Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild
Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild, geb. von Friedlaender-Fuld, gesch. Mitford, gesch. von Kühlmann (* 17. Januar 1892 in Berlin; † 30. November 1973 in Paris) war die Tochter von Friedrich Victor von Friedlaender-Fuld und dessen Ehefrau Milly Antonie Fuld.
Sie führte von 1914 bis 1918 einen Briefwechsel mit Rainer Maria Rilke, den sie 1956 in französischer Übersetzung unter dem Pseudonym Marianne Gilbert herausgab.[1]
Leben
Berlin und Schloss Lanke
Nach der Heirat der Eltern lebte das Paar zunächst in Berlin. 1895 erwarb der Vater am Pariser Platz ein bebautes Grundstück, ließ einen Teil abreißen und durch den Architekten Ernst von Ihne ein Stadthaus im Stil eines Pariser Stadtpalais errichten,[2] neben der französischen Botschaft (Nr. 5). Um 1900 baute ein Pariser Architekt einen Theatersaal zum Hof hin an, den der Architekt Alfred Breslauer 1926 zu einer zweistöckigen Stadtwohnung für Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild umbaute.[3]
Im Jahr 1894 hatte Fritz Friedlaender Schloss und Domäne Lanke bei Bernau von Graf Wilhelm Redern gepachtet,[4] wo er wohl auch ganzjährig lebte, wenn er nicht in Oberschlesien seinen Geschäften nachging, deren Zentralverwaltung in Berlin lag. Die Gutsherrschaft Lanke, eine der größten in Brandenburg und als Unternehmen Teil seiner Berliner Zentralverwaltung, diente dem Industriellen für den Ausbau einer modernen Landwirtschaft, nicht zuletzt um die chemischen Produkte seiner Unternehmen zu testen (Düngemittel). In Lanke wurde Marie-Anne von Privatlehrern und einer englischen Gouvernante unterrichtet. Natur und Landschaft bestimmten zeitlebens ihre Gefühle und waren für sie ein prägender Gegenpol zum städtischen Gesellschaftsleben. In den 1920er Jahren wurden Schloss und Garten Lanke zu einem „kleinen Musenhof“, wo mit jungen Künstlern und Künstlerinnen Rollen einstudiert und Pläne für die Wintersaison geschmiedet wurden.[5] Das Haus am Pariser Platz war Treffpunkt von Gästen unterschiedlichen gesellschaftlichen Rangs. Während die elterliche Wohnung im historistischen Stil des 18. Jahrhunderts eingerichtet war, erwarb die Tochter zeitgenössische Werke von Cézanne, van Gogh, Gauguin, Picasso, Zeichnungen von Rodin und ließ sich ihre Wohnräume nach dem Pariser Modeschöpfer und Gestalter Paul Poiret ausstatten.[6]
Marianne Mitford
Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild war dreimal verheiratet. Am 5. Januar 1914 heiratete sie den britischen Lord John Mitford (1884–1963).[7] Diese Ehe wurde im Dezember des gleichen Jahres für nichtig erklärt.[8] Die umlaufenden Gerüchte zur Trennung der Ehe waren bösartig und antisemitisch.[9] Am 5. Januar stellte sie, die mit der Heirat die englische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, den Antrag, wieder deutsche Staatsbürgerin zu werden.[10]
Ende 1914 waren im leerstehenden Haus in der Bendlerstraße 6, dem Hochzeitsgeschenk des Vaters, nicht nur ostpreußische Flüchtlinge untergebracht, sondern hier verbrachte auch Rainer Maria Rilke mit Lou Albert-Lasard die Weihnachtsfeiertage.[11] Im November 1914 hatte Rilke Marianne Mitford anlässlich des Todes von Walter Heymel kennengelernt. Ein Jahr später, im Dezember 1915, trug er auf ihren Wunsch hin zwei Gedichte in ein Heft ein: Der Tod Moses und Der Tod.[12]
Im April 1914 erwarb Marianne Mitford aus dem Besitz von Carl und Thea Sternheim das Gemälde L’Arlesienne (1888) von Vincent van Gogh, das sie kurz zuvor in einer Ausstellung der Berliner Galerie Cassirer gesehen hatte. Finanzielle Gründe hatten die Sternheims zu diesem für sie lukrativen Verkauf bewogen.[13] Die Geschichte dieses Erwerbs und der Ausfuhr der Arlesienne wie auch der übrigen Kunstwerke bei ihrer Emigration 1940 aus Frankreich nach Übersee schilderte Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild in ihrem Rilke-Buch von 1956.[14] Ein weiteres Werk aus ihrem ehemaligen Besitz, das sie 1916 verkaufte, hängt heute in der Staatsgalerie Stuttgart.[15]
