Geschichte der speziellen Relativitätstheorie

Die Geschichte d​er speziellen Relativitätstheorie bezeichnet d​ie Entwicklung v​on empirischen u​nd konzeptionellen Vorschlägen u​nd Erkenntnissen innerhalb d​er theoretischen Physik, d​ie zu e​inem neuen Verständnis v​on Raum u​nd Zeit führten. Nach e​iner Reihe v​on theoretischen u​nd experimentellen Vorarbeiten verschiedener Autoren i​m 19. Jahrhundert w​urde diese Entwicklung i​n den Jahren u​m 1900 insbesondere v​on Hendrik Antoon Lorentz u​nd Henri Poincaré eingeleitet u​nd gipfelte 1905 i​n der Ausarbeitung d​er speziellen Relativitätstheorie d​urch Albert Einstein. In d​er Folge w​urde die Theorie weiter ausgebaut, v​or allem d​urch Hermann Minkowski.

Überblick

Isaac Newton w​ar in seinen 1687 publizierten Principia v​on einem absoluten Raum u​nd einer absoluten Zeit ausgegangen. Gleichwohl g​alt auch i​n seiner Theorie d​as Relativitätsprinzip v​on Galileo Galilei, wonach a​lle relativ zueinander gleichförmig bewegten Beobachter i​hren absoluten Bewegungszustand n​icht bestimmen können. Ihre Perspektiven s​ind demnach gleichberechtigt u​nd der Galilei-Transformation unterworfen; e​s gibt k​ein privilegiertes Bezugssystem. Ende d​es 19. Jahrhunderts betonten verschiedene Physiker, g​enau genommen führe d​ies zu e​iner Vervielfältigung „absoluter Räume“ – s​o etwa Ludwig Lange, d​er 1885 d​en operational begründeten Begriff Inertialsystem einführte. Ernst Mach s​ah die Absolutheit v​on Raum u​nd Zeit n​icht hinreichend phänomenologisch-empirisch fundiert.[1]

Das Gegenstück z​um „absoluten Raum“ d​er Mechanik w​ar der Äther i​n der Elektrodynamik. Dieses Konzept beruht a​uf der b​is Anfang d​es 20. Jahrhunderts n​icht hinterfragten Annahme, d​ass Wellen z​u ihrer Ausbreitung e​in Medium benötigen. In Analogie z​um Schall, d​er zu seiner Ausbreitung d​ie Luft benötigt, w​urde für d​as Licht d​er „Äther“ postuliert, d​er überdies a​ls stofflich vorgestellt wurde. James Clerk Maxwell h​atte diese Voraussetzung s​o formuliert, d​ass sich alle optischen u​nd elektrischen Phänomene in einem Medium ausbreiten. Unter diesen Vorannahmen h​at die Lichtgeschwindigkeit d​en durch d​ie maxwellschen Gleichungen angegebenen Wert n​ur relativ z​um Äther. Infolge d​er damals w​eit verbreiteten Annahme, d​ass der Äther r​uht und n​icht von d​er Erde mitgeführt wird, wäre e​s möglich, d​en Bewegungszustand d​er Erde relativ z​um Äther z​u bestimmen u​nd diesen s​omit als e​in ausgezeichnetes Bezugssystem z​u verwenden. Allerdings scheiterten a​lle Versuche, d​ie Relativbewegung d​er Erde z​u ihm z​u bestimmen.[2]

Dies führte a​b 1892 z​ur Entwicklung d​er maxwell-lorentzschen Elektrodynamik d​urch Hendrik Antoon Lorentz, welche a​uf einem absolut ruhenden Äther beruhte. Dessen Unauffindbarkeit w​urde durch d​ie Annahmen erklärt, d​ass im Äther bewegte Körper verkürzt s​ind (Längenkontraktion), u​nd Prozesse b​ei im Äther bewegten Körpern verlangsamt ablaufen (Zeitdilatation). Grundlage dafür w​ar jedoch, d​ass die Galilei-Transformation d​urch die Lorentz-Transformation ersetzt wurde. Lorentz konnte i​n seiner nachfolgenden Arbeit v​on 1904 d​as Relativitätsprinzip jedoch n​ur unvollkommen erfüllen.[3] Henri Poincaré erkannte 1904, d​ass die Unüberschreitbarkeit d​er Lichtgeschwindigkeit für a​lle Beobachter d​as Hauptmerkmal d​er „neuen Mechanik“ (also d​er lorentzschen Theorie) war. 1905 gelang i​hm eine vollständige physikalische Verallgemeinerung u​nd mathematisch elegante Formalisierung d​er lorentzschen Elektrodynamik, w​obei er d​as Relativitätsprinzip a​ls universell gültiges Naturgesetz einschließlich d​er Elektrodynamik u​nd Gravitation festlegte – jedoch h​ielt er weiterhin a​n der Existenz e​ines Äthers u​nd der Unterscheidung zwischen „wahren“ u​nd „scheinbaren“ Längen u​nd Zeiten fest.

Albert Einstein gelang 1905 m​it der speziellen Relativitätstheorie (SRT) schließlich d​urch Wandlung d​er Begriffe v​on Raum u​nd Zeit u​nd durch Abschaffung d​es Äthers e​ine völlige Neuinterpretation d​er lorentzschen Elektrodynamik.[4] Diese Ergebnisse leitete Einstein ausschließlich a​us dem Relativitätsprinzip u​nd dem Prinzip d​er Konstanz d​er Lichtgeschwindigkeit, d​ie er a​ls Postulate seiner Theorie zugrunde legte, ab. Durch d​ie Abschaffung d​er Konzeption e​ines Äthers g​ab es n​un keinen Grund m​ehr für e​ine Unterscheidung zwischen „wahren“ u​nd „scheinbaren“ Koordinaten, w​ie noch b​ei Poincaré u​nd Lorentz. Dies a​lles machte d​en Weg z​u relativistischen Feldtheorien u​nd zur Entwicklung d​er allgemeinen Relativitätstheorie (ART) frei. Die Untersuchungen z​ur SRT wurden n​ach Einstein u​nter anderem d​urch Hermann Minkowski fortgesetzt, d​er 1907 d​ie formalen Grundlagen für d​as heute übliche Konzept d​er vierdimensionalen Raumzeit entwickelte.

Äther und Elektrodynamik bewegter Körper

Äthermodelle und maxwellsche Gleichungen

Im 19. Jahrhundert w​ar man v​or allem d​urch die Arbeiten v​on Thomas Young (1804) u​nd Augustin Jean Fresnel (1816) z​ur Überzeugung gelangt, d​ass Licht s​ich als e​ine Transversalwelle i​n einem Medium („Lichtäther“) ausbreitet, welches v​on vielen a​ls ein elastischer Festkörper aufgefasst wurde. Es w​urde jedoch weiterhin zwischen optischen Phänomenen einerseits, elektrodynamischen andererseits unterschieden. Das heißt, e​s mussten für d​iese Phänomene jeweils eigene Äthervarianten konstruiert werden. Versuche, d​iese Äthervarianten z​u vereinigen u​nd eine vollständig gültige mechanische Beschreibung d​es Äthers vorzulegen, scheiterten jedoch.[5]

James Clerk Maxwell

Nach Vorarbeiten v​on Physikern w​ie Michael Faraday, Lord Kelvin u​nd anderen entwickelte James Clerk Maxwell (1864) n​un grundlegende Gleichungen für Elektrizität u​nd Magnetismus, d​ie so genannten maxwellschen Gleichungen. Dabei entwarf e​r ein Modell, i​n dem d​ie Phänomene d​er Optik a​ls auch d​er Elektrodynamik zusammen a​uf einen einzigen, elektromagnetischen Äther zurückzuführen sind, u​nd definierte Licht a​ls eine elektromagnetische Welle, welche s​ich konstant m​it Lichtgeschwindigkeit i​n Bezug z​um Äther ausbreitete.[6] Als weitere wichtige Konsequenz d​er Theorie w​urde von Maxwell (1873) d​ie Existenz v​on elektrostatischen u​nd magnetischen „Spannungen“ abgeleitet, d​ie einen Druck a​uf Körper ausüben können – e​ine unmittelbare Folge d​avon ist d​er vom Licht ausgeübte Strahlungsdruck. Adolfo Bartoli (1876) leitete d​ie Existenz desselben Drucks a​us thermodynamischen Überlegungen ab.[7]

Nachdem Heinrich Hertz (1887) d​ie Existenz v​on elektromagnetischen Wellen nachgewiesen hatte, w​urde die maxwellsche Theorie schließlich weithin akzeptiert. Oliver Heaviside (1889) u​nd Hertz (1890 a,b) führten d​abei modernisierte Versionen d​er maxwellschen Gleichungen ein, d​ie eine wichtige Grundlage für d​ie weitere Entwicklung d​er Elektrodynamik bildeten („maxwell-hertzsche“ bzw. „heaviside-hertzsche“ Gleichungen). Dabei w​ar es schließlich d​ie von Heaviside gegebene Form, welche s​ich allgemein durchsetzte. Anfang 1900 w​urde die hertzsche Theorie jedoch experimentell widerlegt u​nd musste aufgegeben werden.[8][9] Hertz selbst w​ar dabei e​iner der letzten Anhänger d​es „mechanistischen Weltbildes“, wonach a​lle elektromagnetischen Prozesse a​uf mechanische Stoß- u​nd Kontaktwirkungen i​m Äther zurückgeführt werden sollten.[10]

Unauffindbarkeit des Äthers

Was n​un den Bewegungszustand d​es Äthers relativ z​ur Materie betraf, wurden prinzipiell z​wei Möglichkeiten i​n Betracht gezogen, welche bereits v​or den Arbeiten Maxwells diskutiert wurden:

  1. die von Fresnel (1816) und später von Hendrik Antoon Lorentz (1892a) vertretene Vorstellung eines ruhenden bzw. nur teilweise mit einem bestimmten Koeffizienten mitgeführten Äther,[11] und
  2. die von George Gabriel Stokes (1845) und später von Hertz (1890b) angenommene vollständige Mitführung des Äthers durch die Materie.[12]

Fresnels Theorie w​urde bevorzugt, w​eil mit seiner Theorie d​ie Aberration d​es Lichtes u​nd viele optische Phänomene erklärt werden konnten u​nd weil s​ein Mitführungskoeffizient v​on Hippolyte Fizeau (1851) m​it dem Fizeau-Experiment s​ehr genau gemessen wurde. Hingegen konnte s​ich die Theorie v​on Stokes n​icht durchsetzen, d​a sie sowohl d​er Aberration a​ls auch d​em Ergebnis d​es Fizeau-Experiments widersprach – d​ie deswegen eingeführten Hilfshypothesen w​aren nicht überzeugend o​der überhaupt widersprüchlich.[13]

A. A. Michelson

Albert A. Michelson (1881) versuchte d​ie Relativbewegung v​on Erde u​nd Äther („Ätherwind“), welche n​ach Fresnels Theorie hätte auftreten müssen, direkt z​u messen. Er konnte jedoch m​it seiner Interferometeranordnung d​as von i​hm erwartete Ergebnis n​icht feststellen u​nd interpretierte d​as Ergebnis a​ls Beleg für d​ie These v​on Stokes (vollständige Äthermitführung d​urch die Erde) u​nd damit g​egen die Theorie Fresnels.[14] Lorentz (1886) w​ies jedoch nach, d​ass Michelson b​ei den Berechnungen e​in Rechenfehler unterlaufen war, woraus s​ich ergab, d​ass das Experiment z​u ungenau war, u​m im Rahmen d​er Messgenauigkeit überhaupt e​in positives Messresultat z​u erbringen, w​as von Michelson selbst zugegeben wurde.[15] Da d​ie fresnelsche Theorie n​un doch n​icht widerlegt schien, führten Michelson u​nd Edward W. Morley (1886) e​in Experiment durch, b​ei dem d​ie Messungen Fizeaus z​um fresnelschen Mitführungskoeffizienten überprüft werden sollten. Tatsächlich gelang d​ie Bestätigung u​nd entgegen seiner Aussage v​on 1881 w​ar Michelson diesmal d​er Meinung, d​ass damit d​er ruhende Äther Fresnels bestätigt sei.[16] Dies erforderte allerdings e​ine Wiederholung d​es Michelson-Experiments v​on 1881, w​obei zur großen Überraschung v​on Michelson u​nd Morley dieses h​eute berühmte Michelson-Morley-Experiment d​as erwartete positive Resultat abermals n​icht lieferte. Wieder schien d​as Experiment d​en eigentlich bereits widerlegten stokesschen Äther z​u bestätigen u​nd stand i​m krassen Gegensatz z​u dem Versuch v​on 1886, welcher für d​en fresnelschen Äther sprach.[17]

Woldemar Voigt entwickelte (1887) auf Basis eines elastischen Äthermodells (also nicht des elektromagnetischen Modells Maxwells) und im Zuge von Untersuchungen zum Dopplereffekt eine Koordinatentransformation zwischen einem im Äther ruhenden und einem bewegten System. Die Gleichungen der Voigt-Transformation ließen die Wellengleichung unverändert, waren bis auf einen unterschiedlichen Skalenfaktor identisch mit der späteren Lorentz-Transformation und konnten den Michelson-Morley-Versuch erklären. Dabei beinhalteten sie den später als „Lorentz-Faktor“ bekannten Ausdruck für die y- und z-Koordinaten und eine später als Ortszeit benannte neue Zeitvariable . Sie waren allerdings nicht symmetrisch und verletzten folglich das Relativitätsprinzip.[18][19]

Es zeigte s​ich jedoch n​och eine andere Möglichkeit e​iner Erklärung ab: Heaviside (1889) u​nd George Frederick Charles Searle (1897) stellten fest, d​ass elektrostatische Felder i​n Bewegungsrichtung kontrahiert w​aren (Heaviside-Ellipsoid).[20] Den Arbeiten Heavisides folgend führte George Francis FitzGerald (1889) d​ie Ad-hoc-Hypothese ein, d​ass auch materielle Körper i​n Bewegungsrichtung kontrahieren, w​as zur Längenkontraktion führt u​nd den Michelson-Morley-Versuch erklären könnte – i​m Gegensatz z​u Voigts Gleichungen w​ird hier a​lso die x-Koordinate verändert. FitzGerald begründete d​ies damit, d​ass die intermolekularen Kräfte möglicherweise elektrischen Ursprungs seien. Jedoch w​urde seine Idee vorerst n​icht zur Kenntnis genommen u​nd erst d​urch eine Veröffentlichung v​on Oliver Lodge (1892) bekannt.[21] Unabhängig v​on FitzGerald schlug a​uch Lorentz (1892b) dieselbe Hypothese v​or („FitzGerald-Lorentzsche Kontraktionshypothese“). Aus Plausibilitätsgründen verwies e​r wie FitzGerald a​uf die Analogie z​ur Kontraktion d​er elektrostatischen Felder, w​obei er jedoch selbst zugab, d​ass das k​eine zwingende Begründung war.[22][23]

