Populärwissenschaftliche Literatur
Als populärwissenschaftliche Literatur gilt Literatur, die wissenschaftliche Themen für einen möglichst großen Personenkreis verständlich und unterhaltend vermitteln soll.
Merkmale populärwissenschaftlicher Literatur
Populärwissenschaftliche Literatur zielt nicht auf Wissenschaftler, sondern auf interessierte Laien ab. Aufbau, Form, Stil und meist auch wissenschaftliches Niveau sind dementsprechend anders als bei wissenschaftlichen Publikationen. Oft sind auch Kinder oder Jugendliche Zielgruppe. Eine konkrete „Populärwissenschaft“ gibt es nicht. Bei den Verfassern handelt es sich in der Regel um Texte von Wissenschaftlern oder Wissenschaftsjournalisten, die auf Informationen aus wissenschaftlichen, an ein spezialisiertes Fachpublikum gerichteten Texten mit komplexen und daher für fachfremde Laien eher schwer zu verstehenden Inhalten beruhen.
Auf die Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens und die Verwendung wissenschaftlicher Termini wird weitgehend verzichtet. Üblicherweise werden Sachverhalte ohne Prüfung und vollständige Angabe von Quellen dargestellt. Häufig werden die Publikationen in einem journalistischen Schreibstil und weniger in wissenschaftlichem Schreibstil verfasst.[1] Sie sind daher in wissenschaftlichen Arbeiten nur eingeschränkt zitierfähig. Die Verfasser bemühen sich in der Regel, den Forschungsstand des jeweiligen Themas ohne Anwendung der in den Wissenschaften üblichen Fachsprache zu vereinfachen und allgemeinverständlich zu vermitteln, nicht aber eigene oder neue Ergebnisse zu präsentieren.
Auf den üblichen Apparat wissenschaftlicher Arbeiten wie z. B. Fußnoten, weitere Formen von Anmerkungen, ausführliche Bibliografien und (mit Ausnahmen) Literaturangaben wird in populärwissenschaftlichen Arbeiten verzichtet, weil diese Merkmale eher in der fachinternen wissenschaftlichen Kommunikation gefordert sind, jedoch Wissenschaftsexterne eher ablehnend darauf reagieren[2].
Da die Texte sich an ein fachfremdes (Laien-)Publikum richten, ist es wichtig, ein Verständnis über verschiedene Änderungen zu ermöglichen; andernfalls können zu komplexe Inhalte die Laien abschrecken.[3] So wird die Informationsfülle einer populärwissenschaftlichen Arbeit im Vergleich zu der zugrundeliegenden wissenschaftlichen Arbeit reduziert – etwa, indem auf Informationen über die Forschenden, Forschungsgruppen und -stätten verzichtet bzw. diese unspezifisch gehalten werden. Weiterhin erfolgt – vor allem wenn von naturwissenschaftlichen Originalarbeiten ausgehend – eine Reduktion der (Mess-)Ergebnisse von Experimenten; die Ergebnisse werden lediglich kurz zusammengefasst. Ebenfalls sinkt die Informationsdichte von einer wissenschaftlichen Originalarbeit, in der die Informationen stark verdichtet und verknappt dargestellt sind, hin zu einer populärwissenschaftlichen, indem den Informationen, die nicht weggekürzt worden sind, durch andere, ein Verständnis unterstützende und veranschauliche Informationen ergänzt werden. Syntax und Struktur können mehr Variationen aufweisen als die eines wissenschaftlichen Textes, der nach einem standardisierten Muster geschrieben wird[2]. Weitze und Heckel sehen folgende vier Hauptmerkmale der Verständlichkeit:
- Einfachheit durch kurze Wörter und Sätze mit einfachem Aufbau und konkreten Beispielen;
- einfache Anordnung und Gliederung der Gedanken, etwa durch Absätze, die Sinnzusammenhänge verdeutlichen, und der Anordnung der Informationen nach ihrer Bedeutung (d. h.: das Wichtigste zu Beginn eines Satzes);
- kurze und prägnante Schreibweise durch den Einsatz von Verben und den Verzicht auf Substantivierungen und unnötigen Ausschweifungen;
- bildhafte Sprache und visuelle Darstellungsmittel wie Bilder und Grafiken sollen zusätzlich anregen[3].
Geschichte
Zu den Wegbereitern für die Popularisierung im technischen Bereich zählt Johann Beckmann (1739–1811), der im 19. Jahrhundert die „Allgemeine Technologie“ entwickelte, um technische Allgemeinbildung zu verbreiten, die auch im Alltag nützlich angewendet werden konnte, unter anderem in Beyträge zur Geschichte der Erfindungen (5 Bände, Leipzig 1783–1805). Zum Aufschwung der populärwissenschaftlichen Literatur trug insbesondere die Industrialisierung im 19. Jahrhundert bei.