Die Erbin
Am 16. Juli 1917 starb der Vater in Lanke an Nierenkrebs.[16] Die Tochter wurde die alleinige Erbin, denn mit der Mutter Milly war bereits vor Jahren ein Ehevertrag geschlossen worden. Die Friedfuld Vermögensverwaltung GmbH wurde von den testamentarisch eingesetzten Vermögensverwaltern, dem Rechtsanwalt Franz Oppenheimer[17] und langjähriger Gesellschafter, dem Kaufmann Robert Friedlaender-Prechtl, Neffe und Geschäftspartner, sowie dem Geheimen Oberfinanzrat Ernst Springer[18] verwaltet. Zu den Aufgaben der Nachlassverwaltung gehörte auch die vom Vater verfügte Stiftung, die drei Millionen Mark in ein Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung in Breslau einbrachte. Mutter und Tochter hatten darauf bestanden, dass dieses Institut entgegen den Regelungen der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG), deren Gründungsmitglied (1911) der Industrielle gewesen war, den Namen des Stifters trug: Friedlaender-Fuldsches Kohlenforschungsinstitut, 1922 umbenannt in Kohlenforschungsinstitut der KWG (begründet von der Fritz von Friedländer-Fuld-Stiftung). Spätestens 1925 verschwand der Eigenname und es hieß künftig Schlesisches Kohlenforschungsinstitut der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, nachdem die drei Millionen in der Inflation verloren gegangen waren; zweimal zuvor hatte die Erbin noch das Haushaltsdefizit des Instituts ausgeglichen.[19]
Im Jahr 1922 trat Marianne von Kühlmann als Kommanditistin in die Firma Emanuel Friedlaender & Co. ein, wobei die väterliche Einlage von sieben Millionen Mark bestehen blieb.[20] 1936 musste sie ausscheiden, als die Firma nach dem Ausschluss der jüdischen Mitarbeiter unter dem Namen Berve Kraske & Co. weiter geführt wurde.[21]
Marie-Anne von Kühlmann
Die zweite Eheschließung mit dem verwitweten Diplomaten a. D. Richard von Kühlmann fand am 4. März 1920 im Schloss Lanke statt.[22] Das Paar bezog eine Wohnung in der Berliner Wilhelmsstraße 66. Wenige Wochen vor der Scheidung in München am 13. April 1923[23] kam die Tochter Antoinette von Kühlmann, genannt Nina, zur Welt.[24]
Ursula von Mangoldt widmet dem Ehepaar unter dem Registereintrag „Friedländer-Fuld, ‚Baby‘“ eine Charakterisierung, da ihr Vater mit von Kühlmann „viele gemeinsame Interessen“ verbanden: „‚Dick‘, wie er von seinen Freunden genannt wurde, war intelligent, überlegen und verstand von Politik ebensoviel wie von der Kunst und schönen Frauen. Er war eine Zeitlang mit der kapriziösen >Baby< von Friedländer-Fuld verheiratet, die dank ihres großen Reichtums alles zum Hintergrund ihrer Selbstdarstellung machen konnte und ihre vielfältigen Begabungen spielerisch vergeudete.“[25]
Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild
Am 28. Juni 1923 heiratete sie in dritter Ehe den Maler Rudolf von Goldschmidt-Rothschild (1881–1962) aus der Frankfurter Bankiersfamilie Goldschmidt.[26] Für diese Ehe war sie zum jüdischen Glauben übergetreten, was die Frankfurter Familientradition erforderte.[27] Die Hochzeitsreise ging nach Südafrika, und mit „südafrikanischen Briefen“ wollte sie sich später für den PEN-Club qualifizieren.[28] Am 26. April 1925 kam der Sohn Gilbert (1925–2010) zur Welt.[29]
