Anna von Helmholtz
Anna (seit 1883 von) Helmholtz, geborene von Mohl, (* 19. September 1834 in Tübingen; † 1. Dezember 1899 in Volosca, Istrien), war eine Berliner Salonnière der Kaiserzeit und Ehefrau des Physikers Hermann von Helmholtz.
Leben
Anna von Helmholtz war die Tochter des württembergischen Staatsmannes Robert von Mohl (1799–1875) und seiner Frau Pauline, geborene Becher (1808–1894). 1852/53 lebte sie in Paris bei ihrer Tante, der Pariser Salonnière Mary Clarke Mohl, von der sie eine fundierte sprachlich-musische Bildung erhielt,[1] was sie für ihr späteres Leben als Salonnière nachhaltig prägen sollte.
Nach ihrer Hochzeit 1861 lebte sie zuerst in Heidelberg, anschließend (ab 1871) in Berlin. Seit etwa 1872 – im Jahr zuvor war ihr Mann an die Friedrich-Wilhelms-Universität berufen worden – führte Anna von Helmholtz in der Hauptstadt des jungen Deutschen Reiches an mehrmals wechselnder Adresse einen Salon, in dem sich die Spitzen der Berliner Gesellschaft trafen. Zu ihren Freunden und Gästen gehörten u. a. die Künstler Adolf Menzel, Arnold Böcklin, die Schriftstellerin Fanny Lewald oder Gelehrte wie Rudolf Virchow. Zudem pflegte Anna Helmholtz Kontakte zu höfischen Kreisen.[2] Bis zu seinem Tod 1894 bildete ihr Mann Hermann, mittlerweile ein Star der scientific community des Kaiserreiches, mit ihr den Mittelpunkt des Salons; aber auch als Witwe führte sie die Tradition weiter fort.
Zum näheren Umgang Annas zählte Kronprinzessin Victoria, die spätere Kaiserin Friedrich, an deren Engagement für Krankenpflege und Mädchenbildung sie selber sich tatkräftig beteiligte.
Anna von Helmholtz war auch literarisch tätig: Sie hinterließ eine umfangreiche Briefschaft und übersetzte gemeinsam mit Estelle du Bois-Reymond, der Tochter des berühmten Physiologen Emil du Bois-Reymond, die Schrift Modern Views of Electricity des Physikers Oliver Lodge (Neueste Anschauungen über Electricität. Leipzig 1896). Zusammen mit Clara Wiedemann bearbeitete sie auf Wunsch ihrer beider Gatten die Übersetzung der Bücher Heat as a mode of motion (Wärme betrachtet als eine Art der Bewegung. Braunschweig, 4. Auflage 1894) und Sound: A Course of Eight Lectures (Der Schall. Braunschweig, 3. Auflage 1897) des Physikers John Tyndall.
1899 starb Anna Helmholtz im Urlaub in Istrien. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof Wannsee in Berlin.
Familie
Ehe und Nachkommen
Anna von Mohl heiratete am 16. Mai 1861 den Physiker Hermann Helmholtz (1821–1894), der 1883 geadelt wurde. Für Helmholtz war es bereits die zweite Ehe.
Das Paar hatte drei Kinder:
- Robert von Helmholtz (1862–1889)
- Ellen von Helmholtz (1864–1941), ⚭ 1884 mit Arnold von Siemens (1853–1918)
- Friedrich Julius von Helmholtz (1868–1901).
Berühmte Verwandte
Annas Onkel waren
- der Orientalist Julius Mohl (1800–1876),
- der Nationalökonom Moritz Mohl (1802–1888) sowie
- der Botaniker Hugo von Mohl (1805–1872).
Ihre Tante war die Pariser Salonnière Mary Clarke-Mohl (1793–1883), Gattin von Julius Mohl.
Ihr Bruder war der Diplomat Ottmar von Mohl (1846–1922).