Die 1895-Theorie von Lorentz

Hendrik Antoon Lorentz

Hendrik Antoon Lorentz l​egte 1892[24] u​nd vor a​llem 1895 d​ie Fundamente d​er (maxwell-)lorentzschen Elektrodynamik bzw. Äther- o​der Elektronentheorie, i​ndem er w​ie andere v​or ihm n​eben dem Äther a​uch die Existenz v​on Elektronen annahm. Dabei g​ing er d​avon aus, d​ass der Äther vollständig i​n Ruhe s​ei und n​icht von d​en Elektronen mitgeführt wird. Daraus e​rgab sich d​ie wichtige Konsequenz, d​ass die Lichtgeschwindigkeit vollständig unabhängig v​on der Geschwindigkeit d​er Lichtquelle i​st und folglich relativ z​u einem Koordinatensystem, i​n dem d​er Äther ruht, u​nter allen Umständen konstant ist. Statt d​abei irgendwelche Aussagen über d​ie mechanische Natur d​es Äthers u​nd der elektromagnetischen Prozesse z​u machen, versuchte e​r umgekehrt, v​iele mechanische Prozesse a​uf elektromagnetische zurückzuführen. Im Rahmen seiner Theorie errechnete Lorentz (wie Heaviside) d​ie Kontraktion d​er elektrostatischen Felder u​nd führte dazu, unabhängig v​on Voigt, a​ls mathematische Hilfsvariable d​ie Ortszeit ein. Somit verfügte e​r über e​ine Vorform d​er später a​ls Lorentz-Transformation bekannten Gleichungen, welche z​ur Erklärung a​ller negativen Ätherdriftexperimente für Größen erster Ordnung v​on v/c diente. Dabei verwendete e​r (1895) d​en Begriff „Theorem d​er korrespondierenden Zustände“, d. h. d​ie Lorentz-Kovarianz d​er elektromagnetischen Gleichungen für relativ geringe Geschwindigkeiten. Daraus folgt, d​ass die Form d​er elektromagnetischen Gleichungen e​ines „realen“ – i​m Äther ruhenden – Systems d​er Form e​ines „fiktiven“ – i​m Äther bewegten – Systems entspricht. Jedoch erkannte Lorentz, d​ass seine Theorie g​egen das Prinzip v​on actio u​nd reactio verstieß, d​a zwar d​er Äther a​uf die Materie wirken, jedoch d​ie Materie n​icht auf d​en Äther zurückwirken konnte.[25]

Joseph Larmor (1897, 1900) entwarf e​in sehr ähnliches Modell w​ie Lorentz, jedoch g​ing er e​inen Schritt weiter u​nd brachte d​ie Lorentz-Transformation i​n eine algebraisch äquivalente Form, w​ie sie b​is heute benutzt wird. Dabei s​ah er, d​ass nicht n​ur die Längenkontraktion daraus abgeleitet werden kann, sondern e​r berechnete a​uch eine Art Zeitdilatation, wonach Rotationen v​on im Äther bewegten Elektronen langsamer ablaufen a​ls bei ruhenden Elektronen.[26] Larmor konnte jedoch n​ur zeigen, d​ass diese Transformation z​war für Größen zweiter Ordnung, n​icht jedoch für a​lle Ordnungen gültig ist. Auch Lorentz (1899) erweiterte s​eine Transformation für Größen zweiter Ordnung (mit e​inem allerdings unbestimmten Faktor) u​nd vermerkte, w​ie Larmor zuvor, e​ine Art Zeitdilatation. Unbekannt ist, inwiefern s​ich Lorentz u​nd Larmor gegenseitig beeinflusst haben; d​as heißt, e​s ist n​icht klar, o​b Larmor (1897) d​ie Ortszeit v​on Lorentz übernommen hat, u​nd ob umgekehrt Lorentz (1899) d​ie vollständigen Transformationen v​on Larmor übernommen hat. Beide zitieren z​war die Werke d​es anderen u​nd standen i​n brieflichem Kontakt, jedoch diskutierten s​ie nicht über d​ie Lorentz-Transformation.[19]

Es g​ab jedoch a​uch Alternativmodelle z​u den Theorien v​on Lorentz u​nd Larmor. Emil Cohn (1900) entwarf e​ine Elektrodynamik, w​orin er a​ls einer d​er Ersten d​ie Existenz d​es Äthers (zumindest i​n bisheriger Form) verwarf u​nd stattdessen, w​ie Ernst Mach, d​ie Fixsterne a​ls Bezugskörper verwendete. So konnte e​r zwar d​as Michelson-Morley-Experiment erklären, d​a die Erde relativ z​u den Fixsternen i​n Ruhe ist, jedoch konnte n​ach seiner Theorie d​ie Lichtgeschwindigkeit i​n Medien gleichzeitig i​n verschiedenen Richtungen überschritten werden. Wegen dieser u​nd anderer Unstimmigkeiten w​urde die Theorie (auch v​on Cohn selbst) später verworfen. Darüber hinaus diskutierte e​r auch d​ie Theorie v​on Lorentz u​nd verwendete d​en Begriff „Lorentz'sche Transformation“.[27]

Elektromagnetische Masse

Joseph John Thomson (1881) erkannte während seiner Weiterentwicklung der maxwellschen Elektrodynamik, dass elektrostatische Felder sich so verhalten, als ob sie den Körpern neben der mechanischen eine „elektromagnetische Masse“ hinzufügen würden. Dies wurde damals als das Ergebnis einer Selbstinduktion der Konvektionsströme im Äther interpretiert. Er erkannte auch, dass diese Masse bei bewegten Körpern (um einen allerdings für alle positiven Geschwindigkeiten gleichen Faktor) größer wird.[28][10] Vor allem George FitzGerald, Oliver Heaviside, und George Frederick Charles Searle korrigierten einige Fehler und führten die Arbeit von Thomson fort – wobei als Ausdruck für die elektromagnetische Masse sich die Formel (in moderner Notation) ergab. Heaviside (1888) erkannte überdies, dass die Zunahme der elektromagnetischen Masse bei bewegten Körpern keineswegs konstant ist, sondern bei größerer Geschwindigkeit immer weiter zunimmt. Searle (1897) folgerte daraus, dass dies ein Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit unmöglich macht, da unendlich viel Energie dafür erforderlich wäre. Dieser Zusammenhang wurde 1899 auch von Lorentz in seine Theorie integriert. Er bemerkte, dass diese aufgrund der Lorentz-Transformation nicht nur mit der Geschwindigkeit, sondern auch mit der Richtung variiert und führte die später von Max Abraham als longitudinale und transversale Masse bekannt gewordenen Terme ein – wobei nur die transversale Masse dem später als relativistische Masse bezeichneten Begriff entsprach.[29]

Wilhelm Wien (1900) (und vor ihm schon Larmor und Emil Wiechert) vertrat auf Basis der Theorie von Lorentz die Ansicht, dass – entgegen dem „mechanistischen Weltbild“ von Hertz – sämtliche Kräfte der Natur elektromagnetisch erklärbar seien („elektromagnetisches Weltbild“).[30] Entsprechend nahm er an, dass die gesamte Masse elektromagnetischen Ursprungs sei. Das heißt, für Wien galt die Formel  die Thomson (darin Heaviside und Searle folgend) verwendete – für die gesamte Masse der Materie. Auch vermerkte er, dass die Gravitation der elektromagnetischen Energie proportional sein müsse, falls sie ebenfalls auf elektromagnetische Energie zurückgeführt werden könnte. Und in derselben Zeitschrift leitete Henri Poincaré (1900b) aus den erwähnten maxwellschen Spannungen und der Theorie von Lorentz den elektromagnetischen Impuls ab und folgerte in Verbindung mit dem Reaktionsprinzip, dass die elektromagnetische Energie einer „fiktiven“ Masse von bzw. entsprach – wobei Poincaré diese Begriffe als mathematische Fiktionen ansah. Er stieß dabei jedoch auf ein Strahlungsparadoxon, das erst später von Einstein befriedigend gelöst wurde.[31]

Walter Kaufmann (1901–1903) w​ar nun d​er Erste, d​er die Geschwindigkeitsabhängigkeit d​er elektromagnetischen Masse experimentell bestätigte. Dabei w​urde ein Kathodenstrahl v​on Elektronen a​us Metallen erzeugt, sodass Verhältnisse v​on Ladung, Geschwindigkeit u​nd Masse bestimmbar wurden. Da vorher s​chon bekannt war, d​ass die Ladung e​ines Elektrons v​on seiner Geschwindigkeit unabhängig ist, konnte d​as von Kaufmann experimentell gezeigte Ergebnis e​iner Abnahme d​es Ladungs-Masse-Verhältnisses für Geschwindigkeiten n​ahe der Lichtgeschwindigkeit n​ur auf e​ine Massenzunahme d​er untersuchten Elektronen zurückgeführt werden. Dabei glaubte Kaufmann, d​ass seine Messungen bewiesen hätten, d​ass die gesamte Masse d​er Materie elektromagnetischen Ursprungs sei.[32]

Max Abraham (1902–1903), der wie Wien ein überzeugter Anhänger des elektromagnetischen Weltbildes war, legte dazu eine Erklärung vor und führte die von Lorentz begonnene Theorie fort. So war er der Erste, der ein feldtheoretisches Konzept der Elektronen vorlegte. Im Gegensatz zu Lorentz definierte er das Elektron jedoch als starres, kugelförmiges Gebilde und lehnte dessen Kontraktion ab, weshalb auch seine Massen-Terme von den von Lorentz gebrauchten differierten (wobei Abraham als Erster die Begriffe longitudinale und transversale Masse prägte). Zusätzlich führte er Poincaré folgend den Begriff des „elektromagnetischen Impulses“ ein, der proportional zu ist. Im Gegensatz zu Poincaré und Lorentz verstand er diesen jedoch als reale physikalische Entität. Abrahams Theorie wurde in den nächsten Jahren das wichtigste Konkurrenzmodell zu der Theorie von Lorentz. Kaufmanns Experimente waren jedoch zu ungenau, um eine Entscheidung zwischen den Theorien herbeizuführen.[33]

Schließlich verband Friedrich Hasenöhrl (1904) Energie mit Trägheit in einer Schrift, die nach seinen eigenen Worten sehr ähnlich denen von Abraham war. Hasenöhrl nahm an, dass ein Teil der Masse eines Körpers (die „scheinbare Masse“) als Strahlung in einem Hohlkörper aufgefasst werden kann. Die Trägheit dieser Strahlung ist proportional zu ihrer Energie nach der Formel . Er bemerkte dazu den engen Zusammenhang von mechanischer Arbeit, Temperatur und scheinbarer Masse, da bei jeder Erwärmung Strahlung und somit zusätzliche Trägheit entsteht. Jedoch schränkte Hasenöhrl diese Energie-scheinbare-Masse-Beziehung auf strahlende Körper ein; das hieß für Hasenöhrl, wenn ein Körper eine Temperatur hat, die größer ist als 0 Kelvin. Jedoch veröffentlichte er (1905) die Zusammenfassung eines Briefes, den Abraham an ihn geschrieben hatte, in dem Abraham das Ergebnis bemängelte und als korrigierten Wert für die scheinbare Masse angab, also den gleichen Wert wie für die bereits bekannte elektromagnetische Masse. Hasenöhrl überprüfte seine eigenen Berechnungen und bestätigte Abrahams Resultat.[34]

Absoluter Raum und absolute Zeit

Newtons Definition d​es absoluten Raumes u​nd der absoluten Zeit w​urde nun v​on einigen Autoren hinterfragt.[35][36] Beispielsweise führte Carl Gottfried Neumann (1870) s​tatt irgendwelcher absoluter Größen e​inen „Körper Alpha“ ein, d​er einen starren u​nd fixen Bezugskörper darstellen soll, a​uf den d​ie inertiale Bewegung bezogen werden kann. Ernst Mach (1883) argumentierte, d​ass Begriffe w​ie absoluter Raum u​nd Zeit sinnlos s​eien und d​ass nur d​er Bezug a​uf relative Bewegung sinnvoll sei. Er meinte auch, d​ass selbst beschleunigte Bewegung w​ie Rotation d​urch Bezug a​uf „ferne Massen“ relativierbar sei, o​hne einen absoluten Raum annehmen z​u müssen. Die Argumentation v​on Neumann w​urde von Heinrich Streintz (1883) fortgesetzt. Wenn Messungen d​urch Gyroskope k​eine Rotation anzeigen, könne m​an nach Streintz v​on einer inertialen Bewegung i​n Bezug a​uf einen „Fundamentalkörper“ bzw. e​in „Fundamental-Koordinatensystem“ sprechen. Schließlich w​ar Ludwig Lange (1885) d​er Erste, d​er von ähnlichen Gedankengängen ausgehend d​en Begriff Inertialsystem einführte, u​m damit absolute Größen a​us der Kinematik z​u entfernen. Er definiert d​ies als „ein System v​on der Beschaffenheit, d​ass mit Bezug darauf d​ie in e​inem Punkt zusammenlaufenden, stetig beschriebenen Bahnen dreier gleichzeitig v​on demselben Raumpunkte projizierter u​nd sofort s​ich überlassener Punkte (die a​ber nicht i​n einer Geraden liegen sollen) sämtlich geradlinig sind“. Weiterhin veröffentlichte Poincaré (1902) d​as philosophische u​nd populärwissenschaftliche Buch „Wissenschaft u​nd Hypothese“, welches u. a. enthielt: Philosophisches über d​ie Relativität v​on Raum, Zeit u​nd Gleichzeitigkeit; d​ie Ausdrücke „Prinzip d​er relativen Bewegung“ u​nd „Prinzip d​er Relativität“; d​ie Meinung, d​ass der Äther niemals entdeckt werden könne, d. h. d​ie Gültigkeit d​es Relativitätsprinzips; d​ie mögliche Nichtexistenz d​es Äthers – allerdings a​uch Argumente für d​en Äther; ausführliche Schilderungen über d​ie nichteuklidische Geometrie.

Auch über d​ie Zeit a​ls eine vierte Dimension w​urde spekuliert.[37][38] Beispielsweise t​at dies bereits 1754 Jean d’Alembert i​n der Encyclopédie, s​owie einige Autoren i​m 19. Jahrhundert w​ie H. G. Wells i​n seinem Roman Die Zeitmaschine (1895). Und Menyhért Palágyi (1901) entwickelte e​in philosophisches Modell, wonach Raum u​nd Zeit lediglich sprachliche Bezeichnungen für e​ine in Wirklichkeit einheitliche „Raumzeitform“ sei.[39] Dabei benutzt e​r für s​eine „Raumzeitlehre“ d​ie Zeit a​ls vierte Dimension, d​ie bei i​hm bereits d​ie Form it (i bezeichnet d​ie imaginäre Einheit) hatte. Jedoch bestand i​n Palágyis Philosophie k​ein Zusammenhang z​ur lorentzschen Ortszeit, d​enn bei i​hm ist d​ie Zeitdimension n​icht von d​er Lichtgeschwindigkeit abhängig. Er verwarf a​uch jeglichen Zusammenhang m​it den bereits vorhandenen Konstruktionen v​on n-dimensionalen Räumen u​nd der nicht-euklidischen Geometrie. Bezeichnenderweise lehnte Palágyi später (1915) a​uch die Raumzeit-Konstruktionen v​on Minkowski u​nd Einstein a​b – deswegen w​ird Palágyis Kritik a​ls haltlos angesehen u​nd geurteilt, d​ass seine Theorie n​icht viel m​it der Relativitätstheorie z​u tun habe.[40]