In der Wintersaison veranstaltete sie Aufführungen und Feste am Pariser Platz. Mit Rilke stimmte sie in der politischen Ablehnung des Krieges überein. Eine Freundin im Bunde der deutschen Kriegsgegner und Pazifisten war die Schriftstellerin Annette Kolb. Als Kolb 1915 Geld für die Internationale Rundschau[30] sammelte, gehörte sie zu den Spendern. Ihr gesellschaftlicher Umgang war nach wie vor international und entsprach nicht den meist nationalistischen Einstellungen ihrer Umgebung.[31]
Im Herbst 1914 war im Palais am Pariser Platz eine Schutzwache einquartiert. 1919 war Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild Mitunterzeichnerin des Programms des Arbeitsrat für Kunst und spendete die ansehnliche Summe von 5000 Mark.[32] Nach 1933, als die ersten Emigranten nach Frankreich kamen, stellte sie ihre Häuser in Frankreich zur Verfügung. Überliefert ist dies für den Breslauer Maler Eugen Spiro. Ihm räumte sie das Haus in Paris, Rue de la Faisanderie 33, ein[33] und mehrere Gemälde zeugen von einem Aufenthalt 1936 in Vaisseau.[34]
Da ihr Mann der Erbe der Villa Rothschild war, äußerte sich der Königsteiner Walther Amelung zu dem ihm bekannten Ehepaar. Im Gegensatz zu ihrem „immer bescheidenen, freundlichen Mann“, der Königstein sehr liebte und sich gern dort aufhielt, weilte seine Gattin – „sie gehörte zur >Berliner Gesellschaft< des Staates von Weimar“ – dort ungern.[35] Vor der Emigration 1938 wurde die Ehe mit Goldschmidt-Rothschild geschieden.[36]
Berliner Salonnière
Ein eigenes Kapitel in der Chronik von Kurt von Reibnitz ist den Salons der drei Brüder Goldschmidt-Rothschild in Berlin gewidmet, wobei derjenige von Marie-Anne den weitaus größten Teil einnimmt. Als des „Kohlenkönigs einziges Kind“ wird der geschäftliche Aufstieg des Vaters ausführlich erläutert. In ihrem Salon trafen sich führende Mitglieder der Berliner Gesellschaft „mit den vielen jungen Talenten, denen die Hausherrin eine ebenso gütige wie freigebige Mäzenin ist.“ In einer Nachtvorstellung in der „Komödie“ spielte sie zu wohltätigen Zwecken in dem Stück Der Schlachtenlenker von George Bernhard Shaw die Rolle der „fremden Dame“. Berühmt waren auch ihre Kostümbälle, bei denen sie selbst gedichtete Revuen aufführte. Auch auf dem Sommersitz „werden Rollen studiert, originelle Pläne für die Wintersaison geschmiedet und soviel junge Künstler und Künstlerinnen eingeladen, dass Lanke wohl ein kleiner Musenhof genannt werden kann.“ Der Chronist bescheinigt ihr, dass sie in einigen Jahren im Leben der Reichshauptstadt dieselbe Rolle spielen würde „wie Prinzessin Murat und Gräfin Noailles in Paris“.[37]
Auswanderung 1938 nach Frankreich
1930, als sich die Aufgabe von Schloss und Park Lanke wegen der judenfeindlichen Politik der Nationalsozialisten abzeichnete, wurde Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild Teileigentümerin, 1936 für zwei Jahre Eigentümerin des Grundstücks Inselstraße 7 auf der Halbinsel Schwanenwerder in Berlin. Ein seit September 1930 als Ersatz für Schloss Lanke geplantes Landhaus der Berliner Architekten A. Campell und Paul Huldschinsky mit Wirtschaftsgebäuden, Unterkünften für das Personal, Pferdeboxen und einem Bootshafen kam nicht mehr zustande. Ende April 1932 ließ sie die Bauarbeiten einstellen. 1931 bis 1936 mietete sie ganzjährig das Haus der Familie Kurt Oppenheim, Kl. Seestraße (seit 1933: Am Kleinen Wannsee) 14, die in die Schweiz gezogen war und nicht mehr zurückkehrte.[38]
Im Februar/März 1938 zog Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild, um der öffentlichen Aufmerksamkeit zu entgehen, vom Pariser Platz in die Wohnung von Käthe von Nagy, Wernerstraße 10 in Wannsee. Die ungarische Schauspielerin lebte seit 1935 in Paris. Am 23. Juni 1938 erhielt sie per Dekret des französischen Botschafters André François-Poncet, der ihr Nachbar am Pariser Platz war, die französische Staatsbürgerschaft.[39] Am 4. Oktober 1938 verließ sie Deutschland für immer.
