Dritter Weg
Der Ausdruck Dritter Weg wird in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Im Allgemeinen wird er benutzt, um auf eine Alternative – einen vermeintlichen oder tatsächlichen neuen Weg – neben zwei bislang als erfolglos eingeschätzten Möglichkeiten hinzuweisen.
Anwendung der Bezeichnung
Als Dritten Weg bezeichnet man:
- Bestimmte wirtschaftspolitische Konzepte:
- Alternative Konzepte zu Kommunismus und Kapitalismus, zum Beispiel Freiwirtschaft[1], Soziale Dreigliederung, Konkurrenzsozialismus oder Personalismus
- Ordoliberalismus[2] und Soziale Marktwirtschaft[3] werden von einigen Autoren und im Jahreswirtschaftsbericht der deutschen Bundesregierung von 1990[4] als „Dritter Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus“ bezeichnet. Autoren wie Alfred Schüller grenzen sie ausdrücklich von so genannten „Dritten Wegen“ ab.[5]
- Die Wirtschaftsreform der DDR Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung 1962–1967
- Die Wirtschaftsreformen des Prager Frühlings 1968
- Die Suche des britischen Soziologen Anthony Giddens nach einem Mittelweg zwischen Laissez-faire-Liberalismus und Sozialismus. In seinem 1998 veröffentlichten Buch Der dritte Weg stellt Giddens seine Theorie dar.
- Tony Blair, britischer Premierminister von Mai 1997 bis Juni 2007, betrieb eine Politik des freien Marktes und die Abgrenzung vom Kollektivismus unter den Schlagworten New Labour, „moderne Sozialdemokratie“ und „Dritter Weg“.
- Das Schröder-Blair-Papier, von Gerhard Schröder und Tony Blair 1999 vorgelegt, verstand sich als ein „Dritter Weg“ zwischen Wirtschaftsliberalismus und Sozialdemokratie.[6]
- Versuche der Vermittlung zwischen Kommunismus und Reformismus, zum Beispiel Kommunitarismus oder Austromarxismus und andere linkssozialistische Strömungen (siehe auch: Zentrismus)[7]
- Eine weitgehend vom öffentlichen Diskurs abgeschottete Idee rechtskatholischer politischer Kreise in den Nachkriegsjahren bis ca. Ende der 1970er Jahre, welche der damals bipolar geteilten Welt von westlichem Liberalismus versus Sowjet-Kommunismus einen dritten Weg „zur Rettung der christlich-abendländischen Kultur“ entgegensetzen wollte. Dies sollte in Form eines neuen Heiligen Römischen Reiches und/oder in Form eines „Südatlantischen Militärbündnisses“ geschehen, dem nebst eindeutig christlich orientierten europäischen Staaten auch südamerikanische und (weiß-)afrikanische Diktaturen angehören sollten. Auch Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß gehörten zu den zumindest zeitweilig aktiven Unterstützern dieses Wegs.[8]
- Die Art und Weise der Regelung der Arbeitsverhältnisse in der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland:
- „Erster Weg“ ist die einseitige durch den Arbeitgeber erfolgte Festlegung der Arbeitsvertragsgestaltung.
- „Zweiter Weg“ ist der Abschluss von Tarifverträgen zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitern.
- Als „Dritter Weg“ gilt die einvernehmliche Gestaltung der Arbeitsvertragsrichtlinien und der Vergütung in paritätisch besetzten Kommissionen. Der Dritte Weg ergibt sich aus dem verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen (Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 Weimarer Reichsverfassung).[9] Tatsächlich steht diese Verfassungsnorm unter dem Vorbehalt des „für alle geltenden Gesetzes“. Da das Tarifvertragsgesetz (TVG) die Kirchen nicht ausnimmt, gilt dieses Gesetz auch für die Kirchen. (Allgemein verbindliche) kollektivrechtliche Verträge können daher nur nach den Bestimmungen des TVG geschaffen werden. Die Regelungen der kirchlichen Kommissionen haben nach ständiger Rechtsprechung des BAG lediglich die Rechtsqualität von „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“.
- Im Vereinigten Königreich, Frankreich, Österreich und Italien werden unter 3. Position auch radikale nationalrevolutionäre Querfrontideologien verstanden (siehe auch: Drittes Lager). Ebenfalls gibt es auch in Deutschland eine rechtsextreme, neonazistische Kleinpartei Der III. Weg.