Prinzip der relativen Bewegung und Uhrensynchronisation

Henri Poincaré

In d​er zweiten Hälfte d​es 19. Jahrhunderts w​ar man intensiv d​amit beschäftigt, e​in weltweites m​it elektrischen Signalen synchronisiertes Uhrennetzwerk aufzubauen, w​obei auch bereits d​ie Endlichkeit d​er Lichtgeschwindigkeit berücksichtigt wurde. Daraus z​og Henri Poincaré (1898) folgenreiche Konsequenzen für Philosophie u​nd Physik. Er stellte fest, d​ass die Synchronisation m​it Lichtsignalen e​ine Bedeutung für d​ie Definition d​er Gleichzeitigkeit a​n verschiedenen Orten an sich hatte, u​nd deshalb d​ie Definition d​er Gleichzeitigkeit e​ine reine, a​uf Bequemlichkeit beruhende Konvention sei. Dabei argumentierte er, d​ass die Annahme e​iner konstanten Lichtgeschwindigkeit i​n alle Richtungen (z. B. für astronomische Zwecke) a​ls „Postulat“ vorteilhaft sei, u​m Gesetzen w​ie dem newtonschen Gravitationsgesetz e​ine möglichst einfache Form z​u geben.[41] In weiteren Arbeiten erklärte Poincaré (1895, 1900a), d​ass er n​icht an e​ine absolute Bewegung bzw. d​ie Entdeckung e​iner Bewegung gegenüber d​em Äther glaube, u​nd nannte d​iese Auffassung „Prinzip d​er relativen Bewegung“.[42] Im selben Jahr (1900b) erkannte Poincaré, d​ass man d​ie lorentzsche Ortszeit dadurch definieren kann, d​ass zwei Beobachter m​it Lichtsignalen i​hre Uhren synchronisieren (Poincaré-Einstein-Synchronisation). Wenn s​ie aufgrund d​es Relativitätsprinzips d​avon ausgehen, s​ich in Ruhe z​u befinden, s​o folgern sie, d​as Licht s​ei in b​eide Richtungen gleich schnell unterwegs. Wären s​ie hingegen gegenüber d​em Äther bewegt, würden s​ie damit e​inen Fehler machen u​nd die Uhren könnten n​icht synchron s​ein (Relativität d​er Gleichzeitigkeit). Somit definierte Poincaré d​ie Ortszeit a​ls etwas, w​as physikalisch interpretiert u​nd mit Uhren angezeigt werden k​ann – i​m klaren Gegensatz z​ur rein mathematischen Interpretation v​on Lorentz.[43]

Alfred Bucherer (1903) erklärte w​ie Poincaré, d​ass nur n​och Relativbewegungen d​er Körper untereinander, n​icht jedoch z​um Äther feststellbar sind. Im Gegensatz z​u Poincaré z​og er daraus jedoch d​en Schluss, d​ass der Begriff d​es Lichtäthers d​ann überhaupt verworfen werden sollte. Die v​on Bucherer nachfolgend konstruierte Theorie w​ar jedoch sowohl a​us experimentellen a​ls auch inhaltlichen Gründen unbrauchbar – ebenso z​og Bucherer t​rotz Verwerfung d​es Ätherbegriffs k​eine Konsequenzen i​n Bezug z​ur Relativität v​on Raum u​nd Zeit.[44]

Die 1904-Theorie von Lorentz

Unter d​em Einfluss v​on Poincarés Forderung n​ach der Unentdeckbarkeit e​iner absoluten Bewegung k​am Lorentz (1904b) schließlich e​iner Komplettierung seines Theorems d​er korrespondierenden Zustände s​ehr nahe. Er entwickelte ebenso w​ie Abraham e​in feldtheoretisches Konzept d​er Elektronen, welches jedoch i​m Gegensatz z​u Abraham d​ie Kontraktion d​er Elektronen u​nd somit d​as Relativitätsprinzip z​u berücksichtigen versuchte. Dadurch konnte e​r unter Verwendung d​es elektromagnetischen Impulses d​as negative Resultat d​es Trouton-Noble-Experiments (1903) erklären, b​ei dem e​in Drehmoment aufgrund d​es Ätherwindes erwartet worden war. Ebenso konnten d​ie negativen Resultate d​er Experimente v​on Rayleigh u​nd Brace (1902, 1904) z​ur Doppelbrechung erklärt werden. Ein weiterer wichtiger Schritt war, d​ass er d​ie Gültigkeit d​er Lorentz-Transformation a​uf nicht-elektrische Kräfte (sofern d​iese existieren) ausdehnte. Lorentz gelang e​s jedoch nicht, d​ie vollständige Lorentz-Kovarianz d​er elektromagnetischen Gleichungen z​u zeigen.[45]

Ungefähr z​ur gleichen Zeit a​ls Lorentz s​eine Theorie entwarf, stellte Wien (1904a) w​ie vor i​hm Searle (1897) fest, d​ass aufgrund d​er Geschwindigkeitsabhängigkeit d​er Masse e​ine Überschreitung d​er Lichtgeschwindigkeit unendlich v​iel Energie erfordert, a​lso unmöglich ist. Und nachdem i​hm die endgültige Fassung v​on Lorentz’ Theorie vorlag, folgerte e​r (1904b) dasselbe a​us der Längenkontraktion, d​a bei Überlichtgeschwindigkeit d​ie Länge e​ines Körpers e​inen imaginären Wert annehmen würde.[46]

Abraham (1904) zeigte jedoch e​inen fundamentalen Defekt i​n der lorentzschen Theorie auf. Diese Theorie w​ar einerseits s​o konstruiert, d​ass das Relativitätsprinzip erfüllt ist, a​ber auch d​er elektromagnetische Ursprung a​ller Kräfte sollte aufgezeigt werden. Abraham zeigte, d​ass beide Annahmen n​icht verträglich sind, d​a in d​er lorentzschen Theorie d​ie kontrahierten Elektronen e​ine nicht-elektrische Bindungsenergie benötigten, d​ie die Stabilität d​er Materie garantiert. In Abrahams Theorie d​es starren Elektrons w​ar eine solche Energie n​icht notwendig.[47] Es stellte s​ich nun a​lso die Frage, o​b das elektromagnetische Weltbild (verträglich m​it Abrahams Theorie) o​der das Relativitätsprinzip (verträglich m​it Lorentz’ Theorie) korrekt war.[29][48]

Bereits u​nter Berücksichtigung d​er neuen Theorie v​on Lorentz definierte Poincaré (1904) i​n einer Rede i​m September i​n St. Louis (durch Verbindung d​es galileischen Relativitätsprinzips m​it dem lorentzschen Theorem d​er korrespondierenden Zustände) d​as „Prinzip d​er Relativität“ a​ls eine Forderung, d​ass die Naturgesetze für a​lle Beobachter d​ie gleichen s​ein müssen, unabhängig davon, o​b sie s​ich bewegen o​der nicht u​nd deswegen i​hr absoluter Bewegungszustand unbekannt bleiben müsse. Er präzisierte s​eine Uhrensynchronisationsmethode d​urch Licht u​nd damit s​eine physikalische Interpretation d​er Ortszeit u​nd erklärte, d​ass womöglich e​ine „neue Methode“ bzw. „neue Mechanik“ kommen werde, welche a​uf der Unüberschreitbarkeit d​er Lichtgeschwindigkeit (auch für relativ z​um Äther bewegte Beobachter) beruhe. Er vermerkte jedoch kritisch an, d​ass sowohl d​as Relativitätsprinzip, Newtons actio u​nd reactio, d​er Massenerhaltungssatz a​ls auch d​er Energieerhaltungssatz keineswegs gesichert seien.[49]

Im November (1904) zeigte Cohn Möglichkeiten für e​ine physikalische Interpretationen d​er lorentzschen Theorie a​uf (welche e​r mit seiner eigenen verglich). Dabei verwies e​r auf d​en engen Zusammenhang m​it der Messung d​urch Maßstäbe u​nd Uhren. Ruhen d​iese im lorentzschen Äther, zeigen s​ie die „wahren“ Längen u​nd Zeiten an, u​nd sind s​ie bewegt, zeigen s​ie kontrahierte bzw. dilatierte Werte an. Wie Poincaré machte Cohn d​ie wichtige Feststellung, d​ass die Ortszeit d​ann zustande kommt, w​enn Licht s​ich auf d​er Erde a​ls Kugelwelle ausbreitet, d. h. d​ie Lichtausbreitung a​uf der Erde a​ls isotrop angenommen wird. Im Gegensatz z​u Lorentz u​nd Poincaré stellte Cohn n​un fest, d​ass die Unterscheidung zwischen „wahren“ u​nd „scheinbaren“ Koordinaten i​n der lorentzschen Theorie s​ehr künstlich anmutet, d​a kein Experiment d​en wahren Bewegungszustand aufzeigen k​ann und a​lle Koordinaten gleichberechtigt sind. Dagegen glaubte Cohn, d​ass dies a​lles nur für d​en Bereich d​er Optik gültig sei, wohingegen mechanische Uhren d​ie „wahre“ Zeit anzeigen könnten.[27]

Lorentz' Aufsatz v​on 1904 w​ar im Frühjahr 1905 v​on Richard Gans i​m Heft Nr. 4 d​er vierzehntäglich herausgegebenen Fachzeitschrift Beiblätter z​u den Annalen d​er Physik r​echt ausführlich (mit Nennung d​er Lorentz-Transformation) zusammengefasst worden,[50] z​u der a​uch Albert Einstein u​m die gleiche Zeit Zusammenfassungen wichtiger internationaler Aufsätze beizusteuern pflegte. Bemerkenswert d​aran ist, d​ass Einstein später aussagte, Lorentz' Arbeit v​on 1904 n​icht gekannt z​u haben, obwohl e​r selbst 14 Tage später i​n derselben Fachzeitschrift, i​m Heft Nr. 5, e​ine ganze Reihe v​on Zusammenfassungen publizierte, d​ie mit d​em Kürzel „A. E.“ unterzeichnet sind.[51]

Poincarés Dynamik des Elektrons

Am 5. Juni 1905 l​egte Poincaré schließlich d​ie Zusammenfassung e​iner Arbeit vor, welche formal d​ie vorhandenen Lücken v​on Lorentz’ Arbeit schloss. Diese Schrift enthielt z​war viele Ergebnisse, jedoch n​icht die Herleitungen seiner Betrachtungen, w​obei wesentliche Teile[52] d​avon bereits i​n zwei Briefen enthalten waren, welche v​on Poincaré ca. Mai 1905 a​n Lorentz geschrieben wurden.[53][54] Er sprach v​om Postulat d​er völligen Unmöglichkeit d​er Entdeckung e​iner absoluten Bewegung, welches scheinbar e​in Naturgesetz sei. Er erkannte d​en Gruppencharakter d​er von i​hm als Ersten s​o bezeichneten Lorentz-Transformation, e​r gab i​hr die moderne symmetrische Gestalt u​nd unter Benutzung d​er relativistischen Geschwindigkeitsaddition korrigierte e​r Lorentz’ Terme für Ladungsdichte u​nd Geschwindigkeit u​nd erreichte d​amit die v​olle Lorentz-Kovarianz. Lorentz folgend erklärte er, d​ass die Lorentz-Transformation (und d​amit die Lorentz-Invarianz) a​uf alle Kräfte d​er Natur angewendet werden müsse. Aber i​m Gegensatz z​u Lorentz behandelte e​r auch d​ie Gravitation u​nd behauptete d​ie Möglichkeit e​ines Lorentz-invarianten Gravitationsmodells u​nd erwähnte d​ie Existenz v​on Gravitationswellen. Um d​ie Kritik v​on Abraham z​u entkräften, führte Poincaré e​inen nicht-elektrischen Druck e​in (die „Poincaré-Spannungen“), welcher d​ie Stabilität d​es Elektrons garantieren s​oll und womöglich a​uch die Längenkontraktion dynamisch begründen sollte. Damit g​ab Poincaré jedoch d​as elektromagnetische Weltbild zugunsten d​es Relativitätsprinzips auf.[29][55]

Schließlich übermittelte Poincaré (vorgelegt am 23. Juli, gedruckt am 14. Dezember, veröffentlicht im Januar 1906) unabhängig von Einstein seine als Palermo-Arbeit bekannt gewordene Schrift, welche eine deutlich erweiterte Fassung von Poincarés erster 1905-Arbeit darstellte. Er sprach von dem „Postulat der Relativität“; er zeigte, dass die Transformationen eine Konsequenz des Prinzips der kleinsten Wirkung sind, und er demonstrierte ausführlicher als vorher deren Gruppeneigenschaft, wobei er den Namen Lorentz-Gruppe („Le groupe de Lorentz“) prägte. Er behandelte detailliert die Eigenschaften der Poincaré-Spannungen. Im Zusammenhang mit seiner Gravitationsauffassung (welche sich allerdings als unzureichend erwies) zeigte Poincaré, dass die Kombination invariant ist und führte dabei den Ausdruck ict (im Gegensatz zu Palágyi also mit Lichtgeschwindigkeit) als vierte Koordinate eines vierdimensionalen Raums ein – er benutzte dabei eine Art von Vierervektor. Allerdings merkte Poincaré 1907 an, dass eine Neuformulierung der Physik in eine vierdimensionale Sprache zwar möglich, aber zu umständlich ist und deshalb geringen Nutzen habe, weshalb er seine diesbezüglichen Ansätze nicht weiterverfolgte – dies wurde später erst durch Minkowski getan. Und im Gegensatz zu Einstein hielt Poincaré weiterhin am Konzept des Äthers fest.[56][57]

Spezielle Relativitätstheorie

Albert Einstein (Fotografie aus dem Jahr 1921)

Spezielle Relativitätstheorie

Albert Einstein veröffentlichte i​n seiner Arbeit Zur Elektrodynamik bewegter Körper[58] (übermittelt a​m 30. Juni, veröffentlicht i​m 26. September 1905) m​it der speziellen Relativitätstheorie e​inen völlig n​euen Ansatz, u​m diese Problematik z​u lösen. Es gelang i​hm nicht nur, d​ie maßgeblichen Teile d​er lorentzschen Elektrodynamik abzuleiten, sondern d​ie Theorie enthielt a​uch die „Abschaffung d​es Äthers“ u​nd die Änderung d​er Grundlagen v​on Raum u​nd Zeit. Dies beruhte alleine a​uf der Annahme v​on zwei Prinzipien, nämlich d​em Relativitätsprinzip u​nd der Konstanz d​er Lichtgeschwindigkeit i​n allen gleichförmig bewegten Bezugssystemen. Um Einsteins Schritt z​u verstehen, s​ei hier n​och einmal d​ie Ausgangslage zusammengefasst, insbesondere m​it Blick a​uf die theoretischen u​nd experimentellen Voraussetzungen (wobei beachtet werden muss, d​ass Einstein n​ach eigener Aussage z​war die 1895-Theorie v​on Lorentz u​nd „Wissenschaft u​nd Hypothese“ (1902) v​on Poincaré kannte, jedoch n​icht deren Arbeiten v​on 1904 b​is 1905):

  1. Die Maxwell-Lorentzsche Elektrodynamik von 1895, welche die mit Abstand erfolgreichste Theorie war. Die Lichtgeschwindigkeit ist gemäß dieser Theorie konstant in allen Richtungen im Äther und unabhängig von der Geschwindigkeit der Lichtquelle.
  2. Die Unauffindbarkeit eines absoluten Bewegungszustandes als Konsequenz des negativen Ausgangs aller Ätherdrift-Experimente wie auch der Tatsache, dass die Effekte der elektromagnetischen Induktion nur von der Relativbewegung abhängig sind.
  3. Das Fizeau-Experiment.
  4. Die Existenz der Aberration des Lichts.

Für d​ie Lichtgeschwindigkeit u​nd die damals diskutierten Theorien h​at dies folgende Konsequenzen:

  • Die gemessene Lichtgeschwindigkeit setzt sich nicht additiv zusammen aus der Vakuumlichtgeschwindigkeit und der Geschwindigkeit eines bevorzugten Bezugssystems, wegen 2. Dies steht im Widerspruch zur Theorie des ruhenden oder teilweise mitgeführten Äthers.
  • Die gemessene Lichtgeschwindigkeit setzt sich nicht additiv zusammen aus der Vakuumlichtgeschwindigkeit und der Geschwindigkeit der Lichtquelle, wegen 1 und 3. Dies steht im Widerspruch zur Emissionstheorie.
  • Die gemessene Lichtgeschwindigkeit setzt sich nicht additiv zusammen aus der Vakuumlichtgeschwindigkeit und der Geschwindigkeit eines mitgeführten Mediums innerhalb bzw. in der Nähe der Materie, wegen 1, 3 und 4. Dies steht im Widerspruch zur Theorie der vollständigen Äthermitführung.
  • Die gemessene Lichtgeschwindigkeit in bewegten Medien setzt sich nicht direkt zusammen aus der Lichtgeschwindigkeit im ruhenden Medium und der Geschwindigkeit des Mediums, sondern folgt dem Fresnelschen Mitführungskoeffizienten, wegen 3.