Die langwierigen Verhandlungen mit den nationalsozialistischen Behörden zwecks Abwicklung der Vermögensgeschäfte für Mutter und Tochter führte Herbert Jessel (* 1892). Der Rechtsanwalt und Notar hatte seit Jahren zur Geschäftsführung der Firma Emanuel Friedlaender & Co. gehört und war seit 1937 Vermögensverwalter der „Friedfuld Vermögensverwaltung GmbH“, die er bis zur Emigration nach England und nach Abschluss der Geschäfte im August 1939 in seiner Wohnung in Berlin-Wilmersdorf bis zur Liquidation weitergeführt hatte. Bevollmächtigter der Mutter war Albrecht Graf von Bernstorff. Als Mit-Testamentsvollstrecker des Nachlasses Friedlaender-Fuld unterzeichnete Friedrich Wilhelm von Prittwitz und Gaffron die Verkaufsverträge der Wohnungen. Nachfolger von Herbert Jessel wurde der als Devisentreuhänder und Sequester amtlich eingesetzte Jurist Walther Schreiber, zuständig für das im Reich, d. h. auf den Sperrmark-Konten, verbliebene Vermögen.
Ein Dutzend Millionen seien auf ein Sperrkonto gegangen. Die „Centner“ an Akten der Friedfuld-Vermögensverwaltung ruhten bis 1948 im Keller der Westfälischen Straße, bevor sie ein Pariser Anwalt 1951 abholen ließ.[40] Die Firmenunterlagen in der Zentralverwaltung Unter den Linden 61 waren mit der Zerstörung des Hauses verloren.[41]
Im August und September 1939 verkaufte der Makler Ernst Hirsche die Häuser am Pariser Platz, Nr. 5a und 6, die jetzt zum Eigentum der Tochter umgeschrieben worden waren, wie auch das Hinterhaus, jetzt Eigentum der Mutter, an die Stadt Berlin für den Preis von 1,65 Millionen Mark. 1,5 Millionen Mark wurden als Reichsfluchtsteuer für die Tochter einbehalten,[42] der Rest kam auf das Sperrkonto beim Bankhaus A.E. Wassermann; 1946 wurden als Vorkriegswert der Grundstücke 6,218 Millionen Mark errechnet, 1946 setzte man als aktuellen Wert 3.730.800 RM an. Die „musealen“[43] Einrichtungsgegenstände der Häuser – Bilder, Möbel und Kunstobjekte – wurden von dem Juwelier Richard Gießel und Schmidt-Bangel begutachtet, die einen Wert von rund 500.000 Mark feststellten – 1956 wurde der Wiederbeschaffungswert auf 1.253.895 Reichsmark festgelegt. Sie wurden teils verkauft, teils von den Auktionshäusern Ferdinand Knapp und Hans W. Lange versteigert, der wohl größere Teil in mehreren Möbelwagen mit der Speditionsfirma Berthold Jacoby nach Amsterdam verfrachtet und dort bei De Gruyter eingelagert. Nach der Besetzung der Niederlande durch deutsche Truppen konfiszierte die Sammelverwaltung feindlicher Hausgeräte 1941 die Kunstware und ließ sie 1941 und 1942 durch das Haager Auktionshaus Van Marle & Bignell versteigern. Ein Teil wurde nach dem Krieg aus dem niederländischen Kunsthandel an Goldschmidt-Rothschild als Erbin ihrer Mutter zurückgegeben, zwei Porträtgemälde noch 2004 und 2006 an deren Erben restituiert.[44]
Um die obligate Reichsfluchtsteuer von 2,7 Millionen Reichsmark samt den zusätzlichen finanziellen Pressionen wie Rechtsmittelkosten und Säumniszuschlag, die dann zusammen 3.189.972 Reichsmark für die Tochter betrugen,[45] zu entrichten, wurde durch die Firma Berve Kraske & Co. ein Millionen-Kredit gewährt und noch vorhandene Grundstücke in Niederbarnim verkauft.
