Wochenschau
Eine Wochenschau war eine für das Kino wöchentlich neu produzierte Zusammenstellung von Filmberichten über politische, gesellschaftliche, sportliche und kulturelle Ereignisse. Die Kino-Wochenschauen wurden im Vorprogramm zum Hauptfilm gezeigt. Sie wurden überflüssig, als viele Haushalte einen eigenen Fernseher hatten und damit Nachrichtensendungen – täglich oder mehrmals täglich – schauen konnten.
Im Fernsehen knüpfen Sendungen mit „Wochenrückblick“ an die Tradition der Kino-Wochenschauen an.
Geschichte
Als erste eigenständige Wochenschau gilt das französische „Eclair-Journal“ (Frankreich im Jahr 1907). Vorläufer der Wochenschau waren die „Aktualitätenfilme“, die seit 1896 aus Frankreich nach Deutschland importiert wurden und sehr beliebt waren. Ab 1911 wurden auch in Deutschland derartige Filme produziert. Als erste größere deutsche Wochenschau gilt die Messter-Woche, die erstmals am 23. Oktober 1914 gezeigt wurde. Die erste Wochenschau in Österreich erschien im September 1914 mit dem Kriegs-Journal der Wiener Kunstfilm-Industrie (siehe auch: Geschichte der Wochenschau in Österreich). International hatten sich vergleichbare Einrichtungen etabliert. Es bestand ein internationaler Austausch von Bildmaterial zwischen den verschiedenen nationalen Wochenschauen.
In Deutschland gab es bis 1940 vier privatwirtschaftlich produzierte konkurrierende Wochenschauen. Ab Juni 1940 wurden sie von den nationalsozialistischen Machthabern zentralisiert und gleichgeschaltet: Die UFA produzierte in der Folge die Deutsche Wochenschau.
In den 1950er Jahren existierten in vielen deutschen Städten spezialisierte Kinos – Aktualitätenkinos, oft in Bahnhofsnähe – die vom Morgen bis in die späte Nacht Wochenschauen, kurze Filme aller Art, auch Kultur- und Trickfilme spielten. Bei kontinuierlichem Betrieb konnte man sich beliebig lange im Kino aufhalten, also die Filme und Wochenschauen mehrmals sehen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg verloren die Kino-Wochenschauen nach und nach ihre Bedeutung an das neue Medium Fernsehen, welches in Deutschland 1952 startete und regelmäßig Nachrichtensendungen zeigte: die Tagesschau in der Bundesrepublik Deutschland und die Aktuelle Kamera in der DDR.
Während die Fernsehnachrichten sich dem in den USA schon früher verbreiteten Wortnachrichtenformat mit illustrierendem Bildmaterial anglichen, behielt die Wochenschau trotz Kritik an ihrer einseitigen Darstellungsweise ihr Format bei und verstärkte den Unterhaltungsanteil weiter.[1]
Gegen die Vorgaben der Alliierten befand sich die Wochenschau im Staatsbesitz, was aber vor der Öffentlichkeit verschleiert wurde. Sie diente der Regierung Adenauer zur Steuerung der öffentlichen Meinung, als Schaufenster des Wirtschaftswunders, zur politischen Werbung und zur Präsentation eines westorientierten Deutschlands gegenüber dem Ausland.[1]
Inhalt und Form
Das inhaltliche Angebot der Wochenschauen war breit gefächert; meist spielten Kriegshandlungen eine übergeordnete Rolle. Vor allem in Kriegszeiten sowie unter diktatorischen Regimes waren Wochenschauen ein wichtiges Medium der Propaganda. Bereits bei der Aufnahme durch die Filmberichter der Propagandakompanie im Zweiten Weltkrieg wurde Wert auf eine starke Ästhetisierung und Stilisierung gelegt, die im Verlauf der Postproduktion, insbesondere durch Schnitt und Musikvertonung weiter gesteigert wurde. Die Kriegswochenschau sollte nicht in erster Linie als Informationsmedium, sondern als „Beeindruckungsmedium“ wirken.[2]
Während die bis 1940 gezeigte UFA-Tonwoche mit 1000 Fuß eine Spieldauer von 11 Minuten hatte, hatte die danach gesendete Deutsche Wochenschau 2000 bis 2600 Fuß mit einer Spieldauer von etwa 20 bis 30 Minuten.
