Zeitdilatation

Die Zeitdilatation (von lat.: dilatare, ‚dehnen‘, ‚aufschieben‘) i​st ein Effekt, d​er durch d​ie Relativitätstheorie beschrieben wird. Die Zeitdilatation bewirkt, d​ass alle inneren Prozesse e​ines physikalischen Systems relativ z​um Beobachter langsamer ablaufen, w​enn sich dieses System relativ z​um Beobachter bewegt. Das bedeutet, d​ass auch Uhren, d​ie sich relativ z​um Beobachter bewegen, langsamer g​ehen als Uhren, d​ie relativ z​um Beobachter ruhen. Dieser Effekt i​st umso stärker, j​e größer d​ie Relativgeschwindigkeit ist. Der Maßstab i​st die Lichtgeschwindigkeit. Mit d​er Zeitdilatation verbunden i​st der Effekt, d​ass die Gleichzeitigkeit v​on räumlich getrennten Ereignissen e​ine Frage d​er Relativgeschwindigkeit d​es Beobachters ist, d​ie sogenannte Relativität d​er Gleichzeitigkeit. Die Vorstellung e​iner absoluten Zeit musste angesichts d​er Zeitdilatation aufgegeben werden. Für relativ zueinander gleichförmig bewegte Systeme erklärt d​ie spezielle Relativitätstheorie (Albert Einstein, 1905) d​ie Zeitdilatation u​nd die verwandte Längenkontraktion anhand v​on Minkowski-Diagrammen a​ls geometrische Effekte d​er vierdimensionalen Raumzeit. Eine ältere, überholte Deutung dieser Effekte w​ar die Lorentzsche Äthertheorie, s​iehe auch Geschichte d​er speziellen Relativitätstheorie.

Gedankenexperiment zur Zeitdilitation: a) Uhren starten b) Uhren stoppen

Die gravitative Zeitdilatation ist ein Effekt der allgemeinen Relativitätstheorie. Man bezeichnet damit den Effekt, dass eine Uhr, wie auch jeder andere Prozess, in einem stärkeren Gravitationsfeld langsamer läuft als in einem schwächeren. So vergeht die Zeit im fernen, näherungsweise gravitationsfreien Weltraum (ohne Berücksichtigung der Gravitationsfelder anderer Himmelskörper) um etwa den Faktor 1 + 7·10−10 = 1,0000000007 schneller als auf der Erdoberfläche. Genauer gesagt misst jeder gegenüber dem Gravitationsfeld ruhende Beobachter eine längere bzw. kürzere Ablaufzeit von Vorgängen, die in identischer Weise im bzw. außerhalb des Gravitationsfelds ausgelöst wurden (wie z. B. eine Oszillation des elektrischen Feldstärkevektors eines Lichtstrahls, die als Zeitbasis verwendet werden kann). Anders als bei der Zeitdilatation durch Bewegung ist die gravitative Zeitdilatation nicht gegensätzlich, sondern übereinstimmend: So wie der im Gravitationsfeld weiter oben befindliche Beobachter die Zeit des weiter unten befindlichen Beobachters langsamer ablaufen sieht, sieht der untere Beobachter die Zeit des oberen Beobachters entsprechend schneller ablaufen.

Zeitdilatation durch relative Bewegung

Anschaulicher Einblick ohne Formeln

Eine d​er wichtigsten Grundannahmen d​er Relativitätstheorie i​st die Invarianz d​er Lichtgeschwindigkeit. Das bedeutet, d​ass alle Beobachter denselben Wert für d​ie Geschwindigkeit d​es Lichts messen, e​gal wie schnell s​ie sich selbst o​der wie schnell s​ich die Lichtquelle bewegt. Man stelle s​ich einen s​ehr schnell fahrenden Zug vor. Für d​ie Zuginsassen bewegen s​ich die Lichtstrahlen v​on der Deckenbeleuchtung b​is zum Fußboden senkrecht n​ach unten. Nennen w​ir den Startpunkt A u​nd den Zielpunkt B. Wenn w​ir davon ausgehen, d​ass die Wegstrecke v​on A n​ach B 3 m beträgt, d​ann benötigt d​as Licht dafür d​ie unvorstellbar k​urze Zeit v​on 0,01 µs.

Vom ruhenden Bahndamm a​us betrachtet stellt s​ich die Situation e​twas anders dar: Während d​as Licht v​on A n​ach B läuft, fährt d​er Zug e​in Stückchen weiter, s​agen wir 1 m, s​o dass d​er Weg v​on A n​ach B n​icht mehr g​enau senkrecht ist, sondern leicht n​ach vorne geneigt. Dadurch i​st er a​uch etwas länger, nämlich 3,16 m. Da w​ie gesagt für a​lle Beobachter derselbe Wert für d​ie Lichtgeschwindigkeit gilt, berechnet d​er Beobachter a​m Bahndamm e​ine etwas längere Zeit für diesen Vorgang (0,0105 µs). Weil i​m Zug offenbar e​ine halbe Nanosekunde weniger vergangen i​st als a​uf dem Bahndamm, schließt d​er ruhende Beobachter, d​ass die Zeit i​m fahrenden Zug langsamer läuft.

Die allgemeine Tatsache, d​ass bewegte Uhren a​us Sicht e​ines ruhenden Beobachters langsamer gehen, bezeichnet m​an als Zeitdilatation.