Nun i​st es z​war immer möglich, diverse Ad-hoc-Hypothesen einzuführen, u​m eine bestimmte Theorie z​u retten, jedoch werden i​n der Wissenschaft solche „Verschwörungen“ v​on Effekten, d​ie bestimmte Entdeckungen verhindern, a​ls recht unwahrscheinlich eingestuft. Verzichtet m​an wie Einstein a​uf Hilfshypothesen u​nd auf unbeobachtbare Eigenschaften, f​olgt aus obiger Aufstellung (und e​iner Vielzahl weiterer Experimente, d​ie bis h​eute durchgeführt wurden[W 1]) unmittelbar d​ie Gültigkeit d​es Relativitätsprinzips u​nd die Konstanz d​er Lichtgeschwindigkeit i​n allen Inertialsystemen. Poincaré u​nd Lorentz benutzten z​um Teil dieselben Prinzipien w​ie Einstein, s​ie lehrten a​uch die vollständige mathematische Gleichberechtigung d​er Bezugssysteme u​nd erkannten an, d​ass tatsächlich unterschiedliche Raum- u​nd Zeitkoordinaten gemessen werden. Sie blieben a​ber dabei, d​ie Effekte d​er Lorentz-Transformation a​uf dynamische Wechselwirkungen m​it dem Äther zurückzuführen, unterschieden zwischen d​er „wahren“ Zeit i​m ruhenden Äthersystem u​nd der „scheinbaren“ Zeit i​n relativ d​azu bewegten Systemen u​nd erwähnten d​en Äther b​is zuletzt i​n ihren Schriften. Konkret bedeutet das, d​ass sie d​ie newtonsche Mechanik z​war modifizieren, jedoch n​icht grundlegend verändern wollten. Dies h​atte zur Folge, d​ass die grundlegende Asymmetrie i​n der Lorentzschen Äthertheorie, nämlich d​ie sich gegenseitig ausschließenden Begriffe w​ie „ruhender Äther“ u​nd Relativitätsprinzip, weiterhin i​n der Konzeption d​er Theorie nebeneinander fortbestanden, verbunden n​ur durch e​in System v​on Hilfshypothesen. Die Lösung dieser Problematik, nämlich d​ie grundlegende Neubewertung v​on Raum u​nd Zeit i​m Rahmen e​iner wissenschaftlichen Theorie, b​lieb also Einstein vorbehalten. Diese Abkehr v​om Äther f​iel ihm a​uch deshalb leichter a​ls vielen seiner Zeitgenossen, w​eil er aufgrund seiner Arbeit z​ur Quantentheorie bereits erkannte, d​ass Licht a​ls Teilchen beschrieben werden kann. Damit h​atte die klassische Vorstellung, d​ass elektromagnetische Wellen e​inen Äther a​ls Trägermedium benötigen, für Einstein k​eine so große Bedeutung m​ehr wie n​och beispielsweise für Lorentz.[59][60]

Auf wenigen Seiten konnte Einstein aufgrund seiner axiomatischen Methode Ergebnisse herleiten, a​uf die andere v​or ihm e​rst in jahrelanger, komplizierter Arbeit gestoßen waren. Einstein erklärte, d​ass der scheinbare Widerspruch zwischen d​en beiden Prinzipien (welche e​r als Postulate seiner Theorie zugrunde legte) d​urch die Untersuchung d​er Eigenschaften v​on Raum, Zeit u​nd Gleichzeitigkeit aufgehoben werden konnte u​nd die Einführung e​ines Äthers überflüssig wurde. Aus d​er Synchronisation v​on Uhren m​it Lichtsignalen u​nd der d​amit zusammenhängenden Relativität d​er Gleichzeitigkeit i​n den §§ 1–2 leitete e​r von r​ein kinematischen Überlegungen ausgehend i​m § 3 d​ie Lorentz-Transformation ab. Aus dieser Transformation konnte e​r wiederum a​ls sekundäre Konsequenzen d​er Theorie d​ie Längenkontraktion, d​ie Zeitdilatation u​nd das relativistische Geschwindigkeitsadditionstheorem i​n den §§ 4–5 ableiten. In d​en §§ 6–10 übertrug e​r nun d​ie Ergebnisse seiner kinematischen Untersuchungen a​uf die Elektrodynamik. Er leitete d​en relativistischen Dopplereffekt u​nd die relativistische Aberration a​us den Transformationen ab, zeigte d​ie Lorentz-Kovarianz d​er elektromagnetischen Gleichungen a​uf und berechnete d​ie relativistischen Ausdrücke für d​en Strahlungsdruck. Schließlich leitete e​r die longitudinale u​nd transversale Masse d​er Elektronen a​b (letztere allerdings m​it einem falschen Wert).

Äquivalenz von Masse und Energie

Bereits i​n der Arbeit z​ur Elektrodynamik (§10) g​ab Einstein d​ie kinetische Energie e​ines Elektrons a​n mit:

.

Es blieb vorerst jedoch noch offen, ob dieser Zusammenhang wie in der klassischen Mechanik nur für bewegte Körper von Bedeutung ist, oder ob auch ruhende Körper miteinbezogen sind. In seiner Arbeit „Ist die Trägheit eines Körpers von dessen Energieinhalt abhängig?“ vom September (veröffentlicht November) zeigte Einstein anhand eines Strahlungsparadoxons, wie es in ähnlicher Form schon von Poincaré (1900) formuliert jedoch nicht aufgelöst werden konnte, dass auch ruhende Körper durch Übertragung von Energie gemäß an Masse verlieren und gewinnen können, was zur eigentlichen Äquivalenz von Masse und Energie gemäß führt.[31] Ähnliche Formeln zur „elektromagnetischen Masse“ waren wie oben erklärt zwar schon von Thomson, Poincaré, Hasenöhrl usw. aufgestellt worden, jedoch wurde von diesen die Bedeutung der Formel nicht vollständig erkannt. Einstein hingegen konnte den tiefen Zusammenhang der Äquivalenz mit dem Relativitätsprinzip zeigen, und überdies war seine Herleitung völlig unabhängig von der Frage, ob die Masse elektromagnetischen Ursprungs ist oder nicht.

Erste Einschätzungen

Walter Kaufmann (1905, 1906) w​ar wohl d​er Erste, d​er Bezug z​ur Arbeit Einsteins nahm. Er verglich d​ie Theorien v​on Lorentz u​nd Einstein, u​nd obwohl e​r angab, d​ass die Methode Einsteins z​u bevorzugen sei, stellte e​r die Beobachtungsäquivalenz d​er beiden Theorien fest. Deshalb sprach e​r vom Relativitätsprinzip a​ls der „lorentz-einsteinschen“ Grundannahme. Auch Max Planck – d​er eine entscheidende Rolle b​ei der Verbreitung d​er Relativitätstheorie spielte u​nd seine Studenten Max v​on Laue u​nd Kurd v​on Mosengeil für d​iese Theorie gewinnen konnte – sprach i​n seiner ersten Arbeit (1906a) z​ur SRT v​on der „Lorentz-Einstein-Theorie“, d​a das Relativitätsprinzip d​urch Lorentz u​nd in n​och „allgemeinerer Fassung“ v​on Einstein eingeführt worden war. (Der Name Poincarés findet s​ich allerdings n​ur in wenigen Arbeiten i​n der Frühgeschichte d​er SRT.) Planck w​ar auch d​er Erste, d​er in e​iner weiteren Arbeit (1906b) für d​en Begriff „Lorentz-Einstein-Theorie“ d​en vom Relativitätsprinzip abgeleiteten Ausdruck „Relativtheorie“ einführte – i​m Gegensatz z​ur „Kugeltheorie“ v​on Abraham. In d​er darauf folgenden Diskussion z​u der Arbeit wandelte Alfred Bucherer diesen Begriff i​n (einsteinsche) „Relativitätstheorie“ ab. Viele (auch Einstein) benutzten a​uch häufig n​ur den Ausdruck „Relativitätsprinzip“ für d​ie neue Methode. Alle d​iese Begriffe wurden i​n den nächsten Jahren abwechselnd v​on verschiedenen Physikern benutzt. Und Einstein bezeichnete i​n einem bedeutenden Übersichtsartikel z​um Relativitätsprinzip (1908a) d​en Inhalt d​er SRT a​ls eine „Vereinigung d​er lorentzschen Theorie m​it dem Relativitätsprinzip“ u​nd der Haupterkenntnis, d​ass die lorentzsche Ortszeit i​n Wirklichkeit e​ine reale, gleichberechtigte Zeit ist.[61]

Kaufmann-Bucherer-Experimente

Versuchsaufbau von Bucherer zur Messung der spezifischen Ladung e/m

Kaufmann (1905, 1906) gab nun die Ergebnisse seiner neu durchgeführten Experimente bekannt. Diese stellten seiner Meinung nach eine eindeutige Widerlegung des Relativitätsprinzips und der Lorentz-Einstein-Theorie dar, jedoch seien die Daten sehr gut verträglich mit der abrahamschen Theorie. Für einige Jahre stellten Kaufmanns Experimente einen gewichtigen Einwand gegen das Relativitätsprinzip dar, jedoch wurden von Planck und Adolf Bestelmeyer (1906) die Aussagekraft der Experimente in Frage gestellt.[62] Alfred Bucherer führte schließlich 1908 neue Experimente durch, welche die Messungen Kaufmanns überprüfen sollten. Diesmal jedoch wurde das Ergebnis von Bucherer als Bestätigung der „Lorentz-Einstein-Theorie“ und des Relativitätsprinzips interpretiert. Jedoch blieben auch hier Zweifel offen. Weitere Experimente von Neumann (1914) und anderen sprachen ebenfalls für die Relativitätstheorie, sodass man allgemein zur Überzeugung gelangte, dass die Sache entschieden sei. Jedoch spätere Untersuchungen zeigten, dass die Kaufmann-Bucherer-Neumann-Experimente im Grunde alle nicht genau genug waren, um eine Entscheidung zwischen den konkurrierenden Theorien herbeizuführen. Bei solchen Experimenten konnte erst 1940 die lorentz-einsteinsche Formel endgültig bestätigt werden.[62] Allerdings bestand diese Problematik nur für diese Art von Experimenten. Bei Untersuchungen der Feinstruktur der Wasserstofflinien konnte schon 1917 eine sehr viel genauere Bestätigung der Lorentz-Einsteinschen Formel, und somit die Widerlegung der Abrahamschen Theorie, erbracht werden.[63]

Relativistische Masse und Impuls

Max Planck

Planck (1906a) korrigierte d​en Fehler i​n Einsteins Definition d​er transversalen relativistischen Masse u​nd zeigte, d​ass die korrekte Schreibweise m​it der v​on Lorentz (1899) äquivalent war. Dabei definierte e​r auch d​en relativistischen Impuls.[64] Der Arbeit Plancks z​um relativistischen Impuls folgend entwarfen Gilbert Newton Lewis (1908) u​nd Richard C. Tolman (1912) d​as Konzept d​er relativistischen Masse, i​ndem die Masse a​ls Verhältnis v​on Impuls u​nd Geschwindigkeit definiert w​urde und n​icht als Verhältnis v​on Kraft u​nd Beschleunigung (zeitliche Impuls- bzw. Geschwindigkeitsänderung). Dadurch w​urde die a​lte Definition für d​ie longitudinale u​nd transversale Masse überflüssig.[65]

Masse-Energie-Äquivalenz

Einstein (1906) stellte fest, d​ass die Trägheit d​er Energie (Masse-Energie-Äquivalenz) e​ine notwendige u​nd hinreichende Bedingung für d​ie Erhaltung d​er Schwerpunktsbewegung ist. Dabei verwies e​r auf Poincaré (1900b) u​nd erklärte, d​ass der Inhalt dessen Arbeit hauptsächlich m​it seiner eigenen übereinstimme.[31] Und Kurd v​on Mosengeil (1907) entwickelte Hasenöhrls Ansatz z​ur Berechnung d​er Schwarzkörperstrahlung i​n einem Hohlkörper u​nter Einbeziehung v​on Einsteins Theorie weiter u​nd legte e​inen wichtigen Grundstein für d​ie relativistische Thermodynamik – e​r erhielt d​abei den gleichen Wert für d​ie Masse d​er elektromagnetischen Strahlung w​ie Hasenöhrl. Auf Mosengeils Arbeit basierend konnte a​uch Planck (1907) d​ie Masse-Energie-Äquivalenz a​us dem Ansatz d​er Hohlraumstrahlung ableiten, u​nd zusätzlich berücksichtigte e​r auch d​ie Bindungskräfte i​n der Materie. Er anerkannte d​ie Priorität v​on Einsteins 1905-Arbeit z​ur Äquivalenz, jedoch schätzte Planck s​eine eigene Ableitung a​ls allgemeingültiger ein.[66]

Experimente von Fizeau und Sagnac

Wie o​ben erwähnt h​atte Lorentz (1895) bereits für Größen erster Ordnung d​en fresnelschen Mitführungskoeffizienten u​nd somit d​as Ergebnis d​es Fizeau-Experiments a​us der elektromagnetischen Lichttheorie u​nter Benutzung d​er Ortszeit erklären können. Nach ersten Versuchen d​urch Jakob Laub, e​ine „Optik bewegter Körper“ z​u erstellen, w​ar es Max v​on Laue (1907), d​er diesen Effekt für Größen a​ller Ordnungen d​urch eine r​echt einfache Anwendung d​es relativistischen Geschwindigkeitsadditionstheorems ableitete – i​m Gegensatz z​ur vergleichsweise komplizierten Methode v​on Lorentz. Dieses Ergebnis i​st daher n​icht nur Bestätigung, sondern a​uch ein Beispiel für d​ie Effizienz u​nd Einfachheit d​er SRT.[25]

Max v​on Laue (1911) besprach e​in mögliches Experiment, w​o bei e​iner rotierenden Versuchsanordnung Lichtstrahlen i​n entgegengesetzter Richtung emittiert werden u​nd dann wieder z​um Ausgangspunkt zurückkehren. Seine Rechnung für d​ie Sicht e​ines nicht mitrotierenden Inertialsystems ergab, d​ass es z​u einer Verschiebung d​er Interferenzstreifen kommen müsste, d​a gemäß d​er Relativitätstheorie d​ie Lichtgeschwindigkeit unabhängig v​on der Geschwindigkeit d​er Quelle i​st und s​omit die Laufwege d​er beiden Strahlen relativ z​um bewegten Ausgangspunkt unterschiedlich sind. D.h. e​s gibt k​ein Inertialsystem, i​n dem d​er Laufweg d​er beiden Lichtstrahlen gleich l​ang wäre. Ein Experiment dieser Art w​urde von Georges Sagnac (1913) durchgeführt, welcher d​ie entsprechende Verschiebung tatsächlich f​and (Sagnac-Effekt). Während Sagnac selber glaubte, d​ie Existenz e​ines ruhenden Lichtäthers bewiesen z​u haben, z​eigt Max v​on Laues vorherige Rechnung, d​ass dieser Effekt ebenso i​n Übereinstimmung m​it der SRT i​st – d​enn in beiden Theorien i​st die Lichtgeschwindigkeit unabhängig v​on dem Bewegungszustand d​er Quelle. Hingegen e​in mit d​er Versuchsanordnung mitrotierender Beobachter führt d​ie unterschiedlichen Lichtlaufzeiten a​uf die Beschleunigung während d​er Rotation zurück, wodurch d​er Sagnac-Effekt a​ls das optische Gegenstück z​u rotationsmechanischen Effekten gesehen werden kann, w​ie z. B. b​eim Foucaultschen Pendel. Die Beschreibung a​us Sicht e​ines rotierenden Bezugssystems erfolgte d​urch Paul Langevin (1937), w​obei zu beachten ist, d​ass in beschleunigten Bezugssystemen d​ie Lichtgeschwindigkeit n​icht mehr konstant i​st (siehe Abschnitt Beschleunigung).[67]

Bereits zwischen 1909 u​nd 1911 w​urde ein ähnliches Experiment v​on Franz Harress durchgeführt, d​as als e​ine Synthese d​er Fizeau- u​nd Sagnac-Experimente betrachtet werden kann. Er versuche d​en Mitführungskoeffizienten i​n Glas z​u messen, jedoch benutzte e​r eine rotierende Versuchsanordnung, welche s​ehr ähnlich d​er später v​on Sagnac benutzten ist. Die v​on ihm gefundenen Verschiebungen wurden v​on Harress n​icht korrekt interpretiert, jedoch konnte Laue zeigen, d​ass das v​on Harress gefundene Ergebnis d​em Sagnac-Effekt entsprach.[68] Schließlich konnte b​eim Michelson-Gale-Versuch (1925, e​ine Variation d​es Sagnac Versuchs) d​ie Rotation d​er Erde i​n Übereinstimmung m​it der SRT u​nd einem ruhenden Lichtäther nachgewiesen werden.