Emigration 1940 nach Mexiko und USA
Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschilds Mutter wollte nicht mit der Tochter emigrieren. Mit ihren Kindern, jetzt 17 und 15 Jahre alt, den Kunstwerken und einem Radio verließ die Familie im Mai zusammen mit vielen Franzosen über die Porte d’Orléans Paris und floh nach Spanien. Im Juni passierte man den Pyrenäen-Übergang Hendaye-Irun und gelangte über Spanien nach Portugal. In Lissabon lagen die Papiere für die Überfahrt nach Mexiko auf dem für Flüchtlinge umgebauten portugiesischen Frachtschiff Quanza.[46] Nach der Ankunft in Vera Cruz wurden nur 35 der 317 Passagiere ins Land gelassen, darunter auch Frau von Goldschmidt-Rothschild mit ihren Kindern. Weitere Stationen ihrer Emigration waren dann Kalifornien, Beverly Hills, 602 North Bedfort[47] und New York. In Beverly Hills notierte Alma Mahler-Werfel einen Besuch bei ihr.[48]
Inzwischen hatte Antoinette (Nina) Miness einen Amerikaner geheiratet und lebte noch bis 2010 in New York;[49] ihr Sohn Gilbert kam 1944 als US-Soldat nach Europa zurück. So bald wie möglich kehrte Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild 1946 nach Paris und Vaisseau zurück.
Wiedergutmachung und Entschädigung
Im Jahr 1948 erteilte Marie-Anne von Goldschmidt-Rothschild dem Berliner Rechtsanwalt und Notar Alfred Karpen die Vollmacht, bei der alliierten Treuhandstelle Berlin Rückerstattungsansprüche ihres „entzogenen“ Privatvermögens zu vertreten. Die Anträge der Jewish Restitution Successor Organization (IRSO), die ab 1950 eingereicht wurden, betrafen im Einzelnen:
- das Inselgrundstück auf Schwanenwerder;
- das Grundstück Pariser Platz 5a und 6 mit Hinterhaus;
- die Kommanditistische Beteiligung an der ehemaligen Firma Emanuel Friedlaender & Co., jetzt Berve, Kraske & Co;
- Einrichtungsgegenstände Pariser Platz 5a + 6 sowie Hinterhaus;
- Hausrat in den Wohnungen Pariser Platz;
- Bankguthaben (Kuponzinsen und Überweisungen bei der „Konversionskasse für deutsche Auslandsschulden“);
- fünf Waggons Kunstschätze;
- Wertpapiere.
Abgesehen von den damals üblichen langwierigen bürokratischen Verläufen von Wiedergutmachungen zog sich auch bei Goldschmidt-Rothschild die Wiedergutmachung über Jahrzehnte hin. Das Grundstück auf Schwanenwerder, das der Generalinspekteur Albert Speer 1938 billig erworben hatte, erhielt sie 1952 zurück und verkaufte es 1962 an den Bezirk Steglitz, der es als Freizeitgelände nutzt. Im September 1963 wurden 637.994,40 DM für die Reichsfluchtsteuer rückerstattet.[50] Der Schadenersatz für die Bankguthaben wurde 1960 rechtskräftig zurückgewiesen.[51] Im Oktober 1966 wurde ein Vergleich rechtskräftig, wonach sie 800.000 DM für das Umzugsgut zurückerhielt.[52] Auf die Häuser am Pariser Platz, die jetzt im sowjetischen Sektor Berlins lagen und nur noch Ruinen waren, wurde der Anspruch 1967 zurückgenommen. Im Namen der verstorbenen Milly von Friedlaender-Fuld erhielt die Erbin für deren Reichsfluchtsteuer (147.284 RM) einschließlich der Umzugskosten 33.772,80 DM zurück. In dem gesonderten Verfahren um ihren Gesellschafteranteil am ehemals schlesischen Firmenvermögen kämpfte sie bis in die späten 1970er Jahre, ohne dass ein Ende abzusehen war. In den 1990er Jahren konnten dann wieder Restitutionsanträge gestellt werden.
