirailleurs auch auf französischer Seite, die jedoch nach anfänglicher Ausrüstung mit Büchsen carabine de Versailles aus organisatorischen und taktischen Gründen später wieder mit Musketen bewaffnet wurden. In Frankreich konnten sich jedoch die Scharfschützen im 19. Jahrhundert nicht durchsetzen.
Jäger- und Schützeneinheiten wurden auch in allen deutschen Armeen und im Russischen Zarenreich aufgestellt. Im österreich-ungarischen Heer wurden sogar Windbüchsen (frühe Druckluftgewehre) als Scharfschützengewehr ausgegeben.
In den südeuropäischen Heeren, wie in Spanien und Italien, maß man der Entwicklung zunächst keine besondere Bedeutung bei. In Italien gab es jedoch innerhalb der Bersaglieri Scharfschützen mit Büchsen. Im portugiesischen Heer (Exército Português) wurden Jägereinheiten (Caçadores) nach britischem Muster aufgestellt.
Im Amerikanischen Bürgerkrieg wurden eigenständige Scharfschützeneinheiten aufgestellt, so etwa die Freiwilligen der United States Sharpshooters bzw. „Berdan-Sharpshooters“ (nach ihrem Kommandeur Hiram Berdan genannt) der Nordstaaten. Sie trugen dunkelgrüne Uniformröcke, Hosen und Feldmützen anstatt der üblichen dunkelblauen Uniformröcke und hellblauen Hosen der Linieninfanterie. Das Mützenabzeichen war ein Jagdhorn. Ausgerüstet waren die Scharfschützen der Nordstaaten meist mit dem Sharps Rifle.
Im Burenkrieg erlitt die britische Armee starke Verluste durch burische Scharfschützen.
- Scharfschütze oder Arkebusier zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges
- Wilhelm V. (Hessen-Kassel) ließ 1631 die ersten Jägereinheiten aufstellen, die die Aufgaben heutiger Scharfschützen hatten
- Das weimarsche Büchsenschützen-Bataillon, 1806. Gegründet 1790. Stärke 750 Mann.
- Scharfschütze der Unionstruppen im Amerikanischen Bürgerkrieg. Gemälde von Winslow Homer.
Beginn des modernen Scharfschützenwesens
Die Entwicklung des modernen Scharfschützenwesens im eigentlichen Sinne begann mit dem Ersten Weltkrieg. Zunächst wurden hier noch mit Zielfernrohren bestückte Jagdwaffen verwendet, aber bereits ab 1916 begann in Großbritannien und Deutschland die gezielte Auswahl besonders geeigneter Läufe aus der aktuellen Gewehrproduktion.
Erster Weltkrieg
Ende 1914 lies der deutsche Herzog von Ratibor (Victor II. Amadeus von Ratibor – 1895 Präsident ADJV) ca. 20.000 Jagd und Sportgewehre im Militärkaliber 7,92×57mm mit Zielfernrohren an die erstarrte Westfront schicken. Diese wurden hauptsächlich den Jägerbataillonen zugeteilt und im Gegensatz zu anderen Ländern in der Regel nur an Soldaten, die im Umgang mit Zielfernrohren ausgebildet waren, wie z. B. Jäger, Förster oder Sportschützen ausgegeben[3][4]. Auch an Wilderer wurden Zielfernrohrgewehre ausgegeben. So zum Beispiel an den mehrfach vorbestraften bayrischen Wilderer Georg Herrenreiter, der es mit 121 bestätigten Abschüssen zum Gefreiten brachte. Nicht wegen seiner Vorstrafen, sondern aufgrund seines sehr einfachen Bildungsniveaus wurde er nicht zum Unteroffizier befördert. Trotz seiner Vorstrafen wurde ihm des Eisernes Kreuz 2. Klasse und die Bayerische Tapferkeitsmedaille, die höchste Tapferkeitsauszeichnung Bayerns für Nicht-Offiziere, verliehen. Herrenreiter fiel am 28. Januar 1916 bei Péronne.[5] Englische und französische Berichte sprachen immer dann von heftiger Scharfschützentätigkeit, wenn sie einem deutschen Jäger-Bataillon gegenüberlagen[6]. So waren beispielsweise Francis Pegahmagabow im Ersten Weltkrieg und Simo Häyhä im Zweiten Weltkrieg, auch ohne Scharfschützenlehrgang, alleine durch ihre jagdliche Erfahrung, die erfolgreichsten Scharfschützen ihrer Zeit. Häyhä arbeitete überdies in den meisten Fällen nur mit Kimme und Korn. Seine Spezialität war die Jagd auf Füchse und Vögel. An beiden lernte er das Anpirschen und das präzise Schießen[7]. Der erste bekannte Scharfschützenlehrgang der Militärgeschichte fand im April 1916 in Döbeln statt und wurde als Zielfernrohr Kursus bezeichnet[8].Die deutschen Scharfschützen wechselten nach einigen Schüssen ihre Position, was es besonders schwierig machte, sie auszumachen. Im Februar 1915 kam der britische Major Hesketh Vernon Prichard als Kriegsberichterstatter (er wurde aufgrund seines Alters von 37 als kämpfender Soldat abgelehnt) an die Westfront und wurde Zeuge wie bei einem von ihm besuchten Bataillon 18 Soldaten an einem Tag Opfer der gut ausgebildeten deutschen Scharfschützen wurden. Des Weiteren stellte er fest, dass die wenigen britischen Zielfernrohrgewehre zum größten Teil wahllos an nicht ausgebildete Soldaten ausgegeben wurden und dass 80% der Optiken aufgrund unsachgemäßer Bedienung falsch eingestellt waren. Als passionierter Jäger erkannte er den sofortigen Handlungsbedarf und er gründete im August 1916 die First Army School of Sniping im Dorf Linghem in Nordfrankreich[9][10].