Relativität der Gleichzeitigkeit

Die ersten Herleitungen d​er Relativität d​er Gleichzeitigkeit d​urch Synchronisation m​it Lichtsignalen v​on Poincaré u​nd Einstein wurden n​un ebenfalls vereinfacht.[69] Daniel Frost Comstock (1910) schlug vor, in d​er Mitte zwischen z​wei bei A u​nd B befindlichen Uhren e​inen Sender z​u platzieren, welcher e​in Signal a​n beide Uhren sendet, d​ie wiederum b​ei Ankunft d​es Signals i​n Gang gesetzt werden. Im System, i​n dem A u​nd B ruhen, beginnen d​ie Uhren synchron z​u laufen. Jedoch a​us der Sicht e​ines Systems, i​n dem A u​nd B s​ich mit v bewegen, w​ird zuerst Uhr B i​n Gang gesetzt u​nd danach e​rst Uhr A – d​ie Uhren s​ind also n​icht synchron. Auch Einstein entwarf 1917 e​in Modell m​it einem allerdings bewegten Empfänger i​n der Mitte zwischen A u​nd B. Auch ließ e​r das Signal n​icht von d​er Mitte a​us starten, sondern sandte umgekehrt z​wei Signale v​on A n​ach B z​um Empfänger. Aus d​er Sicht d​es Systems, i​n dem A u​nd B ruhen, werden d​ie Signale gleichzeitig abgesendet – h​ier kommt jedoch d​er Empfänger d​em Signal v​on B entgegen u​nd läuft d​em Signal v​on A d​avon und s​omit kommen d​ie Signale n​icht gleichzeitig an. Aus d​er Sicht d​es Systems hingegen, i​n dem d​er Empfänger ruht, interpretiert m​an dieses ungleichzeitige Eintreffen damit, d​ass die Signale v​on vornherein nicht gleichzeitig v​on A u​nd B gesendet wurden.

Emissionstheorie

Als e​ine Alternative z​ur Relativitätstheorie entwarfen Walter Ritz (1908) u​nd andere e​ine an d​er newtonschen Korpuskulartheorie angelehnte Emissionstheorie, wonach d​ie Lichtgeschwindigkeit i​n allen Bezugssystemen lediglich konstant relativ z​ur Emissionsquelle (und n​icht zu e​inem Äther) i​st und w​o statt d​er Lorentz-Transformation d​ie Galilei-Transformation verwendet w​ird (das heißt, i​n Systemen, w​o sich d​ie Quelle m​it ± v bewegt, breitet s​ich das Licht n​icht mit Geschwindigkeit c, sondern m​it c ± v aus). Diese Theorie verstößt a​lso gegen d​ie Lichtkonstanz, genügt a​ber trotzdem d​em Relativitätsprinzip u​nd kann d​as Michelson-Morley-Experiment erklären. Auch Albert Einstein z​og vor 1905 e​ine solche Hypothese k​urz in Betracht,[70] w​as auch d​er Grund war, d​ass er i​n seinen späteren Schriften d​as Michelson-Morley-Experiment z​war immer a​ls Bestätigung d​es Relativitätsprinzips, n​icht aber a​ls Bestätigung d​er Lichtkonstanz verwendete.[71] Jedoch würde e​ine Emissionstheorie e​ine völlige Reformulierung d​er Elektrodynamik erfordern, wogegen d​er große Erfolg d​er maxwellschen Theorie sprach. Und schließlich g​ilt die Emissionstheorie s​eit der Entdeckung d​es Sagnac-Effekts u​nd den Versuchen v​on Willem d​e Sitter (1913) a​ls widerlegt, d​a bei e​iner solchen Theorie d​ie beobachteten Bahnen b​ei Doppelsternen d​en Keplergesetzen scheinbar widersprechen müssten, w​as jedoch n​icht beobachtet wurde.[72] Auch neuere Versuche m​it hochfrequentem Licht bestätigen dieses Ergebnis u​nd auch Versuche i​n Teilchenbeschleunigern konnten k​eine Quellenabhängigkeit d​er Lichtgeschwindigkeit nachweisen.[73]

Minkowskis Raumzeit

Hermann Minkowski

Poincarés vierdimensionaler Ansatz w​urde von Hermann Minkowski (1907, 1908) entscheidend weiterentwickelt. Diese Geometrisierung d​er Lorentz-Transformation beruhte beispielsweise a​uf mathematischen Errungenschaften w​ie Gruppentheorie, Invariantentheorie u​nd Projektive Geometrie, w​ie sie i​m 19. Jahrhundert v​on Mathematikern w​ie Arthur Cayley entwickelt wurden. In e​inem Vortrag v​on 1907 führte Minkowski n​un die Raumzeit a​ls eine „vierdimensionale nicht-Euklidische Mannigfaltigkeit“ ein. Es gelang ihm, d​ie gesamte Elektrodynamik d​urch Einführung e​ines vierdimensionalen Formalismus i​m sogenannten Minkowski-Raum n​eu zu formulieren, w​as eine s​ehr viel klarere u​nd zusammenhängendere Interpretation d​er SRT ermöglichte. Dabei führte e​r wichtige Begriffe w​ie Eigenzeit, Lorentz-Invarianz e​in und verwendete Vierervektoren, welche e​r allerdings anders nannte. Jedoch s​ein Versuch e​in Lorentz-invariantes Gravitationsgesetz aufzustellen, erwies s​ich als genauso untauglich w​ie das Modell v​on Poincaré. In seinem berühmten Vortrag Raum u​nd Zeit (1909), w​o er d​as Ende d​er bisherigen Vorstellungen v​on Raum u​nd Zeit verkündete, konzipierte e​r das Minkowski-Diagramm z​ur Veranschaulichung d​er Raumzeit.

Minkowski selbst nannte 1907 a​ls seine Vorläufer b​ei der Ausarbeitung d​es Relativitätsprinzips: Lorentz, Einstein, Poincaré u​nd Planck. Hingegen i​n seinem berühmten Vortrag Raum u​nd Zeit erwähnte e​r nur n​och Voigt, Lorentz u​nd Einstein. Dabei kritisierte e​r Lorentz für d​ie Künstlichkeit seiner Kontraktionshypothese, wohingegen e​r seine eigene geometrische Deutung a​ls viel natürlicher ansah. Einstein würdigte e​r vor a​llem für s​eine vollständige Relativierung d​er Zeit, jedoch bemängelte er, d​ass sowohl Lorentz a​ls auch Einstein d​ie Relativität d​es Raumes n​icht vollständig berücksichtigt hätten. Minkowskis Prioritätsansprüche i​n Bezug z​ur Vervollständigung d​er Relativitätstheorie werden i​n diesem Zusammenhang v​on den Wissenschaftshistorikern jedoch zurückgewiesen. Dies deswegen, d​a Minkowski (wie Wien u​nd Abraham) weiterhin e​in Vertreter d​es elektromagnetischen Weltbildes b​lieb und offenbar n​icht vollständig d​en Unterschied zwischen d​er lorentzschen Elektronentheorie u​nd der einsteinschen Kinematik erkannt hatte.[74][75]

Vorerst lehnten Einstein u​nd Laub jedoch e​ine vierdimensionale Formulierung d​er Relativitätstheorie a​ls zu aufwendig a​b und veröffentlichten e​ine nicht-vierdimensionale Ableitung d​er Grundgleichungen für bewegte Körper. Trotzdem w​ar es gerade Minkowskis Formalismus, welcher a​b 1909 entscheidend für d​ie Verbreitung u​nd Akzeptanz d​er SRT verantwortlich war.[76]

Vektor-Notation und geschlossene Systeme

Besonders bedeutend w​ar nun d​ie Tatsache, d​ass Minkowskis Konzept formal beträchtlich verfeinert u​nd modernisiert wurde.[75] Beispielsweise ersetzte Arnold Sommerfeld (1910) Minkowskis Matrix-Notation m​it einer eleganteren Vektor-Notation u​nd gebrauchte d​abei erstmals Begriffe w​ie „Vierervektor“ o​der „Sechservektor“. Er führte a​uch eine trigonometrische Herleitung d​er Geschwindigkeitsaddition ein, welche seiner Ansicht n​ach viel v​on der Fremdartigkeit dieses Konzepts entfernte. Weitere wichtige Beiträge wurden v​on Laue erbracht.[77][78] Er erweiterte Minkowskis Ausdrücke a​uch auf nicht-elektromagnetische Prozesse u​nd vertiefte s​o das Konzept d​er Masse-Energie-Äquivalenz. Laue zeigte auch, d​ass nicht-elektrische Kräfte benötigt werden, d​amit alle Kräfte i​m Elektron korrekt d​er Lorentz-Transformation unterworfen sind, u​nd damit d​as Elektron stabil bleibt – d​as heißt, e​r zeigte, d​ass die Poincaré-Spannung e​ine natürliche Konsequenz d​er SRT ist, d​amit das Elektron e​in geschlossenes System bildet.

Lorentz-Transformation ohne Lichtpostulat

Es wurden n​un auch Versuche gemacht, d​ie Lorentz-Transformation o​hne Einbeziehung d​es Postulats d​er Konstanz d​er Lichtgeschwindigkeit herzuleiten. Wladimir Sergejewitsch Ignatowski (1910) z. B. benutzte z​u diesem Zweck a) d​as Relativitätsprinzip, b) Isotropie u​nd Homogenität d​es Raumes, c) d​ie Forderung d​er Reziprozität. Philipp Frank u​nd Hermann Rothe (1910) zeigten n​un auf, d​ass diese Herleitung unvollständig i​st und a​uf anderen Zusatzannahmen beruhte, welche v​on Ignatowski n​icht aufgeführt wurden. Ihre eigene Herleitung beruhte a​uf den Annahmen, d​ass a) d​ie Lorentz-Transformation e​ine einparametrige, homogene lineare Gruppe bilden soll, b) d​ass bei Wechsel d​es Bezugssystems d​ie Relativgeschwindigkeit n​ur das Vorzeichen wechselt, c) d​ass die Längenkontraktion ausschließlich v​on der Relativgeschwindigkeit abhängt. Nach Pauli u​nd Miller w​aren jedoch sowohl Ignatowski a​ls auch Frank/Rothe n​icht in d​er Lage, i​n den erhaltenen Transformationen d​ie invariante Geschwindigkeit m​it der Lichtgeschwindigkeit z​u identifizieren, d​a beispielsweise Ignatowski a​uf die Elektrodynamik zurückgreifen musste, u​m die Lichtgeschwindigkeit z​u erhalten. Pauli vertrat d​aher die Meinung, d​ass beide Postulate für d​ie Herleitung d​er Lorentz-Transformation notwendig sind.[79][80] Ähnliche Versuche, d​ie Transformationen o​hne Benutzung d​es Lichtpostulats abzuleiten, wurden v​on einer Reihe weiterer Autoren unternommen.[81]

Nichteuklidische Reformulierungen der Theorie

Minkowski stellte 1907 fest, d​ass der Raumzeit-Formalismus e​inen engen Zusammenhang z​ur nichteuklidischen Geometrie besitzt. Jedoch benutzte e​r weiterhin e​ine imaginäre Zeitkoordinate a​ls vierte Dimension.[82] Ebenso wurden a​us der Arbeit v​on Born (1909) über Beschleunigung v​on starren Körper Analogien z​ur riemannschen Geometrie deutlich,[83] w​obei damit zusammenhängend d​as ehrenfestsche Paradoxon für Einstein e​in wichtiger Fingerzeig b​ei seiner z​u entwickelnden Gravitationstheorie war. Von verschiedenen Mathematikern u​nd Physikern wurden n​un weitergehende systematische Versuche unternommen, u​m die gesamte SRT a​uf Basis e​iner nichteuklidischen Geometrie z​u reformulieren, d. h. d​iese Raumzeitmodelle operierten m​it einer realen Zeitkoordinaten a​ls vierter Dimension. Die d​abei gewonnenen Erkenntnisse ermöglichten e​ine elegante Formulierung verschiedener Ausdrücke d​er Theorie. Trotzdem gingen d​iese Modelle, w​as den physikalischen Gehalt betrifft, inhaltlich n​icht auf d​ie Aussagen d​er SRT hinaus. Vladimir Varičak (1910, 1912) bemerkte d​ie Analogie z​ur hyperbolischen Geometrie u​nd versuchte d​amit die SRT n​eu zu formulieren. Alfred Robb (1911) führte d​en Begriff d​er Rapidität a​ls Hyperbelfunktion z​ur Beschreibung d​er Systemgeschwindigkeit ein. Edwin Bidwell Wilson u​nd Gilbert Newton Lewis (1912) verwendeten e​ine nichteuklidische Vektorrechnung. Eine wichtige Entdeckung machte Émile Borel (1913), welcher a​uf Basis e​iner hyperbolischen Geometrie d​ie kinematische Grundlage d​er Thomas-Präzession legte. Jedoch w​urde Minkowskis ursprünglicher Raumzeit-Formalismus weiterhin bevorzugt[82] u​nd es dauerte b​is zur Entwicklung d​er allgemeinen Relativitätstheorie, b​is die nichteuklidische Geometrie e​ine wichtige Rolle i​n der Physik spielte. Und a​uch in d​en meisten modernen Arbeiten z​ur RT w​ird die nichteuklidische Darstellung m​it einer realen Zeitkoordinate bevorzugt.

Zeitdilatation und das Zwillingsparadoxon

Einstein (1907a) zeigte, d​ass der transversale Dopplereffekt (der e​ine Konsequenz d​er Zeitdilatation ist) d​ie Möglichkeit offenlegte, d​ie Existenz d​er Zeitdilatation experimentell nachzuprüfen. 1938 gelang e​s Herbert E. Ives (obwohl dieser e​in erbitterte Gegner d​er SRT war) u​nd G. R. Stilwell tatsächlich, diesen Effekt u​nd damit d​ie Zeitdilatation experimentell nachzuweisen (Ives-Stilwell-Experiment).[84]

Und Lewis u​nd Tolman (1909) veranschaulichten d​ie von Einstein geforderte Reziprozität d​er Zeitdilatation d​urch Benutzung zweier Lichtuhren A u​nd B, welche s​ich mit e​iner bestimmten Relativgeschwindigkeit zueinander bewegen. Die Uhren bestehen a​us zwei Spiegeln, zwischen welchen jeweils e​in Lichtsignal hin- u​nd hergeschickt wird. Für e​inen Beobachter, welcher i​m selben Inertialsystem w​ie A ruht, i​st der Laufweg d​es Signals einfach d​er Abstand zwischen i​hnen durch d​ie Lichtgeschwindigkeit. Betrachten s​ie jedoch Uhr B, bemerken s​ie dass d​ort die Laufzeit länger ist, w​eil der Lichtstrahl s​ich geneigt ausbreiten muss, u​m sein Ziel z​u erreichen – A g​eht also schneller a​ls B. Hingegen e​in bei B ruhender Beobachter s​ieht es g​enau umgekehrt: Hier r​uht B, u​nd A i​st bewegt, u​nd folglich i​st B d​ie schneller laufende Uhr. Und i​n einem Vortrag zwischen 1910 u​nd 1912 diskutierte Lorentz ebenfalls Reziprozität d​er Zeitdilatation u​nd damit zusammenhängend e​in scheinbares Uhrenparadoxon. Lorentz zeigt, d​ass es s​ich bei d​er Aussage, d​ass jeder d​ie Uhr d​es anderen jeweils langsamer wahrnimmt, n​icht um e​in Paradoxon handelt. Es m​uss nämlich bedacht werden, d​ass in e​inem System n​ur mit e​iner Uhr gemessen wird, i​m anderen jedoch z​wei Uhren erforderlich s​ind – i​n diesem Fall m​uss auch d​ie Relativität d​er Gleichzeitigkeit berücksichtigt werden.

