Mary Boyle, Countess of Cork and Orrery
Mary Boyle, Countess of Cork and Orrery, geb. Mary (oder Maria) Monckton (* 21. Mai 1746, wahrscheinlich Serlby Hall, Nottinghamshire; † 30. Mai 1840 in London), bekannt als Lady Cork, war eine anglo-irische Adlige, die für ihre gesellschaftlichen Salons und Blaustrumpfgesellschaften bekannt war.
Leben
Mary Monckton wurde als Tochter des Landbesitzers und Whig-Politikers John Monckton, 1. Viscount Galway (1695–1751), und seiner zweiten Frau Jane Westenra († 1788), Schwester des irischen Politikers Warner Westenra,[1] geboren, wahrscheinlich auf dem Familiensitz Serlby Hall in Nottinghamshire.[2] Wie ihr Vater und ihre Brüder war sie Anhängerin der Whig-Partei[3], doch in ihrem Salon empfing sie Mitglieder aller politischen Richtungen.[4] Als junge Frau war sie öfters in Frankreich am Hof von Marie Antoinette.[5]
Am 17. Juni 1786 heiratete Mary Monckton im Haus ihrer Mutter Edmund Boyle, 7. Earl of Cork, 7. Earl of Orrery. Die Ehe endete mit seinem Tod im Jahr 1798 und blieb kinderlos. Wenn nicht in London, lebte sie mit ihrem Bruder Colonel John Monckton (1739–1830) in Fineshade Abbey, Northamptonshire.[6]
Lady Cork starb in ihrem Haus in der New Burlington Street in London am 30. Mai 1840 mit 94 Jahren. Sie wurde entweder in der Monckton-Gruft in Brewood, South Staffordshire, beigesetzt, oder in Fineshade.[6] Ein Wandmal in der Kirche in Brewood erinnert an sie.[7]
Blaustrumpfgesellschaften
Lady Cork war bekannt für die geistreichen literarischen Salons, die sie bis ins hohe Alter gab. Ihre Blaustrumpfgesellschaften galten als wichtige gesellschaftliche Ereignisse Londons und brachten zahlreiche Schriftstellerinnen, Politiker und andere Persönlichkeiten in Kontakt, zunächst im Haus ihrer verwitweten Mutter an der Charles Street nahe Berkeley Square im Londoner Stadtviertel Mayfair,[8] später in ihrem eigenen Haus an der New Burlington Street. Sie selbst sagte darüber: „... ich habe pinke [Abende] für die Exklusiven, blaue für die Literaten und graue für die Religiösen [...], so habe ich sie alle in ihren Runden; außerdem habe ich eine Gesellschaft mit allen möglichen Leuten, aber dafür habe ich keinen Namen.“[9] Ihre Ehe könnte sie von ihrer Tätigkeit als Salonnière zeitweise abgehalten haben, während der zwölf Ehejahre wird nicht viel über sie berichtet.[6] Nach dem Tod ihres Mannes 1798 gab sie spätestens wieder Gesellschaften, die für ihre Lebhaftigkeit gelobt wurden. So schrieb etwa Lady Morgan 1825: „Heute Abendessen bei Lady Cork; nichts ist vergleichbar mit der Pracht ihrer Unterhaltung und ihrer Räumlichkeiten.“[10] Auch die Schriftstellerin Amelia Opie (1769–1853) berichtete regelmäßig von den Abenden bei „Lady C.“.[11] Wie Elizabeth Montagu lehnte Boyle das Kartenspiel als Beschäftigung ihrer Gesellschaften ab.[8] Andere Unterhaltung war jedoch durchaus erwünscht: So besaß Lady Cork Papageien und Aras, und Horace Walpole sah 1782 die französische Ballerina Marie Madeleine Louise Catherine Crespé (1759–1799), genannt Mademoiselle Théodore, Mitglied von Noverres Balletttruppe, bei Mary Boyle tanzen.[6] Auch berühmte ausländische Persönlichkeiten dienten dem Amüsement, so wurde etwa einmal General Blücher erwartet, erschien jedoch nicht – stattdessen verkleidete sich Caroline Lamb als Blücher.[11] Weil Lady Cork es meist aber schaffte, verschiedenste berühmte Gäste in ihrem Salon zu versammeln, galt sie als erfolgreiche „Löwenjägerin“.[12] Lady Morgan, die selbst 1806 nach Erscheinen ihres Erstlings The Wild Irish Girl als „Löwin“ präsentiert worden war, schrieb später dazu: „Was mich angeht, muss ich sagen, dass diesem Entzücken, dem anfangs vielleicht ein wenig zu sehr auf meine Kosten gefröhnt wurde, fast zwanzig Jahre unerschütterlicher Freundschaft, Herzlichkeit und Gastfreundschaft folgten.“[13][14]