Salon
Gesellschaftliche Bedeutung
In den Salons trafen Politiker auf Künstler, Literaten auf Hofleute. Seine besondere Bedeutung erhielten die „Dienstage“ der Anna Helmholtz vor allem dadurch, dass sie besonders viele Gelehrte anzogen, und zwar vor allem Naturwissenschaftler. Erstmals wurde hier der akademischen Elite des Landes ein gesellschaftliches Parkett ersten Ranges geboten. Als Schnittstelle zwischen Hofgesellschaft, Künstlerszene und Bildungsbürgertum wurde ihr Haus zum bedeutendsten Salon im jungen Kaiserreich und zum Prototyp großbürgerlicher Geselligkeit im späten 19. Jahrhundert.
Sie selber verkörperte als Tochter eines wegen seiner Leistung nobilitierten Juristen und Gattin eines ebenfalls durch eigene Leistung in den Adel aufgestiegenen Wissenschaftlers das Ideal der großbürgerlichen Dame ihrer Zeit, die gesellschaftlichen Schliff und aristokratischen Umgang mit musischem Feinsinn und ernsthaftem wissenschaftlichem Interesse harmonisch verbindet. Ihre gesellschaftliche Rolle beschreibt Petra Wilhelmy so:
„Anna von Helmholtz war trotz ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrer Bildung und ihres bedeutenden sozialen Engagements nicht allgemein beliebt. Man bewunderte und respektierte sie, es blieb jedoch eine Distanz. Marie von Bunsen […] vermutete, es sei ihr übelgenommen worden, dass sie sich als ‚grande dame‘ und hochgebildete Salonnière über das Leitbild der bescheidenen, zurückhaltenden Professorenfrau hinweggesetzt habe. In der Tat betrachtete Anna von Helmholtz ihre Kreise des höheren Bildungsbürgertums als „Geistesaristokratie“ und strebte ehrgeizig um jeden Preis hochkarätige Geselligkeit an.“[3]
Mit einer anderen großen Salonnière der Zeit, Marie Gräfin Schleinitz, war sie eng befreundet. Ihre beiden Salons waren die Angelpunkte des Berliner geselligen Lebens: Zu Mimi Schleinitz gingen vor allem Künstler, zu Anna Helmholtz Wissenschaftler.
Bekannte Gäste
Zu den häufigen Gästen (Habitués) des Salons zählten:
Werke
- Ellen v. Siemens-Helmholtz (Hrsg.): Anna von Helmholtz. Ein Lebensbild in Briefen. 2 Bände. Verlag für Kulturpolitik, Leipzig 1929.
Literatur
- Eintrag in der Deutschen Biographischen Enzyklopädie
- Petra Wilhelmy: Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert. Walter de Gruyter, Berlin u. a. 1989, S. 283–290, 659–669.
- Franz Werner: Hermann Helmholtz’ Heidelberger Jahre (1858–1871). Sonderveröffentlichungen des Stadtarchivs Heidelberg, Bd. 8. Springer, Berlin / Heidelberg 1997. Mit 52 Abbildungen.
- Franz Werner: "Möget Ihr Euch freuen dürfen Alles Guten, Warmen, Herzbeglückenden". Ein Brief der Witwe Anna von Helmholtz an die Witwe Cosima Wagner vom Heiligabend 1894 und die Rolle der Frau am Ende des 19. Jahrhunderts. In: Festschrift 175 Jahre Helmholtz-Gymnasium Heidelberg. 1835–2010. S. 70–92.
Weblinks
Einzelnachweise
- Ute Frevert: „Geschlechter-Identitäten im deutschen Bürgertum des 19. Jahrhunderts“. In: Aleida Assmann und Heidrun Friese (Hrsg.): Identitäten (= Erinnerung, Geschichte, Identität 3), Frankfurt am Main, S. 181–216, hier S. 206.
- Ute Frevert: „Geschlechter-Identitäten im deutschen Bürgertum des 19. Jahrhunderts“. In: Aleida Assmann und Heidrun Friese (Hrsg.): Identitäten (= Erinnerung, Geschichte, Identität 3), Frankfurt am Main, S. 181–216, hier S. 207.
- Wilhelmy, S. 287.
- Vgl. Wilhelmy, S. 661–669.