- Zielfernrohr Kursus Döbeln – April 1916
- Scharfschützenausbildung im Graben.
- Deutsches (Sächsisches) Scharfschützenteam mit ihren Beobachtern. Diese verwenden ein Tarnband um das rote Randband zu verdecken.
- Deutscher Scharfschütze mit Stirnpanzer bzw. Stirnschild.
- Georg Herrenreiter, Wilderer und Scharfschütze. 121 bestätigte Abschüsse. EK2 und Bayerische Tapferkeitsmedaille.
Zweiter Weltkrieg
Wie schon zu Beginn des Ersten Weltkriegs standen führende Offiziere der Ausrüstung der Infanterie mit Gewehren mit Zielfernrohren ablehnend gegenüber. Trotzdem gab es in der Reichswehr ein Scharfschützenabzeichen für Unteroffiziere und Mannschaften. Ein nach oben geöffneter Winkel mit einem Schenkelmaß von 8cm, ähnlich dem Gefreitendienstgradabzeichen der Wehrmacht. Dieses Abzeichen wurde am linken Unterarm getragen.[12] In der Wehrmacht erbrachten Vergleichsschießen zwischen den gut ausgebildeten Berufssoldaten der Reichswehr mit dem 98k mit offener Visierung und mit Zielfernrohr keine wesentlich besseren Schießergebnisse, eine Einführung wurde daher abgelehnt. Anders als die Wehrmacht erkannte man in der Waffen-SS von Anfang an den militärischen Wert von Scharfschützen. Bereits Anfang 1940 plante man die Aufstellung von geschlossenen Scharfschützen-Kompanien. Der Reichsführer SS schrieb hierzu am 29. März 1940 an den Reichsjustizminister Dr. Gürtner, dass sämtliche Wildschützen (Wilderer), besonders bayrischer und ostmärkischer Herkunft, der Waffen-SS angegliedert werden und in Scharfschützen-Kompanien Verwendung finden sollten. Durch entsprechende militärische Leistungen sollten sie so ihre Strafe im Fronteinsatz abbüßen. Wilderer, die mit der Kugel jagten, galten als ideale Scharfschützen. Sie mussten wie Jäger die Tarnung, das Anpirschen und den präzisen Schuss beherrschen, aber darüber hinaus noch auf „feindliche“ Jäger und Förster achten (siehe Georg Herrenreiter 1. Weltkrieg). Zur beabsichtigten Aufstellung kam es aber nicht. Man geht von einer Intervention des Reichsjägermeister Hermann Göring aus, der Wilderer zutiefst verabscheute.[13] Erst im weiteren Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurden Scharfschützen in allen Streitkräften der kriegsbeteiligten Nationen eingesetzt, am massivsten jedoch von der Roten Armee. Der Roten Armee wurde der Wert dieser Spezialisten besonders im Finnisch-sowjetischen Winterkrieg 1939–1940 bewusst, als taktisch besonnen eingesetzte finnische Scharfschützen, wie zum Beispiel Simo Häyhä, den sowjetischen Einheiten schwere Verluste zufügten. Als Konsequenz aus diesen Erfahrungen wurde das Scharfschützenwesen fortan in den sowjetischen Streitkräften besonders gefördert.
Auch in Deutschland setzte ein Umdenken erst durch die erlittenen Verluste im Krieg gegen die Sowjetunion 1941–1945 durch gegnerische Scharfschützen ein und es wurden spezielle Scharfschützenschulen eingerichtet. Im Deutschen Reich wurde dieser Waffengattung zunächst wenig Bedeutung beigemessen. Für die Bestätigung eines Abschusses waren die Hürden in der Wehrmacht relativ hoch. Ein bestätigter Abschuss musste von einem Offizier oder Unteroffizier mit eigenen Augen gesehen und bestätigt worden sein. Da die Scharfschützen aber meist einzeln und auf sich gestellt operierten wurden die meisten Abschüsse nicht bestätigt. Des Weiteren sahen einige deutsche Offiziere Scharfschützenabschüsse als selbstverständliche soldatische Pflicht an. Auch gab es Offiziere die Scharfschützen als hinterlistige unehrenhafte Soldaten ansahen und deshalb eine Bestätigung verweigerten. Im Gegensatz zur Roten Armee wurden Abschüsse im direkten Angriff oder Verteidigung bei der Wehrmacht ebenfalls nicht gezählt.[14] Eine konstante Zählung der Abschüsse begann bei den meisten Scharfschützen erst mit der Stiftung des Scharfschützenabzeichens am 20. August 1944. Zur Anerkennung früherer Abschüsse kam es in der Regel nicht, vielmehr wurden nur die gezählt, die ab 1. September 1944 erfolgten. Dies erklärt warum viele deutschen Scharfschützen, obwohl bereits länger an der Front, ihre Abschüsse alle in den letzten 8 Monaten des Krieges erzielten.[15] Deshalb dürfte die tatsächliche Abschusszahl um ein vielfaches höher liegen als die Anzahl der bestätigten Abschüsse. In der Sowjetunion erkannte man schon von Anfang an den propagandistischen Wert der Scharfschützen. Scharfschützen kamen in der Regel aus dem Mannschaftsstand. Mit solch einfachen Soldaten konnte sich die Bevölkerung oder der einfache Infanterist eher identifizieren als mit hochdekorierten Offizieren. Die Tätigkeit der deutschen Scharfschützen rückte erst 1944 in den Focus der Propaganda mit der Einführung des Scharfschützenabzeichens. Dieses wurde im Fronteinsatz so gut wie nicht getragen, da man bei Gefangennahme mit sofortiger Erschießung, zumindest aber mit schweren Misshandlungen, rechnen musste. Das Scharfschützenabzeichen war hochangesehen, und das NS-Regime instrumentalisierte die Scharfschützen, indem es herausragende Schützen durch Ehrungen propagandistisch ausnutzte. In der Verleihungsbestimmung wurde ausdrücklich betont, dass das Abzeichen nur an ausgebildete Scharfschützen verliehen werden durfte. Scharfschützen, die ohne Lehrgang sich seit Jahren als solche, zum Teil sehr erfolgreich, betätigten konnten das Abzeichen nicht verliehen bekommen.[16] Neben dem Scharfschützenabzeichen in den drei Stufen (für 20,40,60 Abschüsse) konnten Soldaten noch wie folgt gewürdigt werden: Eisernes Kreuz 2. Klasse für 10 bestätigte Abschüsse und für 50 bestätigte Abschüsse das Eiserne Kreuz 1. Klasse. Bei 100 bestätigten Abschüssen konnte der Soldat für das Deutsche Kreuz in Gold und bei 200 Abschüssen für das Ritterkreuz eingereicht werden.[17] Des Weiteren ließ es sich Reichsmarschall Hermann Göring in seiner Funktion als „Reichsjägermeister“ nicht nehmen, Scharfschützen nach ihrem fünfzigsten bestätigten Abschuss, mit entsprechenden Fotos und Filmaufnahmen für die Wochenschau, persönlich zur Jagd einzuladen.