Mit vielen Persönlichkeiten der Londoner Gesellschaft verband sie eine enge Freundschaft, so etwa mit den Schriftstellern James Boswell und Samuel Johnson. Von letzterem erhielt sie 1781 den weithin bekannten Spitznamen „Little Dunce“ (etwa: ‚Kleiner Dummkopf‘)[13]:
“Johnson was prevailed with to come sometimes into these circles, and did not think himself too grave even for the lively Miss Monckton (now Countess of Corke), who used to have the finest bit of blue at the house of her mother, Lady Galway. Her vivacity enchanted the Sage, and they used to talk together with all imaginable ease. A singular instance happened one evening, when she insisted that some of Sterne's writings were very pathetick. Johnson bluntly denied it. ‚I am sure (said she) they have affected me,‘ – ‚Why (said Johnson, smiling, and rolling himself about) that is, because, dearest, you're a dunce.‘ When she some time afterwards mentioned this to him, he said with equal truth and politeness; ‚Madam, if I had thought so, I certainly should not have said it.‘”
„Johnson wurde überredet hin und wieder mit in diese Kreise zu kommen, und nahm sich selbst nicht zu ernst, selbst nicht gegenüber der quierligen Miss Monckton (jetzt Countess of Corke), die das feinste Stückchen Blau im Haus ihrer Mutter, Lady Galway, abhielt. Ihre Lebhaftigkeit verzauberte den Weisen, und sie sprachen für gewöhnlich in aller vorstellbarer Leichtigkeit miteinander. Eine besondere Begebenheit trug sich eines Abends zu, als sie darauf bestand, dass einige von Sternes Schriften begeisternd seien. Johnson bestritt dies rundheraus. ‚Ich bin sicher (sagte sie), dass sie mich bewegten‘, – ‚Das (sagte Johnson, lachend und sich selbst herumrollend) liegt daran, dass Sie, meine Beste, ein Dummkopf sind.‘ Als sie dies einige Zeit später ihm gegenüber erwähnte, sagte er mit ebenso viel Wahrheit wie Höflichkeit: ‚Madam, wenn ich das gedacht hätte, hätte ich es sicher nicht gesagt.‘“
Die beiden blieben bis zu Johnsons Tod befreundet: im April 1784 besuchte Boyle zusammen mit der Schriftstellerin Hannah More den sterbenskranken Johnson am Krankenbett.[8] Daneben zählte sie etwa Richard Brinsley Sheridan, Sarah Siddons, Sydney Smith (1771–1845) und Mary Margaret Busk (1779–1863) zu ihren engen Freunden.[8][16][17]
Die Schriftstellerin Frances Burney beschrieb, wie Boyle sie am 10. November 1782 besuchen kam mit dem Wunsch, sie und ihre Freundin Hester Thrale kennen zu lernen. Burney überliefert im Folgenden eine detaillierte Beschreibung von Boyle und ihrem Salon am Sonntag, 8. Dezember 1782. Boyle sammele alle herausragenden und interessanten Leute für ihre Londoner Conversations, die ähnlich wie Elizabeth Vesey Adel und Literatur mische, alle anderen aber außen vor lasse.[18] Burneys Meinung über Mary Boyle ist ambivalent: sie beschreibt sie als „sehr klein, sehr fett, aber hübsch, großartig & fantastisch angezogen, nicht unschicklich geschminkt, allerdings offensichtlich & spürbar begierig nach Aufmerksamkeit & Bewunderung“, mit einer unkomplizierten „Leichtfertigkeit in ihrer Art, Manier, Stimme & Sprache“. Ihre Partys seien die „besten in der Stadt & sie kennt so viele Leute, die ich gerne treffen würde“. Sie wundert sich darüber, dass die Gäste nicht angekündigt werden und Boyle bei der Ankunft ihrer Gäste für gewöhnlich sitzen blieb, nur kurz nickte und nach dem Befinden fragte. Außerdem beschreibt Burney, wie Boyle Wert darauf legte, dass ihre Gäste nicht in Kreisen saßen, sondern in Gruppen. Burney kann sich schließlich neben Joshua Reynolds zu ihrer großen Freude mit Edmund Burke über ihr Buch unterhalten. Sie schließt mit dem Fazit: „Sie ist in ihrem eigenen Haus sehr viel besser als woanders. [...] Ich hatte, zusammengenommen, einen Abend, an den ich mich immer mit Freude erinnern werde.“[18]
