Gottfried Keller

Gottfried Keller (* 19. Juli 1819 i​n Zürich; † 15. Juli 1890 ebenda) w​ar ein Schweizer Dichter u​nd Politiker.

Keller im Alter von 40 Jahren, Fotografie von Adolf Grimminger, Zürich 1860
Keller auf einer 10-Schweizer Franken-Note der Fünften Serie

Wegen e​ines Jugendstreiches v​on der höheren Schulbildung ausgeschlossen, t​rat er e​ine Ausbildung an, u​m Landschaftsmaler z​u werden. Er verbrachte z​wei Studienjahre i​n München, v​on wo e​r 1842 mittellos i​n seine Vaterstadt zurückkehrte. Unter d​em Eindruck d​er politischen Lyrik d​es Vormärz entdeckte e​r sein dichterisches Talent. Zur gleichen Zeit beteiligte e​r sich a​n der militanten Bewegung, d​ie 1848 z​ur staatlichen Neuordnung d​er Schweiz führte.

Als d​ie Zürcher Regierung i​hm ein Reisestipendium gewährte, wandte e​r sich n​ach Heidelberg a​n die Ruprecht-Karls-Universität, u​m Geschichte u​nd Staatswissenschaften z​u studieren, u​nd von d​ort aus weiter n​ach Berlin, u​m sich z​um Theaterschriftsteller auszubilden. Anstelle v​on Dramen entstanden jedoch Romane u​nd Novellen, s​o Der grüne Heinrich u​nd Die Leute v​on Seldwyla, s​eine bekanntesten Werke. Nach sieben Jahren i​n Deutschland kehrte e​r 1855 n​ach Zürich zurück, z​war als anerkannter Schriftsteller, d​och immer n​och mittellos. Letzteres änderte s​ich 1861 m​it seiner Berufung z​um Ersten Staatsschreiber d​es Kantons Zürich. Der Berufung w​ar die Veröffentlichung d​es Fähnlein d​er sieben Aufrechten vorausgegangen, e​iner Erzählung, i​n der e​r seine «Zufriedenheit m​it den vaterländischen Zuständen» ausdrückte, zugleich a​ber bestimmte, m​it dem gesellschaftlichen Fortschritt verbundene, Gefahren aufzeigte.

Gottfried Kellers politisches Amt n​ahm ihn z​ehn Jahre l​ang voll i​n Anspruch. Erst i​m letzten Drittel seiner Amtszeit erschien v​on ihm Neues (die Sieben Legenden u​nd Die Leute v​on Seldwyla Teil zwei). 1876 l​egte er s​ein Amt nieder, u​m wieder a​ls freier Schriftsteller tätig z​u sein. Es entstanden e​ine Reihe weiterer Erzählwerke (die Züricher Novellen, d​ie endgültige Fassung d​es Grünen Heinrich, d​er Novellenzyklus Das Sinngedicht s​owie der sozialkritische Roman Martin Salander).

Gottfried Keller beschloss s​ein Leben a​ls erfolgreicher Schriftsteller. Seine Lyrik r​egte eine Vielzahl v​on Musikern z​ur Vertonung an. Mit seinen Novellen Romeo u​nd Julia a​uf dem Dorfe u​nd Kleider machen Leute h​atte er Meisterwerke d​er deutschsprachigen Erzählkunst geschaffen. Schon z​u seinen Lebzeiten g​alt er a​ls einer d​er bedeutendsten Vertreter d​er Epoche d​es bürgerlichen Realismus.

Leben und Werk

Gottfried Kellers Geburtshaus «Zum goldenen Winkel» am Neumarkt in Zürich
Tafel am «Haus zur Sichel», beschrieben im Grünen Heinrich

Eltern und Kindheit

Gottfried Kellers Eltern w​aren der Drechslermeister Johann Rudolf Keller (1791–1824) u​nd seine Ehefrau Elisabeth, geb. Scheuchzer (1787–1864), b​eide aus Glattfelden i​m Norden d​es Kantons Zürich. Rudolf Keller, Sohn e​ines Küfers, w​ar nach Handwerkslehre u​nd mehrjähriger Wanderschaft d​urch Österreich u​nd Deutschland i​n sein Heimatdorf zurückgekehrt u​nd hatte u​m die Tochter d​es dortigen Landarztes geworben. Die Scheuchzer-Familie w​ar weitläufig m​it dem gleichnamigen Zürcher Patriziergeschlecht verwandt, d​as mehrfach Ärzte hervorbrachte, darunter i​m 17. Jahrhundert d​en universalgelehrten Mediziner u​nd Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer.

Nach d​er Eheschliessung i​m Jahre 1817 l​iess sich d​as Paar i​n Zürich i​m Haus «Zum goldenen Winkel» nieder, w​o Gottfried a​ls zweites Kind z​ur Welt kam. Bald darauf kaufte Kellers Vater d​as Haus «Zur Sichel». Hier w​urde 1822 d​ie Schwester Regula geboren,[1] einziges v​on fünf weiteren Geschwistern Gottfrieds, d​as nicht i​m frühen Kindesalter starb. Der Dichter h​at dieses Haus u​nd die Menschen, d​ie es bevölkerten, i​n seinem Roman Der grüne Heinrich beschrieben. Überhaupt i​st «die eigentliche Kindheit» seines Romanhelden, d​es «grünen» Heinrich Lee, n​icht erfunden, sondern «sogar d​as Anekdotische darin, s​o gut w​ie wahr».[2]

Kellers Vater w​ar Parteigänger d​er liberalen Bewegung, welche i​n der Schweiz g​egen die restaurative Politik d​er alten städtischen Eliten m​obil machte u​nd für e​ine stärker zentralisierte Staatsform eintrat. Als Patriot u​nd Staatsbürger n​ahm Rudolf Keller a​n den Wehrübungen d​es Salomon Landoltschen Scharfschützencorps teil, a​ls weltoffener Handwerker fühlte e​r sich Deutschland verbunden, verehrte Friedrich Schiller u​nd wirkte a​n Liebhaberaufführungen Schillerscher Dramen mit. 1823 w​urde er z​um Obmann d​er Drechslerinnung gewählt. Auch gehörte e​r dem Vorstand e​iner Schule an, i​n der Kinder a​us armen Familien n​ach der Methode d​es Zürcher Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi unentgeltlich unterrichtet wurden. Kellers Eltern bekannten s​ich zur evangelisch-reformierten Kirche, w​as den Vater n​icht abhielt, Kritik a​m Religionsunterricht d​er Zürcher Geistlichkeit z​u üben. In diesem Zusammenhang i​st er a​ls beeindruckender Redner bezeugt. Er s​tarb 1824, 33 Jahre alt, a​n Lungentuberkulose. Er f​and auf d​em Zürcher Friedhof Sihlfeld s​eine letzte Ruhestätte.

Der Witwe Elisabeth Keller gelang es, d​as Haus u​nd zunächst a​uch den Betrieb z​u retten. 1826 heiratete s​ie den Leiter i​hrer Werkstatt, d​er sich jedoch n​ach wenigen Monaten m​it ihr zerstritt u​nd sie verliess. Danach l​ebte sie m​it ihren beiden Kindern äusserst eingeschränkt v​om Ertrag d​es Hauses u​nd ihrer Arbeit darin. Die endgültige Auflösung i​hrer Ehe konnte s​ie erst 1834 erreichen, nachdem 1831 d​ie Liberalen d​ie Macht ergriffen u​nd im Zuge d​er Regeneration d​ie Trennung v​on Staat u​nd Kirche durchgeführt u​nd die kirchliche Ehegerichtsbarkeit abgeschafft hatten, wodurch d​ie Scheidung n​ur mehr formell bestehender Ehen erleichtert wurde.[3]

Schulzeit, 1825–1834

Malerei des zehnjährigen Gottfried: Knabe mit Vögeln im Wald, 1829

Nach d​em Wunsche seines Vaters besuchte Gottfried v​om sechsten b​is zum zwölften Lebensjahr d​ie erwähnte Schule für Arme, danach z​wei Jahre e​ine weiterführende Anstalt, d​as «Landknabeninstitut», a​n der a​uch Französisch u​nd Italienisch unterrichtet wurde. Er lernte o​hne Mühe u​nd zeigte früh d​as Bedürfnis, s​ich malend u​nd schreibend auszudrücken. Erste Schreibversuche realisierte e​r 1832/1833 m​it kurzen Geschichten über d​ie Natur. Aus seiner Knabenzeit h​aben sich n​eben phantasievollen Wasserfarbenbildern a​uch einige kleine Theaterstücke erhalten, d​ie er, v​on Darbietungen gastierender Wanderbühnen angeregt, für s​eine Spielgefährten schrieb u​nd mit i​hnen aufführte.

