Ruhrtalbahn
Die Ruhrtalbahn ist eine teilweise historische Eisenbahnstrecke von Düsseldorf-Rath über Essen-Kupferdreh, Bochum-Dahlhausen, Hattingen, Hattingen-Welper, Hattingen-Blankenstein, Witten-Herbede, Hagen-Vorhalle und Schwerte nach Warburg. Sie wurde 1870 bis 1876 von der Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaft errichtet, einer der drei damaligen, großen privaten Eisenbahngesellschaften im Ruhrgebiet. Die Strecke gilt als Beispiel dafür, dass Flusstäler wegen ihrer in der Regel gleichmäßigen Steigung seinerzeit für die Anlage von Eisenbahnstrecken besonders gut geeignet waren.
Die Ruhrtalbahn diente in erster Linie der Kohleabfuhr zum Hafen Ruhrort unter Umgehung des Heißener Berges. Anschlussbahnen sorgten hier für ein hohes Verkehrsaufkommen in der Blütezeit des Steinkohlenbergbaus an der Ruhr und bedingt durch die Stahlerzeugung auf der Henrichshütte in Hattingen.
Neben der Ruhrtalbahn, die in ihrem westlichsten Abschnitt von Kettwig bis Düsseldorf nicht an der Ruhr entlangführt, existierte noch die Untere Ruhrtalbahn von Kettwig entlang der Ruhr nach Styrum, die aber bis 1978 stillgelegt und danach abgebaut wurde.
Geschichte
Stammstrecke
Die Stammstrecke der Ruhrtalbahn führt seit 1872 zunächst von Oberbilk BME (nicht zu verwechseln mit dem heutigen Haltepunkt Düsseldorf-Oberbilk) über Grafenberg, Rath BME (heutige Station Oberrath an der Rheinbahn-Linie U 72) und Ratingen Ost im Höseler Tunnel durch den Höseler Berg und mit einer Brücke über die Ruhr ins Tal nach Kettwig, verläuft auf der rechten (d. h. nördlichen) Ruhrseite über Werden nach Heisingen und überquert wiederum den Fluss nach Kupferdreh. Die Betriebsaufnahme dieses Streckenabschnitts erfolgte am 1. Februar 1872. Von dort war sie bis Überruhr vereint mit der schon seit 1847 bestehenden Bahnstrecke Wuppertal-Vohwinkel–Essen-Überruhr, die 1863 nach Übernahme durch die Bergisch-Märkische Eisenbahn über die neue Ruhrbrücke Steele über Steele Hbf mit den Strecken Witten/Dortmund–Oberhausen/Duisburg und Steele Hbf–Dahlhausen (Ruhr) verbunden worden war. 1874 erfolgte zusätzlich der Bau einer zweiten Verbindung auf der gegenüberliegenden (südlichen) Ruhrseite über Altendorf (Ruhr) mit einer weiteren Ruhrbrücke nach Dahlhausen. 1877 wurde die Strecke von Werden nach Essen Hbf gebaut.
Ab 1926 zweigte etwa dort, wo später der Haltepunkt Kettwig Stausee entstand (damals Blockstelle Pusch), die Niederbergbahn nach Wülfrath über Heiligenhaus und Velbert ab. Die Teilstrecke bis Heiligenhaus wurde bereits 1960 wieder stillgelegt.
Untere Ruhrtalbahn
Seit 1876 mündete in Kettwig über eine tiefer liegende Brücke die Untere Ruhrtalbahn in die Ruhrtalbahn ein. Die Strecke zweigte in Styrum von der Stammlinie Duisburg–Essen–Witten ab und verlief auf der linken Ruhrseite über Broich, Saarn, Mintard und Kettwig vor der Brücke. In Broich befand sich eine Verbindungskurve zur Rheinischen Bahn mit Anschluss zum Bahnhof Speldorf.