Scharfschützen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg
Zu den berühmten Edel-Schützen (Bezeichnung eines Scharfschützen der Roten Armee mit mehr als 40 tödlichen Treffern) gehörten unter anderem Ljudmila Pawlitschenko mit 309 bestätigten tödlichen Treffern, Wassili Saizew mit 252 getöteten deutschen Soldaten, „Schigan“ (russ. Жиган) mit 224 getöteten deutschen Soldaten und Offizieren, Nikolai Ilin (185), Unteroffizier Studentow (170), Oberfeldwebel Maxim Alexandrowitsch Passar (237), Wiktor Medwedew, Anatolij Tschechow (17 getötete Deutsche innerhalb von zwei Tagen), Tanja Tschechowa (40), der Ukrainer Kutscherenko (19) und ein mit Namen unbekannter Usbeke, der in drei Tagen fünf Deutsche erschoss.[18]
Jeder dieser Präzisionsschützen hatte seine eigene Arbeitsweise: der ukrainische Scharfschütze Kowbasa operierte aus verschiedenen Schützengräben (Feuergräben und Stellungen für Ruhepausen) und an den Flanken benachbarter Infanteriezüge, wo er eine vorgetäuschte eigene Stellung ausgrub und diese mit einem Hebelmechanismus für eine weiße Fahne versah. Neugierige deutsche Soldaten, die den Kopf aus dem Schützengraben hoben, konnten durch einen gezielten Einzelschuss getötet werden. Danielow hob ebenfalls Stellungen zur Tarnung aus und stattete diese mit Vogelscheuchen und den Uniformen der Roten Armee aus. Unerfahrene deutsche Soldaten konnten somit leicht aus ihrer Deckung gelockt und getötet werden. Edel-Scharfschütze Ilin lauerte häufig in einem alten Fass oder Tunnel in der Nähe des Stahlwerks „Roter Oktober“ auf feindliche Artilleriebeobachter, Melder, Kabelverleger oder Proviant-Träger,[19] die zu bevorzugten Zielen der Sowjetscharfschützen wurden.[20] Saizew operierte schwerpunktmäßig an der Grenze zum Niemandsland zwischen Mamajew-Hügel und Stahlwerk „Roter Oktober“, wo der 6. Armee die meisten Verluste durch Scharfschützenbeschuss zugefügt wurden. Auf dem Fabrikgelände postierten sich Schützen auf den höchsten Punkten von Werkhallen oder Wassertürmen, um in der Tiefe des Geländes wirken zu können.
„Jeder Gardeschütze habe das Talent eines Scharfschützen und würde die Deutschen somit von der aufrechten Haltung in den Kriechgang zwingen.“[21] Wiktor Medwedew und Anatolij Tschechow verbreiteten viel Angst unter den deutschen Infanteristen, die tagsüber selten wagten, den Kopf aus den Unterständen zu erheben.[22] Kriegsteilnehmer Vincenz Griesemer über die Bedrohung durch sowjetische Scharfschützen: „Sie saßen zum Beispiel auf den Dächern der Fabrikhalle des Stahlwerks ‚Roter Oktober‘ mit ihren Filzstiefeln und Watteanzügen, im Gesicht so braun wie der Rost der Wellblechdächer. Und wer von uns den Kopf rausstreckte, der war weg.“ ([23]) W. I. Tschuikow, Befehlshaber der 62. Armee betonte die Bedeutung seiner Scharfschützen: „Wir müssen jedem deutschen Soldaten das Gefühl geben, dass er in die Mündung eines russischen Gewehrs blickt.“ ([24])
Der große Erfolg der sowjetischen Scharfschützen in Stalingrad lag daran, dass es ihnen gelang, sich perfekt zu tarnen, sich an die unterschiedlichsten Geländeformen anzupassen und die eigenen Konturen zu verwischen. Als ideale Position erwiesen sich häufig ein weißer Hintergrund, außerdem leere Fensterhöhlen, Mauerreste, ausgebrannte Panzer, Kellerräume und ähnliche Standorte, die vom Gegner schlecht eingesehen werden konnten. Die Gewehrmündung wurde mit einem Mündungsfeuerdämpfer verdeckt oder mit einem Tuch umwickelt, um jegliche Spiegelreflexionen zu vermeiden. Ein sofortiger Stellungswechsel nach der ersten Schussabgabe war meist nötig, da vermutete Scharfschützenpositionen häufig mit Flächenbeschuss durch Artillerie bekämpft wurden.[20] Die Kampfweise sowjetischer Scharfschützen war den deutschen Truppen aus der Glorifizierung der Militärpropaganda (Armeezeitung Na Saschtschitu Rodiny) geläufig. In der Schlacht um Stalingrad entstand ein regelrechter Kult um das „Scharfschützentum“, das ideologisch verbrämt und in der Militärpropaganda als Kriegsabenteuer romantisiert wurde. Bekannte Einzelschützen wurden von der Bevölkerung wie Sportidole verehrt und erhielten starken Zulauf von Freiwilligen. Scharfschützen erhielten aufgrund ihrer Bedeutung und ihres besonderen Status eine bessere Einzelausbildung und wurden wesentlich besser verpflegt und versorgt als das Massenheer.[25]
In der deutschen Propaganda wurden sowjetische Scharfschützen als kaltblütige Mörder und feige Heckenschützen dargestellt, tatsächlich handelte es sich zumeist um einfache Fabrikarbeiter und Angestellte, die für ihre besonderen Aufgaben speziell ausgebildet wurden. Die Rote Armee hatte aus ihren Erfahrungen im Winterfeldzug gegen Finnland gelernt, als ihnen dort von finnischen Scharfschützen (Simo Häyhä) empfindlichste Verluste zugefügt wurden. Aus diesem Grund wurden Scharfschützentechniken während der Schlacht um Stalingrad weiter entwickelt, um die Kommunikation des Gegners empfindlich zu stören, den Gefechtsfluss zu unterbrechen und den Gegner zu demoralisieren.[26]