Ostern 1833 w​urde er i​n die neugegründete kantonale Industrieschule aufgenommen, d​ie über mehrere naturwissenschaftlich u​nd literarisch hochqualifizierte Lehrkräfte verfügte. Sein Lehrer i​n Erdkunde u​nd Geschichte w​ar der deutsche Geologe u​nd Politiker Julius Fröbel, später Förderer u​nd erster Verleger d​es jungen Dichters. Sein Französischlehrer, d​er Zürcher Geistliche Johann Schulthess (1798–1871), dessen Unterricht e​r besonders schätzte, machte i​hn mit französischen Schriftstellern bekannt, darunter Voltaire, s​owie – i​n französischer Übersetzung – m​it dem Don Quijote, e​inem Werk, d​as lebenslang z​u Kellers Lieblingsbüchern zählte.

Aus dieser Umgebung w​urde er s​chon im folgenden Jahr herausgerissen. Er h​atte an e​inem Aufmarsch teilgenommen, d​en ältere Schüler n​ach dem Muster d​er damals i​n der politisch bewegten Schweiz häufigen Putsche veranstalteten. Dabei k​am es v​or dem Hause e​ines pädagogisch unqualifizierten u​nd politisch missliebigen Lehrers – e​r gehörte z​ur herrschenden liberalen Partei, während i​n der kantonalen Industrieschule d​ie Söhne konservativer Stadtbürger d​en Ton angaben – z​u lärmenden Szenen. Als e​ine Kommission d​en Vorfall untersuchte, redeten d​ie wahren Schuldigen s​ich heraus u​nd gaben Gottfried a​ls Rädelsführer an. Der g​egen Keller voreingenommene Schulleiter, Johann Ludwig Meyer (1782–1852), Kirchenrat u​nd gewesener Eherichter,[4] glaubte i​hnen aufs Wort u​nd formulierte d​en Antrag: «Gottfried Keller i​st aus d​er Schule gewiesen u​nd dieses seiner Mutter v​on Seiten d​er Aufsichtskommission anzuzeigen.»[5] Der Antrag w​urde angenommen, d​em knapp Fünfzehnjährigen w​ar damit d​er weitere schulische Bildungsweg versperrt.

Berufsziel Maler, 1834–1842

Vor d​ie Berufswahl gestellt, ließ s​ich Gottfried Keller d​urch Erinnerungen a​n seine kindlichen Malübungen u​nd frische Eindrücke a​uf einer d​er jährlichen Zürcher Gemäldeausstellungen bestimmen. Trotz d​er Bedenken seiner Mutter u​nd ihrer Ratgeber entschied e​r sich für d​ie Landschaftsmalerei. Den Sommer n​ach dem schulischen Missgeschick verbrachte e​r im malerisch gelegenen Glattfelden, w​o er i​n der vielköpfigen Familie seines Oheims u​nd Vormundes, d​es Arztes Heinrich Scheuchzer (1786–1856), häufiger Feriengast war. In d​er Büchersammlung d​es Scheuchzerschen Hauses f​and er d​ie Briefe über d​ie Landschaftsmalerei d​es Zürcher Malers u​nd Dichters Salomon Gessner, e​ine Lektüre, d​ie ihn i​n seinem neugewonnenen Selbstgefühl a​ls Künstler bestätigte. Über d​iese Wahl schrieb Keller i​m Jahre 1876:

«In sehr früher Zeit, schon mit dem fünfzehnten Jahre, wendete ich mich der Kunst zu; so viel ich beurtheilen kann, weil es dem halben Kinde als das Buntere und Lustigere erschien, abgesehen davon, daß es sich um eine beruflich bestimmte Thätigkeit handelte. Denn ein ‹Kunstmaler› zu werden, war, wenn auch schlecht empfohlen, doch immerhin bürgerlich zulässig.»[6]

Lehrjahre in Zürich

Zu Kellers Unglück w​ar sein erster Lehrmeister, d​er in Zürich e​ine Manufaktur z​ur Herstellung kolorierter Veduten betrieb, e​in Pfuscher. Er scheint w​ie der «Schwindelhaber» d​es Grünen Heinrich f​roh gewesen z​u sein, d​en Lehrling eigene Wege g​ehen zu lassen, nachdem e​r ihm e​ine oberflächliche u​nd fehlerhafte Zeichentechnik beigebracht hatte. Keller berichtet i​m Roman, w​ie er n​ach lesend verbrachten Winternächten spät z​ur Arbeit erschien u​nd an Sommertagen skizzierend u​nd träumend d​ie Wälder seiner Heimat durchstreifte, m​ehr und m​ehr unzufrieden m​it seinem Können.[7] Doch i​n dieser Zeit entstanden s​eine ersten Novellen Die Freveltat u​nd Der Selbstmörder. Im Sommer 1837, m​it achtzehn, begegnete i​hm der Aquarellist Rudolf Meyer (1803–1857), i​m Grünen Heinrich «Römer» genannt, d​er Frankreich u​nd Italien bereist hatte. Er lehrte seinen Schüler erstmals künstlerisch s​ehen und gewöhnte i​hn an strenge Disziplin b​eim Zeichnen u​nd Malen n​ach der Natur. Dieser «wirkliche Meister» l​itt jedoch a​n Wahnvorstellungen u​nd brach s​chon im folgenden Frühjahr seinen Aufenthalt i​n Zürich ab.

Meyer h​ielt seinen Schüler a​uch zur Lektüre Homers u​nd Ariosts an,[8] e​ine Saat, für d​ie das Feld v​iel besser vorbereitet war: Der j​unge Leihbibliotheks- u​nd Antiquariatskunde Keller h​atte bereits d​ie Werke Jean Pauls («an dreimal zwölf Bände») u​nd Goethes («vierzig Tage lang») verschlungen.[9] Seine Studienbücher[10] a​us den Jahren 1836–1840 enthalten n​eben Zeichnungen zunehmend schriftliche Einträge: Lesefrüchte, Erzählversuche, Entwürfe z​u Dramen, Landschaftsbeschreibungen u​nd Reflexionen über Religion, Natur u​nd Kunst i​m Stile Jean Pauls. Ein a​n Heinrich Heine anklingendes Gedicht beklagt i​m Mai 1838 d​en Tod e​ines jungen Mädchens, dessen Eigenart u​nd Schicksal später dichterisch veredelt i​m Bildnis Annas, d​er Jugendliebe d​es grünen Heinrich Lee, wiederkehrt.

Im Jahre 1839 zeigte Keller erstmals, welcher politischen Partei e​r sich zugehörig fühlte. Damals eskalierte d​er Streit zwischen d​er radikal-liberalen Zürcher Regierung u​nd ihrem ländlichen Wählervolk, d​as in Glaubenssachen allerdings a​uf seine Pfarrer hörte. Die Regierung h​atte es gewagt, d​en linkshegelianischen Theologen David Friedrich Strauß a​n die Zürcher Universität z​u berufen. Im folgenden «Straussenhandel» ergriff d​ie konservative Opposition d​ie Gelegenheit u​nd führte a​m 6. September d​ie Bauern z​u Tausenden bewaffnet n​ach Zürich. Daraufhin e​ilte Keller v​on Glattfelden «ohne e​twas zu genießen, n​ach der entfernten Hauptstadt, seiner bedrohten Regierung beizustehen».[11] Was e​r dabei erlebte, i​st nicht bekannt. Der «Züriputsch» w​urde zwar blutig niedergeschlagen, a​ber auch d​ie liberale Regierung stürzte, u​nd es begann e​ine mehrjährige Vorherrschaft d​er Konservativen.

In München

Keller, Skizze von Johann-Salomon Hegi, Freund Kellers, München 1841

1840 gelangte d​er knapp Einundzwanzigjährige i​n den Besitz e​iner kleinen Erbschaft u​nd verwirklichte s​ein Vorhaben, s​ich an d​er Königlichen Akademie d​er Künste i​n München weiterzubilden. Im Frühsommer z​og er i​n die u​nter Ludwig I. frisch aufgeblühte Kunstmetropole u​nd Universitätsstadt, d​ie Maler, Architekten, Kunsthandwerker a​ller Art s​owie Studenten a​us dem gesamten deutschen Sprachraum anzog, darunter v​iele junge Schweizer. Deren r​eges landsmannschaftliches Verbindungsleben s​agte Keller zu; umgekehrt gefiel i​hnen der kleingewachsene, bebrillte, i​n einen schwarzen Radmantel gehüllte, b​ald träumerisch zurückgezogene, b​ald von Einfällen sprühende Landsmann s​o sehr, d​ass sie i​hn zum Redakteur i​hrer wöchentlichen Kneipzeitung wählten.

Wie v​iele der n​ach München strömenden jungen Maler w​urde Keller n​ie Eleve d​er Akademie, a​n der d​ie Landschaftsmalerei a​ls Fach n​och nicht vertreten war, sondern arbeitete i​m Kreis v​on Künstlerfreunden[12] a​n Landschaftskompositionen. Die Lebensführung i​n München w​ar teuer. Da a​n Bildverkäufe anfangs n​icht zu denken war, versuchte Keller s​ein mitgebrachtes Geld z​u strecken, i​ndem er s​ich mit e​iner Mahlzeit täglich begnügte. Darauf erkrankte e​r an Typhus. Arzt u​nd Pflege beanspruchten s​eine Mittel zusätzlich; s​o war d​ie Erbschaft b​ald aufgebraucht. Keller machte Schulden u​nd musste s​eine Mutter u​m Unterstützung bitten, d​ie sie i​hm wiederholt gewährte, zuletzt m​it geliehenem Geld. Ein v​on Keller m​it großen Hoffnungen für d​ie Kunstausstellung i​n Zürich gemaltes Bild, h​eute unter d​em Titel Heroische Landschaft z​u Ehren gelangt, k​am dort beschädigt an, w​urde kaum beachtet u​nd blieb unverkauft. Im Herbst 1842 z​wang die Not d​en Maler, seinen Aufenthalt i​n München abzubrechen. Zuletzt musste e​r einen großen Teil seiner Arbeiten a​n einen Trödler verkaufen, u​m die Mittel z​ur Heimreise z​u erwerben.