Salongäste (Auswahl)
Zu den Gästen ihrer Gesellschaften zählten unter anderem:[19][8][12]
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Einfluss in Literatur und Kunst
Abgesehen von einem kleinen, ihr zugeschriebenen Gedicht, ist eine literarische Tätigkeit Lady Corks nicht bekannt.[6] Vielmehr trat sie als eine Art Literaturagentin und -kritikerin auf; so schrieb sie etwa 1837 an Amelia Opie: „Literaten sprießen wie Pilze, doch die Werke sind trauriger Mist.“[20]
Lady Cork wird in zahlreichen Autobiografien, Briefbänden und Erzählungen genannt, unter anderem von Charles Robert Leslie[21], Benjamin Disraeli[22] und Georgina Chatterton[23]. Lady Morgans Erzählungen My First Rout in London (1829)[13] über ihren ersten Besuch in Lady Corks Salon 1806[24] und Memoirs of the Macaw of a Lady of Quality (1831) haben unmittelbar deren Gesellschaften zum Thema.[3][25] Die Frage, ob Catherine Gores Buch The Dowager; or, the new School for Scandal (1840) Lady Cork darstellte, löste bei Erscheinen einen Skandal aus. Gore gab zu, dass einige Eigenheiten Lady Cork ähneln würden.[26]
Gut bekannt mit Benjamin Disraeli, soll Lady Cork Vorbild für die Figur der Lady Bellair in Henrietta Temple gewesen sein. Auch Charles Dickens soll von ihr für seine Figur Mrs. Leo Hunter in Die Pickwickier inspiriert worden sein.[8]
Lady Cork und ihre Gesellschaften werden in einigen historischen Romanen erwähnt, unter anderem von Georgette Heyer und Maurice Edelman (1911–1975).[27][28]
Judy Chicago widmete Lady Cork eine Inschrift auf den dreieckigen Bodenfliesen des Heritage Floor ihrer 1974 bis 1979 entstandenen Installation The Dinner Party. Die mit dem Namen Mary Monckton beschrifteten Porzellanfliesen sind dem Platz mit dem Gedeck für Mary Wollstonecraft zugeordnet.[29]
Literatur
- Edward Walford: Old Lady Cork. In: Chapters from Family Chests. Band 2. London 1887, S. 213–219 (archive.org).
- Elizabeth Lee: Monckton, Mary. In: Dictionary of National Biography, 1885-1900. Volume 38 (WikiSource).
- C. J. Hamilton: The Countess of Cork and Orrery. In: Notable Irishwomen. Dublin 1900, S. 32–44 (WikiSource).
- Pamela Edwards: Boyle [née Monckton], Mary [Maria], countess of Cork and Orrery. In: The Oxford Dictionary of National Biography. Oxford University Press, Oxford 23. September 2004, S. ref:odnb/18942, doi:10.1093/ref:odnb/18942 (Online).
Weblinks
Einzelnachweise
- Henry Westenra. In: thepeerage.com. 25. Dezember 2015, abgerufen am 11. Februar 2021 (englisch).
- Biography of John Monckton, 1st Viscount Galway (1695-1751) - The University of Nottingham. University of Nottingham, abgerufen am 5. Februar 2021.
- Countess of Cork to Lady Morgan, 25 October [1831]. In: Lady Morgan’s Memoirs. Dixon, abgerufen am 5. Februar 2021.
- Cyrus Redding: Fifty years' recollections. C. J. Skeet, London 1858, S. 206 (Online [abgerufen am 11. Februar 2021]).
- Lucy Clementina Davies: Recollections of society in France and England. Hurst and Blackett, London 1872, S. 161 (Online [abgerufen am 11. Februar 2021]).
- Pamela Edwards: Boyle [née Monckton], Mary [Maria], countess of Cork and Orrery. In: The Oxford Dictionary of National Biography. Oxford University Press, Oxford 23. September 2004, S. ref:odnb/18942, doi:10.1093/ref:odnb/18942 (Online [abgerufen am 6. Februar 2021]).