Werke
Pseudonym „Marianne Gilbert“:
- Le Tiroir entr’ouvert. Précédé d’une introduction de Marcel Brion avec 31 lettres inédites de R.-M. Rilke, traduites par Blaise Brion. 8 dessins de l’auteur. Paris: Bernard Grasset 1956
- Le Bois de Boulogne. Avec la collab. de Annette F. Henrion et Robert Joffet. Textes de Thomas Blaikie, Honoré de Balzac, Daniel Stern etc. Paris: La Bibliothèque des Arts 1958. 2. Aufl. 1969
- Un Musée sur la lune. Postface de Marcel Brion. Paris: 1962.
Literatur
- Wilko von Abercron: Eugen Spiro 1874 Breslau – 1972 New York. Spiegel seines Jahrhunderts. Alsbach 1990.
- Christiane Berg: Rilkes Berliner Begegnung mit Marianne von Friedländer-Fuld. In: Aus dem Antiquariat 1975/I. Beilage zum Börsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel, Frankfurter Ausg. Nr. 9, 31, S. A 37–A 39
- Alfred Breslauer: Ausgeführte Bauten 1897–1927. Mit einer Einleitung Wilhelm von Bodes unter Mitarbeit von Hermann Schmitz. Berlin 1927.
- Marie von Bunsen: Zeitgenossen, die ich erlebte: 1900–1930. Leipzig 1932.
- Die Dame, 53. Jg. 1925, H. 6, S. 15; Aufn. Rieß, Ullstein
- Lorenz Demps: Der Pariser Platz – Der Empfangssalon Berlins. Berlin 1995.
- Hans Fürstenberg: Die Lebensgeschichte eines deutschen Bankiers 1870–1914. ungekürzte Neuauflage Wiesbaden 1961; 1. Aufl. Berlin 1931.
- Hans Fürstenberg: Carl Fürstenberg. Erinnerungen. Mein Weg als Bankier und C.F.’s Altersjahre. Wiesbaden 1965.
- Gestalten rings um Hindenburg. Führende Köpfe der Republik und die Berliner Gesellschaft von heute. Hrsg. Anonym (d. i. Kurt von Reibnitz). Dresden 1928, 2. verb. Aufl. 1929.
- Une Grande Dame d’avant Guerre. Lettres de la Princesse Radziwill au Genéral de Robilant 1889–1914. Bologna 1934, Bd. 4.
- Harry Graf Kessler: Das Tagebuch 1880–1937. Hrsg. von Roland S. Kamzelak und Ulrich Ott. Unter Beratung von Hans-Ulrich Simon, Bd. 2–7, 1892–1923. Stuttgart 2005 ff.
- Der Querschnitt. 7/1927, H. 4, 5, 6; 9/1929, H. 1, 4, 5
- Manfred Rasch: Das Schlesische Kohlenforschungsinstitut der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft: Ein Gegenbeispiel zum angeblichen Harnack-Prinzip. In: Bernhard vom Brocke, Hubert Laitko: Das Harnack-Prinzip. Die Kaiser-Wilhelm-/Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute. Berlin 1996.
- Janin Reif, Horst Schumacher, Lothar Uebel: Schwanenwerder, ein Inselparadies in Berlin. Berlin 2000.
- Rainer Maria Rilke: Gedichte 1910 bis 1926. Hrsg. von Manfred Engel und Ulrich Fülleborn, Werke Bd. 2. Frankfurt a. M. 1996
- Rainer Maria Rilke: Briefe an Hertha Koenig 1914–1921. Hrsg. von Theo Neteler. Bielefeld 2009.
- Rainer Maria Rilke, Marie von Thurn und Taxis: Briefwechsel. Mit einem Geleitwort von Rudolf Kassner. Besorgt durch Ernst Zinn. Zürich 1951.