Im Zweiten Weltkrieg wurden die beiden nebeneinanderliegenden Kettwiger Eisenbahnbrücken über die Ruhr sowie auch diejenige der Unteren Ruhrtalbahn bei Styrum zerstört. Wiederaufgebaut wurde in Kettwig nur das obere Brückenbauwerk im Zuge der Ruhrtalbahn Kettwig–Düsseldorf. Die Personenzüge der Unteren Ruhrtalbahn endeten von Mülheim kommend anfangs in Kettwig vor der Brücke, ab 1953 in einem provisorischen Endhaltepunkt unterhalb des Bahnhofs Kettwig Stausee, wo zwischen den beiden getrennten Strecken umgestiegen werden konnte. Die zerstörte Brücke wurde nicht wieder aufgebaut, heute zeugt nur noch ein im Kettwiger Stausee stehender Pfeiler von dem früheren unteren Brückenbauwerk.
In Mülheim war der Bahnhof Speldorf an Stelle von Styrum und Mülheim neuer Endpunkt der Ruhrtalbahn. Sämtliche aus Richtung Speldorf kommenden Personenzüge mussten die Verbindungskurve in Broich durchfahren, um anschließend rückwärts an den Bahnsteig im Bahnhof Broich zurückgedrückt zu werden. Anschließend konnte der Zug in Richtung Kettwig weiterfahren. Züge aus Kettwig machten die Prozedur in umgekehrter Reihenfolge. Lokomotiven wurden statt vom Bahnbetriebswerk (Bw) Styrum vom Bw Speldorf aus versorgt.
Mittlere Ruhrtalbahn
Die Mittlere Ruhrtalbahn wurde 1869 von Dahlhausen (Ruhr) über Hattingen auf der linken (südlichen) Ruhrseite bis zur Henrichshütte in Welper und 1874 über Herbede und Wengern Ost nach Vorhalle gebaut.
Von ihr zweigt seit 1987 eine etwa einen Kilometer lange Strecke nach Hattingen (Ruhr) Mitte ab. Sie wurde beim S-Bahn-Bau errichtet, um einen besseren Anschluss der Hattinger Innenstadt sowie des regionalen Busverkehrs an die S-Bahn zu ermöglichen.
Obere Ruhrtalbahn
Die Obere Ruhrtalbahn verläuft seit 1870 von Schwerte, dem Flusslauf folgend, über Fröndenberg/Ruhr nach Arnsberg, seit 1871 bis Meschede, seit 1872 bis Bestwig und seit 1873 über Brilon-Wald nach Warburg. Im Elleringhäuser Tunnel nahe Olsberg überwindet sie die Wasserscheide zwischen Rhein und Weser.
Stilllegungen
Der Personenverkehr wurde 1959 zwischen Überruhr und Dahlhausen, 1965 zwischen Werden und Kupferdreh und 1968 zwischen Mülheim und Kettwig Stausee aufgegeben, der Güterverkehr auf diesen drei Teilstrecken folgte abschnittsweise 1966/1968, 1965/1978 und 1968/1978; diese Abschnitte sind danach abgebaut worden.
Auf dem Abschnitt Hattingen–Wengern Ost wurde der öffentliche Personenverkehr am 23. Mai 1971 eingestellt.
Heutige Nutzung
Öffentlicher Personennahverkehr
Zurzeit werden im Öffentlichen Personennahverkehr die Streckenabschnitte
- Düsseldorf – Essen-Werden von der S 6,
- Düsseldorf-Grafenberg (Schlüterstraße/Arbeitsagentur) – D-Rath (Hubertushain) von der Stadtbahn U 72,
- Essen-Überruhr – Essen-Kupferdreh von der S 9,
- Bochum-Dahlhausen – Hattingen von der S 3 sowie
- Schwerte–Warburg (DB-Kursbuchstrecke 435) vom Sauerland-Express (RE 17) und Dortmund-Sauerland-Express (RE 57) genutzt.