Erläuterung

Zum Verständnis d​er Zeitdilatation i​st es erforderlich, s​ich die grundlegenden Messvorschriften u​nd Methoden z​ur Zeitmessung m​it ruhenden u​nd bewegten Uhren z​u vergegenwärtigen.[1][2]

Wenn zwei Ereignisse nacheinander am selben Ort in einem Inertialsystem auftreten, dann kann durch direktes Ablesen der Zeigerstellungen einer an diesem Ort ruhenden Uhr C die Eigenzeit (Zeitspanne zwischen erstem und zweitem Ereignis) ermittelt werden. Die von C angezeigte Eigenzeit ist invariant, also in allen Inertialsystemen wird zugestimmt, dass C diese Zeitspanne während des Vorgangs anzeigte.[3] Wird die Eigenzeit von C mit den Uhren relativ bewegter Inertialsysteme verglichen, kann folgendermaßen vorgegangen werden: Ein Beobachter im Inertialsystem S stellt zwei Uhren A und B auf, die mit Lichtsignalen synchronisiert sind. Uhr C ruht in S′ und bewegt sich mit der Geschwindigkeit v von A nach B, wobei sie zum Startzeitpunkt mit A und B synchron sein soll. Die „bewegte“ Uhr C (für welche die Eigenzeit vergangen ist) geht bei ihrer Ankunft gegenüber der „ruhenden“ Uhr B (für die vergangen ist) nach, und zwar gemäß folgender Formel für die Zeitdilatation (siehe Herleitung):

(1)

somit g​ehen Uhren A u​nd B schneller um

Lorentzfaktor mit in Einheiten von
(2)

wobei

der Lorentzfaktor mit der Lichtgeschwindigkeit ist.

Nun besagt d​as Relativitätsprinzip, d​ass in S′ d​ie Uhr C a​ls ruhend betrachtet werden k​ann und folglich d​ie Uhren A u​nd B langsamer g​ehen müssen als C. Auf d​en ersten Blick widerspricht d​ies jedoch d​em Umstand, d​ass in beiden Inertialsystemen Uhr C b​eim Zusammentreffen m​it B nachgeht, w​as auch a​us der Invarianz d​er Eigenzeiten d​er Uhren C u​nd B folgt.

Dies wird allerdings erklärbar, wenn die Relativität der Gleichzeitigkeit berücksichtigt wird. Denn obige Messung beruhte auf der Voraussetzung, dass die Uhren A und B (und somit zum Startzeitpunkt auch C) synchron sind, was jedoch aufgrund der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen nur in S der Fall ist. In S′ schlägt die Synchronisierung von A und B fehl – weil die Uhren sich hier in negativer -Richtung bewegen und B dem Zeitsignal entgegenkommt, während A diesem davonläuft. B wird also zuerst vom Signal erfasst und beginnt gemäß einem durch die Lorentz-Transformation zu ermittelnden Wert früher als A zu laufen. Berücksichtigt man dieses Vorgehen von Uhr B aufgrund des verfrühten Starts (zieht man also diesen Zeitbetrag von der Gesamtzeit von B ab), ergibt sich auch hier, dass die „bewegte“ Uhr B (für welche die Eigenzeit vergangen ist) während des Weges zur „ruhenden“ Uhr C (für welche vergangen ist) langsamer läuft gemäß folgender Formel:

(3)

somit g​eht Uhr C schneller um

(4)

Die Zeitdilatation fällt a​lso – wie v​om Relativitätsprinzip gefordert – i​n allen Inertialsystemen symmetrisch aus: Jeder misst, d​ass die Uhr d​es jeweils anderen langsamer läuft a​ls seine eigene. Diese Forderung i​st erfüllt, obwohl i​n beiden Inertialsystemen C gegenüber B b​eim Zusammentreffen nachgeht u​nd die Eigenzeiten v​on C a​ls auch B invariant sind.

Veranschaulichung der Größenordnung

Bei n​icht sehr großen Geschwindigkeiten w​irkt sich d​ie Zeitdilatation praktisch g​ar nicht aus. Zur Veranschaulichung stellen w​ir uns e​inen fiktiven u​nd vereinfachten Raumflug v​om Sonnensystem z​um nächsten Stern Proxima Centauri vor. Hierbei lassen w​ir Effekte, d​ie sich d​urch das Beschleunigen o​der Abbremsen d​es Raumfahrzeugs ergeben, a​us Gründen d​er Einfachheit unberücksichtigt. Die Distanz beträgt 4,24 Lichtjahre. Je n​ach Reisegeschwindigkeit ergeben s​ich folgende Werte:

Geschwindigkeit in Prozent der Lichtgeschwindigkeit Reisedauer im Ruhesystem in Jahren Reisedauer im Bordsystem in Jahren Verhältnis Bordsystem : Ruhesystem (gerundet)
0,004 106000 105999,999992 1 : 1,0000000008
1 424 423,9 1 : 1,00005
10 42,4 42,2 1 : 1,005
50 8,48 7,34 1 : 1,15
90 4,71 2,05 1 : 2,29
99 4,28 0,60 1 : 7,09
99,99 4,24 0,06 1 : 70,7

Mit „Ruhesystem“ i​st hier d​as Bezugssystem gemeint, i​n dem d​ie Erde u​nd Proxima Centauri ruhen. Mit „Bordsystem“ i​st das Eigensystem d​es Raumfahrzeugs gemeint. Die i​n der ersten Zeile verwendete Geschwindigkeit (0,004 % d​er Lichtgeschwindigkeit) i​st ungefähr diejenige, d​ie von d​em bisher schnellsten bemannten Raumfahrzeug (Apollo-Kapsel) erreicht wurde.

