Pumpspeicherkraftwerk Herdecke
Das PSW Herdecke ist die Nachfolgeanlage des Pumpspeicherkraftwerks Koepchenwerk und im Eigentum der RWE. Es befindet sich am Hengsteysee in der Stadt Herdecke in Nordrhein-Westfalen.
Pumpspeicherkraftwerk Herdecke | |||
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Lage | |||
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Koordinaten | 51° 24′ 41″ N, 7° 27′ 14″ O | ||
Land | Deutschland | ||
Ort | Herdecke | ||
Gewässer | Hengsteysee (Ruhr) | ||
Daten | |||
Typ | Pumpspeicherkraftwerk | ||
Leistung | 153 MW | ||
Eigentümer | RWE | ||
Betreiber | RWE Power AG | ||
Projektbeginn | 1927 | ||
Betriebsaufnahme | 28. Januar 1930 (altes Werk) 8. August 1989 (neues Werk) | ||
Stilllegung | 1994 (altes Werk) | ||
Turbine | 1 × Francis-Pumpturbine | ||
Website | RWE | ||
Stand | 2020 |
Geschichte
Bau
Im Dezember 1980 riss im Koepchenwerk das Gehäuse einer der Pumpen, Untersuchungen zeigten die unmittelbare Gefahr ähnlicher Schäden an zwei weiteren Pumpen. Das RWE entschied daher 1981, am gleichen Standort ein neues Pumpspeicherkraftwerk, das PSW Herdecke zu bauen und das alte Werk stillzulegen.
In den Jahren 1985 bis 1989 wurde direkt angrenzend ans alte Werk am Seeufer das moderne Kraftwerk gebaut. Dieses nutzt weiterhin das gleiche Prinzip. Auffälligster Unterschied ist abgesehen vom neuen Kraftwerksgebäude, dass die Druckrohre nun unterirdisch verlaufen und nicht mehr sichtbar sind.
Im Jahr 2007 investierte der Eigner RWE 25 Millionen Euro in die Modernisierung des Kraftwerks in Herdecke. Die Arbeiten dauerten von Mai bis September 2007.
Technik
Die in den 1980er Jahren gebaute Kraftwerksanlage dient der Abdeckung von Spitzenlast. Während Zeiten mit geringerem Strombedarf (überwiegend nachts) wird Wasser aus dem Stausee in das gut 160 m höher auf einem Berg gelegene Speicherbecken gepumpt. Während Zeiten mit erhöhtem Strombedarf (überwiegend tagsüber) strömt das Wasser dann durch Rohrleitungen und eine große reversible Francis-Pumpturbine in den See zurück. Dadurch können heute bis zu 153 MW elektrische Leistung bis zu vier Stunden lang produziert werden. Innerhalb von 70 Sekunden kann die Turbine von Stillstand auf Volllast gefahren werden. Die Turbine selbst befindet sich 42 m unterhalb des Wasserspiegels des Sees in einem Schacht.
Der große Höhenunterschied ergibt sich aus der Notwendigkeit, im Pumpbetrieb jegliche Kavitationsgefahr auszuschließen. Die Welle von Turbine und Generator ist senkrecht angeordnet, der Läufer des Generators wiegt über 300 Tonnen. Die Verbindung zum Oberwasser wird durch einen in den Felsen gesprengten 396 m langen Stollen bereitgestellt, durch den eine einzelne Rohrleitung der Nennweite DN 4750 führt. Am Einlauf zur Pumpturbine befindet sich ein Kugelhahn der Nennweite DN 3300, der zur Zeit seiner Herstellung der größte seiner Art weltweit war. Die Armatur kann mit Hydraulikzylindern innerhalb von 32 Sekunden geschlossen werden.
Das Anfahren der gesamten Anlage in den Pumpbetrieb wird über einen Frequenzumrichter mit 20 MW Leistung ermöglicht. Dieser Frequenzumrichter ist mit Stand 2017 der größte in Europa.
Das der Bergkuppe angepasste Speicherbecken hat bei einer Länge von ca. 600 Meter und einer Breite von ca. 250 Meter gut 1,5 Mio. m³ Fassungsvermögen. Die Betonoberflächen im und am Speicherbecken wurden 2007 saniert.