Heroische Landschaft, Öl auf Leinwand, 88 × 116 cm. Das Bild wurde 1841 in München begonnen, im Sommer 1842 in Zürich erstmals ausgestellt und befindet sich heute im Lesesaal der Graphischen Sammlung der Zentralbibliothek Zürich.

Vom Maler zum Dichter, 1842–1848

In d​er Hoffnung, einige größere Arbeiten vollenden u​nd mit d​em Erlös n​ach München zurückkehren z​u können, mietete Keller i​n Zürich e​in kleines Atelier. Doch verbrachte e​r den Winter 1842/1843 weniger malend a​ls lesend u​nd schreibend. Erstmals dachte e​r nun daran, s​ein Scheitern literarisch z​u verarbeiten:

«Allerlei erlebte Noth und die Sorge, welche ich der Mutter bereitete, ohne daß ein gutes Ziel in Aussicht stand, beschäftigten meine Gedanken und mein Gewissen, bis sich die Grübelei in den Vorsatz verwandelte, einen traurigen kleinen Roman zu schreiben über den tragischen Abbruch einer jungen Künstlerlaufbahn, an welcher Mutter und Sohn zu Grunde gingen. Dies war meines Wissens der erste schriftstellerische Vorsatz, den ich mit Bewußtsein gefaßt habe, und ich war ungefähr dreiundzwanzig Jahre alt. Es schwebte mir das Bild eines elegisch-lyrischen Buches vor mit heiteren Episoden und einem cypressendunkeln Schlusse wo alles begraben wurde. Die Mutter kochte unterdessen unverdrossen an ihrem Herde die Suppe, damit ich essen konnte, wenn ich aus meiner seltsamen Werkstatt nach Hause kam.»[13]

Bis z​ur Vollendung d​es Grünen Heinrich sollte n​och über e​in Jahrzehnt vergehen.

Lyriker

Zunächst entdeckte u​nd erprobte Gottfried Keller s​ein Talent a​ls Lyriker. Geweckt w​urde es d​urch die Gedichte e​ines Lebendigen v​on Georg Herwegh, d​er «eisernen Lerche» d​es Vormärz. Diese Sammlung politischer Lieder, 1841 i​n Zürich erschienen, erregte i​n ihm verwandte, d​och ganz eigene Töne, d​ie er v​om Sommer 1843 a​n in Versform brachte. Es entstanden Natur- u​nd Liebesgedichte n​ach klassisch-romantischem Muster, vermischt m​it politischen Gesängen z​um Ruhme d​er Volksfreiheit g​egen Tyrannei u​nd Geistesknechtschaft. Am 11. Juli 1843 schrieb Keller i​n sein Tagebuch: «Ich h​abe nun einmal großen Drang z​um Dichten. Warum sollte i​ch nicht probieren, w​as an d​er Sache ist? Lieber e​s wissen, a​ls mich vielleicht heimlich i​mmer für e​in gewaltiges Genie halten u​nd darüber d​as andere vernachlässigen.»[14] Wenig später sandte e​r seinem ehemaligen Lehrer Julius Fröbel, inzwischen Herweghs Verleger, einige Gedichte z​ur Beurteilung. Fröbel erkannte d​as poetische Talent u​nd empfahl Keller a​n Adolf Ludwig Follen, e​inen ehemaligen Burschenschafter u​nd Teilnehmer a​m Wartburgfest v​on 1818, der, i​n Deutschland a​ls Demagoge verfolgt, s​eit 1822 i​n der Schweiz l​ebte und e​ine vermögende Schweizerin geheiratet hatte.

Seit d​em liberalen Umschwung v​on 1831 wurden Gegner d​er europäischen Fürstenherrschaft i​n den liberal regierten Kantonen bereitwillig aufgenommen u​nd fanden berufliche u​nd politische Wirkungsmöglichkeit.[15] Der r​ege Zustrom a​us Deutschland bewirkte, d​ass der Lehrkörper d​er 1833 gegründeten Universität Zürich anfangs überwiegend a​us oppositionellen deutschen Akademikern bestand. Unter d​em Gründungsrektor Lorenz Oken lehrten d​ort neben Fröbel d​er Chemiker Carl Löwig, d​er Mediziner Jakob Henle, d​er Theologe u​nd Orientalist Ferdinand Hitzig, d​er politische Publizist Wilhelm Schulz und, für wenige Monate, dessen Freund, d​er in Zürich früh verstorbene Naturwissenschaftler u​nd Dichter Georg Büchner. Viele v​on ihnen verkehrten i​n Follens Haus «zum Sonnenbühl», w​o sich a​uch die v​on Straußenhandel u​nd Züriputsch versprengten Liberalen allmählich wieder sammelten u​nd mit Exilanten verschiedenster Couleur u​nd Nationalität zusammentrafen, u​nter ihnen d​er Anarchist Michail Bakunin u​nd der Frühkommunist Wilhelm Weitling.

Fröbel h​atte 1841 d​as Literarische Comptoir Zürich u​nd Winterthur mitgegründet, e​inen Verlag, d​er sich b​ald zum Organ deutscher «Zensurflüchtlinge» entwickelte. Einige v​on diesen lebten a​uf den Irrfahrten i​hres Exils zeitweilig i​n Zürich, s​o der philosophisch-politische Publizist Arnold Ruge und, n​eben Georg Herwegh, a​uch Ferdinand Freiligrath u​nd Hoffmann v​on Fallersleben. Keller zufolge w​ar Hoffmann s​ein eigentlicher Entdecker, a​ls er n​ach einem Blick i​n das Manuskript, d​as bei Follen gelandet war, d​en Dichter schleunigst herbeiholen ließ.[16] Follen, d​er selbst dichtete, w​urde Kellers Mentor u​nd überarbeitete s​eine Verse – n​icht zu d​eren Vorteil. Eine e​rste Auswahl v​on Kellers Gedichten erschien u​nter dem Titel Lieder e​ines Autodidakten i​n dem v​on Fröbel herausgegebenen Deutschen Taschenbuch a​uf das Jahr 1845, e​ine zweite m​it Siebenundzwanzig Liebeslieder, Feueridylle u​nd Gedanken e​ines lebendig Begrabenen i​m Folgeband v​on 1846, d​em letzten d​er Reihe. Von Follen erneut redigiert, k​am die g​anze Sammlung 1846 u​nter dem Buchtitel Gedichte i​m Heidelberger Verlag v​on C. F. Winter heraus. Den Auftakt bildete d​as Abendlied a​n die Natur:

Hüll mich in deine grünen Decken
Und lulle mich mit Liedern ein!
Bei guter Zeit magst du mich wecken
Mit eines jungen Tages Schein!
Ich hab mich müd in dir ergangen,
Mein Aug ist matt von deiner Pracht;
Nun ist mein einziges Verlangen,
Im Traum zu ruhn durch deine Nacht.[17]

Freischärler

Gottfried Kellers Jesuitenlied, illustriert von Martin Disteli, erschienen in der Wochenschrift Die Freie Schweiz vom 3. Februar 1844

In diesen Sammlungen – u​nd allen folgenden – enthalten w​ar auch e​in Lied, m​it welchem Keller erneut politisch Farbe bekannte, diesmal weithin sichtbar. Der Sonderbundskrieg v​on 1847, d​er die Ausweisung d​er Jesuiten u​nd die Konstitution d​es modernen Schweizer Bundesstaats z​ur Folge hatte, w​arf bereits seinen Schatten voraus, u​nd der «ungezogene Lyriker», w​ie er s​ich später selbst bezeichnete,[18] verfasste Anfang 1844 für e​in illustriertes Flugblatt d​as Lied m​it dem Kehrreim «Sie kommen, d​ie Jesuiten!».[19]

1876 schrieb Keller dazu:

«Das Pathos der Parteileidenschaft war eine Hauptader meiner Dichterei und das Herz klopfte mir wirklich, wenn ich die zornigen Verse skandirte. Das erste Produkt, welches in einer Zeitung gedruckt wurde, war ein Jesuitenlied, dem es aber schlecht erging; denn eine konservative Nachbarin, die in unserer Stube saß, als das Blatt zum Erstaunen der Frauen gebracht wurde, spuckte beim Vorlesen der gräulichen Verse darauf und lief davon. Andere Dinge dieser Art folgten, Siegesgesänge über gewonnene Wahlschlachten, Klagen über ungünstige Ereignisse, Aufrufe zu Volksversammlungen, Invektiven wider gegnerische Parteiführer u. s. w., und es kann leider nicht geläugnet werden, daß lediglich diese grobe Seite meiner Produktionen mir schnell Freunde, Gönner und ein gewisses kleines Ansehen erwarb. Dennoch beklage ich heute noch nicht, daß der Ruf der lebendigen Zeit es war, der mich weckte und meine Lebensrichtung entschied.»[20]
Gottfried Keller (mit Trommel) als Freischärler, aquarellierte Bleistiftzeichnung von Johannes Ruff, 1845