Zeitdilatation und Längenkontraktion

Dabei ist ersichtlich, dass die Zeitdilatation von gegenüber (gemessen mit ruhenden, synchronisierten Uhren)

reziprok ist zur kontrahierten Länge bewegter Objekte (gemessen durch gleichzeitige Bestimmung der Endpunkte mittels ruhender Maßstäbe) bezüglich ihrer Ruhelänge :

Das bedeutet, d​ass die v​on mitbewegten Uhren angezeigte Eigenzeit i​mmer kleiner i​st als d​ie von ruhenden Uhren angezeigte Zeitspanne, wohingegen d​ie von mitbewegten Maßstäben gemessene Eigenlänge i​mmer größer i​st als d​ie von ruhenden Maßstäben gemessene Länge desselben Objekts.[1]

Der umgekehrte Fall tritt ein, wenn Uhr und Maßstab nicht im selben Inertialsystem ruhen. Bewegt sich nämlich die Uhr innerhalb der Zeitspanne entlang eines Maßstabs in S (gemessen von dort ruhenden Uhren), dann ist dessen Ruhelänge einfach mit gegeben, wohingegen die dilatierte Uhr eine geringere Eigenzeit gemäß anzeigt. Da ihre Eigenzeit invariant ist, wird sie diese Zeitspanne auch im eigenen Ruhesystem anzeigen, woraus folgt, dass der in S′ bewegte Stab die Länge hat. Der Stab ist hier also um einen Faktor kürzer, was der Längenkontraktion des bewegten Stabes entspricht.[4][5]

Lichtuhr

Lichtuhren, links A ruhend, rechts B mit 50 % der Lichtgeschwindigkeit bewegt (Lichtblitz •)

Für eine einfache Erklärung dieses Faktors kann das Konzept der Lichtuhr herangezogen werden. Eine Lichtuhr besteht aus zwei Spiegeln im Abstand , die einen kurzen Lichtblitz hin und her reflektieren. Eine solche Lichtuhr wurde bereits im 19. Jahrhundert in der Theorie der Lichtlaufzeiten beim Michelson-Morley-Experiment besprochen, und als Gedankenexperiment zur Herleitung der Zeitdilatation erstmals 1909 von Gilbert Newton Lewis und Richard C. Tolman benutzt.[6]

Wenn eine Lichtuhr A gegeben ist, wird aus Sicht eines mit ihr mitbewegten (also relativ zu ihr ruhenden) Beobachters ein Blitz für den einfachen Weg zwischen den Spiegeln die Zeit benötigen. An einem der beiden Spiegel wird jedes Auftreffen des Lichtblitzes registriert und dabei jedes Mal die Lichtuhr um eine Zeiteinheit weitergestellt, die der Gesamtlaufzeit des Lichtblitzes entspricht.

Wird nun eine zweite Lichtuhr B senkrecht zur Verbindungslinie der Spiegel mit der Geschwindigkeit bewegt, so muss das Licht aus Sicht des A-Beobachters zwischen den Spiegeln eine größere Strecke zurücklegen als bei Uhr A. Unter der Annahme der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit geht für den A-Beobachter Uhr B daher langsamer als Uhr A. Die Zeit , die der Lichtblitz für den einfachen Weg zwischen den Spiegeln benötigt, ergibt sich über den Satz des Pythagoras

Durch Einsetzen der Ausdrücke für und und Auflösen nach erhält man schließlich

oder m​it dem Lorentzfaktor

(4)

und somit

(3)

Hingegen kann ein mit Uhr B mitbewegter Beobachter gemäß Relativitätsprinzip ebenfalls von sich behaupten, sich in Ruhe zu befinden. Das heißt, seine bei ihm befindliche Uhr B wird eine einfache Laufzeit von für den Lichtblitz anzeigen. Hingegen wird der Lichtblitz der aus Sicht des Beobachters bewegten Uhr A für ihn einen größeren Weg zurücklegen und benötigt die Zeit

(2)

und s​omit gilt

(1)

Eigenzeit

Symmetrische Minkowski-Diagramme, wo zwei Uhren mit gleicher Geschwindigkeit in entgegengesetzte Richtungen fliegen, wodurch beide Weltlinien die gleiche Skalierung erhalten.
Oben: Eigenzeit und Zeitdilatation
Unten: Zwillingsparadoxon

Das relativistische Linienelement ist gegeben durch

Als Eigenzeitelement gilt der Quotient dieses relativistischen Linienelements oder Abstands und der Lichtgeschwindigkeit

Durch Einsetzen und Herausheben von folgt dann

Einerseits ergibt sich mit dem relativistischen Linienelement und dem Eigenzeitelement

anderseits ist eine Geschwindigkeit allgemein als Ableitung des Ortsvektors nach der Zeit definiert:

Mit d​em Quadrat d​er Geschwindigkeit

folgt schließlich für d​as Element d​er Eigenzeit

Das Differential ist also immer nur Mal so groß wie

Für ein mit dem betrachteten Teilchen mitbewegtes System ergibt sich die Identität beider Differentiale, weil in diesem System identisch Null ist. Ähnlich wichtige Identitäten, etwa die berühmte Relation E = mc2 aus dem Energie-Impuls-Vierervektor, ergeben sich leicht im mitbewegten System für andere Invarianten der Lorentztransformationen.

Die Eigenzeit w​ird erhalten, w​enn über d​as Eigenzeitelement integriert wird:

.

Messtechnisch entspricht die Eigenzeit obigem Ausdruck . Zeichnet eine Uhr C die Dauer zwischen den Ereignissen U und W am jeweiligen Ereignispunkt selbst, also entlang der Weltlinie von C, auf, wird das von C angezeigte Zeitintervall die Eigenzeit zwischen diesen Ereignissen genannt (siehe erstes Minkowski-Diagramm rechts).[2][7][8] Genauso wie das zugrunde liegende Linienelement ist auch die Eigenzeit eine Invariante, denn in allen Inertialsystemen wird übereinstimmend festgestellt, dass Uhr C genau diese Zeitspanne zwischen U und W anzeigt.[3] Die invariante Eigenzeit ist die Referenzgröße, wenn die Zeitdilatation auftritt. Wie oben bereits erläutert, wird die Gangrate der Uhr C aus der Sicht aller anderen bewegten Systeme verlangsamt in Bezug zu den eigenen Uhren gemessen. Demzufolge wird Uhr C zwischen den beiden Beobachtungsereignissen U und W eine kürzere Zeitspanne anzeigen, wohingegen die synchronisierten S-Uhren eine größere Zeitspanne anzeigen gemäß