Scharfschützen operierten stets zu zweit oder in eigenständigen Gruppen, ein Schütze und ein Beobachter, wobei die Rollen häufig nach Abgabe eines Präzisionsschusses wechselten. Sie wurden sowohl zur Gefechtsfeldaufklärung als auch zur gezielten Eliminierung feindlicher Offiziere und Unteroffiziere eingesetzt. Eine erfolgreiche Tötung des Gegners wurde in Tagebüchern festgehalten, wo Datum, Uhrzeit, Wetterbedingungen, Position und weitere Daten des Kampfauftrages vermerkt wurden.
Zunächst waren Scharfschützen auf Zugebene organisiert, während der Schlacht um Stalingrad auch auf Divisions- oder sogar Armee-Ebene. Insbesondere wurden sie zum Flankenschutz eingesetzt, um dort schnelle Umfassungsmanöver des Gegners zu verhindern. Die Kampfdistanz betrug im offenen Waldgelände unter 400 Meter, in Ortschaften meist unter 100 Meter Reichweite. Der Einsatz erfolgte meist in den frühen Morgenstunden, tagsüber in sicheren Verstecken oder getarnten Unterständen, und nachts arbeiteten sie sich so nah wie möglich an die deutschen Positionen heran.[18]
Neuere Entwicklung bis heute
Im Korea- und im Vietnamkrieg setzte sich die Einsicht in die Bedeutung spezialisierter Scharfschützen durch, als man erkannte, dass das Verhältnis von abgefeuerter Munition zu tatsächlichen Treffern zu groß war. So schuf man in den Vereinigten Staaten so genannte Sniper schools, um die Soldaten im effizienten Schießen auszubilden.
Mit der Anpassung der deutschen Streitkräfte an die Erfordernisse der Auslandseinsätze wie im Krieg in Afghanistan seit 2001 nach dem Ende des Kalten Krieges ist auch in der Bundeswehr die Bedeutung der Scharfschützen deutlich gewachsen und es werden entsprechende Bemühungen um eine entsprechende Ausbildung und Ausrüstung unternommen.
Einsatzkonzepte
Scharfschützen
Scharfschützen (engl. Sniper) sind Soldaten, die eingebunden in eine Kompanie, meist auf weite Entfernungen, bei Tag und Nacht feindliche Soldaten bekämpfen. Sie überwachen und sichern Räume und Objekte durch Feuer, klären Feinde auf und bekämpfen sie. Scharfschützen kämpfen im Zweierteam überwachend aus rückwärtigen Feuerstellungen, eingebunden in die Truppe, selten hinter feindlichen Linien, dabei auch tief im feindlichen Hinterland. Gruppenzielfernrohrschützen sind in ihre Teileinheit eingebunden.
Der 2-Mann Scharfschützentrupp – ein Schütze (engl. Shooter oder Sniper) und ein Beobachter (engl. Spotter), der den Schützen unterstützt – wechseln sich in der Funktion Schütze und Beobachter meist ab. Durch den Einsatz von Scharfschützen werden die Kampfmoral des Feindes gemindert, Feindkräfte gebunden oder behindert, sowie Wehrmaterial oder Schlüsselpersonal ausgeschaltet. Dazu zählen in erster Linie feindliche Scharfschützen, feindliche Führer, Bedienungspersonal von Geschützen und Maschinengewehren, Funker, aber auch Radaranlagen und elektronische Zieleinrichtungen.[27]
Maßnahmen gegen Scharfschützen sind Stellungswechsel, wenn eine eigene Position erkannt wurde, der Einsatz von Periskopen, Rauchkörpern und eigenen Scharfschützen im counter-sniping. Ist der ungefähre Standort eines Scharfschützen bekannt, können Artillerie und insbesondere Mörser, die dem Verband unterstehen, mit Sprengsplittergranaten eingesetzt werden. Eine Präventivmaßnahme für Führungskräfte ist das Verbergen von äußerlichen Hinweisen auf militärische Ränge. Das militärische Grüßen und Tragen von Offiziersuniformen unterbleibt. So wurde Horatio Nelson 1805 von einem französischen Scharfschützen erschossen, weil er an der Uniform und an seinen Orden als kommandierender Admiral erkannt wurde.[28]
Die Reichweite von Scharfschützen kann in Ausnahmefällen bis zu 2.500 Meter betragen. Sie ist von Waffe, verwendeter Munition und Witterungsverhältnissen abhängig. Die übliche Einsatzreichweite beträgt etwa 600 bis 800 Meter. Die geringste Distanz hängt von den Versteck- und Tarnmöglichkeiten ab. Es gab schon erfolgreiche Einsätze aus 90 Metern Entfernung. Ein Treffer aus einer Entfernung von 3.540 Metern wurde im Mai 2017 im Krieg gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ erzielt. Der Schuss wurde von einem Angehörigen einer kanadischen Spezialeinheit abgegeben. Das Projektil wurde aus einem McMillan Tac-50-Gewehr abgefeuert und flog über 10 Sekunden, bevor es sein Ziel traf.[29]
Das Überleben des militärischen Scharfschützen hängt in erster Linie von seiner Tarnung durch Geländeausnutzung bei Annäherung und Bewegungslosigkeit sowie Ausweichen und richtigem Verhalten im Gelände ab, bei vom Vorhandensein von ausreichend getarnten und gedeckt erreichbaren Wechselstellungen. Unterstützt wird dies durch selbstgefertigte Tarnanzüge, die auch ghillie suit genannt werden. Für die Tarnung gilt die Regel 80 % des Tarnmaterials aus der Natur (Sichtdeckung durch Äste, Gras, Erde sowie Bewegungslosigkeit) und 20 % künstliches Tarnmaterial (Tarnanzug und Tarnüberwurf).