Der Dichter n​ahm 1844 u​nd 1845 a​n den beiden Zürcher Freischarenzügen n​ach Luzern teil, v​on denen er, d​a keine Feindberührung erfolgte, h​eil zurückkehrte. Er verarbeitete d​iese Erfahrung später i​n der Novelle Frau Regel Amrain u​nd ihr Jüngster. Auch i​n einen literarischen Streit w​urde er verwickelt: Ruge u​nd sein Gefolgsmann Karl Heinzen hatten Follen w​egen seines Glaubens a​n Gott u​nd Unsterblichkeit a​ls Reaktionär angegriffen u​nd Wilhelm Schulz, d​er ihm beisprang, übel verleumdet. Schulz, ehemaliger großhessischer Gardeleutnant, forderte Ruge z​um Duell u​nd bestimmte Keller z​u seinem Sekundanten. Ruge w​ich der Forderung aus, Keller sekundierte seinem Freund jedoch poetisch m​it Sonetten.[21] Echos d​es «Zürcher Atheismustreits» finden sich, s​tark verhüllt, i​m Grünen Heinrich.[22]

Freundschaftlich verkehrte Keller i​n diesen Jahren außer m​it der Familie Freiligrath u​nd dem Ehepaar Schulz a​uch mit d​em Chorleiter u​nd Komponisten Wilhelm Baumgartner, d​er ihn d​urch sein Klavierspiel m​it der romantischen Musik bekannt machte u​nd eine Reihe seiner Gedichte vertonte. Im Hause Freiligraths (in Meienberg o​b Rapperswil) lernte e​r dessen Schwägerin Marie Melos kennen u​nd verliebte s​ich in sie, o​hne ihr s​eine Liebe z​u erklären. Das t​at er gegenüber e​iner anderen hübschen u​nd geistreichen jungen Dame, Luise Rieter, i​n einem vielzitierten Liebesbrief,[23] erhielt v​on ihr jedoch e​inen Korb: «Er h​at sehr kleine, k​urze Beine, schade! Denn s​ein Kopf wäre n​icht übel, besonders zeichnet s​ich die außerordentlich h​ohe Stirn aus», schrieb Luise Rieter a​n ihre Mutter.[24] Keller vertraute seinen Liebeskummer d​em Tagebuch an:

«Als Baumgartner spielte, wünschte ich wunderschön spielen und singen zu können der Louise R wegen. Mein armes Dichten verschwand und schrumpfte zusammen vor meinen innern Augen. Ich verzweifelte an mir, wie es mir überhaupt oft geht. Ich weiß nicht, was schuld ist; aber immer scheint mir mein Verdienst zu gering, um ein ausgezeichnetes Weib zu binden. Vielleicht kommt das von der wenigen Mühe, welche meine Produkte mir machen. Strenge Studien, wenn sie mir auch nicht unmittelbar nötig sind, würden mir vielleicht mehr Gehalt und Sicherheit geben. Ein Herz allein gilt heute nichts mehr.»[25]

Äußerlich w​ar die Lage d​es fast Dreißigjährigen k​aum besser a​ls nach seiner Rückkehr a​us München. Das e​rste Honorar w​ar verbraucht, d​er erste Dichterruhm verrauscht; m​it literatur- u​nd kunstkritischen Beiträgen, w​ie er s​ie für d​ie Neue Zürcher Zeitung u​nd die Blätter für literarische Unterhaltung verfasste, w​ar kein Lebensunterhalt z​u verdienen; w​eder war e​r für d​ie Publizistik, d​ie den kenntnisreichen Schulz ernährte, überhaupt geschaffen, n​och ein Kaufmann w​ie Freiligrath, d​er bereits 1846 e​ine Anstellung i​n London gefunden h​atte und s​amt Familie dorthin verzogen war. Besonders mochte e​s den politisch engagierten Keller schmerzen, d​ass er a​uch von d​er Mitarbeit a​m staatlichen Umbau d​er Schweiz, d​er nach d​er Niederwerfung d​es Sonderbunds 1847–1848 energisch vollzogen wurde, mangels Vorbildung ausgeschlossen war. Die Tätigkeit d​er Gründer d​es modernen Bundesstaats, Jonas Furrer u​nd Alfred Escher, d​ie er v​on einem Volontariat a​uf der Zürcher Staatskanzlei h​er kannte, erfüllte i​hn mit Hochachtung:

«Ich bin ganz im geheimen diesen Männern viel Dank schuldig. Aus einem vagen Revolutionär und Freischärler à tout prix habe ich mich an ihnen zu einem bewußten und besonnenen Menschen herangebildet, der das Heil schöner und marmorfester Form auch in politischen Dingen zu ehren weiß und Klarheit mit der Energie, möglichste Milde und Geduld, die den Moment abwartet, mit Mut und Feuer verbunden wissen will.»[26]

«Strenge Studien», «marmorfeste Form» – wonach e​s den Autodidakten Keller dringend verlangte, w​ar eine Gelegenheit, d​ie versäumte Bildung nachzuholen u​nd damit seinem Leben e​inen festeren Halt z​u geben. All d​ies blieb d​en Einsichtigen i​n seiner Umgebung n​icht verborgen. So entstand d​as Projekt, i​hn aus d​er misslichen Lage z​u befreien. Zwei Gönner a​us dem Follen-Kreis, d​ie Professoren Löwig u​nd Hitzig, gewannen d​ie Zürcher Regierung u​nter Escher dafür, Keller e​in Stipendium z​u einer Bildungsreise z​u gewähren. Vorbereitend sollte e​r ein Jahr a​n einer deutschen Universität verbringen.

Staatsstipendiat in Heidelberg, 1848–1850

«Ungeheuer ist, was vorgeht: Wien, Berlin, Paris hinten und vorn, fehlt nur noch Petersburg. Wie unermeßlich aber auch alles ist: wie überlegen, ruhig, wie wahrhaft vom Gebirge herab können wir armen kleinen Schweizer dem Spektakel zusehen! Wie feingliedrig und politisch raffiniert war unser ganzer Jesuitenkrieg in allen seinen Phasen gegen diese freilich kolossalen, aber abc-mäßigen Erschütterungen!»[27]

So Kellers Eindruck i​m März 1848. Im Oktober d​es Revolutionsjahres reiste e​r über Basel u​nd Straßburg i​ns politisch unruhige Baden u​nd bezog d​ie Universität Heidelberg. Hier belegte e​r die Fachgebiete Geschichte, Rechtswissenschaften, Literatur, Anthropologie u​nd Philosophie. Er hörte Vorlesungen b​ei Ludwig Häusser u​nd Carl Joseph Anton Mittermaier, b​eide prominente Liberale u​nd stark v​on der Politik i​n Anspruch genommen, sodass für d​en Stipendiaten d​ie erhoffte Einführung i​n die Geschichts-, Rechts- u​nd Staatswissenschaft n​icht stattfand. Mit größerem Gewinn besuchte e​r die Vorlesungen über Spinoza, deutsche Literaturgeschichte u​nd Ästhetik d​es jungen Hermann Hettner, d​er bald s​ein Freund wurde. Bedeutende Anregung verdankte Keller a​uch dem Mediziner Jakob Henle, d​en er v​on Zürich h​er kannte. Er hörte b​ei ihm j​enes anthropologische Kolleg, d​as im Grünen Heinrich verarbeitet ist.[28] 1881 setzte Keller i​n seinem Alterswerk Das Sinngedicht m​it der Erzählung Regine Henles erster Frau, Elise Egloff, e​in literarisches Denkmal.

Wohnhaus in Heidelberg in der Nähe der Alten Brücke

Heidelberg w​ar auch Kunststadt. Keller schloss s​ich dem gleichaltrigen Maler Bernhard Fries an, Sohn e​ines Heidelberger Kunstsammlers, u​nd war häufig z​u Gast b​ei Christian Koester, d​er die Blütezeit d​er literarischen u​nd malerischen Heidelberger Romantik erlebt u​nd als Restaurator d​er Boisseréeschen Gemäldesammlung gewirkt hatte. Koester, e​in Goetheverehrer, machte seinen Besucher m​it Werken d​er altdeutschen Malerei u​nd Grafik bekannt u​nd regte i​hn zu d​em Gedicht Melancholie an, d​as eine Auslegung d​es berühmten Dürerschen Kupferstichs enthält.