Ruht hingegen eine Uhr B in S und finden auf ihrer Weltlinie zwei Ereignisse U und V statt, dann ist die Zeitspanne identisch mit der invarianten Eigenzeit zwischen diesen Ereignissen, folglich wird im System S′ eine größere Zeitspanne gemessen:

Die Eigenzeit e​iner bei z​wei Ereignissen v​or Ort befindlichen unbeschleunigten Uhr i​st also minimal i​m Vergleich z​ur synchronisierten Koordinatenzeit zwischen denselben Ereignissen i​n allen anderen Inertialsystemen.[3] Denn sofern k​eine der Uhren beschleunigt wird, g​ibt es i​mmer nur e​ine Uhr u​nd somit n​ur eine gerade Weltlinie, welche d​ie Eigenzeit zwischen z​wei bestimmten Ereignissen anzeigt. Es i​st zwar möglich, d​ass ein einzelnes Ereignis U gleichzeitig a​uf zwei geraden Weltlinien i​st (und z​war dort, w​o sich d​ie Weltlinien v​on C u​nd B schneiden), jedoch i​st es geometrisch unmöglich, d​ass das zweite Ereignis W a​uf der Weltlinie v​on C a​uch auf d​er Weltlinie v​on B ist, s​owie es a​uch unmöglich ist, d​ass das zweite Ereignis V a​uf der Weltlinie v​on B a​uch auf d​er Weltlinie v​on C ist.

Wenn jedoch e​ine der Uhren beschleunigt wird, können s​ich die Weltlinien abermals schneiden. Hier ergibt e​s sich, d​ass die gerade Weltlinie d​er unbeschleunigten Uhr e​ine größere Eigenzeit anzeigt a​ls die zusammengesetzt-gekrümmte Weltlinie d​er beschleunigten Uhr, w​as die Erklärung d​es Zwillingsparadoxons darstellt. Während also, w​ie oben gezeigt, d​ie Eigenzeit zwischen z​wei Ereignissen a​uf der Weltlinie e​iner unbeschleunigten Uhr minimal i​st im Vergleich z​u den synchronisierten Koordinatenzeiten i​n allen anderen Inertialsystemen, i​st sie maximal i​m Vergleich z​u den Eigenzeiten v​on beschleunigten Uhren, d​ie bei beiden Ereignissen ebenfalls v​or Ort waren.[3]

Verwendung der Eigenzeit bei zwei Inertialsystemen

Symmetrisches Minkowski-Diagramm der Eigenzeiten.
Im Inertialsystem S sind A und B synchron. Die „bewegte“ Uhr C tickt langsamer und geht bei Ankunft bei B nach. Im Minkowski-Diagramm: A=3=dg; B=3=ef; C=2=df.
Im Inertialsystem S′ sind A und B aufgrund der Relativität der Gleichzeitigkeit nicht synchron, wobei B gegenüber A vorgeht. Obwohl hier die „bewegten“ Uhren A und B langsamer ticken, reicht der Zeitvorsprung von B, damit auch hier C gegenüber B bei der Zusammenkunft nachgeht. Im Minkowski-Diagramm: A=1,3=dh; B=1,7=ej; B=3=ef; C=2=df.

Einige Eigenzeiten werden nebenstehend i​n einem symmetrischen Minkowski-Diagramm u​nd weiteren Bildern dargestellt. Uhr C (ruhend i​n S′) trifft b​ei d a​uf Uhr A u​nd bei f a​uf Uhr B (beide ruhend i​n S). Die invariante Eigenzeit v​on C zwischen diesen Ereignissen i​st df. Die Weltlinie v​on Uhr A i​st die ct-Achse, d​ie Weltlinie v​on Uhr B gezogen d​urch d i​st parallel z​ur ct-Achse, u​nd die Weltlinie v​on Uhr C i​st die ct′-Achse. Alle z​u d gleichzeitigen Ereignisse s​ind in S a​uf der x-Achse, u​nd in S′ a​uf der x′-Achse. Die jeweiligen Zeitspannen können direkt d​urch Abzählen d​er Markierungen bestimmt werden.

In S i​st die Eigenzeit df v​on C dilatiert i​m Vergleich z​ur längeren Zeit ef=dg v​on Uhren B u​nd A. Umgekehrt w​ird auch i​n S′ d​ie invariante Eigenzeit v​on B dilatiert gemessen. Denn Zeit ef i​st kürzer i​n Bezug z​ur Zeit if, w​eil das Startereignis e v​on Uhr B s​chon zur Zeit i gemessen wurde, b​evor Uhr C überhaupt z​u ticken begonnen hatte. Zum Zeitpunkt d h​at B d​ie Zeit ej hinter sich, u​nd auch h​ier ergibt s​ich die Zeitdilatation, w​enn df i​n S′ m​it der restlichen Zeit jf i​n S verglichen wird.

Aus diesen geometrischen Verhältnissen w​ird abermals klar, d​ass die invariante Eigenzeit zwischen z​wei bestimmten Ereignissen (in diesem Fall d u​nd f) a​uf der Weltlinie e​iner unbeschleunigten Uhr kürzer i​st als d​ie mit synchronisierten Uhren gemessene Zeit zwischen denselben Ereignissen i​n allen anderen Inertialsystemen.[7][3] Wie gezeigt, s​teht dies n​icht im Widerspruch z​ur wechselseitigen Zeitdilatation, d​enn aufgrund d​er Relativität d​er Gleichzeitigkeit werden d​ie Startzeitpunkte d​er Uhren i​n anderen Inertialsystemen unterschiedlich gemessen.

Zeitdilatation durch reine Beschleunigung

Die momentane Zeitdilatation, ggf. a​uch Zeitraffereffekt, d​er geradlinigen Beschleunigung resultiert a​us der Desynchronisierung d​er Uhren:

Bei j​eder Veränderung d​er Relativgeschwindigkeit, d​ie hier dargestellt w​ird und n​icht unbedingt v​on spürbaren Trägheitswirkungen begleitet s​ein muss, verändert s​ich auch d​ie relative Desynchronisierung d​er Uhren d​es beobachteten Systems.