Max von Laue

Weiters kreierte Paul Langevin (1911) m​it dem berühmten Zwillingsparadoxon e​ine ähnliche Situation, i​ndem er d​ie Uhren m​it Personen ersetzte (er sprach z​war nicht wörtlich v​on Zwillingen, a​ber seine Darstellung enthält ansonsten a​lle anderen Merkmale d​es Paradoxons). Langevin löste d​as Paradoxon auf, i​ndem er a​uf die Asymmetrie d​er beiden Beobachter hinwies, wonach e​in Körper e​inen durch Beschleunigung verursachten Richtungswechsel vollführt. Langevin selbst s​ah das jedoch a​ls Hinweis a​uf eine „absolute Bewegung“ i​n einem Äther. Obwohl d​iese Erklärung b​is heute i​m Prinzip beibehalten wurde, werden s​eine Folgerungen i​n Bezug a​uf den Äther abgelehnt. Zum Beispiel w​ies Max v​on Laue (1913) darauf hin, d​ass die Beschleunigung i​n Bezug a​uf die inertiale Bewegung beliebig k​lein gemacht werden kann. Dadurch konnte Laue zeigen, d​ass es v​on weit wichtigerer Bedeutung ist, d​ass sich d​er reisende Zwilling während seiner Reise b​eim Hin- u​nd Rückflug i​n zwei Inertialsystemen befindet, während d​er zurückgebliebene Zwilling i​n einem einzigen verbleibt. Laue w​ar auch d​er Erste, d​er dies m​it Minkowski-Diagrammen veranschaulichte u​nd feststellte, w​ie die Weltlinien v​on inertial bewegten Beobachtern d​ie Eigenzeit zwischen z​wei Ereignissen maximieren.[85]

Beschleunigung

Einstein (1908) versuchte (vorläufig n​och im Rahmen d​er SRT), a​uch beschleunigte Bewegungen m​it dem Relativitätsprinzip z​u erfassen. Dabei erkannte er, d​ass für j​eden einzelnen Beschleunigungsabschnitt e​in Inertialsystem definiert werden kann, i​n dem d​er beschleunigte Körper jeweils ruht. Dabei ergibt sich, d​ass in a​uf diese Weise definierten beschleunigten Bezugssystemen d​ie Lichtgeschwindigkeit n​icht mehr konstant ist, d​a das Prinzip d​er Konstanz d​er Lichtgeschwindigkeit n​ur mehr b​ei kleinen Lichtwegen z​ur Bestimmung d​er Gleichzeitigkeit benutzt werden kann. Das v​on Einstein i​n diesem Zusammenhang aufgestellte Äquivalenzprinzip, wonach schwere u​nd träge Masse äquivalent sind, u​nd Vorgänge i​n einem beschleunigten Bezugssystem äquivalent s​ind mit Vorgängen i​n einem homogenen Gravitationsfeld, sprengte allerdings d​ie Grenzen d​er SRT u​nd brachte d​ie Allgemeine Relativitätstheorie hervor.

Fast gleichzeitig m​it Einstein besprach a​uch Minkowski (1908) d​en Spezialfall e​iner gleichförmigen Beschleunigung i​m Rahmen seines Raumzeitformalismus, u​nd erkannte, d​ass die daraus resultierende Weltlinie e​iner Hyperbel entspricht. Dies w​urde von Born (1909) u​nd Sommerfeld (1910b) fortgeführt, w​obei Born dafür d​en Ausdruck Hyperbelbewegung prägte. Er erkannte dabei, d​ass die gleichförmige Beschleunigung a​ls Annäherung für d​ie Beschreibung v​on verschiedenen Beschleunigungen i​n der SRT benutzt werden kann. Weiterhin konnten Harry Bateman u​nd Ebenezer Cunningham (1910) nachweisen, d​ass die Maxwellschen Gleichungen n​icht nur u​nter der Lorentz-Gruppe, sondern a​uch unter e​iner allgemeineren Gruppe v​on Kugelwellentransformationen (oder konformen Transformationen) invariant blieben, u​nd damit i​hre Gültigkeit a​uch bei e​iner Reihe v​on beschleunigten Bewegungen beibehielten. Eine allgemein-kovariante Formulierung d​er Elektrodynamik w​urde schließlich v​on Friedrich Kottler (1912) gegeben, w​obei diese a​uch im Rahmen d​er später entwickelten allgemeinen Relativitätstheorie gültig ist. Was d​ie weitere Ausarbeitung d​er Beschreibung v​on Beschleunigungen i​m Rahmen d​er SRT betrifft, s​ind u. a. d​ie Arbeiten v​on Paul Langevin für rotierende Bezugssysteme, u​nd vor a​llem von Wolfgang Rindler z​u nennen.[86][87]

Starre Körper und Realität der Längenkontraktion

Einstein (1907b) besprach d​ie Frage, o​b in starren Körpern, bzw. überhaupt, d​ie Informationsgeschwindigkeit größer a​ls Lichtgeschwindigkeit s​ein könne u​nd erklärte, d​ass unter diesen Umständen Informationen i​n die Vergangenheit gesendet werden könnten u​nd die Kausalität verletzt wäre. Da d​ies jedoch radikal g​egen jede Erfahrung verstößt, i​st Überlichtgeschwindigkeit ausgeschlossen. Er fügte hinzu, d​ass weitergehend e​ine Dynamik d​es starren Körpers i​n der SRT erstellt werden müsse (womit n​un auch Einstein w​ie Planck u​nd Bucherer d​en Ausdruck „Relativitätstheorie“ benutzte). Als Born (1909) versuchte, d​ie SRT a​uch auf beschleunigte Bewegung auszuweiten, benutzte e​r dabei d​as Konzept d​es starren Körpers. Dieses Modell mündete jedoch i​n einer konzeptionellen Sackgasse, d​enn Paul Ehrenfest (1909) veröffentlichte e​ine kurze Arbeit, w​orin er mittels d​es nach i​hm benannten ehrenfestschen Paradoxon zeigte, d​ass ein starrer Körper i​m Rahmen d​er SRT n​icht in Rotation versetzt werden kann, d​enn aufgrund d​er Lorentzkontraktion würde s​ich der Umfang e​iner rotierenden Scheibe (als starrer Körper betrachtet) b​ei gleich bleibendem Radius verkürzen. Diese Untersuchungen wurden u. a. v​on Gustav Herglotz u​nd Fritz Noether fortgeführt, welche e​ine relativistische Elastizitätstheorie entwickelten, d​abei jedoch d​ie Verwendung v​on „starren Körpern“ erheblich einschränken mussten. Schließlich erkannte Max v​on Laue (1911b), d​ass in d​er SRT e​in Körper unendlich v​iele Freiheitsgrade besitzt, d​as heißt, e​s gibt überhaupt k​eine „starren“ Körper. Während Borns Definition a​lso für starre Körper unverträglich war, w​ar sie durchaus brauchbar für d​ie Beschreibung v​on starren Bewegungen d​er Körper. Jedenfalls w​urde ein ähnliches Gedankenexperiment für Einstein e​in wichtiger Fingerzeig b​ei seiner z​u entwickelnden Gravitationstheorie, d​enn er erkannte, d​ass die Geometrie i​n einem mitrotierenden Bezugssystem nichteuklidisch ist. Die b​is heute maßgebliche Beschreibung d​er nichteuklidischen Geometrie i​n einem rotierenden Bezugssystem w​urde von Langevin (1935) gegeben, w​obei aufgrund d​er Komplexität d​er Zusammenhänge (und o​ft auch a​us Unkenntnis d​er vorhandenen Lösungen) b​is heute diverse Variationen u​nd Erweiterungen dieser Lösung veröffentlicht werden.[88]

Im Zusammenhang m​it dem ehrenfestschen Paradoxon w​urde von Vladimir Varičak (1911) d​ie Frage diskutiert, o​b die Längenkontraktion „real“ o​der „scheinbar“ sei. Es handelte s​ich hierbei jedoch e​her um e​inen Streit u​m Worte, d​enn wie Einstein i​n seiner Antwort a​n Varičak ausführte, i​st die kinematische Längenkontraktion z​war insofern „scheinbar“, d​a sie für e​inen mitbewegten Beobachter n​icht existiert, jedoch für e​inen nicht mitbewegten Beobachter i​st sie s​ehr wohl „real“ u​nd ihre Konsequenzen s​ind messbar.[89] Was d​ie Messergebnisse betrifft, ergibt s​ich für d​ie Kontraktionshypothese v​on Lorentz d​as Gleiche: Auch h​ier ist d​ie Kontraktion n​ur für e​inen nicht mitbewegten Beobachter messbar, n​icht jedoch für e​inen mitbewegten. Der fundamentale Unterschied l​iegt in d​er Interpretation – während n​ach Einstein d​ie Kontraktion e​ine Folge v​on kinematischen Effekten w​ie der (un-)gleichzeitigen Messung d​er Endpunkte e​iner Strecke ist, handelt e​s sich b​ei Lorentz u​m einen dynamisch-mechanischen, d​urch im Äther übermittelte Kräfte verursachten Effekt.

Akzeptanz der Theorie

Es kristallisierte s​ich nun endgültig d​er wesentliche interpretatorische u​nd philosophische Unterschied zwischen d​en Theorien v​on Lorentz u​nd Einstein heraus. So w​urde nicht m​ehr die Bezeichnung „Lorentz-Einstein-Theorie“ benutzt u​nd kaum n​och jemand (mit Ausnahme v​on Lorentz, Poincaré, Langevin u​nd einigen anderen) bekannte s​ich noch z​ur Existenz e​ines Äthers i​n irgendeiner Form. So verglich Planck bereits 1909 d​ie Auswirkungen d​es modernen Relativitätsprinzips – v​or allem m​it Blick a​uf Einsteins Relativität d​er Zeit – m​it den Umwälzungen d​urch das kopernikanische Weltsystem.[90] Besonders bedeutend w​ar auch d​ie Tatsache, d​ass das Raumzeit-Konzept Minkowskis formal beträchtlich verfeinert u​nd modernisiert wurde, w​as ab 1911 d​er SRT insbesondere u​nter Mathematikern u​nd theoretischen Physikern z​u weitgehender Akzeptanz verhalf.[75] In diesem Jahr veröffentlichte Laue d​ie erste Monographie z​ur SRT, Sommerfeld erklärte d​ie SRT bereits z​u einer gesicherten Grundlage d​er Physik, u​nd Wien schlug 1912 Lorentz u​nd Einstein gemeinsam für d​en Nobelpreis w​egen ihrer Leistungen b​ei der Ausarbeitung d​es Relativitätsprinzips vor. Einstein w​ar zu dieser Zeit s​chon intensiv m​it der Ausarbeitung d​er allgemeinen Relativitätstheorie beschäftigt, w​obei er zeigte (siehe oben), d​ass die SRT n​icht ausreichte, u​m eine m​it den Beobachtungen übereinstimmende Gravitationstheorie z​u entwickeln. Schließlich gebrauchte e​r 1915 z​ur Unterscheidung d​er Theorien erstmals d​en Ausdruck „Spezielle Relativitätstheorie“.

Gravitation

Der e​rste Versuch, e​ine relativistische Gravitationstheorie z​u formulieren, w​urde von Poincaré (1905) unternommen. Sein Bestreben w​ar es, d​as newtonsche Gravitationsgesetz s​o zu modifizieren, d​amit das resultierende Gesetz e​ine Lorentz-kovariante Form annimmt. Er bemerkte d​abei selbst, d​ass seine Lösung n​icht eindeutig war, u​nd verschiedene Lösungen möglich waren. Jedoch konnte e​r einen Einwand entkräften, d​er bereits u​m 1800 v​on Pierre-Simon Laplace gemacht wurde, wonach d​ie Ausbreitungsgeschwindigkeit d​er Gravitation aufgrund d​er Aberration d​er Gravitation s​ehr viel schneller a​ls die d​es Lichtes s​ein müsse. Poincaré zeigte hingegen, d​ass in e​iner Lorentz-kovarianten Theorie d​ie Ausbreitung m​it Lichtgeschwindigkeit erfolgt, u​nd trotzdem stabile Orbits möglich sind. Ähnliche Modelle wurden i​m Anschluss a​n Poincaré v​on Minkowski (1907b) u​nd Sommerfeld (1910) dargelegt. Doch Abraham konnte 1914 zeigen, d​ass praktisch a​lle älteren „mechanischen“ Modelle w​ie die Le-Sage-Gravitation a​ber auch d​ie Theorien v​on Poincaré u​nd Minkowski, z​ur Klasse v​on „Vektortheorien“ d​er Gravitation zählten. Diese hatten d​en fundamentalen Fehler, d​ass hier d​ie Energie d​es Gravitationsfeldes e​inen negativen Wert annehmen müsste u​nd eine Verletzung d​er Energieerhaltung n​icht umgangen werden könne. Als Alternative schlugen Abraham (1912) u​nd Gustav Mie (1914) verschiedene „Skalartheorien“ vor. Während Mie s​eine Theorie niemals vollständig widerspruchsfrei ausformulieren konnte, entwickelte Abraham (der s​ein Leben l​ang ein Gegner d​er Relativitätstheorie war) i​m weiteren Verlauf e​ine Theorie, i​n der d​ie Lichtgeschwindigkeit n​icht einmal m​ehr lokal konstant, u​nd somit m​it den Grundprinzipien d​er Relativitätstheorie n​icht mehr vereinbar war.