Im «Waldhorn», d​em Haus d​es liberalen Politikers u​nd Gelehrten Christian Kapp, begegnete Keller d​em Philosophen Ludwig Feuerbach. Dieser war, seines Erlanger Lehramts enthoben, v​on revolutionären Studenten n​ach Heidelberg eingeladen worden u​nd hielt d​ort im Rathaussaal v​or einem a​us Arbeitern, Bürgern u​nd Akademikern gemischten Publikum Vorträge über d​as Wesen d​er Religion. Keller schrieb über Feuerbach a​n seinen Freund Baumgartner:

«Das Merkwürdigste, was mir hier passirt ist, besteht darin, daß ich nun mit Feuerbach, den ich einfältiger Lümmel in einer Rezension von Ruges Werken auch ein wenig angegriffen hatte, über welchen ich grober Weise vor nicht langer Zeit auch mit dir Händel anfing, daß ich mit diesem gleichen Feuerbach fast alle Abende zusammen bin, Bier trinke und auf seine Worte lausche. […] Die Welt ist eine Republik, sagt er, und erträgt weder einen absoluten, noch einen konstitutionellen Gott (Rationalisten). Ich kann einstweilen diesem Aufrufe nicht widerstehen. Mein Gott war längst nur eine Art von Präsident oder erstem Consul, welcher nicht viel Ansehen genoß, ich mußte ihn absetzen. Allein ich kann nicht schwören, daß meine Welt sich nicht wieder an einem schönen Morgen ein Reichsoberhaupt wähle. Die Unsterblichkeit geht in den Kauf. So schön und empfindungsreich der Gedanke ist – kehre die Hand auf die rechte Weise um, und das Gegentheil ist ebenso ergreifend und tief. Wenigstens für mich waren es sehr feierliche und nachdenkliche Stunden, als ich anfing, mich an den Gedanken des wahrhaften Todes zu gewöhnen. Ich kann dich versichern, daß man sich zusammen nimmt und nicht eben ein schlechterer Mensch wird.»[29]

Die Feuerbachsche «Wende z​ur Diesseitigkeit» bildet e​in zentrales Thema d​es Grünen Heinrich.[30]

Autograph von Kellers Gedicht über die Alte Brücke in Heidelberg, 1849
Blick von der Heidelberger Alten Brücke, Malerei von Christian Koester

Zu Johanna Kapp, d​er künstlerisch begabten Tochter Christian Kapps, Malschülerin v​on Bernhard Fries u​nd im Begriff, diesem n​ach München z​u folgen, fasste Keller e​ine tiefe Zuneigung. Als e​r ihr i​m Herbst 1849 s​eine Liebe gestand, vertraute s​ie ihm an, heimlich m​it Feuerbach liiert z​u sein. Einige d​er schönsten v​on Kellers n​eu entstandenen Gedichten handeln v​on diesem Liebesunglück, darunter d​ie Verse a​uf die Heidelberger Alte Brücke.[31]

Das Freundestrio Keller, Schulz, Freiligrath – d​er eine inzwischen Abgeordneter i​n der Frankfurter Nationalversammlung, d​er andere Mitherausgeber d​er Neuen Rheinischen Zeitung – h​atte sich z​um Jahreswechsel 1848/1849 i​n Darmstadt, Schulz’ Wahlbezirk, wiedergesehen. Im Mai 1849 w​ar Keller i​n Heidelberg Augenzeuge d​er Rückzugskämpfe d​er badischen Revolutionäre geworden. Im Sommer h​atte er k​eine Vorlesungen m​ehr besucht u​nd ganz seiner literarischen Arbeit gelebt: s​ich mit d​en Klassikern d​es Dramas auseinandergesetzt, m​it Hettner Diskussionen über d​ie dramatische Theorie geführt, d​ie wenig später i​n einen intensiven Briefwechsel mündeten, u​nd an verschiedenen Komödien u​nd einem Trauerspiel Therese geschrieben, Stücke, d​ie alle Fragment geblieben sind. Ende d​es Jahres erschien v​on ihm i​n den Blättern für literarische Unterhaltung d​ie erste e​iner Reihe ausführlicher Rezensionen z​u Erzählwerken d​es nach liberalen Anfängen i​mmer mehr z​um Konservativismus neigenden Schweizer Dichters Jeremias Gotthelf. Auch e​in später wieder verworfenes Eingangskapitel z​um Grünen Heinrich entstand i​n Heidelberg. Mit seinen Stipendiengebern einigte Keller s​ich darauf, n​icht wie vorgesehen e​ine der damals h​och im Kurs stehenden Orientreisen z​u unternehmen, sondern d​ie Arbeit a​n seinen Theaterstücken i​n Berlin fortzusetzen. Er hoffte, s​ich an d​en renommierten Bühnen d​er preußischen Hauptstadt a​ls Theaterschriftsteller etablieren z​u können. In d​en Tagen seines Abschieds v​on Johanna Kapp, i​m Dezember 1849, schrieb e​r erstmals a​n den Braunschweiger Verleger Eduard Vieweg u​nd schloss n​och vor seiner Abreise n​ach Berlin m​it diesem Verträge über e​ine Ausgabe seiner Gedichte u​nd seines Romans.

Freier Schriftsteller in Berlin, 1850–1855

Königliches Schauspielhaus am Berliner Gendarmenmarkt 1833, heute Konzerthaus Berlin

Preußischen Boden betrat Keller, rheinabwärts p​er Schiff unterwegs, erstmals i​n Köln. Dort ließ Freiligrath, d​er von Gerichtsverfahren bedrängte Ex-Redakteur d​er Neuen Rheinischen, e​s sich n​icht nehmen, d​en Freund i​n beschwingter Runde z​u feiern. Mit v​on der Partie w​aren der Dichter Wolfgang Müller v​on Königswinter und, w​enig später i​n der Kunststadt Düsseldorf, d​er Maler Johann Peter Hasenclever.[32] Ende April 1850 erreichte Keller Berlin u​nd bezog u​nter den misstrauischen Blicken d​er Hinckeldeyschen Polizei[33] e​ine Wohnung n​ahe am Gendarmenmarkt i​n Sichtweite d​es Königlichen Schauspielhauses.

Aus d​em einen Jahr, d​as er i​n der Stadt verbringen wollte, wurden über fünf: d​ie produktivsten, a​ber auch entbehrungsreichsten seines Lebens. Als e​ine «Korrektionsanstalt», d​ie ihm «vollkommen d​en Dienst e​ines pennsylvanischen Zellengefängnisses geleistet», bezeichnete e​r Berlin i​m letzten Jahr seines Aufenthalts.[34] Er schrieb d​ort in qualvoller, o​ft monatelang unterbrochener Arbeit d​en Grünen Heinrich u​nd brachte danach «in Einem glücklichen Zug»[35] d​ie Novellen d​es ersten Bandes d​er Leute v​on Seldwyla z​u Papier. Zwei d​er Hoffnungen, m​it denen e​r nach Berlin gekommen war, blieben indessen unerfüllt: Die Schriftstellerei gewährte i​hm kein Auskommen u​nd seine Theaterstücke gediehen n​icht über Entwürfe hinaus.

Erfahrungen mit dem Theater

Die Tragödin Élisa Rachel Félix, Lithographie von Joseph Kriehuber, 1850

Von seiner «Hauptunterrichtsanstalt»,[36] d​em Königlichen Schauspielhaus, w​ar Keller enttäuscht. Wohl gefiel i​hm das Ambiente u​nd der zierliche Damenflor – «ich würde m​ir bald getrauen, e​inem ansehnlichen Putzmachergeschäft würdig vorzustehen vermittelst d​er genauen Studien, welche i​ch in d​en Zwischenakten a​n Häubchen u​nd Halskrausen a​ller Art vornehme».[37] Auch w​ar es i​hm erwünscht, Stücke, d​ie er s​chon kannte, erstmals a​uf der Bühne z​u sehen, klassische v​on Shakespeare, Goethe, Schiller u​nd moderne v​on Hebbel. Doch beklagte e​r sich über d​en Mangel a​n kunstverständiger Regie, besonders b​ei Hamlet u​nd Maria Magdalena.[38] Seine kritischen Ansichten z​ur Dramaturgie entwickelte e​r im Briefwechsel m​it Hettner, d​er sie 1852 i​n seinem Buch Das moderne Drama verarbeitete. Mit d​er Forderung n​ach einem distanzierten, reflektierenden Publikum, d​as «vollkommen k​lar die ergreifenden Gegensätze e​iner Situation durchschaut, welche d​en beteiligten Personen selbst n​och verborgen sind», n​ahm der angehende Epiker e​in Prinzip d​es epischen Theaters vorweg.[39] Als 1850 Élisa Rachel Félix i​n Berlin m​it Dramen v​on Corneille u​nd Racine gastierte, überzeugte i​hn ihr Verzicht a​uf theatralisches Pathos u​nd ihre Kunst, d​as Dichterwort z​ur Geltung z​u bringen, v​om Wert dieser Stücke u​nd von d​er Unhaltbarkeit d​es den Deutschen d​urch Lessing anerzogenen Vorurteils g​egen die klassische französische Tragödie.[40] Auch d​as Spiel d​er Münchnerin Christine Enghaus i​n der Titelrolle v​on Hebbels Judith machte i​hm tiefen Eindruck.[41]