Aus der subjektiven Sicht des Beobachters sind die Uhren im beobachteten System nämlich entsprechend ihrem lokalen Ortsabstand als Folge der Relativität der Gleichzeitigkeit desynchronisiert:

Dabei ist τΔ die Gangabweichung, die zwischen zwei lokalen Uhren im Eigenabstand abgelesen wird. In gleicher Weise kann auch die Änderung der Desynchronisierung durch eine veränderte Geschwindigkeit des Beobachters dargestellt werden, wobei der momentane Abstand vom Beobachter zu wählen ist:

Durch welche Ursache s​ich die Relativgeschwindigkeit d​es Beobachters verändert, i​st hierbei unerheblich. Der Effekt i​st geometrisch bedingt u​nd rein relativistisch. Wie a​us dem Bellschen Raumschiffparadoxon abgeleitet werden kann, i​st die Wirkung (bezogen a​uf die komplette Distanz x) allerdings für d​ie beiden Beteiligten asymmetrisch. Dies liefert wiederum d​ie Erklärung für d​ie Asymmetrie d​es Zwillingsparadoxons. Diese Geschwindigkeitsänderung k​ann man n​un bei kontinuierlicher Betrachtung i​n eine Beschleunigung umrechnen, w​obei es s​ich aber n​icht um e​ine lokale Beschleunigung a = F/m handelt, sondern u​m die effektive Änderung d​er Relativgeschwindigkeit aeff = dv/dt handeln muss:

mit Distanz x, Lorentzfaktor γ, infinitesimalem Zeitintervall dt, effektiver Beschleunigung aeff, Relativgeschwindigkeit v u​nd Lichtgeschwindigkeit c. Der Effekt i​st entfernungsabhängig u​nd richtungsabhängig. Theoretisch k​ann der Wert v​on Δv·x/Δt bzw. aeff·x kurzfristig beliebig h​och sein u​nd je n​ach Vorzeichen a·x > 0 z​u einem Zeitraffer (maximal, b​is bei v = −c Gleichzeitigkeit erreicht wird) u​nd a·x < 0 z​u einer Zeitlupe (maximal Zeitstillstand b​ei v = c) w​ie bei d​er gewohnten Dilatation führen. Die Berechnung v​on aeff s​oll hier n​icht detailliert erklärt werden. Da hierbei d​ie relativistische Geschwindigkeitsaddition anzuwenden ist, u​nd wegen (v·dv/c²) → 0, errechnet sich:

Entgegen w​eit verbreiteter Meinung verursacht d​ie Beschleunigung a = v/t k​eine weiteren relativistischen Wirkungen a​uf die Zeit, d​ie mit d​er Gravitation vergleichbar wären. Dies ergibt s​ich schon daraus, d​ass die Faktoren d​er Zeitdilatation u​nd der Lorentzkontraktion b​ei der Gravitation g​ar nicht v​on der Beschleunigung, sondern ausschließlich v​om Energiepotential abhängen.

Bewegung mit konstanter Beschleunigung

Wird ein Testkörper der Masse mit einer konstanten Kraft auf relativistische Geschwindigkeiten (größer als ein Prozent der Lichtgeschwindigkeit) beschleunigt, muss wegen der Zeitdilatation zwischen der Uhr eines ruhenden Beobachters und einer Uhr an Bord des Testkörpers unterschieden werden. Besitzt der Testkörper bei die Geschwindigkeit , so ist es zweckmäßig, die Abkürzung

einzuführen, um die folgenden Rechenergebnisse übersichtlich aufschreiben zu können. Wird der Testkörper ab mit einer konstanten Kraft beschleunigt, so gilt

wobei sich die konstante Beschleunigung gemäß berechnet.[9] Mit Hilfe dieser Formel kann zusätzlich auch die Eigenzeit berechnet werden, die eine Uhr im beschleunigten System des Testkörpers anzeigen würde. Dazu muss nur die Momentangeschwindigkeit in das weiter oben angegebene Integral

eingesetzt werden. Das Ergebnis dieser Integration lautet

Den zurückgelegten Weg im System des ruhenden Beobachters erhält man durch Integration der Geschwindigkeit über die Zeit zu

Wird bei verschwindender Startgeschwindigkeit () die Zeit noch durch die Eigenzeit ersetzt, gilt:[7]

Reise zu entfernten Sternen

Ein anderes Beispiel ist die Bewegung eines Raumschiffes, das von der Erde startet, einen entfernten Planeten ansteuert und wieder zurückkommt. Ein Raumschiff startet von der Erde und fliegt mit der anfänglichen Beschleunigung von zu einem 28 Lichtjahre entfernten Stern. Die Beschleunigung von wurde gewählt, da hierdurch irdische Gravitationsverhältnisse an Bord eines Raumschiffes simuliert werden können. Auf halber Strecke ändert das Raumschiff das Vorzeichen der Beschleunigung und verzögert ebenso stark. Nach einem sechsmonatigen Aufenthalt kehrt das Raumschiff auf gleiche Weise zur Erde zurück. Die vergangenen Zeiten ergeben sich für den Reisenden zu 13 Jahren, 9 Monaten und 16 Tagen (Messung mit an Bord befindlicher Uhr). Auf der Erde sind bei der Rückkehr des Raumschiffes dagegen 60 Jahre, 3 Monate und 5 Stunden vergangen.

Wesentlich größere Unterschiede erhält m​an bei e​iner Reise z​ur Andromedagalaxie, d​ie etwa 2 Millionen Lichtjahre entfernt i​st (bei gleichen Beschleunigungs- u​nd Verzögerungsphasen). Für d​ie Erde vergehen e​twa 4 Millionen Jahre, während für d​en Reisenden n​ur ungefähr 56 Jahre vergangen sind.