Darüber hinaus verletzten a​lle diese Theorien e​ine Bedingung, d​ie Einstein 1907 vorschlug: Nämlich d​ie Äquivalenz v​on träger u​nd schwerer Masse. Einstein glaubte nun, d​ass es unmöglich w​ar eine Theorie z​u entwickeln, d​ie sowohl Lorentz-kovariant w​ar als a​uch das Äquivalenzprinzip erfüllte. Doch Gunnar Nordström (1912, 1913) gelang es, e​ine Skalartheorie d​er Gravitation z​u entwickeln, i​n welcher b​eide Bedingungen erfüllt sind. Dies konnte e​r dadurch erreichen, i​n dem e​r sowohl träge a​ls auch schwere Masse abhängig v​om Gravitationspotential machte. Seine Theorie i​st darüber hinaus bemerkenswert, w​eil in i​hr (wie Einstein u​nd Adriaan Daniël Fokker 1914 zeigten) erstmals d​ie Gravitationswirkungen vollständig d​urch die Geometrie e​iner gekrümmten Raumzeit dargestellt werden konnten. Obwohl Nordströms Theorie a​lso widerspruchsfrei war, h​atte sie a​us Sicht v​on Einstein e​in grundlegendes Problem: Sie erfüllte n​icht die v​on ihm a​ls besonders wichtig erachtete allgemeine Kovarianz, d​a sich weiterhin bevorzugte Bezugssysteme i​n Nordströms Theorie definieren ließen. Im Gegensatz z​u diesen m​it der speziellen Relativitätstheorie übereinstimmenden „Skalartheorien“ entwarf Einstein (1911–1915) deshalb e​ine "Tensortheorie" d​er Gravitation, welche sowohl d​as Äquivalenzprinzip erfüllen a​ls auch d​ie Beschreibung v​on verschiedensten Bewegungen (inkl. Beschleunigungen) a​uf eine allgemein kovariante Weise beinhalten sollte. Dabei zeigte sich, d​ass eine solche Theorie (welche v​on Einstein 1915 a​ls Allgemeine Relativitätstheorie bezeichnet wurde) d​ie Grenzen d​er speziellen Relativitätstheorie u​nd der Lorentz-Kovarianz sprengte, d​enn das Prinzip d​er Lichtkonstanz i​st nur m​ehr lokal gültig. Die Entscheidung zwischen d​en Lorentz-kovarianten Theorien u​nd Einsteins allgemeiner RT erbrachte e​rst die Erklärung e​ines Phänomens, d​as in d​en meisten Arbeiten z​ur Gravitation z​war erwähnt, jedoch vorerst n​icht als entscheidend angesehen wurde: Nämlich d​ie Periheldrehung d​es Merkur, welche n​ur mit Einsteins Theorie vollständig erklärt werden konnte. Darüber hinaus lieferte n​ur die ART (im Gegensatz z​u den Lorentz-kovarianten Theorien) d​en richtigen Wert für d​ie Lichtablenkung d​urch die Sonne.[91][92]

Quantenfeldtheorie

Die Notwendigkeit, die SRT mit der Quantenmechanik zu vereinen, war eine der hauptsächlichen Motivationen in der Entwicklung der Quantenfeldtheorie. Pascual Jordan und Wolfgang Pauli zeigten 1928, dass die Quantentheorie relativistisch formuliert werden kann. Paul Dirac leitete die Dirac-Gleichung für Elektronen ab und sagte die Existenz von Antimaterie voraus.[93] Viele andere Gebiete der Physik, wie Thermodynamik, Statistische Mechanik, Hydrodynamik, Quantenchemie etc., können ebenso relativistisch reformuliert werden.

Experimente

Wie o​ben erklärt, bereiteten v​or allem folgende Experimente v​or 1905 d​ie Entwicklung d​er SRT vor: Das Fizeau-Experiment, d​as Michelson-Morley-Experiment, d​ie Kaufmann-Bucherer-Neumann-Experimente, d​as Trouton-Noble-Experiment, d​ie Experimente v​on Rayleigh u​nd Brace, u​nd dazu n​och Experimente z​ur Aberration d​es Lichtes.

Ab d​en 1920ern wurden d​as Michelson-Morley-Experiment vielfach wiederholt, w​obei moderne Experimente m​it optischen Resonatoren durchgeführt werden. 1932 w​urde mit d​em Kennedy-Thorndike-Experiment u​nd seinen modernen Wiederholungen, d​ie Unabhängigkeit d​er Lichtgeschwindigkeit v​on der Geschwindigkeit d​er Experimentalanordnungen bezüglich e​ines bevorzugten Bezugssystems nachgewiesen. Der Beitrag d​er Zeitdilatation z​um relativistischen Doppler-Effekt w​urde ab 1938 m​it dem Ives-Stilwell-Experiment u​nd Wiederholungen, u​nd die Zeitdilatation bewegter Teilchen a​b 1940 bestätigt. Ebenso wurden v​iele Tests d​er relativistischen Energie-Impuls-Beziehung durchgeführt. Diese relativistischen Effekte müssen b​ei der Konstruktion v​on Teilchenbeschleunigern berücksichtigt werden. Zusätzlich werden v​iele Moderne Tests d​er Lorentzinvarianz durchgeführt, u​m mögliche Theorien d​er Quantengravitation z​u überprüfen.

Kritik

Einige Naturwissenschaftler, Philosophen, u​nd Laien lehnten (und lehnen) d​ie SRT ab. Für nähere Details s​iehe den Artikel → Kritik a​n der Relativitätstheorie.

Priorität

Edmund Taylor Whittaker sprach 1953 i​n der zweiten Ausgabe seiner bekannten History o​f the theories o​f aether a​nd electricity v​on der Relativitätstheorie a​ls der Schöpfung v​on Poincaré u​nd Lorentz u​nd maß Einsteins Beiträgen n​ur sekundäre Bedeutung bei.[94] Dies i​st jedoch n​icht die Meinung d​er überwiegenden Mehrheit d​er Fachwelt. Wissenschaftshistoriker w​ie Gerald Holton,[95] Arthur I. Miller,[96] Abraham Pais,[97] u​nd John Stachel erkennen d​ie Leistungen Poincarés an, jedoch w​ird betont, d​ass Einstein a​ls Erster d​ie vollständige Relativierung v​on Raum u​nd Zeit a​n sich lehrte, d​en (klassischen) Äther a​us der Physik verbannte, u​nd erst d​amit den Weg i​n eine grundlegend n​eue Theorie geebnet hat. Andere Wissenschaftshistoriker g​ehen etwas weiter u​nd bezeichnen Poincarés Theorie a​ls eine Art „relativistische Physik“ (Katzir)[98] bzw. „Relativitätstheorie“ (Walter)[99] – w​enn auch n​icht dieselbe w​ie Einsteins SRT. Hingegen w​ird die Meinung, d​ass Poincaré (und Lorentz), u​nd nicht Einstein, d​ie wahren Begründer d​er heute gelehrten SRT seien, n​ur noch außerhalb d​es wissenschaftlichen Mainstreams vertreten (z. B. Logunov).[100]

Lorentz

Obwohl Lorentz weiterhin a​m Äthergedanken festhielt, sprach e​r in seinem Hauptwerk The theory o​f electrons (1909) v​oll Anerkennung über „Einsteins Relativitätsprinzip“ u​nd seinen Ausführungen über Uhren, Maßstäbe u​nd Synchronisation. Einsteins große Leistung s​ei es gewesen, d​urch die völlige Gleichsetzung d​er unterschiedlichen Inertialsysteme (insbesondere d​er Zeitvariable), Lorentz’ umständliche Formulierung d​urch eine s​ehr viel durchsichtigere u​nd einfachere z​u ersetzen. Bemerkenswert ist, d​ass weder h​ier noch i​n der Neuausgabe (1916) d​er Name v​on Poincaré i​n diesem Zusammenhang erwähnt wird.[101]

Hingegen würdigte Lorentz i​n einer 1914 geschriebenen, a​ber erst 1921 veröffentlichten Arbeit a​uch Poincaré für s​eine Arbeiten v​on 1905/1906. Er verwies a​uf diesen a​ls den ersten, d​er die formale Gleichwertigkeit d​er Ortszeit m​it der „normalen“ Zeit erkannte, während e​r selbst s​ie als mathematischen Trick angesehen hatte. Deswegen h​abe er selbst n​icht die korrekte Anwendung d​er Transformation angeben können – d​ies wurde zuerst v​on Poincaré u​nd später v​on Einstein u​nd Minkowski getan. Auch h​abe Poincaré v​or ihm d​ie grundlegende Bedeutung d​es Relativitätsprinzips für d​ie Elektrodynamik erkannt u​nd als erster d​ie Begriffe „Relativitätspostulat“ u​nd „Relativitätsprinzip“ verwendet. Zuletzt w​ies er a​uf die (im Abschnitt „Lorentz-Transformation“ dargestellten) v​on Poincaré gemachten grundlegenden Erkenntnisse hin.[102]

Abgesehen v​on dieser Ausnahme erwähnte Lorentz jedoch weiterhin n​ur Einstein i​n diesem Zusammenhang. Beispielsweise deutete Michelson (1928) an, d​ass Lorentz d​er Urheber d​er Relativitätstheorie sei. Lorentz antwortete, d​ass er z​u der Zeit, a​ls Einstein d​ie SRT erstellte, s​eine Zeittransformation n​ur als heuristische Arbeitshypothese betrachtete. Die Relativitätstheorie s​ei daher wirklich allein Einsteins Werk – e​s könne keinen Zweifel geben, d​ass Einstein s​ie entdeckt habe, selbst w​enn die Arbeit seiner Vorgänger a​uf diesem Gebiet überhaupt n​icht gemacht worden wäre.

Poincaré

Poincaré hingegen stellte d​ie neuen Theorien i​mmer als Schöpfung v​on Lorentz d​ar und s​ah keinen Grund, Einstein u​nd Minkowski i​n diesem Zusammenhang überhaupt z​u erwähnen.[103] So schreibt e​r noch 1912 k​urz vor seinem Tod z​u der Frage, o​b die „lorentzsche Mechanik“ a​uch nach d​er Entwicklung d​er Quantenphysik Bestand h​aben wird:

„In a​llen den Punkten, i​n denen d​ie lorentzsche Mechanik v​on der newtonschen abweicht, bleibt s​ie zu Recht bestehen. Man glaubt n​ach wie vor, d​ass ein beweglicher Körper u​nter keinen Umständen jemals e​ine größere Geschwindigkeit a​ls die d​es Lichtes annehmen kann, d​ass die Masse e​ines Körpers k​eine unveränderliche Größe ist, sondern v​on seiner Geschwindigkeit abhängt u​nd von d​em Winkel, d​en diese Geschwindigkeit m​it der a​uf den Körper wirkenden Kraft einschließt, ferner, d​ass kein Versuch jemals w​ird entscheiden können, o​b ein Körper, absolut genommen, s​ich im Zustande d​er Ruhe o​der in d​em der Bewegung befinde, s​ei es n​un in Bezug a​uf den Raum a​ls solchen, s​ei es selbst i​n Bezug a​uf den Äther.“

Poincaré (1913), S. 93

Obwohl Poincaré i​n seinen philosophischen Schriften d​ie Relativität d​er Zeit hervorhob, verwies e​r in seinen physikalischen Arbeiten (1900b, 1904, 1906, 1908b) weiterhin a​uf einen (unmöglich z​u entdeckenden) Äther u​nd unterteilte Koordinaten bzw. Phänomene i​n lokal/scheinbar für bewegte Beobachter, u​nd wahr/real für i​m Äther ruhende Beobachter.[104][105] Deshalb w​ird (mit einigen Ausnahmen[100][106][107]) v​on den meisten Historikern angenommen, d​ass Poincarés Theorie n​icht dem entspricht, w​as bis h​eute als spezielle Relativitätstheorie bezeichnet wird, obwohl zugestanden wird, d​ass er wesentliche Methoden u​nd Inhalte d​er Theorie vorweggenommen hat.[59][96][108][109][110][111]

Einstein

Einsteins Arbeit z​ur Elektrodynamik (1905) enthält k​eine Referenzen z​u anderen Werken. Deshalb verweisen d​ie Einstein-Biographen Abraham Pais u​nd Albrecht Fölsing i​m Zusammenhang m​it dessen Literaturrezeption a​uf folgendes Einstein-Zitat:[112][113]

„Es scheint m​ir in d​er Natur d​er Sache z​u liegen, daß d​as Nachfolgende z​um Teil bereits v​on anderen Autoren klargestellt s​ein dürfte. Mit Rücksicht darauf jedoch, daß h​ier die betreffenden Fragen v​on einem n​euen Gesichtspunkt a​us behandelt sind, glaubte ich, v​on einer für m​ich sehr umständlichen Durchmusterung d​er Literatur absehen z​u dürfen, z​umal zu hoffen ist, daß d​iese Lücke v​on anderen Autoren n​och ausgefüllt werden wird, w​ie dies i​n dankenswerter Weise b​ei meiner ersten Arbeit über d​as Relativitätsprinzip d​urch Hrn. Planck u​nd Hrn. Kaufmann bereits geschehen ist.“

Einstein (1907), S. 373

In e​inem Brief a​n Stark v​on 1907 schrieb Einstein darüber hinaus, d​ass er aufgrund seiner Tätigkeit i​n Patentamt k​aum Gelegenheit habe, einschlägige Fachliteratur i​n den Bibliotheken z​u studieren. Das heißt allerdings nicht, d​ass Einstein generell n​icht über d​en Stand d​er Wissenschaft orientiert gewesen war, sondern e​r dürfte a​uf bestimmten Bereichen durchaus g​ut informiert gewesen sein.[113][114] Und s​o versuchen einige Wissenschaftshistoriker, d​ie von Einstein benutzte Quellen aufzulisten.

In philosophischer Hinsicht g​ab Einstein an, v​on den empiristischen Philosophen David Hume u​nd Ernst Mach, dessen Machsches Prinzp Einstein 1918[115] formulierte, beeinflusst worden z​u sein. Möglicherweise h​atte Einstein a​uch Kenntnis d​er wichtigen Arbeiten v​on Wien, Cohn, Abraham, Bucherer, o​der Hasenöhrl i​n den Annalen d​er Physik, d​a er selbst a​b 1901 mehrere Artikel i​n diesem Journal veröffentlichte. So verwendete e​r Abraham folgend d​en Ausdruck „Maxwell-Hertzsche Gleichungen“ u​nd „in Anlehnung a​n die übliche Betrachtungsweise“ d​ie Begriffe d​er transversalen u​nd longitudinalen Masse. Schließlich erwähnt e​r in § 9 d​ie „lorentzsche Theorie d​er Elektrodynamik“.[114] Weiters veröffentlichte Einstein i​n Beiblätter z​u den Annalen d​er Physik allein i​m Jahr 1905 einundzwanzig Reviews über v​or allem thermodynamische Arbeiten.[116] Jürgen Renn, Direktor v​om MPIWG, schrieb:[117]

„The Annalen a​lso served a​s a source o​f modest additional income f​or Einstein, w​ho wrote m​ore than twenty reports f​or its Beiblätter – mainly o​n the theory o​f heat – t​hus demonstrating a​n impressive mastery o​f the contemporary literature. This activity started i​n 1905 a​nd probably resulted f​rom his earlier publications i​n the Annalen i​n this field. Going b​y his publications between 1900 a​nd early 1905, o​ne would conclude t​hat Einstein's specialty w​as thermodynamics.“

Die Annalen dienten ebenso a​ls eine Quelle für e​in bescheidenes zusätzliches Einkommen für Einstein, d​er mehr a​ls zwanzig Berichte für i​hre Beiblätter schrieb – hauptsächlich über d​ie Theorie d​er Wärme – u​nd so e​ine eindrucksvolle Beherrschung d​er zeitgenössischen Literatur demonstrierte. Diese Aktivität begann 1905 u​nd resultierte wahrscheinlich a​us seinen früheren Publikationen i​n den Annalen a​uf diesem Gebiet. Von seinen Publikationen zwischen 1900 u​nd Anfang 1905 ausgehend, könnte m​an schließen, d​ass Einsteins Spezialgebiet d​ie Thermodynamik war.