Hans Magnus Enzensberger widmete den Wochenschauen 1957 einen in den Frankfurter Heften veröffentlichten Aufsatz, der die plakative Oberflächlichkeit der Berichterstattung kritisierte und u. a. die folgende Charakterisierung enthielt:[3]
„Informationswert und Aktualität der Schau sind minimal. Die verwendeten Elemente sind so weit standardisiert, dass selbst in einer einzigen Folge die gleichen stereotypen Muster mehrfach wiederkehren. Die Kürze der einzelnen Stories (zwölf Nummern von durchschnittlich 30 Sekunden Dauer) führt zu einem emotionalen Wechselbad zwischen Idylle und Detonation. Die laute akustische Untermalung verstärkt den psychischen Druck der Bilder. Das Stilideal der Wochenschau ist ballistisch: sie will einschlagen.“
Überblick über einzelne Wochenschauen
Deutschland
- Messter-Wochenschau, erstmals 1914
- Ufa-Woche (Stummfilm; erstmals 17. September 1925)
- Ufa-Tonwoche (10. September 1930–19. Juni 1940 Nr. 1–511)
- Tobis-Wochenschau (1938–1940; zuvor Bavaria-Wochenschau)
- Die Deutsche Wochenschau (25. Juni 1940 bis 22. März 1945; Nr. 512–755)
- Deulig-Woche (Stummfilm; 1920–1931)
- Deulig-Tonwoche (6. Januar 1932 bis Februar 1939; Nr. 1–370)
- Fox’ Tönende Wochenschau (1930–1940 und 1950–1978)
- Ufa-Europa-Woche (Februar 1944 bis Januar 1945; Nr. 50–100)
- Ufa-Auslands-Tonwoche (1943–1945)
- Descheg-Monatsschau (März 1942 bis April 1944; Nr. 1–26)
- Panorama-Farbmonatsschau (1944–1945)
- Welt im Film (Wochenschau der englischen und amerikanischen Besatzungsmacht in Deutschland, ab Mai 1945) bis Juni 1952
- Neue Deutsche Wochenschau (Januar 1950 bis Mai 1963)
- Die Zeit unter der Lupe (Fortsetzung der NDW Juni 1963 bis August 1969)
- Blick in die Welt (1951 bis Januar 1987)
- Der Augenzeuge (DDR, 19. Februar 1946 bis 19. Dezember 1980)
- Welt im Bild (Juli 1952 bis Juli 1956)
- Ufa Wochenschau (ab August 1956 bis Juni 1977)
- Fernsehsendung Wochenspiegel (ARD) (4. Januar 1953 bis 24. August 2014)
Frankreich
- Gaumont Actualités
- Pathé-Journal
- Éclair-Journal
- Actualités Françaises
Großbritannien
- Pathé News (1910 bis 1970)
Italien
- Settimana Incom
- Caleidoscopio CIAC
- Filmgiornale SEDI
- Mondo Libero ASTRA
- Panorama
Österreich
Während der Zugehörigkeit zu Deutschland zwischen März 1938 und Kriegsende 1945 wurde die UFA-Tonwoche gezeigt, ab 7. September 1939 durfte nur noch diese gezeigt werden, bis sie in die Deutsche Wochenschau aufging.
Die ersten österreichischen Wochenschauen nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Österreichische Wochenschau, die im Mai 1945 gezeigt wurde, und mehrere Ausgaben, die mit bereits vorhandenem Material produziert wurden, dann aber verboten wurden. Es folgte die Welt im Film, eine Gemeinschaftsproduktion der englischen und US-amerikanischen Besatzungstruppen in Österreich. Diese Wochenschau erschien bis 1949.
- Wochenschau der Wiener Kunstfilm-Industrie (ca. 1911–?)
- Kriegs-Journal (1914–1918, Wiener Kunstfilm-Industrie)
- Österreichischer Kino-Wochenbericht vom nördlichen und südlichen Kriegsschauplatz, ab 1915 Kinematographische Kriegsberichterstattung und dann Sascha-Kriegswochenbericht (1914–1918, Sascha-Film)
- Sascha-Meßter-Woche (1914–1918, auch: Sascha-Meßter-Film)
- Steiermärkische Filmjournal (1920–?)