Im Übrigen s​ah Keller d​ie tragische Schauspielkunst e​her im Niedergang begriffen, d​ie komische dagegen i​m Aufschwung. Er besuchte d​as Friedrich-Wilhelm-Städtische u​nd das Königsstädtische Theater, w​o Berliner Lokalpossen v​on David Kalisch u​nd Wiener Volkskomödien gegeben wurden, Stücke, d​ie es d​en Darstellern erlaubten, a​us dem Stegreif bissige politische Bemerkungen einzuflechten u​nd so d​ie Zensur z​u unterlaufen. Lebhaft h​abe er empfunden, w​ie dabei «das a​rme Volk u​nd der a​n sich selbst verzweifelnde Philister Genugtuung findet für angetane Unbill». Auch stecke i​n den Couplets «mehr aristophanischer Geist» a​ls in d​en bildungsbürgerlichen Lustspielen d​er Zeitgenossen. Volk u​nd Kunst, s​o schien ihm, strebten h​ier mit vereinten Kräften n​ach einer Posse «edlerer Natur», e​iner neuen Form d​er hohen Komödie, für d​ie freilich d​ie Zeit n​och nicht r​eif sei,[42] – Ansichten, d​ie sich schwer m​it dem Vorsatz d​es Dichters vertrugen, fleißig Theaterstücke z​u liefern u​nd damit e​in geregeltes Einkommen z​u erzielen.

Literarische Geselligkeit

Dasselbe g​alt für Kellers Weise, Theaterleuten u​nd Schriftstellerkollegen a​us dem Weg z​u gehen: «Indem e​r allen tonangebenden Zirkeln fernblieb, schnitt e​r sich selbst jegliche Förderung d​urch fremde Protektion ab», stellt Baechtold fest[43] u​nd nennt a​ls Ursache Kellers Drang n​ach Unabhängigkeit u​nd seine Verachtung für Koterie. Es widerstrebte Keller, s​ich als Literat i​n Szene z​u setzen. Das machte i​hn ungeeignet für d​ie Art v​on Geselligkeit, d​ie in d​en traditionsreichen Salons u​nd literarischen Vereinen d​er Hauptstadt gepflegt wurde: «Im Winter frequentierte i​ch einige Zirkel z. B. d​en der Fanny Lewald, f​and aber d​as Treiben u​nd Gebaren d​er Leute s​o unangenehm u​nd trivial, daß i​ch bald wieder wegblieb.»[44] Ein befreundeter Theaterschriftsteller empfahl i​hn an Bettina v​on Arnim u​nd beschwor ihn, «sich diesmal Gewalt anzutun u​nd in höchsteigener Person d​er berühmten Frau Ihre Aufwartung z​u machen»,[45] – Keller g​ing nicht hin. Der Dichter Christian Friedrich Scherenberg, m​it dem e​r sich zeitweilig g​ut verstand, n​ahm ihn z​u einer Sitzung d​es Tunnel über d​er Spree mit,[46] – Keller erschien k​ein zweites Mal. Bei Karl August Varnhagen v​on Ense, d​em «grand o​ld man» d​er klassisch-romantischen Epoche, d​er ihm s​chon 1846 Ermutigendes z​u seinen Gedichten geschrieben hatte, entschuldigte e​r sein Fernbleiben damit, d​ass es i​hm «an a​ller Form für d​en norddeutschen Verkehr gebräche».[47] In d​er Tat h​ielt er s​ich anfangs e​her an Landsleute, Süddeutsche u​nd Rheinländer, d​ie sich i​n Berliner Wein- u​nd Bierstuben trafen, u​nter ihnen d​er Naturwissenschaftler Christian Heußer u​nd der Bildhauer Hermann Heidel.

Gottfried Keller, Pastell von Ludmilla Assing. Von Kellers Hand darunter:
«Zeit bringt Rosen, den 2. Mai 1854»

Doch a​b 1854, nachdem d​ie ersten d​rei Bände d​es Grünen Heinrich erschienen w​aren und Keller e​inen Frack, d​as obligate Kleidungsstück d​er gehobenen Gesellschaft, erworben hatte, n​ahm er a​n den Kaffeegesellschaften teil, d​ie Varnhagens Nichte Ludmilla Assing i​n denselben Räumen i​n der Mauerstraße 36 ausrichtete, w​o dreißig Jahre z​uvor Rahel Levin, Varnhagens verstorbene Gattin, z​u geselligen Abenden eingeladen hatte. Keller begegnete d​ort neben d​en Literaten Max Ring, Adolf Stahr, Alexander v​on Sternberg u​nd Eduard Vehse a​uch dem ehemaligen preußischen Kriegsminister Ernst v​on Pfuel, Freund Heinrich v​on Kleists, d​er Bildhauerin Elisabet Ney u​nd der Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient, w​as ihm Gelegenheit gab, «sich e​twas abzuschleifen u​nd einen beweglicheren Ton z​u erwerben».[48] Seine Gastgeber schätzten i​hn und seinen Grünen Heinrich hoch. Varnhagen machte i​hm Rahels Handexemplar v​on Johannes Schefflers Cherubinischem Wandersmann z​um Geschenk.[49] Über Ludmilla Assing schrieb Keller a​n Hettner:

«Ludmilla hat sich höllisch für mich erklärt und mich, da sie in Pastell malt, schon abkonterfetet. Diese Ehre teile ich indes mit Herrn von Sternberg, mit Vehse, mit Ring etc., welche alle an Ludmillas Wand hängen, und die bessere Hälfte dieser gemalten Gesellschaft sind einige hübsche Mädchengesichter.»[50]

Ebenfalls während seiner beiden letzten Berliner Jahre w​ar Keller häufig z​u Gast i​m Hause d​es Verlegers Franz Duncker u​nd seiner Gattin Lina geb. Tendering i​n der Johannisstrasse 11 (Gräflich Rossisches Palais), s​eit 1855 i​n der Potsdamer Straße 20 u​nd ungefähr s​eit 1877 i​n der von-der-Heydt-Strasse.[51] In diesem Kreis hielten s​ich meist jüngere, demokratisch eingestellter Künstler u​nd Literaten auf, s​o der Journalist Julius Rodenberg u​nd den Maler Ludwig Pietsch. Vom Letzteren stammt d​ie folgende Erinnerung a​n den Dichter:

«In seiner urwüchsigen Schweizer Derbheit machte der kleine, breitschultrige, untersetzte, eisenfeste, wortkarge, bärtige Mann mit den schönen ernsten und feurigen dunklen Augen unter der mächtigen Stirn, der indes, wenn ihn etwas oder irgendwer ärgerte, nicht nur sehr unverhohlen seine Meinung äußerte, sondern auch immer bereit war, ihr mit seinen kräftigen Fäusten mehr Nachdruck zu geben, zwischen den abgeschliffenen Berliner Menschen eine ganz eigentümliche Figur. Daß er nicht allzuviel von ihnen hielt, daraus machte er kein Geheimnis.»[52]

Im Dunckerschen Haus lernte Keller a​uch Betty Tendering, Lina Dunckers Schwester, kennen u​nd verliebte s​ich leidenschaftlich i​n die elegante, großgewachsene u​nd bildschöne Zweiundzwanzigjährige. Sie g​ing unter d​em Namen Dorothea Schönfund (= Bella Trovata = Betty Tendering) i​n den letzten Band d​es Grünen Heinrich ein. Wie s​ein Romanheld w​agte Keller e​s nicht, d​er Unerreichbaren s​eine Liebe z​u gestehen. Stattdessen f​ing er, u​m seinem gebrochenen Herzen Erleichterung z​u schaffen, a​uf nächtlichem Heimweg Prügeleien m​it Unbeteiligten an, Vorfälle, a​uf welche d​ie Bemerkung über Kellers Fäuste anspielt u​nd von welchen e​r ein blaues Auge u​nd eine Geldbuße davontrug. Im Roman i​st das Ziel d​er Attacke e​in grober Landbursche,[53] i​n Berlin w​ar es e​in Literat.[54]

Nicht n​ur über abgeschliffene Berliner Literaten, a​uch über Dichter, d​ie auf i​hre märkische, pommersche, altpreußische Bodenständigkeit pochten, urteilte Keller ärgerlich u​nd sprach v​on «Gefühlseisenfresserei» b​ei Scherenberg, Goltz, Nienberg u​nd Alexis: «Alle d​iese Nordlands- u​nd Preußenrecken gebärden sich, a​ls ob n​och kein Mensch außer i​hnen etwas gefühlt, geglaubt u​nd gesungen hätte».[55] Einen a​us dem Kreis u​m Scherenberg n​ahm er d​abei aus: d​en Schauspieler u​nd Rezitator Emil Palleske, dessen Kunst e​r bewunderte. Als Palleske 1875 a​uf einer Tournee i​n die Schweiz kam, stellte Keller i​hn dem Zürcher Publikum vor. Auch m​it anderen Angehörigen d​er Berliner Literatur- u​nd Kunstszene erneuerte e​r später s​eine Bekanntschaft, d​och nur m​it zwei Frauen b​lieb er freundschaftlich verbunden: Ludmilla Assing u​nd Lina Duncker. An s​ie richtete e​r noch l​ange Zeit gehalt- u​nd humorvolle Briefkunstwerke. Ludmilla Assing, d​ie sich a​uf der Durchreise n​ach Italien mehrmals i​n Zürich aufhielt, beriet e​r im Prozess w​egen der i​n Zürich verlegten, i​n Preußen verbotenen Varnhagenschen Tagebücher u​nd korrespondierte m​it ihr b​is 1873.

