Élisabeth de Riquet de Caraman
Marie Joséphine Anatole Louise Élisabeth de Riquet de Caraman-Chimay, durch Heirat mit Henri Greffullhe Comtesse Greffulhe (* 11. Juli 1860 in Paris; † 21. August 1952 in Lausanne), war eine Pariser Dame der Gesellschaft, die wegen ihrer Schönheit und ihrer Eleganz berühmt war. In der Pariser High Society sprach man ihren Namen Greffeuille aus.[1]
Sie war Mittelpunkt eines mondänen Salons im Faubourg Saint-Germain im Paris der Belle Époque, in dem sich Politiker und Diplomaten, Wissenschaftler, Musiker und Künstler sowie Mitglieder der Hochfinanz und des europäischen Adels trafen. Sie war Mäzenin für Kunst, Musik, Theater und der Ballets Russes.
Unsterblich geworden ist sie als eins der Vorbilder für die Herzogin von Guermantes in Marcel Prousts Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
Leben
Elisabeth war eins von sieben Kindern des Fürsten Joseph Marie Guy Henri Philippe Riquet (1836–1892) und der Gräfin Marie Josephine Anatole de Montesquiou-Fezensac (1834–1884). Ihre Mutter war von Clara Schumann unterrichtet worden und hatte mit Franz Liszt zusammen konzertiert. Alle Kinder des Paars spielten ein Instrument. Im Alter von 18 Jahren wurde Elisabeth mit Henri Jules Charles Emanuel Greffulhe (1848–1932) verheiratet. Henri Greffulhe gehörte zum belgischen Zweig der Familie und erbte neben einem Grafentitel ein riesiges Finanz- und Immobilienimperium. Am 19. März 1882 wurde Hélène Marie Josèphe Charlotte, genannt Élaine, das einzige Kind des Paars, geboren. Élaine heiratete Armand de Gramont, Herzog de Guiche und 12. Herzog von Gramont (1879–1962), der mit Marcel Proust befreundet war. 1887 erhielten sie als Geschenk von Greffulhes Vater die Villa La Case in Dieppe, ein Schlösschen im Anglo-Normannischen Stil, in dem sie die Sommermonate verbrachten und ausgewählte Gäste empfingen.[2]
Durch eine kostspielige und elegante Garderobe, die sie von den renommierten Modehäusern wie Callot Sœurs, Doucet, Jeanne Lanvin, Fortuny, Caroline Reboux, Vitaldi Babani, Worth, sowie Schuhe von Hellstern & Sons oder François Pinet bezog[3] setzte sie ihre Schönheit eindrucksvoll in Szene, wie es die vielen schriftlichen Äußerungen ihrer Gäste überliefert haben.
Die Comtesse Greffulhe war eine Cousine von Robert de Montesquiou, dem sie sein Leben lang eine enge Vertraute war. 1884 machte sie Montesquiou mit dem 20 Jahre älteren hochgebildeten Prince de Polignac bekannt, der sie sehr verehrte und mit dem sie von da an eine enge Freundschaft verband. Auf einer Englandreise 1887 lernte sie durch Vermittlung Montesquious den amerikanischen Maler James McNeill Whistler kennen, der wie Montesquiou den Lebensstil eines Dandy führte. Sie verschaffte Whistler Zugang zur Pariser Gesellschaft und förderte ihn, wie andere Pariser Künstler ihrer Zeit, auch finanziell.[4]
Ebenfalls über Montesquiou lernte sie Edmond de Goncourt, José-Maria de Heredia, Stéphane Mallarmé, Judith Gautier, Anatole France und den Abbé Mugnier (Arthur Mugnier, 1853–1944) kennen, der detailliert Tagebuch führte über die Protagonisten und Ereignisse der Pariser Gesellschaft von 1878 bis 1939. In der Rue d'Astorg 10 führte sie einen Salon, in dem sie regelmäßig die Crème der Pariser Gesellschaft und bedeutende Personen aus Politik, Finanz, Wissenschaft und Kunst empfing. Der Reichtum der Familie erlaubte ihr ein großzügiges Mäzenatentum, das sich auf Kunst, Literatur, Musik und Wissenschaft erstreckte.
Von ihrer Herkunft und Grundgesinnung eher monarchistisch eingestellt, unterhielt sie doch auch Kontakte zu Vertretern der Dritten Republik wie Théophile Delcassé, Pierre Waldeck-Rousseau und General Gaston de Galliffet, der im Kabinett Waldeck-Rousseau kurz den Posten des Kriegsministers bekleidete. In der Dreyfus-Affäre standen sie und Montesquiou auf der Seite von Waldeck-Rousseau, der wesentlich zur Rehabilitierung des Angeklagten beigetragen hat. Eine briefliche Intervention zu Gunsten des fälschlich der Spionage für das Deutsche Reich Angeklagten, die sie 1899 bei Kaiser Wilhelm II. unternommen hat,[5] wurde ihr von der rechten Presse übel angekreidet.
