Marie Lavoisier
Marie-Anne Pierrette Paulze Lavoisier (* 20. Januar 1758 in Montbrison; † 10. Februar 1836 in Paris) war Chemikerin, Illustratorin und Salonnière. Sie arbeitete eng mit ihrem Ehemann Antoine Laurent de Lavoisier zusammen.
Leben und Arbeit
Lavoisier war eine Tochter von Jacques Paulze (1723–1794)[1] und Claudine Catherine Thoynet De Rozières († 1761)[2]. Ihr Vater war Direktor der Französischen Ostindienkompanie (Directeur de la Compagnie des Indes) und Generalsteuereinnehmer im Agrarbereich, sogenannter Hauptzollpächter (Fermier général). Er wurde ebenso wie ihr Ehemann am 8. Mai 1794 guillotiniert. Ihr älterer Bruder war Christian François Joseph Paulze d’Ivoy (1755–1793).[3]
Marie-Anne Pierrette Paulze heiratete am 16. Dezember 1771 mit 13 Jahren Antoine Laurent de Lavoisier.[4] Lavoisier war damals 28 Jahre alt.[5] Sie war eine geistvolle Salondame und als aufmerksame, charmante und gutgelaunte Gastgeberin (und für ihre Küche) bei den Gesellschaften des Ehepaares bekannt.
Lavoisier arbeitete mit ihm zusammen an chemischen Experimenten, insbesondere führte sie oft das Laborbuch und erstellte viele Illustrationen zu den Werken ihres Ehemannes. Marie Lavoisier übersetzte Richard Kirwans Essay on Phlogiston and the Constitution of Acids (1787) aus dem Englischen ins Französische und erlaubte dadurch ihrem Ehemann, sich mit Kirwans Ideen kritisch auseinanderzusetzen (Lavoisiers englische Sprachkenntnisse waren begrenzt). Sie lernte auch Latein und erwarb ihre Chemiekenntnisse teilweise vom Mitarbeiter ihres Mannes Jean-Baptiste-Michel Bucquet.
Jacques-Louis David porträtierte das Ehepaar Lavoisier im Jahre 1788, das hierfür 7000 Livres zahlte.[6] Durch David, den Begründer des Klassizismus in Frankreich, erhielt Marie Lavoisier auch einen Teil ihrer künstlerischen Ausbildung. Sie erwarb und verbesserte ihre Kenntnisse in den graphischen Techniken des Malens, Zeichnens und Kupferstechens. Von Marie Lavoisier soll auch ein Porträt des Benjamin Franklin aus den Jahren 1787/88 stammen[7]; es wurde von ihr nach einer Vorlage von Joseph-Siffred Duplessis (1725–1802) erstellt. Benjamin Franklin war ein Freund des Ehepaars Lavoisier. Das Gemälde wurde von Marie Lavoisier im Jahre 1788 zu Benjamin Franklin nach Philadelphia gesandt.
Lavoisiers Ehemann wurde durch das Revolutionstribunal mit den anderen Steuerpächtern angeklagt, schuldig gesprochen und am 8. Mai 1794 auf dem Schafott enthauptet. Alles Eigentum und Vermögen wurde vom Revolutionstribunal konfisziert. Marie Lavoisier verlor alle Bezüge. Als der Terror (la Grande Terreur) auf seinen Höhepunkt zuging, wurde auch sie von Juni bis August 1794 inhaftiert. Nach ihrer Freilassung war sie bar jeglicher Mittel. Das Jahr 1795 brachte dann die Revision der Prozesse von 1794, und die hingerichteten Hauptzollpächter wurden rehabilitiert, das Vermögen an die Erbberechtigten zurückerstattet, woran sie selbst eine führende Rolle spielte. Sie galt aufgrund ihres üppigen Erbes fortan als gute Partie. Sie sorgte 1795 dafür, dass einer der Hauptverfolger ihres Mannes, der ehemalige Angestellte der Steuerpächter Antoine Dupin, angeklagt und verurteilt wurde. Vor dem Prozess hatte sie noch versucht, bei Dupin zu erreichen, dass dieser die Anklage gegen ihren Mann fallenließ, im Gespräch aber die Selbstbeherrschung verloren. Gegen viele hochgestellte Persönlichkeiten wie die ehemaligen Mitarbeiter ihres Mannes, Antoine François de Fourcroy und Guyton de Morveau, hegte sie einen Groll, da sie sich nach ihrer Ansicht nicht für dessen Leben eingesetzt hatten, obwohl sie Mitglied der Jakobiner waren. Um diesen nicht zu begegnen, mied sie auch 1795 eine offizielle Rehabilitationsfeier für ihren Mann im Lycée des Arts.