Zur Ausstattung von Scharfschützen gehört darüber hinaus weitere spezifische Ausrüstung wie ein Spektiv, ein Windmesser und ein Barometer/Höhenmesser, da sowohl die Windstärke als auch die Lufttemperatur und Luftdichte durch Höhe über Grund Einfluss auf die Ballistik der Scharfschützenwaffe nehmen, sowie ein Laserentfernungsmesser und Unterlegmatten für die stundenlange Beobachtung. Gruppenzielfernrohrschützen sind meist zur Beobachtung nur mit einem Fernglas ausgerüstet.
Gruppenscharfschützen
„Gruppenscharfschütze“ oder Zielfernrohrschützen sind in eine Gruppe eingebundene Soldaten, die Ziele bis 600 Metern Entfernung mit gezieltem Einzelfeuer bekämpfen. Diese Form war bereits in der Wehrmacht bekannt und wurde auch in die Infanteriegruppe der Bundeswehr übernommen. In der United States Army und dem United States Marine Corps werden diese als Squad Designated Marksman bezeichnet, die ihren Squad direkt unterstützen.
Diese Soldaten kämpfen als Bestandteil ihrer Gruppe, haben aber einen zusätzlichen Lehrgang absolviert. In der Bundeswehr waren die Gruppen-ZF-Schützen, heute Gruppenscharfschützen, mit dem G3 A3 ZF, heute zumeist HK MR308 ausgestattet. Ihre Ausbildung erfolgte innerhalb der Kompanie und war vornehmlich schießtechnisch ausgelegt. In der US Army sind sie mit der modifizierten Variante Mk 12 SPR des regulären M16 (Zielfernrohr, schwerer Lauf, Zweibein) oder, wie z. B. bei den Marines, mit speziellen Gewehren, so genannte Designated Marksman Rifle (DMR), ausgerüstet. In der israelischen Armee heißen diese ZF-Schützen Kalat Saar. Wesentlicher Unterschied zwischen einem Scharfschützen und einem Gruppen-Zielfernrohrschützen ist, dass erstem taktisch ein Einsatzraum befohlen wird, dem Gruppen-Zielfernrohrschützen eine Stellung.
„Erfunden“ wurde der Designated Marksman wahrscheinlich während des Zweiten Weltkrieges, als man auf deutscher Seite Scharfschützen in Infanteriegruppen einband, damit diese sich besser gegen sowjetische Scharfschützen verteidigen konnten. Dasselbe wurde dann auch von den Amerikanern als Antwort auf deutsche Scharfschützen an der Westfront getan. Nach dem Krieg wurde dieses Prinzip in der Sowjetarmee standardmäßig weitergeführt, bei der in jeder Infanteriegruppe ein Schütze, der mit einem Dragunow-Scharfschützengewehr im Kaliber 7,62 × 54 mm R ausgerüstet war. In der Bundeswehr wurde bei der Infanterie (Grenadiere, Jäger, Fallschirmjäger und Gebirgsjäger) das Konzept mit zwei Zielfernrohrschützen je Gruppe mit HK G3 A3ZF, Zielfernrohrgewehr aus Serienproduktion, fortgeführt.
Präzisionsschützen
Als Präzisionsschütze wird heute ein Polizeischütze bezeichnet, der durch seine Ausrüstung und Ausbildung in der Lage ist, auf größere Distanz Ziele präzise zu treffen. Er hat und benötigt jedoch nicht die „Einzelkämpferausbildung“ eines militärischen Scharfschützen.
Präzisionsschützen der Polizei und der Feldjäger/der Militärpolizei haben den Auftrag, durch gezielte Schüsse eine extreme Gefahrensituation abzuwenden, also z. B. Verbrechensopfer zu retten. Außerdem dienen sie als Beobachter, was in den meisten Fällen ihre einzige Funktion bleibt, und helfen bei der Planung von Sicherungsmaßnahmen bei gefährdeten Ereignissen. Im Vergleich mit militärischen Scharfschützen ergeben sich für ihren Einsatz völlig andere Beschränkungen und Rechtsgrundlagen, bedingt durch die Unterschiede von Polizeirecht und Kriegsrecht.