- Rainer Maria Rilke: Briefe zur Politik. Hrsg. von Joachim W. Storck. Frankfurt a. M. [u. a.] 1992.
- Oliver Sander: Ernst von Ihne (1848–1917) und seine Berliner Bauten. In: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz. 35.1998, S. 104 ff
- Ingeborg Schnack: Rainer Maria Rilke. Chronik seines Lebens und seines Werkes 1875–1926. Erweiterte Neuausgabe hrsg. von Renate Scharffenberg. Frankfurt am Main/Leipzig 2009.
- Sonderbundausstellung Köln 1912; 1912 – Mission Moderne. Die Jahrhundertschau des Sonderbundes. Köln 2012.
- Sternheim, Briefe II. Briefwechsel mit Thea Sternheim, Dorothea und Klaus Sternheim 1906–1942. Hrsg. von Wolfgang Wendler. Frankfurt a. M. 1988.
- Thea Sternheim: Erinnerungen. Hrsg. von Helmtrud Mauser in Verbindung mit Traute Hensch, 1995.
- Thea Sternheim: Tagebücher 1905–1927. Die Jahre mit Carl Sternheim. Hrsg. von Bernhard Zeller. Bearb. von Heidemarie Gruppe. Mainz 1995.
- Joachim W. Storck: „Zeitgenosse dieser Weltschande“. Briefe Rilkes an Marianne Mitford geb. Friedlaender-Fuld aus dem Kriegsjahr 1915. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Jg. 26, 1982, S. 40–80.
Weblinks
- Der Unternehmer und Schriftsteller Robert Friedlaender-Prechtl. Bei: beatricevierneisel.de
- Marianne Mitford bei: The Mitford Society (in englischer Sprache)
Einzelnachweise
- Gilbert 1956; Storck 1982.
- Sander 1998, S. 104ff; Demps 1995.
- Breslauer 1927, S. 61 f.
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA) Rep. 37 Lanke, 55, 56, 50, 51, 52, 53.
- Kurt von Reibnitz. Gestalten 1929, S. 187.
- Gilbert 1956, S. 18: Das van-Gogh-Bild hing auf einer goldfarbenen Tapete.
- Landesverwaltungsamt Berlin, Entschädigungsbehörde, Reg.Nr. 53.660; Vossische Zeitung, 5. Januar 1914.
- LAB A PR. Br. Rep. 030 Nr. 9940 Polizeipräsidium.
- LAB A PR. Br. Rep. 030 Nr. 9940 Polizeipräsidium mit Zeitungsausschnitt aus Die Wahrheit 13. Juni 1914.
- LAB A PR. Br. Rep. 030 Nr. 9940 Polizeipräsidium.
- Rilke an Marie Taxis vom 5. Januar 1915; Rilke an Koenig, 4. Januar 1915.
- Rilke, Gedichte, 1996, Bd. 2, S. 126 ff., 134f, FN S. 528 und S. 534.
- Sternheim Briefe II, 1988, S. 164, 360, FN 552: gekauft 1910 für 13.000 Mark; Sternheim: Tagebücher, 1995, S. 138 f., Eintrag 9. Juni 1914: verkauft für 125.000 Mark; Sternheim: Erinnerungen, 1995, S. 207. Nach der Befreiung von Paris am 25. August 1944 schenkte sie das Bild dem Louvre.
- Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 10. März 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Gilbert 1956, S. 20.
- LAB B Rep. 025-06, Nr. WGA 3467/50: Der Jurist Franz Oppenheimer (1. August 1871–26. April 1950 New York) war seit 1902 in leitender Stellung in der Fa. Emanuel Friedlaender & Co. tätig.
- Ernst Springer (1860–1944), Sohn des Verlagsgründers Julius S., kam am 30. April 1944 im KZ Theresienstadt um.
- Rasch 1996, S. 173–209.
- LAB B Rep 025-06, Nr. 6 WGA 2279/51.
- LAB B Rep. 025-06, Nr. WGA 3467/50.
- Berliner Lokalanzeiger vom 5. März 1920.
- Gothaische Taschenbücher Hofkalender und Almanach, bearb. v. Fritsch, Thomas Frh. von. Limburg: Starke 1968, S. 187.