Das Buch Volksnaturlehre zur Dämpfung des Aberglaubens von Johann Heinrich Helmuth (erstmals 1786 erschienen) ist eines der ersten im populärwissenschaftlichen Stil geschriebenen Bücher.[4] Es war aufgrund seiner vielfältigen und unterhaltsamen Inhalte sehr gefragt und erschien bis 1853 in insgesamt 15 Auflagen. Es sollte wissenschaftliche Grundkenntnisse in vielen Bereichen vermitteln, um den von Unwissenheit lebenden Aberglauben zu bekämpfen.[5]
Zu den ersten Zeitschriften in Massenauflage, die sich auch mit der Vermittlung von Wissenschaft befassten, zählen Chambers’s Edinburgh Journal (Edinburgh, 1832–1956) und The Penny Magazine (London, 1832–1845).[6] Das Pfennig-Magazin (Leipzig, 1833–1855) und die kurze Zeit danach gegründete Gartenlaube (Leipzig ab 1853) waren Vorreiter des Genres auf dem deutschsprachigen Markt.[7]
Bedeutende Autoren und ihre populärwissenschaftlichen Werke
Archäologie
Biologie
Geschichte
Mathematik/Informatik
- Douglas R. Hofstadter: Gödel, Escher, Bach – An Eternal Golden Braid
- Simon Singh: Fermat’s Last Theorem, The Code Book u. a.
Philosophie
- Ludwig Büchner: Kraft und Stoff
- Richard David Precht: Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?
Physik
- Brian Cox: The Quantum Universe u. a.
- Hoimar von Ditfurth: Im Anfang war der Wasserstoff u. a.
- Stephen Hawking: A Brief History of Time, The Universe in a Nutshell, The Grand Design u. a.
- Lawrence Krauss: A Universe from Nothing u. a.
- Wilhelm Ostwald: Die Energie, Leipzig 1908 – Internet Archive
- Otto Ule: Physikalische Bilder, Die Wunder der Sternenwelt, Populäre Naturlehre u. a.
- Siehe auch Populärastronomie
Populärwissenschaftliche Zeitschriften (Auswahl)
Mit hohen Auflagen sind diese Zeitschriften auch an einem gewöhnlichen Kiosk erhältlich und werden ebenfalls zur populärwissenschaftlichen Literatur gezählt:
Siehe auch
Literatur
- Andreas W. Daum: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit, 1848–1914. Dissertation. 2., ergänzte Auflage. Oldenbourg, München 2002, ISBN 3-486-56551-6.
- Jörg Döring, Sonja Lewandowski, David Oels (Hrsg.): Rowohlts deutsche Enzyklopädie. Wissenschaft im Taschenbuch 1955–68 (= Non Fiktion. Arsenal der anderen Gattungen 12.2, 2017). Wehrhahn, Hannover 2017, ISBN 978-3-86525-582-2.
Einzelnachweise
- Berit Sandberg: Wissenschaftliches Arbeiten von Abbildung bis Zitat. 2. Auflage. Oldenbourg Verlag, München 2013, ISBN 978-3-486-74186-5, S. 72.
- Jürg Niederhauser: Das Schreiben populärwissenschaftlicher Texte als Transfer wissenschaftlicher Texte. In: Dagmar Knorr, Eva-Maria Jakobs (Hrsg.): Schreiben in den Wissenschaften. 2: Schreiben in den Wissenschaften. Peter Lang GmbH, Internationaler Verlag der Wissenschaften, 1997, ISBN 978-3-631-30969-8, S. 107–122.
- Marc-Denis Weitze, Wolfgang M. Heckl: Wissenschaftskommunikation - Schlüsselideen, Akteure, Fallbeispiele. 1. Auflage. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-47843-1.
- Erhard Taverna: Dolmetschen. In: Schweizerische Ärztezeitung. Nr. 93(16), April 2012, S. 610, doi:10.4414/saez.2012.00467.
- Volksnaturlehre zur Dämpfung des Aberglaubens. Faksimileausgabe der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden. (PDF; 126 MB)
- Lisa Rodensky: The Oxford Handbook of the Victorian Novel. In: Oxford Handbooks of Literature. OUP Oxford, Oxford 2013, ISBN 978-0-19-953314-5, S. 45.
- Klaus Taschwer: Vom Kosmos zur Wunderwelt – Über Popularwissenschaftliche Magazine einst und jetzt. In: Peter Faulstich (Hrsg.): Öffentliche Wissenschaft: Neue Perspektiven der Vermittlung in der wissenschaftlichen Weiterbildung. Transcript Verlag, 2015, ISBN 978-3-8394-0455-3, S. 74, 75.