Auch der eigentliche Einsatz unterscheidet sich grundlegend: Polizeischützen schießen auf vergleichsweise kurze Entfernungen zwischen 50 und 120 Metern, um unbeteiligte Personen oder Geiseln nicht zu gefährden, während militärische Scharfschützen Distanzen von bis zu 2500 Metern abdecken. Sie stehen dabei in ständigem Kontakt zur Einsatzleitung, die auch das Ziel und den Zeitpunkt des Schusses klar festlegt. Außerdem müssen Präzisionsschützen der Polizei mit dem ersten Schuss den Straftäter unbedingt an der Fortsetzung seiner Tathandlung hindern. Hierzu wird nach Möglichkeit der Hirnstamm des Straftäters anvisiert. Bei Zerstörung des Hirnstammes wird der Getroffene augenblicklich handlungsunfähig (Mannstoppwirkung) und ist auch zu keinen reflexartigen Reaktionen mehr fähig.
Eine Tarnung spielt dabei keine so maßgebliche Rolle wie bei den Streitkräften, da Polizeischützen in der Regel nicht durch Feindaufklärung und Beschuss bedroht sind und nach der Schussabgabe nicht verborgen bleiben müssen. Ebenso dauert ein polizeilicher Präzisionsschützeneinsatz nur wenige Stunden, in denen sich die Schützen abwechseln können. Ein Problem für polizeiliche Präzisionsschützen in Deutschland ist die teilweise unterschiedliche Gesetzeslage hinsichtlich des finalen Rettungsschusses (siehe dort) in den einzelnen Bundesländern. Auch bei polizeirechtlich vorgesehenem finalen Rettungsschuss muss die Verhältnismäßigkeit anschließend von der Justiz geprüft werden.
Die Entwicklung des polizeilichen Scharfschützenwesens lässt sich mit dem Aufkommen des Terrorismus und der Schwerstkriminalität in den 1970er Jahren ansetzen.
Psychologisches Anforderungsprofil
Scharfschützen sollen besonders stressresistent, ausgeglichen, geduldig und intelligent sein. Diese Fähigkeiten werden benötigt, da Scharfschützen im Einsatz meistens auf sich gestellt sind, häufig einer sehr monotonen Aufgabe nachgehen und unabhängig in kleinen Gruppen bzw. alleine operieren. Deshalb müssen sie in der Lage sein, Entscheidungen selbst zu treffen, auf neue Situationen zu reagieren und zahlreiche Informationen auszuwerten.
Die besondere Einsatzart des Scharfschützen, aus dem Hinterhalt zu töten und nicht aus einer konkreten Notwehrsituation, kann besondere psychische Probleme verursachen.[30]
Beispielsweise lernt der Schütze während einer Observation, die Stunden oder Tage dauern kann, das Ziel mit all seinen menschlichen Eigenheiten (Lachen, Essen und anderen Dingen des normalen Lebens) kennen und kann dessen Mimik sehen. Gleichzeitig stellen die beobachteten Personen keine persönliche Bedrohung dar und wissen im Normalfall nicht von der Gegenwart des Schützen. Dabei kann eine Subjektivierung einsetzen, bei der die Zielperson zu einem Menschen wird, den man zu kennen glaubt. Deshalb soll der Schütze fähig sein, auch bei Individualisierung der Zielperson abzudrücken, ohne dabei übermäßig unter dem von ihm verursachten Tod des getöteten Menschen zu leiden. Nicht selten ist wegen dieser Individualisierung psychologische Betreuung nach einem Einsatz erforderlich.[31]
Bekannte Scharfschützen
- Francis Pegahmagabow (1891–1952), Acting Lance Corporal der Canadian Expeditionary Force im Ersten Weltkrieg; ausgezeichnet mit der Military Medal mit zwei Bars. Er gilt nach bestätigten Abschüssen als der erfolgreichste Scharfschütze des Ersten Weltkriegs.
- Simo Häyhä (1905–2002), ehemaliger Leutnant der finnischen Armee; Schütze mit der höchsten Anzahl von bestätigten Tötungen eines einzigen Scharfschützen in einem Krieg
- Wassili Grigorjewitsch Saizew (1915–1991), ehemaliger Hauptmann der Roten Armee; zeichnete sich während der Schlacht um Stalingrad aus und ist die Vorlage für Filme und Bücher
- Ljudmila Michailowna Pawlitschenko (1916–1974), ehemaliger Leutnant der Roten Armee; gilt als eine der erfolgreichsten Scharfschützinnen des Zweiten Weltkriegs
- Bruno Sutkus (1924–2003), mit 52 gewonnenen Scharfschützen-Duellen wahrscheinlich der erfolgreichste Counter-Sniper der Militärgeschichte.[32]
- Matthäus Hetzenauer (1924–2004), ehemaliger Gefreiter der Wehrmacht; gilt als der erfolgreichste Scharfschütze der Wehrmacht
- Carlos Hathcock (1942–1999), ehemaliger Gunnery Sergeant des US Marine Corps
- Randall Shughart (1958–1993), zuletzt Sergeant First Class der US Army; fiel 1993 in der Schlacht von Mogadischu
- Gary Gordon (1960–1993), zuletzt Master Sergeant der U.S. Army; fiel 1993 in der Schlacht von Mogadischu
- Craig Harrison (* 1974), Corporal of Horse (CoH) der britischen Household Cavalry
- Chris Kyle (1974–2013), ehemaliger Navy SEAL; erfolgreichster Scharfschütze der US-Geschichte
- Rob Furlong (* 1976), ehemaliger Korporal der Kanadischen Streitkräfte
Mediale Rezeption
Zahlreiche Filme und Fernsehserien widmen sich dem Thema Scharfschützen:
- 1993–2008: Die Scharfschützen (Sharpe, Fernsehserie)
- 1993: Sniper – Der Scharfschütze (Sniper)
- 2001: Duell – Enemy at the Gates (Enemy at the Gates)
- 2005: Jarhead – Willkommen im Dreck
- 2007: Shooter
- 2014: American Sniper
- 2015: Red Sniper – Die Todesschützin (Битва за Севастополь)
- 2017: The Wall
Bekannte Personen, die durch Scharfschützen den Tod fanden
- Goliat durch den Präzisionsschützen und späteren König von Juda David (ca. um 1.000 v. Chr.)