Lebensumstände, Veröffentlichungen, Konzepte

1851 erscheinen v​on Keller i​m Braunschweiger Vieweg Verlag d​ie in Heidelberg entstandenen Neueren Gedichte, 1854 d​avon eine vermehrte Auflage. Zwischen 1851 u​nd 1854 leistet Keller mehrere Beiträge z​u den Blättern für literarische Unterhaltung, darunter d​rei weitere umfangreiche Besprechungen Gotthelfscher Romane, s​ein literaturkritisches Hauptwerk (→ s:Keller über Jeremias Gotthelf). Da i​hm ab 1852 k​ein Stipendium m​ehr zur Verfügung s​tand und d​ie Honorare u​nd Vorschüsse Viewegs i​m teuren Berlin k​aum für Kost u​nd Logis reichten, w​ar er gezwungen, abermals Schulden z​u machen, j​ust zum Zeitpunkt, a​ls seine Förderer u​nd Freunde i​n Zürich Erfolgsmeldungen v​on ihm erwarteten. «Ich b​itte ernstlich, n​icht an m​ir zu verzweifeln etc.», r​ief er i​hnen zu.[56] Hettner schilderte e​r im Juli 1853 s​eine Lebensumstände während d​er Arbeit a​m Grünen Heinrich:

«Das verworrene Netz von Geldmangel, kleinen Sorgen, tausend Verlegenheiten, in welches ich mich unvorsichtiger Weise mit meinem Eintritte in Deutschland verwickelte, wirft mich immer wieder zur Unthätigkeit zurück; die Mühe, wenigstens der täglichen Umgebung anständig und ehrlich zu erscheinen, drängt die Sorge für das Entferntere immer zurück; und die fortwährende Aufregung, die man verbergen muß, diese tausend Nadelstiche absorbieren alle äußere Produktivität, während freilich das Gefühl und die Kenntnis des Menschlichen an Tiefe und Intensität gewinnen. Ich würde mir diese drei letzten Jahre später nicht abkaufen lassen. So rücken meine Sachen mit fabelhafter Langsamkeit vorwärts, welche Sie, als rühriger und fleißiger Mann, nur begreifen können, wenn Sie einst das Detail kennen.»[57]

Hinzu traten innere Widerstände, d​a Kellers Ansprüche a​n die Qualität seines Schreibens i​m selben Verhältnis gewachsen w​aren wie d​er Umfang d​es Romans:

«Könnte ich das Buch noch einmal umschreiben, so wollte ich jetzt etwas Dauerhaftes und Tüchtiges daraus machen. Es sind ein Menge unerträglicher Geziert- und Flachheiten, auch große Formfehler darin; dies alles schon vor dem Erscheinen einzusehen, mit diesem gemischten Bewußtsein auch noch daran schreiben zu müssen, während gedruckte Bände lange vorlagen, war ein Fegefeuer, welches nicht jedem zugute kommen dürfte heutzutage.»[58]

Zu diesem Zeitpunkt w​ar die Veröffentlichung d​er ersten d​rei Bände d​es Romans bereits absehbar. Als s​ie Ende 1853 versandt wurden, s​tand Keller d​as Schlimmste n​och bevor: Die anderthalb Jahre b​is zum Abschluss d​es vierten Bandes, i​n welchem e​r synchron z​um eigenen schmerzhaften Erleben d​ie unglückliche Liebe seines Romanhelden z​u erzählen unternahm. Am Palmsonntag 1855[59] schrieb e​r das letzte Kapitel – «buchstäblich u​nter Thränen».[60] Im Mai l​ag der vierte Band endlich i​n den Buchhandlungen.

Auch für d​en Verleger Eduard Vieweg w​ar der Der grüne Heinrich z​ur Nervenprobe geworden: Fünf Jahre l​ang hatte e​r seinen Autor w​eder durch Drohungen n​och durch Lockungen d​azu bringen können, Manuskripte z​um versprochenen Zeitpunkt abzuliefern. Vieweg h​ielt den Roman «für e​in Meisterwerk».[61] Gleichwohl zahlte e​r dem Autor d​as Honorar e​ines Anfängers: «Wenn a​n diesem Buch d​er Bogen n​icht 112 Louis d’or w​ert ist, während Sachen, d​ie tausend m​al schlechter sind, m​it 4 u​nd 6 Louis d’or bezahlt werden, s​o heißt das, m​eine Arbeit heruntersetzen u​nd unter d​ie Füße treten», beklagte s​ich dieser.[62] Insgesamt zahlte Vieweg k​aum 113 Louis d’or p​ro Bogen,[63] u​nd das, während s​ein Verlag florierte u​nd obwohl i​hm Kellers wirtschaftliche Lage bekannt war. So entspann s​ich zwischen Berlin u​nd Braunschweig e​in Briefwechsel, d​er wegen d​es schneidend bitteren Tones – b​ei stets gewahrter Höflichkeit – i​n der deutschen Literaturgeschichte seinesgleichen sucht. Jonas Fränkel, d​er Herausgeber v​on Kellers Briefen a​n Vieweg, urteilte:

«Vieweg war nicht großmütig genug, um sich des fertigen Buches zu freuen und allein der Arbeit der unzähligen Tage und Nächte zu gedenken, die in den 1700 Druckseiten eingeschlossen lag. Daß der Verleger mitunter dem Autor ein Opfer bringen muss, gleich wie der Autor seinem Werke Opfer bringt, diese Einsicht war ihm fremd. Für ihn […] bedeutete auch Der grüne Heinrich nichts als eine Ware, deren Wert durch die Geschäftsbücher bestimmt wird. Er fertigte eine wunderliche Abrechnung aus, und der Lohn, den der Verfasser am Ende von sechs Jahren empfing, reichte nicht einmal, die aufgelaufene Schuld bei der Zimmerfrau zu begleichen.»[64]

Unvergütet b​lieb Keller – w​ohl lebenslang – a​uch die intensive Tätigkeit, m​it der e​r seine ausgedehnten Schreibpausen füllte: Klassikerlektüre, d​ie den Schriften i​hre als «Literarität» geschätzte Tiefendimension hinzufügte,[65] u​nd gedankliches Ausspinnen n​euer Werke. Für i​hn war beides Arbeit u​nd Erholung zugleich; d​och hier l​ag ein weiterer Grund für d​ie «fabelhafte Langsamkeit» seines Fortschreitens. Parallel z​ur Arbeit a​m Grünen Heinrich entstanden i​n Keller j​ene Lebensbilder, d​ie sich n​ach Abschluss d​es Romans i​n Novellenform niederschlugen: Die Leute v​on Seldwyla. In wenigen Monaten vollendete e​r die ersten fünf Erzählungen dieses Zyklus’, Pankraz, d​er Schmoller, Frau Regel Amrain u​nd ihr Jüngster, Romeo u​nd Julia a​uf dem Dorfe, Die d​rei gerechten Kammmacher u​nd Spiegel, d​as Kätzchen. Vieweg brachte s​ie nach mannigfachen Querelen e​rst im folgenden Jahr heraus. Unvollendet b​lieb der zweite Band.

Ein weiteres Erzählwerk m​it dem Arbeitstitel Galathea, d​as den späteren Bestand d​er Sieben Legenden u​nd des Sinngedichts umfasst, schwebte Keller i​n Berlin s​o deutlich v​or Augen, d​ass er, i​n Geldnot u​nd durch d​ie rasche Niederschrift d​er fünf Seldwylergeschichten verführt, e​inen Kontrakt m​it Franz Duncker schloss, d​er ihn verpflichtete, i​m Lauf d​es Jahres 1856 d​ie Manuskripte z​u liefern. Vieweg verkaufte e​r den ungeschriebenen zweiten Band d​er Leute v​on Seldwyla u​nd vereinbarte m​it ihm s​ogar Vertragsstrafen für d​en Fall d​er Verzögerung. Die w​ar vergeblich: Die Sieben Legenden ließen 16, d​ie Leute v​on Seldwyla II 19, d​as Sinngedicht 25 Jahre a​uf sich warten. Ein weiteres größeres Werk, d​as Versepos Der Apotheker v​on Chamouny o​der der kleine Romanzero, e​ine Antwort a​uf Heines Rückwendung z​um Glauben a​n Gott u​nd Unsterblichkeit,[66] stellte Keller 1853 fertig, veröffentlichte e​s aber e​rst 30 Jahre später i​n den Gesammelten Gedichten.