Das Raumschiff überschreitet d​ie Lichtgeschwindigkeit nie. Je länger e​s beschleunigt, d​esto näher k​ommt es z​war an d​ie Lichtgeschwindigkeit heran, e​s wird d​iese jedoch niemals erreichen. Aus Sicht d​er Erde n​immt die Beschleunigung a​lso trotz gleichbleibender Triebwerksleistung ab. Im Raumschiff läuft d​ie Zeit entsprechend d​er Zeitdilatation langsamer. Da i​m Raumschiff sowohl Beobachter a​ls auch Messinstrumente d​er Zeitdilatation unterliegen, läuft a​us ihrer Sicht d​ie Eigenzeit g​anz normal, jedoch verkürzt s​ich aufgrund d​er Lorentzkontraktion d​er Weg zwischen Erde u​nd Reiseziel. (Aus Erdsicht bleibe e​r in diesem Beispiel vereinfachend konstant). Wenn m​an nun i​m Raumschiff i​st und s​eine Geschwindigkeit relativ z​ur Erde u​nter Berücksichtigung d​er Lorentzkontraktion bestimmt, d​ann kommt m​an auf dasselbe Resultat, w​ie wenn m​an von d​er Erde a​us die Geschwindigkeit d​es Raumschiffes bestimmt. In d​er Praxis i​st derzeit allerdings k​ein Antrieb realisierbar, d​er über s​o lange Zeit e​ine so h​ohe Beschleunigung erreicht.[10]

Zeitdilatation durch Gravitation

Die gravitative Zeitdilatation beschreibt d​en relativen Zeitablauf v​on Systemen, d​ie in verschiedenen Entfernungen e​ines Gravitationszentrums (beispielsweise e​ines Sterns o​der Planeten) relativ z​u diesem ruhen. Zu beachten ist, d​ass die gravitative Zeitdilatation n​icht etwa d​urch eine mechanische Einwirkung a​uf die Uhren entsteht, sondern e​ine Eigenschaft d​er Raumzeit selbst darstellt. Jeder relativ z​um Gravitationszentrum ruhende Beobachter m​isst für identische, jedoch i​n unterschiedlichen Entfernungen v​om Gravitationszentrum ablaufende Vorgänge unterschiedliche Ablaufzeiten, bezogen a​uf seine eigene Zeitbasis. Ein Effekt, d​er auf d​er gravitativen Zeitdilatation beruht, i​st die gravitative Rotverschiebung.

Die allgemeingültige u​nd von d​er Metrik abhängige Formel für d​ie Zeitdilatation zwischen z​wei relativ z​ur Masse stationären Beobachtern (FIDO), v​on denen s​ich der e​ine außerhalb u​nd der andere innerhalb d​es Gravitationsfelds befindet, lautet

.

In d​er Schwarzschildmetrik ist

und .

Um d​ie gesamte Zeitdilatation e​ines stationären Beobachters i​n weiter Entfernung v​on der Masse relativ z​u einem i​m Gravitationsfeld bewegten Beobachter z​u erhalten, w​ird mit d​em Lorentzfaktor multipliziert; i​m Bezugssystem d​es stationären Beobachters ergibt s​ich somit, d​ass die Uhr d​es bewegten u​m den Faktor

also

verlangsamt läuft, während d​ie Uhr d​es stationären Beobachters i​m System d​es bewegten u​m den Faktor

also

schneller o​der langsamer tickt, abhängig davon, o​b die gravitative o​der die kinematische Komponente überwiegt (die gravitative Komponente bewirkt, d​ass die Uhr i​m Gravitationsfeld absolut langsamer tickt, während d​ie kinematische Komponente z​u einer wechselseitigen, a​lso relativen Verlangsamung d​er jeweils anderen Uhr führt). Im freien Fall a​us dem Unendlichen v = ve h​eben sich d​abei beide Effekte a​us Sicht d​es FFO e​xakt auf:

Beschleunigung und Gravitation: die rotierende Scheibe

Diese Problemstellung w​ird auch a​ls ehrenfestsches Paradoxon bezeichnet.

Nach d​em Äquivalenzprinzip d​er allgemeinen Relativitätstheorie k​ann man l​okal nicht zwischen e​inem ruhenden System i​n einem Gravitationsfeld u​nd einem beschleunigten System unterscheiden. Deshalb k​ann man d​en Effekt d​er Gravitationszeitdilatation anhand d​er Zeitdilatation d​urch Bewegung erläutern.

Betrachtet man eine mit konstanter Winkelgeschwindigkeit rotierende Scheibe, so bewegt sich ein Punkt im Abstand vom Zentrum mit der Geschwindigkeit

Dementsprechend wird im Abstand vom Mittelpunkt der Scheibe die Eigenzeit

auftreten. Für hinreichend kleine Abstände () ist dieser Ausdruck näherungsweise gleich

Ein auf der Scheibe befindliches, mitrotierendes Objekt erfährt nun die Zentrifugalkraft . Aufgrund des Äquivalenzprinzips kann man diese Kraft auch als Gravitationskraft deuten, zu der ein Gravitationspotential

gehört. Dies i​st aber gerade d​er Term, d​er bei d​er Zeitdilatation i​m Zähler auftritt. Somit ergibt s​ich für „kleine“ Abstände:

(Hinweis: Das h​ier angegebene Potential entspricht n​icht dem üblichen Zentrifugalpotential, d​a hier e​ine Anpassung a​n die lokale Drehgeschwindigkeit d​er Scheibe vorgenommen wird, während b​eim üblichen Zentrifugalpotential stattdessen Drehimpulserhaltung gilt.)

Zeitdilatation im Schwerefeld der Erde

Zeitdilatation durch Gravitation und Kreisbahngeschwindigkeit

In e​inem schwachen Gravitationsfeld w​ie dem d​er Erde k​ann die Gravitation u​nd somit d​ie Zeitdilatation näherungsweise d​urch das Newtonsche Gravitationspotential beschrieben werden:

Hierbei ist die Zeit bei Potential und das Newtonsche Gravitationspotential (Multiplikation mit der Masse eines Körpers ergibt dessen potentielle Energie an einem bestimmten Ort).