Verfechter von dritten Wegen stellen tendenziell ihre Idee unter einem positiven Licht dar, verorten sich als 'politische Mitte' und setzen die Positionen der anderen bzw. das Vergangene in ein ideologisches Zwielicht, um für die eigene Sichtweise Platz zu schaffen.[10][11]
Kritik
Der libertäre Intellektuelle Ludwig von Mises kritisierte die Bemühungen, einen Dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu finden. Er hielt Versuche dieser Art, einen Staat zu begrenzen, für theoretisch aussichtslos, da jeder Eingriff in das Marktsystem eine Verzerrung von Angebot und Nachfrage nach sich zieht, die ihrerseits durch neue Eingriffe korrigiert werden müsse, bis ein Staat mit voll ausgebildetem Interventionismus entsteht. Von Mises urteilt 1929 in seiner Kritik des Interventionismus: „Es gibt keine andere Wahl als die: entweder von Eingriffen in das Spiel des Marktes abzusehen, oder aber die gesamte Leitung der Produktion und der Verteilung an die Obrigkeit zu übertragen. Entweder Kapitalismus oder Sozialismus ein Mittelding gibt es nicht.“[12]
Siehe auch
Literatur
- Ota Šik: Der dritte Weg. 1972.
- Wilfried Heidt: Der dritte Weg. 1974.
- Anthony Giddens: Der dritte Weg – Die Erneuerung der sozialen Demokratie. Frankfurt am Main 1999.
- Steffen Kachel: Die USPD – Versuch eines dritten Weges? In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. Heft III/2007.
Weblinks
- Alexander Gallus, Eckhard Jesse: Was sind Dritte Wege? Eine vergleichende Bestandsaufnahme. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 16–17/2001. PDF, 82 kB.
- Roland Sturm: Der Dritte Weg – Königsweg zwischen allen Ideologien oder selbst unter Ideologieverdacht? In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 16–17/2001. PDF, 30 kB.
Einzelnachweise
- Andreas Schulze, Kleinparteien in Deutschland, Vs Verlag; 1. Auflage, 2004, ISBN 978-3824445585, Seite 67
- Gabler Verlag (Herausgeber), Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: wettbewerbspolitische Leitbilder (Onlineversion)
- Gerd Becher, Elmar Treptow: Die gerechte Ordnung der Gesellschaft. Campus Verlag, 2000, ISBN 9783593361574.
- Dieter Nohlen, Florian Grotz: Kleines Lexikon der Politik. 5. Auflage. Beck, 2011, ISBN 978-3406604119, Seite 108
- Alfred Schüller stellt Freie Marktwirtschaft und Soziale Marktwirtschaft als Formen des Ersten Weges der zentral geplanten Sozialverwaltungswirtschaft als Zweitem Weg und dem Marktsozialismus (wozu Schüller auch den Wohlfahrtsstaat zählt) schließlich als Dritten Weg gegenüber. Schüller verweist dabei auf Wilhelm Röpke, der zeitweilig zwar von einem Dritten Weg sprach, sich später jedoch von dieser Bezeichnung nachdrücklich distanzierte. Alfred Schüller: Soziale Marktwirtschaft und Dritte Wege. In: ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft. Band 51. Lucius & Lucius, Stuttgart 2000, S. 169–202.
- Ralf Dahrendorf: Whatever happened to liberty? (Memento vom 6. Juli 2008 im Internet Archive) In: New Statesman. 6. September 1999.
- Vgl. Steffen Kachel: Die USPD – Versuch eines dritten Weges?, in: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Heft III/2007.
- DLF-Sendung Essay und Diskurs vom 12. Februar 2012, Der andere Westen
- Bundesverfassungsgericht, 2. Senat: Bundesverfassungsgericht - Entscheidungen - Verfassungsbeschwerde gegen „Dritten Weg“ im kirchlichen Arbeitsrecht unzulässig. 15. Juli 2015, abgerufen am 20. Juni 2017.
- Alexander Gallus, Eckhard Jesse: Was sind Dritte Wege? Aus Politik und Zeitgeschichte. B 16-17 / 2001. S. 14.
- Roland Sturm: Der Dritte Weg - Königsweg zwischen allen Ideologien oder selbst unter Ideologieverdacht? Aus Politik und Zeitgeschichte. B 16-17 / 2001. S. 3.
- Hubertus Bardt: „Arbeit“ versus „Kapital“ – zum Wandel eines klassischen Konflikts: eine ordnungsökonomische Studie. Band 73 von Schriften zu Ordnungsfragen der Wirtschaft. Lucius & Lucius DE, 2003. S. 26.