Technische Daten des neuen Kraftwerks | |
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Inhalt des Oberbeckens: | 1.600.000 m³ |
Nutzbarer Inhalt: | 1.533.000 m³ |
Fallhöhe: | 165,2 m bis 145,5 m |
Bauzeit: | 1985–1989 |
Inbetriebnahme: | 8. August 1989 |
Ausbaudurchfluss im Pumpbetrieb: | 101,7 m³/s |
Ausbaudurchfluss im Turbinenbetrieb: | 110 m³/s |
Leistung im Pumpbetrieb: | 153.59 MW |
Leistung im Turbinenbetrieb: | 153 MW |
Arbeitsinhalt des Oberbeckens: | 649.000 kWh |
Elektrisch nutzbarer Arbeitsinhalt: | 590.000 kWh |
max. Pumpspeicher-Wirkungsgrad: | 80 % |
Drehzahl von Generator, Pumpe und Turbine: | 250 Umdrehungen pro Minute |
Netzanbindung
Das Kraftwerk ist über eine 4,8 km lange Freileitung mit der Schaltanlage Garenfeld verbunden. Der Netzanschluss erfolgt auf der 220-kV-Höchstspannungsebene in das Übertragungsnetz von Amprion.[1] Die Freileitung mit 17 Strommasten überspannt den Hengsteysee und verläuft am südlichen Seeufer zur Umspannanlage.
Im Rahmen des geplanten Neubaus der Höchstspannungsleitung Kruckel–Dauersberg wird auch die Anbindungsleitung zum Pumpspeicherkraftwerk bis 2021[veraltet] erneuert.[2] Die Anbindung soll über ca. sechs Kilometer auf den Masten der neuen Höchstspannungsleitung zur Umspannanlage Kruckel ausgeführt werden. Anschließend wird die 1927 erbaute 220-kV-Freileitung entbehrlich und kann zurückgebaut werden.[3]
Batteriespeicher
Anfang des Jahres 2018 hat RWE Generation ein stationäres Batterie-Speicherkraftwerk auf dem Gelände des Pumpspeicherkraftwerks in Betrieb genommen. Der Speicher besteht aus 552 Batteriemodulen des Herstellers Belectric mit je 100 Lithium-Ionen-Zellen aus dem Automobilbereich. Der Speicher leistet 7800 Kilovoltampere bei sieben Megawattstunden Speicherkapazität, die etwa eine Stunde lang ins Netz abgeben werden können.[4]
Ökologie
Durch den täglichen Pumpspeicherbetrieb kann der Wasserspiegel des als Unterbecken dienenden Hengsteysees innerhalb kurzer Zeit um 70 cm schwanken (zwischen +95,6 m üNN und +96,3 m üNN). Dies hat erhebliche Folgen für die Seeökologie. Der Uferbewuchs ist entsprechend reduziert und viele, üblicherweise am Ufer brütende Vögel können dies nur sehr erschwert oder nur mit künstlichen Hilfen tun. Daneben werden kleinere Lebewesen (auch Fische) trotz Siebvorrichtungen vom Sog der Pumpen erfasst und überleben die Kraftwerksvorgänge, insbesondere die hohen Drücke in den Rohren, nicht.
Betriebsgruppe Herdecke
Etwa einen Kilometer flussabwärts befindet sich am Ende des Hengsteysees ein weiteres Kraftwerk, das Laufwasserkraftwerk Hengstey.
Richtfunkturm der RWE
Zur Anlage gehört auch ein 79 m hoher, als Stahlbetonkonstruktion ausgeführter Richtfunkturm in der Nähe des Oberbeckens.
Siehe auch
Literatur
- Hans Dieter Dörre: Speicherbecken auf dem Kleff und Hengsteysee – ein Konzept findet Anerkennung in Europa – Ein Bauwerk am Ende der 20er-Jahre in Herdecke errichtet. – Artikel in: Herdecker Blätter. Heft 3 (Mai 1993), S. 9–14.
- Ralf Blank: Die Stadt Hagen im Bombenkrieg. In: Gerhard E. Sollbach (Hg.): Hagen 1939-1948. Krieg- und Nachkriegszeit. Hagener Stadtgeschichte(n), Bd. 4. Hagen 1994, S. 9–26.
- RWE Power AG: Pumpspeicherkraftwerk Herdecke, Essen.
Weblinks
- 75 Jahre Kraftwerk Herdecke – Historischer Kern, moderne Technik (Juni 2005). (PDF-Datei; 329 kB)
- Pumpspeicherkraftwerk Herdecke auf group.rwe.de
- Metropole Ruhr: Das Koepchenwerk als Sehenswürdigkeit in rvr.ruhr
- Beschreibung aller Standorte auf dieser Themenroute als Teil der Route der Industriekultur
- Das Pumpspeicherwerk in Herdecke: Eine XXL-Batterie im 360°-Panorama (Memento vom 5. November 2012 im Internet Archive), in wdr.de vom 3. September 2012.
Einzelnachweise
- Kraftwerksliste. Bundesnetzagentur, 11. November 2019, abgerufen am 11. Dezember 2019.
- EnLAG, Vorhaben 19: Kruckel – Dauersberg. Bundesnetzagentur, abgerufen am 24. März 2020.
- Erläuterungsbericht 380-kV-Leitung Kruckel–Dauersberg. (PDF) Abschnitt Kruckel–Garenfeld. Amprion, abgerufen am 24. März 2020.
- Batteriespeicher Herdecke. RWE, abgerufen am 24. März 2020.