La société des grands auditions
1890 gründete sie die Société des Grands auditions und wurde deren Präsidentin, eine einzigartige Position für eine Frau in dieser Zeit. Diese privat durch Subskriptionen finanzierte Gesellschaft hatte zunächst das Ziel, Werke französischer Komponisten in Paris zu präsentieren, die bereits im Ausland aufgeführt worden waren oder in Frankreich selten gespielt wurden. Im selben Jahr wurde die Oper Béatrice et Bénédict von Hector Berlioz, die schon in Baden-Baden, Weimar, Karlsruhe und Wien gespielt worden war, am Théatre Odéon aufgeführt. 1892 folgte Berlioz' Oper Les Troyens à Carthage. Comtesse Greffulhe hatte die Musik Richard Wagners 1891 bei einem Besuch mit Montesquiou in Bayreuth kennengelernt und setzte sich für die Aufführung von Lohengrin an der Pariser Oper im gleichen Jahr ein. Für 1893 wurde eine Tristan-Aufführung geplant. Da aber für das Budget von 75.000 Francs noch 20.000 Francs fehlten, kam die Premiere erst drei Jahre später zustande. Nach dem Erfolg der Opernaufführungen weitete die Gesellschaft ihr Programm auf Orchesterkonzerte aus. Aufgeführt wurden Werke von Bach, Händel, Beethoven und Edward Elgar. 1884 fand ein Konzert mit Werken der musikalischen Avantgarde, von Claude Debussy, Gabriel Fauré, Albéric Magnard, Vincent d’Indy, Charles Bordes, Ernest Chausson bis Paul Dukas statt.[6] Salome von Richard Strauss, 1907 von Strauss selbst dirigiert, erlebte am Théâtre du Châtelet mehrere Aufführungen.[7] Gabriel Fauré widmete ihr 1890 seine „Pavane avec chœur“.
Rezeption in Kunst und Literatur
Das Ehepaar Greffulhe inspirierte Marcel Proust zu den Romanfiguren des Herzogs und der Herzogin von Guermantes in seinem Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
Die Comtesse Greffulhe ist von vielen Malern und Fotografen porträtiert worden. Otto Wegener (1849–1924) und Nadar, bei dem sie selbst Unterricht im Fotografieren nahm, haben sie mehrmals fotografiert.
- Gemälde
- Paul César Helleu: Comtesse Greffulhe. Aquarell. Um 1886–1890 Bild
- Paul César Helleu: Helleu: Studies of Countess Greffulhe. 4 Zeichnungen mit Farbstiften
- Philip Alexius de Laszlo: Comtesse Henry Greffulhe, née comtesse Elisabeth de Caraman-Chimay 1909, Öl auf Ln, Privatsammlung
- Jacques-Émile Blanche: Comtesse Greffulhe. Um 1895. Privatsammlung.Bild
- Ernest Hébert: Comtesse Elisabeth Greffulhe. Pariser Privatsammlung
- Antonio de la Gandara: Comtesse Greffulhe.
- Ausstellungen
- Madeleine Delpierre, Henriette Vannier (Hrsg.): Élegantes personnes au temps de Marcel Proust. 1890–1916. Musée du Costume de la Ville de Paris. Dezember 1968 – April 1969. Katalog. Paris: Les presses artistiques 1968.
- Olivier Saillard, Claude Arnaud, Laurent Cotta (Hrsg.): La Mode retrouvée. Les robes trésors de la Comtesse Greffulhe. November 2015 – März 2016. Palais Galliera, Paris 2015. ISBN 978-2-75960305-3[8]
- Ausstellungskatalog der Roben, Porträts und Fotoporträts der Comtesse Greffulhe.
- Proust’s Muse, The Countess Greffulhe. The Museum at the Fashion Institute of Technology, New York City. September 2016 – Januar 2017.
Literatur
- Anne de Cosse Brissac: La comtesse Greffulhe. Paris: Perrin 1991. ISBN 2-262-00820-5
- Marie Cornaz: Les princes de Chimay et la musique. Paris: La Renaissance du Livre. 2002. ISBN 2-8046-0704-6
- Jann Pasler: Writing through Music. Essays on Music, Culture, and Politics. Oxford 2008. ISBN 978-0-19-532489-1
- Annegret Fauser, Mark Evereit (Hrsg.): Music, Theater and Cultural Transfer. Paris 1830–1914. Chicago: University of Chicago Press 2009. ISBN 978-0-226-23928-6
- Laure Hillerin: La comtesse Greffulhe. L'ombre des Guermantes. Paris: Flammarion 2014. ISBN 978-2-08129054-9
Weblinks
Einzelnachweise
- George D. Painter: Marcel Proust. S. 202.
- Abbildung. In: Le styleet la matière. Chez la Comtesse Greffulhe. 8. Januar 2010.
- Alexandra Bosc: „Elle n'a pas suivi les modes, elle était faite pour les créer“, in: La Mode retrouvée, Les robes trésors de la comtesse Greffulhe. Paris 2015. S. 76–96.
- Greffulhe. The Correspondence of James MacNeill Whistler. Univ. of Glasgow.
- Wiliam C. Carter: Marcel Proust. Yale Univ. Press 2000, S. 254.
- Music, Theatre and Cultural Transfer. 2009, S. 146.
- Theaterkritik in: Musica. Juli 1907
- 'La Mode retrouvée' exhibition at Palais Galliera, Vogue, éd. Paris, 2015, abgerufen am 9. März 2019