- Vgl. Kessler, Tagebuch vom 11. Februar 1923.
- Ursula von Mangoldt, Auf der Schwelle zwischen Gestern und Morgen – Begegnungen und Erlebnisse, Weilheim 1963, S. 88 u. 237.
- Vossische Zeitung vom 29. Juni 1923.
- Gestalten 1929, S. 189.
- (Kessler, Tagebuch v. 17. Februar 1926).
- Die Dame, 53.1925, H. 6 (Dez.), S. 15; Aufn. Rieß, Ullstein: Abb. Mutter und Kind.
- Die Zeitschrift erschien 1915/1916 in Zürich; vgl. Storck 1982, FN 104; Schack 2009, S. 493.
- Harry Graf Kessler. Eintrag im Tagebuch vom 3. September 1916.
- Arbeitsrat für Kunst Berlin 1918–1919. Ausstellung und Dokumentation. Akademie der Künste Berlin, 1980, S. 16, 117; der Arbeitsrat war nach Vorbesprechungen mit der französischen Gruppe La Clarté entstanden.
- Ernst Scheyer: Eugen Spiro – Clara Sachs. Beiträge zur neueren schlesischen Kunstgeschichte (Silesia Folge 19). München 1977, S. 21.
- von Abercron 1990, S. 134, 179–181.
- Walther Amelung: Es sei wie es wolle, es war doch so schön – Lebenserinnerungen als Zeitgeschichte. Frankfurt (Main), 1984, ISBN 978-3980095105, S. 443.
- LAB B Rep 025-02, WGA Nr. 10230/59: Abschrift der Verkaufsverhandlungen und des Kaufvertrags v. August bis September 1939, dort als „geschieden“ genannt.
- Kurt von Reibnitz (anonym veröffentlicht): Gestalten rings um Hindenburg. Führende Köpfe der Republik und die Berliner Gesellschaft von heute. Reissner, Dresden, 3. Aufl. 1930, S. 185 f.
- Brandenburgisches LHA (BLHA), Rep. 36 A Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg G 2477: Mietvertrag vom 23. März 1931.
- Landesverwaltungsamt Berlin, Entschädigungsbehörde, Reg.Nr. 58.168.
- LAB B Rep. 025, Nr. 21 WGA 6863/59.
- Ehem. Nr. 8, die Straße wurde 1937 vollständig umnummeriert.
- Entschädigungsamt Berlin, Reg. 58 168: im Ergebnis des Häusertauschs musste die Mutter „nur“ 147.284 M Steuer zahlen.
- SMB-ZA, IV/NL Bode 1915, 1916: Korrespondenz mit Wilhelm Bode in der Zeit, als sie das Palais am Pariser Platz einrichtete.
- und (Abruf: Januar 2013); das Bildnis von Rigaud war für das Linzer Museum vorgesehen.
- LAB B Rep. 025-02 WGA Nr. 10230/59.
- Landesverwaltungsamt Berlin, Entschädigungsbehörde, Reg.Nr. 58.168, genannt für 1943.
- „Gestern war ich bei der Goldschmidt-Rothschild. Sie hat ‚nur‘ die ‚Arlesienne‘ von van Gogh, einen fabelhaften Frans Hals, zwei Holbeins, Toulouse-Lautrec, Monet und Manet […] das Haus höchst kultiviert […] von großer Ruhe – keine Kinkerlitzchen, sehr sehr wohltuend.“ Aus: Alma-Mahler Werfel: Mein Leben, Frankfurt am Main 2005, S. 348.
- http://www.newyorksocialdiary.com/node/3250/print Foto: Kristen Cramer and Nina Miness (2007) und http://www.patrickmcmullan.com/site/search.aspx?t=person&s=Nina+Miness (2010), Abruf: Januar 2013.
- LAB B Rep. 025, Nr. 21 WGA 10230/59.
- LAB B Rep. 032, Treuhänder Reg. Nr. D/3830/G.
- LAB B Rep. 025, Nr. 21 WGA 6863/59; der Wiederbeschaffungswert der Einrichtung wurde 1956 auf 1.253.895 RM festgelegt.