Touristikeisenbahn
Die (mittlere) Ruhrtalbahn wird seit Anfang 2005 als Eisenbahn für den touristischen Linienverkehr auf dem Streckenabschnitt Bochum-Dahlhausen–Hattingen–Herbede–Wengern Ost–Hagen-Vorhalle–Hagen Hbf genutzt, nachdem bereits zwischen 1981 und 1989 das Eisenbahnmuseum Bochum-Dahlhausen in eigener Regie einen Museumszugverkehr zwischen Hattingen und Wengern Ost bzw. Oberwengern betrieben hatte. Eigentümer des Streckenabschnitts Hattingen – Wengern Ost (17,2 km) ist der Regionalverband Ruhr, welcher für die Vorhaltung der Ruhrtalstrecke im Jahr 2004 die TouristikEisenbahnRuhrgebiet GmbH – TER gegründet hat. Die TER ist als Eisenbahninfrastrukturunternehmen entsprechend den gesetzlichen Vorgaben verpflichtet, ihre Strecke als öffentliche Eisenbahninfrastruktur allen Eisenbahnverkehrsunternehmen diskriminierungsfrei zur Verfügung zu stellen. In der touristischen Saison wird die Ruhrtalstrecke jedoch hauptsächlich von historischen Dampfzügen des Eisenbahnmuseums Bochum-Dahlhausen oder von nostalgischen Schienenbussen befahren.
Betreiberin der touristischen Linienverkehre war bis zum Juli 2019 die RuhrtalBahn Betriebsgesellschaft mbH mit Sitz in Münster. 2007 fuhren 40.000 Menschen mit Schienenbus und Dampfzug zwischen Bochum-Dahlhausen und Hagen. Seit September 2019 führt das Eisenbahnunternehmen Railflex den touristischen Verkehr durch.[1] Neben den touristischen Verkehren findet auf der TER-Strecke werktäglich Güterverkehr für ein Speditions- und Logistikunternehmen in Hattingen und einen Metallschrott-Recycling-Großbetrieb in Herbede statt, der von DB Cargo durchgeführt wird.
Auf einem Teilabschnitt der mittleren Ruhrtalbahn verläuft neben der Strecke zwischen der Ruine Hardenstein und Wengern in der Lage eines ehemaligen zweiten Streckengleises der RuhrtalRadweg, der in den Jahren 2005 bis 2006 vom Regionalverband Ruhr errichtet wurde. Seit Juli 2020 wird überprüft, ob der Abschnitt Hattingen–Hagen für den Schienenpersonennahverkehr wieder reaktiviert werden soll.[2]
- Dampfzug der RuhrtalBahn in Hagen Hbf
- Die Ruhrtalbahn bei Bochum-Dahlhausen
- Haltepunkt Ruine Hardenstein
- Historischer Dampfzug – kurz vor der Einfahrt in den Bahnhof Hagen-Vorhalle
Siehe auch
Literatur
- Klaus Dattenberg: Als Heisingen noch einen Bahnhof hatte. Erinnerungen an die Eisenbahn von den Anfängen 1872 bis zur heutigen Zeit (= Aus Heisingens Vergangenheit 2), Essen 2017, ISSN 2365-2306.
- Bernd Franco Hoffmann: Die Bergisch-Märkische Eisenbahn. Durch die Täler von Wupper, Ruhr und Volme. Sutton-Verlag, Erfurt 2015, ISBN 978-3-9540058-0-2.
Weblinks
- Beschreibung der Strecke 2400 im NRWbahnarchiv von André Joost
- Die Ruhrtalbahn in Kettwig
- Mülheimer Eisenbahnfreunde in der Alte Dreherei
- Beschreibung aller Standorte auf dieser Themenroute als Teil der Route der Industriekultur
- Bilder der Tunnelportale
- Youtube-Video Ruhrtalbahn in Bochum-Dahlhausen
- Mittlere Ruhrtalbahn auf eisenbahn-EN.de
Einzelnachweise
- Railflex übernimmt Fahrten nach Wengern Ost. In: eisenbahn-magazin. Nr. 10, 2019, S. 31.
- Stephanie Heske: Ruhrtalbahn: EN-Kreis prüft Reaktivierung für den Nahverkehr. In: Westdeutsche Allgemeine Zeitung. 3. Juli 2020, abgerufen am 4. Juli 2020.