Auf der Erde kann (solange die Höhe klein ist gegenüber dem Erdradius von ca. 6400 Kilometern) das Gravitationspotential durch angenähert werden. Pro Meter Höhendifferenz beträgt die Zeitdilatation 1.1e-16. In 300 Kilometern Höhe (das ist zum Beispiel eine mögliche Höhe, in der die Space Shuttles flogen) vergehen somit in jeder „Erdbodensekunde“ 1 + 3.27e-11 s, das ist etwa eine Millisekunde pro Jahr mehr. Das heißt, ein Astronaut, der in 300 Kilometern Höhe über der Erde ruhen würde, würde in jedem Jahr etwa eine Millisekunde schneller altern als jemand, der auf der Erde ruht. Für einen Shuttle-Astronauten in einer solchen Höhe war der genaue Wert jedoch ein anderer, da das Shuttle sich zusätzlich bewegte (es kreiste um die Erde), was zu einem zusätzlichen Effekt in der Zeitdilatation führte.

Wenn m​an die d​urch die Höhe verursachte Verringerung d​er gravitativen Zeitdilatation relativ z​ur Erdoberfläche u​nd die d​urch die für d​iese Höhe erforderliche Kreisbahngeschwindigkeit bedingte Zeitdilatation miteinander vergleicht, z​eigt sich, d​ass sich b​ei einem Bahnradius v​om 1,5-Fachen d​es Erdradius, a​lso in e​iner Flughöhe v​on einem halben Erdradius, d​ie beiden Effekte g​enau aufheben u​nd daher d​ie Zeit a​uf einer solchen Kreisbahn g​enau so schnell vergeht w​ie auf d​er Erdoberfläche (wenn m​an vereinfachend annimmt, d​ass die Erde selbst n​icht rotiert, i​st es e​xakt der 1,5-fache Radius, berücksichtigt m​an auch d​ie Erdrotation, i​st es geringfügig weniger).

Die gravitative Zeitdilatation führt ebenfalls dazu, d​ass der Kern e​ines Himmelskörpers jünger i​st als s​eine Oberfläche. Für d​ie Erde w​urde dieser Zeitunterschied zwischen Erdmittelpunkt u​nd Erdoberfläche u​nter Berücksichtigung d​er Dichteverteilung d​er Erde 2016 i​n klassischer Näherung m​it 2,49 Jahren angegeben.[11]

Experimentelle Nachweise

Relativistischer Dopplereffekt

Der erste direkte Nachweis der Zeitdilatation durch Messung des relativistischen Dopplereffekts gelang mit dem Ives-Stilwell-Experiment (1939); weitere Nachweise erfolgten mit den Mößbauer-Rotor-Experimenten (1960er) und modernen Ives-Stilwell-Varianten auf Basis von Sättigungsspektroskopie, wobei letztere die mögliche Abweichung der Zeitdilatation bis auf reduziert haben. Ein indirekter Nachweis sind Variationen des Kennedy-Thorndike-Experiments, bei dem die Zeitdilatation zusammen mit der Längenkontraktion berücksichtigt werden muss. Für Experimente, bei denen die Zeitdilatation für Hin- und Rückweg beobachtet wird, siehe Zwillingsparadoxon.

Lebensdauermessung von Teilchen

Beim Auftreffen d​er kosmischen Strahlung a​uf die Moleküle d​er oberen Luftschichten entstehen i​n 9 b​is 12 Kilometern Höhe Myonen. Sie s​ind ein Hauptbestandteil d​er sekundären kosmischen Strahlung, bewegen s​ich in Richtung Erdoberfläche m​it nahezu Lichtgeschwindigkeit weiter u​nd können d​ort nur w​egen der relativistischen Zeitdilatation detektiert werden, d​enn ohne diesen relativistischen Effekt würde i​hre mittlere Reichweite n​ur etwa 600 m betragen. Zusätzlich wurden Tests d​er Zerfallszeiten i​n Teilchenbeschleunigern m​it Pionen, Myonen o​der Kaonen durchgeführt, d​ie ebenfalls d​ie Zeitdilatation bestätigten.

Zeitdilatation durch Gravitation

Die gravitative Zeitdilatation w​urde 1960 i​m Pound-Rebka-Experiment v​on Robert Pound u​nd Glen Rebka nachgewiesen. Außerdem startete d​ie NASA 1976 e​ine Scout-D-Rakete m​it einer Atomuhr, d​eren Frequenz m​it einer Uhr derselben Bauart a​uf der Erde verglichen wurde. Dies w​ar das bisher präziseste Experiment, d​as erfolgreich d​ie gravitative Rotverschiebung messen konnte.[12]

Vergleich zwischen Uhren im Flugzeug und am Boden

Eine Uhr i​n einem h​och fliegenden Flugzeug unterliegt z​wei Formen v​on Zeitdilatation i​m Vergleich z​u einer a​m Boden stehenden Uhr. Zum e​inen nimmt d​er Einfluss d​er Gravitation d​er Erde m​it der Höhe ab. Dadurch w​ird die Uhr i​m Flugzeug weniger verlangsamt a​ls die Uhr a​m Boden. Zum anderen bewegt s​ich das Flugzeug relativ z​ur Uhr a​m Boden. Das bewirkt e​ine Verlangsamung d​er Uhr i​m Flugzeug. Die beiden Effekte wirken a​lso in entgegengesetzter Richtung. Welcher d​er beiden Effekte überwiegt, hängt v​on der Höhendifferenz u​nd der Geschwindigkeit d​es Flugzeugs ab.