- Admiral Nelson durch einen französischen Präzisionsschützen (1805) in der Schlacht von Trafalgar
- Brigadegeneral Auguste François-Marie de Colbert-Chabanais (1809) durch den britischen Präzisionsschützen Thomas Plunkett
- Generalmajor John Sedgwick durch einen konföderierten Präzisionsschützen (1864)
- General Francois durch mehrere französische Präzisionsschützen (1870)
- Frederick Courteney Selous durch einen deutschen Scharfschützen (1917)
- Brigadegeneral Francis Earl Johnston durch einen deutschen Scharfschützen (1917)
- Henry Norwest durch einen deutschen Scharfschützen (1918)
- George Edwin Ellison durch einen deutschen Scharfschützen (11.11.1918 um 9:30). Er war der letzte britische Soldat, der im Ersten Weltkrieg fiel. Sein Todesort (Mons) ist ca. 7 km Luftlinie westlich vom Todesort von George Lawrence Price entfernt.
- George Lawrence Price durch einen deutschen Scharfschützen (11.11.1918 um 10:58). Kanadischer Soldat. Er gilt als der letzte Soldat des Britischen Weltreiches, der im Ersten Weltkrieg (2 Minuten vor Eintreten des Waffenstillstands) fiel.
- Oberst Harold C. Roberts durch einen japanischen Scharfschützen (1945)
- Oberleutnant Eric Leary durch einen deutschen Scharfschützen (21. Juni 1915) bei Houplines.
- Oberleutnant Kenneth Ford Haslam Ford durch einen deutschen Scharfschützen (30. November 1915) bei Ploegsteert
- Leutnant John Homfray Addenbrooke an der Somme durch einen deutschen Scharfschützen (3. November 1916)
- Der Sarg von Brigadegeneral Johnston (18. August 1917), Bailleul Nordfrankreich, getragen von Brigadegenerälen
Siehe auch
Literatur
Monographien
- Charles Henderson: Todesfalle. Die wahre Geschichte eines Scharfschützen in Vietnam. (Über Carlos Hathcock). Heyne, München 1993, ISBN 3-453-03687-5.
- Jan Boger: Jäger und Gejagte. Die Geschichte der Scharfschützen. Motorbuch, Stuttgart 1987, ISBN 3-87943-373-9.
- Eric L. Haney: Delta Force – Im Einsatz gegen den Terror. Ein Soldat der amerikanischen Elite-Einheit berichtet. Goldmann, München 2003, ISBN 3-442-15215-1. (Zum Thema psychologisches Anforderungsprofil auf S. 162 ff.)
- Peter Brookesmith: Scharfschützen. Geschichte, Taktik, Waffen. Motorbuch, Stuttgart 2004, ISBN 3-613-02247-8.
- Ian V. Hogg (Text), Ray Hutchins (Fotos): Moderne Scharfschützengewehre. Motorbuch, Stuttgart 2004, ISBN 3-613-02014-9.
- David L. Robbins: Krieg der Ratten. Heyne, München 2001, ISBN 3-453-19001-7. (Über den Aufbau einer Scharfschützen-Schule in Stalingrad während des Zweiten Weltkrieges)
- Peter Senich: Deutsche Scharfschützen-Waffen 1914–1945. Motorbuch, Stuttgart 1996, ISBN 3-613-01732-6.
- Mark Spicer: Scharfschützen. Motorbuch, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-613-30586-1.
- Stefan Strasser: Sniper. Militärisches und polizeiliches Scharfschützenwissen kompakt. 2. Auflage. Ares, Graz 2011, ISBN 978-3-902475-63-3.
- Siegfried F. Hübner: Scharfschützen-Schießtechnik: Schießausbildung der Scharfschützen. Kienesberger, 1999, ISBN 3-923995-16-4.
- Jack Coughlin: Shooter: The Autobiography of the Top-Ranked Marine Sniper. Amistad 2005, ISBN 0-06-447290-6.
- Martin Pegler: Out of Nowhere: A History of the military sniper. Osprey Publishing, 2004, ISBN 1-84176-854-5.
- H. Hestketh-Prichard: Sniping In France 1914–18. With Notes on the Scientific Training of Scouts, Observers, and Snipers. Helion and Company, 2004, ISBN 1-874622-47-7.
- Reinhard Scholzen: Die Infanterie der Bundeswehr. Motorbuch, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-613-03293-4.
- Chris Kyle (mit Jim DeFelice, Scott McEwen): Sniper: 160 tödliche Treffer – Der beste Scharfschütze des US-Militärs packt aus. Riva, 2012, ISBN 978-3-86883-245-7. (Autobiografie von Chris Kyle im Irakkrieg)
Zeitschriften
- Visier: Scharfschützen. Visier-Magazin. (Sonderausgabe, 34). Bad Ems 2004, ISBN 3-9809243-2-7.
Dienstvorschriften
- US Army Field Manual 23–10 Sniper Training.
- Bundeswehr Zentrale Dienstvorschrift (ZDv) 3/132 Das Scharfschützengewehr G22.
- Bundeswehr Heeresdienstvorschrift (HDv) 216/721 Der Scharfschütze.
- Nachdruck der Dienstvorschrift MB-60/6 der ehemaligen Nationalen Volksarmee: Einsatzgrundsätze für Scharfschützen. Enforcer 1997, ISBN 3-939700-00-2.