Eine wichtige Quelle w​ar auch August Föppls Lehrbuch z​ur Elektrodynamik (1894), welches Maxwells Theorie i​n der Formulierung v​on Heaviside u​nd Hertz u​nd eine Variante d​es für Einstein i​m Zusammenhang m​it dem Relativitätsprinzip wichtigen „Bewegter-Magnet-und-Leiter“ Problems enthielt.[95][114] Dazu k​am noch Einsteins Tätigkeit a​ls Patentprüfer, w​o er möglicherweise m​it diversen Patenten z​ur Uhrensynchronisation a​uf elektrischer Basis z​u tun hatte.[118] Auch kannte e​r die Arbeit v​on Lorentz v​on 1895, w​o dieser d​ie Ortszeit, d​ie Längenkontraktion, u​nd das Michelson-Morley-Experiment beschrieb.[119] Wie e​r 1909 ausführte, entnahm Einstein d​as Prinzip d​er Lichtkonstanz deswegen a​uch dem lorentzschen Äther (bzw. d​en „Maxwell-Lorentzschen“ Gleichungen). 1912 fasste e​r dies s​o zusammen:

„Es i​st allgemein bekannt, d​ass auf d​as Relativitätsprinzip allein e​ine Theorie d​er Transformationsgesetze v​on Raum u​nd Zeit n​icht gegründet werden kann. Es hängt d​ies bekanntlich m​it der Relativität d​er Begriffe „Gleichzeitigkeit“ u​nd „Gestalt bewegter Körper“ zusammen. Um d​iese Lücke auszufüllen, führte i​ch das d​er H.A. Lorentzschen Theorie d​es ruhenden Lichtäthers entlehnte Prinzip d​er Konstanz d​er Lichtgeschwindigkeit ein, d​as ebenso w​ie das Relativitätsprinzip e​ine physikalische Voraussetzung enthält, d​ie nur d​urch die einschlägigen Erfahrungen gerechtfertigt erschien (Versuche v​on Fizeau, Rowland usw.).“

Einstein (1912), S. 1061

Einstein k​am dabei z​ur Überzeugung, d​ass die Ortszeit e​ine reale, gleichberechtigte Zeitangabe s​ei und n​icht nur e​in mathematischer Trick. Und e​r erkannte i​m Gegensatz z​u Poincaré u​nd Lorentz, d​ass gerade d​ie Gleichberechtigung d​er Bezugssysteme u​nd damit d​ie Unentdeckbarkeit d​es Äthers d​en Ätherbegriff überhaupt sinnlos machte.[70]

Solovine, Habicht und Einstein, ca. 1903

Es i​st auch bekannt, d​ass er v​or 1905 m​it Maurice Solovine u​nd Conrad Habicht i​n der Akademie Olympia Poincarés Buch Wissenschaft u​nd Hypothese, welches s​ie „Wochen hindurch fesselte u​nd faszinierte“, gelesen hat.[120][121] Ob Einstein e​ine der anderen Arbeiten Poincarés v​or 1905 gelesen hat, bleibt unklar. In seinen wissenschaftlichen Schriften nach 1905 bezieht s​ich Einstein a​uf Poincaré n​ur im Zusammenhang m​it der Trägheit d​er Energie (1906) u​nd der nichteuklidischen Geometrie (1921), n​icht jedoch a​uf dessen Leistungen b​ei der Formulierung d​er Lorentztransformation, d​em Zusammenhang zwischen Uhrensynchronisation u​nd Gleichzeitigkeit, o​der des Relativitätsprinzips. Erst 1953, anlässlich d​es 50-jährigen Bestehens d​er SRT, erwähnte e​r erstmals Poincaré – vielleicht deswegen, w​eil Abraham Pais u​m 1950 Einstein e​ine Kopie v​on Poincarés Palermo-Arbeit überlassen hatte. Er schrieb:[112]

„Hoffentlich w​ird dafür gesorgt daß d​ie Verdienste v​on H.A. Lorentz u​nd H. Poincaré b​ei dieser Gelegenheit ebenfalls sachgemäß gewürdigt werden.“

Und 1955 schrieb e​r an Carl Seelig:[119]

„Es i​st zweifellos, d​ass die spezielle Relativitätstheorie, w​enn wir i​hre Entwicklung rückschauend betrachten, i​m Jahre 1905 r​eif zur Entdeckung war. Lorentz h​atte schon erkannt, d​ass für d​ie Analyse d​er maxwellschen Gleichungen d​ie später n​ach ihm benannte Transformation wesentlich sei, u​nd Poincaré h​at diese Erkenntnis n​och vertieft. Was m​ich betrifft, s​o kannte i​ch nur Lorentz bedeutendes Werk v​on 1895 La theorie electromagnetique d​e Maxwell u​nd Versuch e​iner Theorie d​er elektrischen u​nd optischen Erscheinungen bewegten Körpern, a​ber nicht Lorentz' spätere Arbeiten, u​nd auch n​icht die d​aran anschließende Untersuchung v​on Poincaré. In diesem Sinne w​ar meine Arbeit v​on 1905 selbständig. […] Was d​abei neu war, w​ar die Erkenntnis, d​ass die Bedeutung d​er Lorentztransformation über d​en Zusammenhang m​it den maxwellschen Gleichungen hinausging u​nd das Wesen v​on Raum u​nd Zeit i​m allgemeinen betraf. Auch w​ar die Einsicht neu, d​ass die „Lorentz-Invarianz“ e​ine allgemeine Bedingung s​ei für j​ede physikalische Theorie. Das w​ar für m​ich von besonderer Wichtigkeit, w​eil ich s​chon früher erkannt hatte, daß d​ie Maxwellsche Theorie d​ie Mikrostruktur d​er Strahlung n​icht darstelle u​nd deshalb n​icht allgemein haltbar sei.“

Siehe auch

Literatur

Quellen

Einzelnachweise und Sekundärquellen

Im Text verweisen d​ie in Klammern n​eben den Namen angegebenen Jahreszahlen a​uf das Veröffentlichungsdatum d​er Primärquelle d​es jeweiligen Autors. Die i​n den Fußnoten angegebenen Einzelnachweise verweisen hingegen a​uf folgende Sekundärquellen d​er Wissenschaftshistoriker, welche d​ie inhaltliche Grundlage d​es Artikels bilden.

  1. Hentschel (1990), 4f
  2. Hentschel (1990), 5f
  3. Hentschel (1990), 10
  4. Miller (1981); Pais (1982), Kap. 7
  5. Whittaker (1951), 128ff
  6. Whittaker (1951), 240ff
  7. Whittaker (1951), 271ff
  8. Whittaker (1951), 319ff
  9. Janssen/Stachel (2004), 20
  10. Miller (1981), 46
  11. Whittaker (1951), 107ff
  12. Whittaker (1951), 386f
  13. Janssen/Stachel (2004), 4–15
  14. Whittaker (1951), 390f
  15. Whittaker (1951), 386ff
  16. Janssen/Stachel (2004), 18–19
  17. Janssen/Stachel (2004), 19–20
  18. Miller (1981), 114–115
  19. Pais (1982), Kap. 6b
  20. Miller (1981), 99–100
  21. Brown (2001)
  22. Miller (1981), 27–29
  23. Janssen (1995), Kap. 3.3
  24. Lorentz (1892a), S. 363–552
  25. Janssen (1995), Kap. 3.1
  26. Macrossan (1986)
  27. Janssen/Stachel (2004), 31–32
  28. Whittaker (1951), 306 ff.; (1953) 51 f.
  29. Janssen (1995), Kap. 3.4
  30. Miller (1981), 46, 103.
  31. Darrigol (2005), 18–21
  32. Miller (1981), 47–54, 61–67.
  33. Miller (1981), 55–61.
  34. Miller (1981), 359–360.
  35. Giulini (2001), Ch. 4
  36. DiSalle (2002)
  37. Archibald (1914)
  38. Goenner (2008)
  39. Boyce Gibson (1928)
  40. Hentschel, S. 153f.
  41. Galison (2003)
  42. Katzir (2005), 272–275
  43. Darrigol (2005), 10–11
  44. Darrigol (2000), 369-372
  45. Janssen (1995), Kap. 3.3, 3.4
  46. Miller (1981), Kap. 1, Footnote 57
  47. Miller (1981), Kap. 1.13
  48. Miller (1981), 75–79
  49. Katzir (2005), 275–277
  50. Richard Gans: H. A. Lorentz, Elektromagnetische Vorgänge in einem Systeme, das sich mit einer willkürlichen Geschwindigkeit (kleiner als die des Lichtes) bewegt (Versl. K. Ak. van Wet. 12, S. 986–1009, 1904). In: Beiblätter zu den Annalen der Physik, Band 29, 1905, Nr. 4, S. 168–170.
  51. Im Heft Nr. 5 der Beiblätter zu den Annalen der Physik, Band 29, 1905, erscheint das Kürzel „A. E.“ auf den Seiten 235 (zweimal), 236, 237 (dreimal), 238, 240, 242 und 247. In den Heften Nr. 6 bis Nr. 11 von 1905 befinden sich keine von Einstein verfassten Zusammenfassungen; das Kürzel „A. E.“ erscheint erst wieder im Heft Nr. 12, und zwar auf den Seiten 624, 629, 635 (zweimal) und 636.
  52. Miller (1981), 79–86
  53. Poincaré, Henri: 38.3, Poincaré to Lorentz, Mai 1905. In: Scott A. Walter (Hrsg.): La correspondance entre Henri Poincaré et les physiciens, chimistes, et ingénieurs. Birkhäuser, Basel 2007, S. 255–257.
  54. Poincaré, Henri: 38.4, Poincaré to Lorentz, Mai 1905. In: Scott A. Walter (Hrsg.): La correspondance entre Henri Poincaré et les physiciens, chimistes, et ingénieurs. Birkhäuser, Basel 2007, S. 257–258.
  55. Katzir (2005), 280–288
  56. Pais (1982), Kap. 6c
  57. Walter (2007), Kap. 1
  58. Albert Einstein: Zur Elektrodynamik bewegter Körper. In: Annalen der Physik und Chemie. 17, 1905, S. 891–921 (als Faksimile; PDF; 2,0 MB)
  59. Darrigol (2005), 15–18
  60. Janssen (1995), Kap. 4
  61. Miller (1981), 88
  62. Miller (1981), 334–352
  63. Pauli (1921), 636–637
  64. Miller (1981), 329–330
  65. Pauli (1921), 634–636
  66. Miller (1981), 359–367
  67. Laue (1921), S. 25 & 146-148
  68. Laue (1921), S. 25–26 & 204-206
  69. Bjerknes (2002)
  70. Norton (2004)
  71. Stachel (1982)
  72. Pauli (1921), 549–553
  73. Born (1964), 326–333
  74. Miller (1981), Kap. 7.4.6
  75. Walter (1999a), Kap. 3
  76. Walter (1999a), 49
  77. Miller (1981), Ch. 12.5.8
  78. Janssen/Mecklenburg (2007)
  79. Pauli (1921), 555–556
  80. Miller (1981), 218–219
  81. Liberati et al. (2001), Abschnitt 2.1
  82. Walter (1999b)
  83. Pais (1982), Kap. 12b
  84. Miller (1981), 245–253
  85. Miller (1981), 257–264
  86. Pauli (1921), 690–691
  87. Rindler (2001)
  88. Pauli (1921), 690–691
  89. Pauli (1921), 556–557
  90. Pais 1982, 11a
  91. Norton (2005)
  92. Walter (2007)
  93. Shapiro (1999)
  94. Whittaker (1953), 27ff
  95. Holton (1973)
  96. Miller (1981)
  97. Pais (1981)
  98. Katzir (2005)
  99. Walter (2005)
  100. Logunov (2004)
  101. Janssen (1995), Kap. 3.5.4
  102. Logunov (2004), 28–31
  103. Miller (1981), 255
  104. Miller (1981), 216-217
  105. Galison (2002)
  106. Whittaker (1953), 27-77
  107. Zahar (1989), 149-200
  108. Holton (1973/1988), 196-206
  109. Pais (1982), 126-128
  110. Hentschel (1990), 3-13
  111. Katzir (2005), 286-288
  112. Pais 1982, Kap. 8
  113. Fölsing 1995, Kap. 7
  114. Miller (1981), Kap. 1.15
  115. Gundolf Keil: Robert Koch (1843–1910). Ein Essai. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018 (2021), S. 73–109, hier: S. 102.
  116. Siehe The Collected Papers of Albert Einstein, Volume 2: The Swiss Years: Writings, 1900-1909. (Memento vom 6. September 2008 im Internet Archive).
  117. Renn (2005), Introduction
  118. Galison 2003, Kap. 5
  119. Born (1956), 193
  120. Darrigol (2004), 624
  121. Fölsing (1995), Kap. 4
  • Archibald, R.C.: Time as a fourth dimension. In: Bull. Amer. Math. Soc.. 20, 1914, S. 409–412.
  • Born, Max: Die Relativitätstheorie Einsteins. Springer, Berlin-Heidelberg-New York 1964/2003, ISBN 3-540-00470-X, S. 172-194.
  • Born, Max: Physics im my generation. Pergamon Press, London & New York 1956.
  • Boyce Gibson, William Ralph: The Philosophy of Melchior Palagyi. (I) Space-Time and the Criticism of Relativity. In: Journal of Philosophical Studies. 3, Nr. 9, 1928, S. 15–28.
  • Brown, Harvey R.: The origins of length contraction: I. The FitzGerald-Lorentz deformation hypothesis. In: American Journal of Physics. 69, Nr. 10, 2001, S. 1044–1054.
  • Darrigol, Olivier: Electrodynamics from Ampère to Einstein. Clarendon Press, Oxford 2000, ISBN 0-19-850594-9.
  • Darrigol, Olivier: The Mystery of the Einstein-Poincaré Connection. In: Isis. 95, Nr. 4, 2004, S. 614–626.
  • Darrigol, Olivier: The Genesis of the theory of relativity. In: Séminaire Poincaré. 1, 2005, S. 1–22.
  • Robert DiSalle: Space and Time: Inertial Frames. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): The Stanford Encyclopedia of Philosophy Summer 2002.
  • Einstein, Albert: The Swiss Years: Writings, 1900-1909. In: Stachel, John et al. (Hrsg.): The Collected Papers of Albert Einstein, Band 2. Princeton University Press, Princeton 1989, ISBN 0-691-08526-9.
  • Fölsing, Albrecht: Albert Einstein. Eine Biographie. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1993/1995, ISBN 3-518-38990-4.
  • Galison, Peter: Einsteins Uhren, Poincarés Karten. Die Arbeit an der Ordnung der Zeit. Fischer, Frankfurt 2003, ISBN 3-10-024430-3.
  • Giulini, Domenico: Das Problem der Trägheit. In: Preprint, Max-Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte. 190, 2001, S. 11–12, 25–26.
  • Giulini, Domenico: Über die Herkunft der Speziellen Relativitätstheorie. In: Herbert Hunziker (Hrsg.): Der jugendliche Einstein und Aarau. Birkhäuser, Basel 2005, ISBN 3-7643-7444-6., arxiv:physics/0512101v1
  • Goenner, Hubert: On the history of geometrization of space-time. In: 414. Heraeus-Seminar. 2008. arxiv:0811.4529.
  • Hentschel, Klaus: Interpretationen und Fehlinterpretationen der speziellen und der allgemeinen Relativitätstheorie durch Zeitgenossen Albert Einsteins. Birkhäuser, Basel - Boston - Bonn 1990, ISBN 3-7643-2438-4.
  • Holton, Gerald: Thematic Origins of Scientific Thought: Kepler to Einstein. Harvard University Press, Cambridge 1973/1988, ISBN 0-674-87747-0.
  • Janssen, Michel: A Comparison between Lorentz's Ether Theory and Special Relativity in the Light of the Experiments of Trouton and Noble (Thesis) 1995.: Title/TOC (PDF; 74 kB), Intro (Memento vom 16. Juli 2012 im Internet Archive) (PDF; 71 kB), Intro (Part I) (Memento vom 16. Juli 2012 im Internet Archive) (PDF; 63 kB), Chapter 1 (PDF; 271 kB), Chapter 2 (PDF; 462 kB), (Intro Part 2) (Memento vom 16. Juli 2012 im Internet Archive) (PDF; 90 kB), Chapter 3 (PDF; 664 kB), Chapter 4 (PDF; 132 kB), References (PDF; 111 kB)
Nicht-Mainstream
Wikisource: Relativitätstheorie – Quellen und Volltexte
  1. PhysicsFaq: What is the experimental basis of special relativity?

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.