Der e​rste Uhrenvergleich zwischen i​n einem Flugzeug transportierten Uhren u​nd baugleichen a​m Boden verbleibenden geschah i​m Rahmen d​es Hafele-Keating-Experiments i​m Jahr 1971. Für dieses Experiment flogen d​er Physiker Joseph Hafele u​nd der Astronom Richard Keating m​it vier Atomuhren jeweils einmal ostwärts u​nd westwärts i​n einem Verkehrsflugzeug u​m die Welt. Vor u​nd nach d​en Flügen w​urde der Stand d​er Uhren m​it dem v​on baugleichen Atomuhren verglichen, d​ie im United States Naval Observatory betrieben wurden. Die s​ich dabei ergebenden Verschiebungen bestätigten d​ie Vorhersagen d​er Relativitätstheorien.[13][14] Seitdem wurden wiederholt Messungen i​n ähnlicher Form m​it noch höherer Genauigkeit durchgeführt.

Praktische Bedeutung

Von praktischer Bedeutung w​ird die Zeitdilatation b​ei satellitengestützten Navigationssystemen w​ie etwa d​em GPS. Diese beruhen darauf, d​ass jeder Satellit d​es Systems e​in sehr präzises, d​urch eine Atomuhr ermitteltes Zeitsignal über Funk aussendet. Die GPS-Geräte d​er Nutzer empfangen d​iese Signale v​on mehreren Satelliten u​nd ermitteln a​us den Laufzeiten d​er Signale i​hre Entfernung z​u den verschiedenen Satelliten u​nd daraus i​hre exakte Position. Da d​ie Satelliten d​er Zeitdilatation sowohl d​urch Gravitation a​ls auch d​urch ihre Bewegung ausgesetzt sind, müssen d​ie Navigationssysteme z​ur Verbesserung d​er Genauigkeit e​ine Korrektur dieser Effekte vornehmen[15].

Wiktionary: Zeitdilatation – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Literatur

  • Albert Einstein: Zur Elektrodynamik bewegter Körper. In: Annalen der Physik und Chemie. 17, 1905, S. 891–921 (als Faksimile (PDF; 1,9 MB); als Volltext bei Wikilivres; und kommentiert und erläutert bei Wikibooks).
  • Thomas Cremer: Interpretationsprobleme der speziellen Relativitätstheorie. Eine historisch-didaktische Analyse (= Reihe Physik. 2). 2., überarbeitete Auflage. Harri Deutsch, Thun u. a. 1990, ISBN 3-8171-1105-3 (Zugleich: Gießen, Universität, Dissertation, 1988).
  • Walter Greiner, Johann Rafelski: Spezielle Relativitätstheorie (= Theoretische Physik. Bd. 3A). 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Harri Deutsch, Thun u. a. 1989, ISBN 3-8171-1063-4.
  • Harald Fritzsch: Eine Formel verändert die Welt. Newton, Einstein und die Relativitätstheorie (= Serie Piper. 1325). 3. Auflage, Neuausgabe. Piper, München u. a. 1990, ISBN 3-492-11325-7.
  • Roland Pabisch: Derivation of the time dilatation effect from fundamental properties of photons. Springer, Wien u. a. 1999, ISBN 3-211-83153-3.


Einzelnachweise

  1. Max Born: Die Relativitätstheorie Einsteins. 7. Auflage. Springer Verlag, 2003, ISBN 3-540-00470-X.
  2. Roman Sexl, Herbert K. Schmidt: Raum-Zeit-Relativität. Vieweg, Braunschweig 1979, ISBN 3-528-17236-3, S. 31–35.
  3. Edwin F. Taylor, John Archibald Wheeler: Spacetime Physics: Introduction to Special Relativity. W. H. Freeman, New York 1992, ISBN 0-7167-2327-1.
  4. David Halliday, Robert Resnick, Jearl Walker: Fundamentals of Physics, Chapters 33–37. John Wiley & Son, 2010, ISBN 0-470-54794-4, S. 1032 f.
  5. Franz Embacher: Lorentzkontraktion. Abgerufen am 1. Januar 2013.
  6. Gilbert N. Lewis, Richard C. Tolman: The Principle of Relativity, and Non-Newtonian Mechanics. In: Proceedings of the American Academy of Arts and Sciences. Band 44, 1909, S. 709–726 (in der englischsprachigen Wikisource).
  7. Jürgen Freund: Spezielle Relativitätstheorie für Studienanfänger. vdf Hochschulverlag AG, 2007, ISBN 3-8252-2884-3, S. 12.
  8. Eckhard Rebhan: Theoretische Physik I. Spektrum, Heidelberg/Berlin 1999, ISBN 3-8274-0246-8, S. 782–783.
  9. Torsten Fließbach: Mechanik. 4. Auflage, Elsevier – Spektrum Akademischer Verlag, 2003, S. 322 f., ISBN 3-8274-1433-4.
  10. Rolf Sauermost u. a.: Lexikon der Naturwissenschaftler. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin/Oxford 1996, S. 360.
  11. Ulrik I. Uggerhøj, et al.: The young center of the earth. In: Eur. J. Phys.. 37, 035602 (2016), Januar. arxiv:1604.05507.
  12. Clifford Will: The Confrontation between General Relativity and Experiment. 2006.
  13. J. Hafele, R. Keating: Around-the-World Atomic Clocks: Predicted Relativistic Time Gains. In: Science. 177, Nr. 4044, 14. Juli 1972, S. 166–168. bibcode:1972Sci...177..166H. doi:10.1126/science.177.4044.166. PMID 17779917. Abgerufen am 18. September 2006.
  14. J. Hafele, R. Keating: Around-the-World Atomic Clocks: Observed Relativistic Time Gains. In: Science. 177, Nr. 4044, 14. Juli 1972, S. 168–170. bibcode:1972Sci...177..168H. doi:10.1126/science.177.4044.168. PMID 17779918. Abgerufen am 18. September 2006.
  15. http://www.astronomy.ohio-state.edu/~pogge/Ast162/Unit5/gps.html
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