- Merkblatt 25/4 der Wehrmacht Anleitung für die Ausbildung und den Einsatz von Scharfschützen vom 15. Mai 1943, ISBN 978-3-75-349960-4
Einzelnachweise
- Georg Heinz Wetzel: Die Hessischen Jäger. Eine deutsche Truppenhistorie im politischen Wandlungsprozeß von vier Jahrhunderten (1631–1987). George, Kassel 1987.
- Claus Reuter: Die Schlacht von Jena und Auerstedt, Augenzeugen berichten, In: Thüringen, Seine Geschichte, Xinxii Publishing, 2009, ISBN 978-1-894643-39-9, S. 22 u. S. 203ff.
- Jäger und Gejagte: Die Geschichte der Scharfschützen, Jan Boger, 1997, Motorbuch Verlag
- Deutsche Scharfschützen-Waffen 1914–1945, Peter Senich 1996, Motorbuch Verlag, Seite 12
- https://www.omsa.org/na-ich-hab-schon-bessere-parademarsch-gesehn-bavarian-gold-bravery-medal-recipient-georg-herrenreiter/
- Jäger und Gejagte: Die Geschichte der Scharfschützen, Jan Boger, 1997, Motorbuch Verlag, Seite 166
- Scharfschützen: Meister der Geduld, Mark Spicer, 2010, Motorbuch Verlag, Seite 98, 99
- Sniping in the trenches, John L. Plaster 2017, Paladin PR Verlag, Seite 11
- Jäger und Gejagte: Die Geschichte der Scharfschützen, Jan Boger, 1997, Motorbuch Verlag, Seite 166–175
- David Payne: The British 'School Of Sniping’ On The Western Front. (englisch, eingesehen am 19. August 2009).
- Im Fadenkreuz-Tagebuch eines Scharfschützen, Bruno Sutkus 2004, Munin Verlag, Seite 24
- Heeresverordnungsblatt 1928, Nr. 56 vom 27. Januar 1928.
- Das Scharfschützenabzeichen 1944/1945, Rolf Michaelis 2013, Seite 9
- Sniper: Militärisches und polizeiliches Scharfschützenwissen kompakt, Stefan Strasser 2014, Ares-Verlag
- Das Scharfschützenabzeichen 1944/1945, Rolf Michaelis 2013, Seite 27
- Deutsche Scharfschützen-Waffen 1914–1945, Peter Senich 1996, Motorbuch Verlag, Seite 134
- Das Scharfschützenabzeichen 1944/1945, Rolf Michaelis 2013, Seite 32
- russian-mosin-nagant.com
- Bevorzugte Ziele waren auch Wasserträger, weil ihr Ausschalten den Gegner dazu zwang, verkeimtes oder verdorbenes Wasser zu trinken. Siehe: Antony Beevor: Stalingrad. Orbis-Verlag, Niedernhausen 2002, ISBN 3-572-01312-7, S. 242.
- Antony Beevor: Stalingrad. Orbis-Verlag, Niedernhausen 2002, ISBN 3-572-01312-7, S. 242.
- Gespräch mit Wiktor Kidjarow am 22. November 1995. In: Antony Beevor: Stalingrad. Orbis-Verlag, Niedernhausen 2002, ISBN 3-572-01312-7, S. 171.
- William E. Craig: Die Schlacht um Stalingrad. Tatsachenbericht. 8. Auflage. Heyne, München 1991, ISBN 3-453-00787-5, S. 135 f. (Originaltitel: Enemy at the gates, The Battle for Stalingrad. Übersetzt von Ursula Gmelin und Heinrich Graf von Einsiedel).
- Guido Knopp: Stalingrad. Das Drama. Goldmann, München 2006, ISBN 3-442-15372-7, S. 141.
- Guido Knopp: Stalingrad. Das Drama. Goldmann, München 2006, ISBN 3-442-15372-7, S. 143.
- militarybooks.tripod.com
- Der Rattenkrieg in der Schlacht um Stalingrad wurde charakterisiert durch die Scharfschützenkämpfe in: Major John Plaster: The Ultimate Sniper.
- Alexander Przewdzick, Björn Jüttner: Bereit zum Schuss. In: Y – Das Magazin der Bundeswehr. Bundeswehr, 4. Dezember 2013, abgerufen am 7. Februar 2016.
- Wolf Schneider: Schlagschatten – Nelson, Sieger im Tod. In: NZZ Folio. September 2009.
- Canadian sniper 'kills IS militant two miles away'. BBC News, 22. Juni 2017, abgerufen am 22. Juni 2017 (englisch).
- “Intelligence. A sniper’s duties require a wide variety of skills. […] Emotional balance. The sniper must be able to calmly and deliberately kill targets that may not pose an immediate threat to him. It is much easier to kill in self-defense or in the defense of others than it is to kill without apparent provocation. The sniper must not be susceptible to emotions such as anxiety or remorse. Candidates whose motivation toward sniper training rests mainly in the desire for prestige may not be capable of the cold rationality that the sniper’s job requires.” Auf US-Army Field Manual 23–10: Sniper Training and Deployment
- Eric L. Haney: Delta Force – Im Einsatz gegen den Terror. Ein Soldat der amerikanischen Elite-Einheit berichtet. Goldmann, München 2003, ISBN 3-442-15215-1, S. 164.
- Im Fadenkreuz-Tagebuch eines Scharfschützen, Bruno Sutkus 2004, Munin Verlag, Seite 24
Weblinks
- Sniperworld (englisch)
- Snipers des Zweiten Weltkrieges (englisch)
- Scharfschützenrangliste vom Ersten Weltkrieg bis heute
- Neureiter, Markus u. a.: Scharfschützen.
- Teil I, in: Truppendienst, Folge 279, Ausgabe 5, 2004
- Teil II, in: Truppendienst, Folge 280, Ausgabe 6, 2004