- Selenophon-Woche (1931–1934, Selenophon Licht- und Tonbildgesellschaft und Hugo Engel)
- Österreich in Bild und Ton (1933–1938, Selenophon Licht- und Tonbildgesellschaft im Auftrag der austrofaschistischen Regierung)
- Austria Wochenschau (1949–1994)[4]
- ORF-Sendung Wochenschau
Portugal
- Jornal Português
Schweiz
- Ciné-Journal Suisse (1923–1936, Office Cinématographique, Lausanne, dann Cinégram AG, Genf)
- Ciné-Journal Suisse, Schweizer Filmwochenschau (1940–1975, Cinégram AG, Genf; letzter Produzent: Max Dora)
Am 16. April 1940 beschloss der Bundesrat eine Schweizer Filmwochenschau zu schaffen, „um die Sicherheit im Land zu gewährleisten und die Aufrechterhaltung der Neutralität“. Es sollte damit ein Gegenakzent zur erdrückenden Präsenz von ausländischen Wochenschauen (vor allem aus dem nationalsozialistischen Deutschland) gesetzt werden. Nach den Direktiven der Filmkammer wurde sie von einer privaten Firma produziert. Die Kinobesitzer wurden verpflichtet, sie zu abonnieren und vorzuführen. Die Schweizer Wochenschau schloss eine empfindliche Lücke, die durch den Wegfall der französischen Wochenschau entstanden war.[5]
Spanien
- No-Do, (1943–1981)
USA
- Columbia Pictures' Newsreel
- FOX Movietone News, von 20th Century Fox (1927–1963)[6]
- Universal Newsreel, zweiwöchige Wochenschau der Universal Studios (1929–1967)[7]
- The March of Time
- Paramount News
- Pathé News
Einzelnachweise
- Mark Rüdiger: 'Goldene 50er' oder 'Bleierne Zeit'?: Geschichtsbilder der 50er Jahre im Fernsehen der BRD, 1959-1989. transcript Verlag, 2014, ISBN 978-3-8394-2735-4, S. 65– (google.com).
- Karl Stamm: Das „Erlebnis“ des Krieges in der Deutschen Wochenschau. Zur Ästhetisierung der Politik im „Dritten Reich“. In: Berthold Hinz, Hans-Ernst Mittig, Wolfgang Schäche (Hrsg.): „Die Dekoration der Gewalt“. Kunst und Medien im Faschismus. Gießen 1979, ISBN 3-87038-058-6, S. 119.
- Hans Magnus Enzensberger: Scherbenwelt. Die Anatomie einer Wochenschau. In: Einzelheiten I: Bewusstseinsindustrie. Frankfurt am Main 1964, S. 122–123.
- siehe auch ots.at, ORF.at: Ausschnitte der "Austria Wochenschau" online (Memento vom 13. Februar 2013 im Internet Archive)
- Cinémathèque suisse: Schweizer Filmwochenschau (Memento vom 27. Mai 2016 im Internet Archive)
- foxnews.com (Memento vom 13. August 2010 im Internet Archive)
- archive.org
Literatur
- Ulrike Bartels: Die Wochenschau im Dritten Reich: Entwicklung und Funktion eines Massenmediums unter besonderer Berücksichtigung völkisch-nationaler Inhalte. Lang, Frankfurt 2004, ISBN 3-631-52570-2 (Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 1996).
- Bernd Kleinhans: „Der schärfste Ersatz für die Wirklichkeit“. Die Geschichte der Kinowochenschau. Röhrig Universitätsverlag, St. Ingbert 2013, ISBN 978-3-86110-503-9.
- Hans Petschar, Georg Schmid: Erinnerung & Vision. Die Legitimation Österreichs in Bildern. Eine semiohistorische Analyse der Austria Wochenschau 1949–1960. Mit einem Beitrag von Herbert Hayduck. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1990, ISBN 3-201-01510-5.
- Sigrun Lehnert: Arbeit, Freizeit und Streik in der Kino-Wochenschau West- und Ostdeutschlands von den 1950er bis Mitte der 1960er Jahre. In: Arbeit – Bewegung – Geschichte, Heft I/2018, S. 110–133.
Weblinks
- Deutsche Wochenschau GmbH
- MAB Wochenschau-Archiv
- Die Wochenschau als Mittel der NS-Propaganda
- Die Geschichte der deutschen Wochenschau (Artikel auf filmportal.de)
- Joachim Paschen: Vor der „Tagesschau“ gab es die „Wochenschau“. Hamburg als Produktionsort eines untergegangenen Mediums 1950–1977. In: Hamburger Flimmern. Nr. 17, November 2010, S. 24 ff. (filmmuseum-hamburg.de [PDF; 6,0 MB; abgerufen am 21. Dezember 2012]).
- Ciné-journal Suisse in der Archivdatenbank des Schweizerischen Bundesarchivs
- Stiftung Schweizer Filmwochenschau in der Archivdatenbank des Schweizerischen Bundesarchivs
- Ursprung und Entwicklung der Musik in der Wochenschau