Der Nationalökonom Pierre Samuel du Pont de Nemours, Freund von Lavoisier und dessen letzter Verleger, Freund von Thomas Jefferson und Vater des in die Vereinigten Staaten emigrierten Eleuthère Irénée du Pont (Gründer der Firma DuPont), warb um sie, wurde aber von ihr abgelehnt.[8]
Am 12. Oktober 1805 heiratete Lavoisier Benjamin Thompson (1753–1814), bekannt als Count Rumford.[9] Die Ehe verlief wenig glücklich; beide trennten sich 1807, und im Jahre 1810 wurden sie geschieden.
In der napoleonischen Ära gründete Lavoisier in dem Pariser Hotel Hôtel de la rue d’Anjou-Saint-Honoré einen Salon.[10][11] Sie und ihr Salon waren ein fester Bestandteil der Pariser Gesellschaft; er wurde von den führenden Wissenschaftlern in Frankreich, darunter Joseph-Louis Lagrange, Pierre-Simon Laplace, Claude-Louis Berthollet, François Arago und Jean-Baptiste Biot, regelmäßig besucht.[12]
Lavoisier übersetzte für ihren Mann wissenschaftliche Texte und führte und veröffentlichte 1805 seinem Tod dessen nachgelassene Mémoires de Chimie in einem Privatdruck, den sie an ausgewählte Wissenschaftler verteilte. Es gibt von ihr Erinnerungen an ihren Mann (sie versorgte Georges Cuvier mit Informationen zum Beispiel für dessen Enzyklopädieartikel (in der Biographie Michaud) über Lavoisier), die Charles Gillispie 1956 veröffentlichte.[13]
Literatur
- Denis Duveen: Madame Lavoisier (1758-1836), Chymia, Band 4, 1953, S. 13–29.
- Cassandra T. Eagle, Jennifer Sloan: Marie Anne Paulze Lavoisier: The Mother of Modern Chemistry. The Chemical Educator. Abstract Volume 3 Issue 5 (1998), S1430-4171(98)05249-8 doi:10.1333/s00897980249a
- Edouard Grimaux: Lavoisier, 2. Auflage, Paris 1896, S. 35–44.
- Madeleine Pinault-Sorensen: Madame Lavoisier, dessinatrice et peintre La revue du Musée des arts et métiers, Conservatoire national des arts et métiers, Musée national des techniques, März 1994, S. 23–25, Der Artikel wurde zum Gedenken an Michelle Goupil (secrétaire général du Comité Lavoisier) geschrieben.
- Claude Vie: Le salon et le laboratoire de Lavoisier à l'Arsenal, cénacle où s'élabora la nouvelle chimie, Revue d'Histoire de la Pharmacie, Band 306, 1995, S. 255–266, Online bei Persee
Weblinks
- Marie Lavoisier, Chemikerin (Zzzebra Das Web-Magazin für Kinder)
- Bedeutende Naturwissenschaftlerinnen – Marie Paulze Lavoisier
- 15 Illustrationen von Marie Lavoisier
- Biographie von Marie Lavoisier Paulze in englischer Sprache
- LES AMIS DE LAVOISIER, Jean-Pierre Poirier: Comité Lavoisier. Académie des Sciences de Paris
Einzelnachweise
- Genealogie des Vaters
- Genealogie der Mutter
- Genealogie des Bruders
- Kirchliche Hochzeit. Der Ehevertrag wurde am 4. Dezember unterschrieben.
Grimaux: Lavoisier. 1895, S. 40. - Ferenc Szabadváry: Antoine Laurent Lavoisier. Der Forscher und seine Zeit 1743-1794. Budapest Gemeinschaftsausgabe des Akadémiai Kiadó, Budapest und der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart (1973), S. 32
- Ferenc Szabadváry: Antoine Laurent Lavoisier. Der Forscher und seine Zeit 1743-1794. Budapest Gemeinschaftsausgabe des Akadémiai Kiadó, Budapest und der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart (1973), S. 34 ff.
- Porträt von Benjamin Franklin aus dem Jahre 1788
- Biographie in englischer Sprache von John H. Lienhard: Marie Lavoisier. No. 1673
- Genealogische Daten Marie-Anne Pierrette Paulze
- Marilyn Bailey Ogilvie: Women in Science. Antiquity Through the Nineteenth Century: A Biographical Dictionary with Annotated. MIT (1990). S. 119–120.
- Jean Jacques Peumery: Marie-Anne Pierrette Paulze, épouse et collaboratrice de Lavoisier. M.-A. Paulze, épouse et collaboratrice de Lavoisier, Vesalius, VI, 2,105-113, (2000), p. 112 (PDF-Datei; 169 kB)
- Ferenc Szabadváry: Antoine Laurent Lavoisier. Der Forscher und seine Zeit 1743-1794. Budapest Gemeinschaftsausgabe des Akadémiai Kiadó, Budapest und der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart (1973), S. 220
- Charles Gillispie, Notice biographique de Lavoisier par Madame Lavoisier, Revue d'histoire des sciences, Band 9, 1956, S. 52–61, hier S. 61, Digitalisat