- Parishes of Brewood and Bishops Wood: Memorials Inside Church. 19. November 2008, abgerufen am 5. Februar 2021.
- Elizabeth Lee: Monckton, Mary. In: Dictionary of National Biography, 1885-1900. Volume 38 (Online [abgerufen am 5. Februar 2021]).
- Sydney Lady Morgan: Passages from my autobiography. R. Bentley, London 1859, S. 29 (Online [abgerufen am 10. Februar 2021] Original: „My dear, I have pink for the exclusives, blues for the literary, gray for the religious — at which Kitty Birmingham, the Irish saint, presides — for I have them all in their turns; then I have one party of all sorts, and I have no colour for it.“).
- Journal entries: May-June 1825. In: Lady Morgan's Memoires. Dixon, abgerufen am 6. Februar 2021.
- Amelia Opie: Memorials of the Life of Amelia Opie: Selected and Arranged from Her Letters, Diaries, and Other Manuscripts. Hrsg.: Cecilia Lucy Brightwell. Fletcher and Alexander, 1854 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Cork and Orrery, Mary, Countess of. In: 1911 Encyclopædia Britannica. Volume 7 (Online [abgerufen am 5. Februar 2021]).
- Lady Morgan: My First Rout in London. In: The Book of the Boudoir. Band 1. Henry Colburn, London 1829, S. 98–117 (Online [abgerufen am 6. Februar 2021]).
- Original: „In my own respect I have only to say, that this engouement, indulged, in the first instance, perhaps, a little too much at my expense, has been followed up by nearly twenty years of unswerving friendship, kindness, and hospitalty.“
- James Boswell: The life of Samuel Johnson, LL.D. Band 2. Charles Dilly, London 1791, S. 394 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Francis Darwin (Hrsg.): The life and letters of Charles Darwin, including an autobiographical chapter. D. Appleton and Co., New York 1887, S. 62 (Online [abgerufen am 10. Februar 2021]).
- Eileen Curran: Holding on by a Pen: The Story of a Lady/Reviewer Mary Margaret Busk (1779–1863). In: Victorian Periodicals Review. Band 31, Nr. 1, 1998, ISSN 0709-4698, S. 9–30, JSTOR:20083051.
- Lars E. Troide, Stewart J. Cooke (Hrsg.): The Early Journals and Letters of Fanny Burney: Volume V, 1782-1783. McGill-Queen's Press - MQUP, 2012, ISBN 978-0-7735-8676-5, S. 164–198 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Journal entries: June-August 1833. In: Lady Morgan’s Memoirs. Dixon, abgerufen am 6. Februar 2021.
- Gertrude Townshend Mayer: Women of letters. Band 2. Bentley & Son, London 1894, S. 109 (Online [abgerufen am 10. Februar 2021] Original: „Poets are springing up like mushrooms, but the novels are sad trash.“).
- Charles Robert Leslie: Autobiographical recollections. Ticknor and Fields, Boston 1860 (Online [abgerufen am 11. Februar 2021]).
- Lord Beaconsfield's correspondence with his sister, 1832-1852. Murray, London 1886 (Online [abgerufen am 11. Februar 2021]).
- Edward Heneage Dering (Hrsg.): Memoirs of Georgiana, Lady Chatterton. Hurst and Blackett, London 1878 (Online [abgerufen am 11. Februar 2021]).
- Chapter XXVI. In: Lady Morgan's Memoirs. Dixon, abgerufen am 6. Februar 2021.
- Lady Morgan: Chapter XXV. In: Lady Morgan’s Memoirs: Autobiography, Diaries and Correspondence, 2 Bde., 2. Aufl., London: Allen & Co. 1863, abgerufen am 5. Februar 2021.
- Chapter XXIX Dixon: LADY MORGAN'S MEMOIRS. Abgerufen am 6. Februar 2021.
- Georgette Heyer: Venetia. Heinemann, London 1958, S. 99 (Online [abgerufen am 11. Februar 2021]).
- Maurice Edelman: Disraeli in love. Collins, London 1972, ISBN 978-0-00-221180-2 (Online [abgerufen am 11. Februar 2021]).
- The Dinner Party: Mary Monckton. In: Brooklyn Museum. Abgerufen am 10. Februar 2021.