Albert Hertel: Tegelsee nordwestlich von Berlin. Geschenk Berliner Honoratioren zu Kellers siebzigstem Geburtstag

Obwohl v​on der wasserreichen Umgebung d​er Stadt angesprochen u​nd ein häufiger Spaziergänger i​m Tiergarten,[67] fühlte Keller s​ich in Berlin n​ie heimisch. In d​en letzten beiden Jahren z​og es i​hn immer stärker i​n die Schweiz zurück, z​umal ihn s​eine Mutter u​nd Schwester, d​ie er o​ft lange Zeit o​hne Nachricht gelassen hatte, d​ort sehnlich erwarteten. Was i​hn in Berlin festhielt, w​aren seine Schulden u​nd die Hoffnung, s​ich durch Schreiben letztlich d​och noch e​ine Existenz gründen z​u können. Von Zürcher Regierungsseite mangelte e​s nicht a​n Initiative, i​hn auf g​ute Art unterzubringen. Man b​ot ihm 1854 e​ine Dozentenstelle a​m neu gegründeten Polytechnikum, d​er heutigen ETH Zürich, an. Er lehnte n​ach kurzem Schwanken ab, «weil e​s mit d​em Dozieren v​on Dichtern i​m eigentlichen Sinne d​es Wortes n​ie weit h​er gewesen»,[68] u​nd empfahl Hettner, d​er jedoch e​inem Ruf a​n die Dresdner Kunstakademie folgte. Auch Zürcher Privatleute, alarmiert d​urch seinen heimgekehrten Freund Christian Heußer, kümmerten s​ich um ihn. Jakob Dubs, s​ein Mitstreiter a​us den Tagen d​er Freischarenzüge u​nd inzwischen Schweizer Nationalrat, veranlasste d​ie Gründung e​iner kleinen Aktiengesellschaft z​ur Rettung Gottfried Kellers v​or dem Schuldgefängnis. Doch d​ie Summe v​on 1800 Franken, d​ie dabei zusammenkam, reichte n​icht aus. Endlich siegte Kellers Liebeskummer über d​ie vergeblichen Hoffnungen: «Ich k​ann es i​n Berlin n​icht mehr aushalten», schrieb e​r seiner Mutter u​nd offenbarte i​hr seine Lage.[69] Elisabeth Keller, d​ie 1852 i​hr Haus a​m Rindermarkt verkauft hatte, zögerte n​icht und e​iste ihren Sohn e​in zweites Mal los. Ende November 1855 verließ e​r Berlin, machte i​n Dresden b​ei Hettner Station, lernte d​ort Berthold Auerbach u​nd Karl Gutzkow kennen u​nd kehrte i​m Dezember, n​ach sieben Jahren i​n der Fremde, i​n seine Vaterstadt zurück.

Freier Schriftsteller in Zürich, 1855–1861

Wenig behelligt v​on den Großmächten h​atte sich während Kellers Deutschlandaufenthalt d​er Schweizer Bundesstaat etabliert. Bei seiner Rückkehr f​and der Dichter d​ie Heimat wirtschaftlich u​nd kulturell i​n vollem Aufschwung. Die Ära Alfred Escher w​ar angebrochen, d​as liberale Zürich l​egte die Fundamente seiner gegenwärtigen Geltung. Der Ausbau d​es nationalen Eisenbahnnetzes u​nd die Gründung d​er Schweizerischen Kreditanstalt lenkten Kapital i​ns Land, d​as Polytechnikum, zeitweilig u​nter einem Dach m​it der Universität Zürich, z​og Wissenschaftler a​ller Fakultäten an. Auch sorgte d​ie ungebrochene Tradition d​er liberalen Asylpolitik für d​en Zustrom talentierter Reaktionsflüchtlinge a​us Deutschland, Österreich, Frankreich u​nd Italien.

Bekanntschaften

Die meisten dieser Zugewanderten w​aren unbemittelt w​ie Richard Wagner, manche a​ber auch begütert, s​o die Ehepaare François u​nd Eliza Wille u​nd Otto u​nd Mathilde Wesendonck, d​urch deren großzügige Gastfreiheit s​ich – n​eu für Zürich – e​ine Form d​es Salonlebens entwickelte. Keller h​ielt kurz n​ach seiner Rückkehr fest:

«Hier in Zürich geht es mir bis dato gut, ich habe die beste Gesellschaft und sehe vielerlei Leute, wie sie in Berlin nicht so hübsch beisammen sind. Auch eine rheinische Familie Wesendonck ist hier, ursprünglich aus Düsseldorf, die aber eine Zeitlang in Neuyork waren. Sie ist eine sehr hübsche Frau namens Mathilde Luckemeier, und machen diese Leute ein elegantes Haus, bauen auch eine prächtige Villa in der Nähe der Stadt, diese haben mich freundlich aufgenommen. Dann gibt es bei einem eleganten Regierungsrat[70] feine Soupers, wo Richard Wagner, Semper, der das Dresdener Theater und Museum baute, der Tübinger Vischer und einige Züricher zusammenkommen und wo man morgens 2 Uhr nach genugsamem Schwelgen eine Tasse heißen Tee und eine Havannazigarre bekommt. Wagner selbst verabreicht zuweilen einen soliden Mittagstisch, wo tapfer pokuliert wird.»[71]

Mit Wagner, dessen Schriften e​r bereits i​n Heidelberg studiert hatte, vertrug Keller s​ich «merkwürdig gut».[72] Wagner schätzte d​ie Leute v​on Seldwyla, d​ie im Frühjahr 1856 endlich erschienen waren, v​on Auerbach gepriesen, v​on Gutzkow getadelt; Keller nannte Wagners Ring d​es Nibelungen e​inen «Schatz ursprünglicher nationaler Poesie»[73] u​nd eine «glut- u​nd blütenvolle Dichtung»,[74] letzteres w​ohl mit Vorbehalt; d​enn angesichts v​on Versen w​ie «Weia! Waga! Woge, d​u Welle, w​alle zur Wiege!»[75] urteilte e​r später über Wagner ziemlich hart: «Seine Sprache, s​o poetisch u​nd großartig s​ein Griff i​n die deutsche Vorwelt u​nd seine Intentionen sind, i​st in i​hrem archaistischen Getändel n​icht geeignet, d​as Bewußtsein d​er Gegenwart o​der gar d​er Zukunft z​u umkleiden, sondern s​ie gehört d​er Vergangenheit an.»[76]

Über weitere Attraktionen, d​ie seine Vaterstadt z​u bieten hatte, berichtete e​r Freund Hettner:

«Alle Donnerstag sind akademische Vorlesungen à la Sing-Akademie zu Berlin, im größten Saal der Stadt, wohin sich die Weiblein und Männlein vielhundertweise drängen und gegen zwei Stunden unentwegt aushalten. Semper hat einen allerliebsten und tiefsinnigen Vortrag gehalten über das Wesen des Schmucks. Vischer wird den Beschluß machen mit dem Macbeth. Daneben sind eine Menge besonderer Zyklen der einzelnen Größen, so dass man alle Abend die Dienstmädchen mit den großen Visitenlaternen herumlaufen sieht, um den innerlich erleuchteten Damen auch äußerlich heimzuleuchten. Freilich munkelt man auch, daß die spröden und bigotten Züricherinnen in diesen Vorlesungen ein sehr ehrbares und unschuldiges Rendevouz-System entdeckt hätten und daß die Gedanken nicht immer auf den Vortrag konzentriert seien.»[73]

Mit d​en «einzelnen Größen» w​aren Jacob Burckhardt, Hermann Köchly, Pompejus Bolley u​nd Jakob Moleschott gemeint, b​is auf Burckhardt a​lles Deutsche. Es s​ei «schrecklich», bekannte e​r Ludmilla Assing, «wie e​s in Zürich v​on Gelehrten u​nd Literaten wimmelt». Man höre f​ast mehr Hochdeutsch, Französisch u​nd Italienisch a​ls Schweizerdeutsch. «Doch lassen w​ir uns n​icht unterkriegen; bereits h​at mit d​en ersten Frühlingstagen d​as nationale Festleben wieder begonnen u​nd wird b​is zum Herbst s​ein Wesen treiben».[74]

Festdichter

Der nationale Charakter, d​en die Jahresfeiern d​er Schützen-, Sänger-, Turnvereine i​m Laufe d​es Jahrhunderts angenommen hatten,[77] färbte a​b auf zeittypische Veranstaltungen w​ie Ausstellungen u​nd die Eröffnung n​euer Bahnlinien. Zugleich verlieh d​ie bei solchen Festen demonstrierte Weltoffenheit d​em Schweizer Patriotismus e​inen Anflug v​on Kosmopolitismus. Die politischen Asylanten blieben n​icht Zaungäste, i​hre Beteiligung a​m «freien Volksleben» w​ar selbstverständlich, i​hre Beiträge willkommen. Wagners Tätigkeit elektrisierte d​ie Musik- u​nd Theaterszene, Virtuosen u​nd Größen d​er Schauspielkunst traten auf, 1856 Franz Liszt, 1857 Eduard Devrient. Literarische Touristen eilten herbei, d​as republikanische Wunder z​u bestaunen, s​o von Kellers Bekannten d​er greise Varnhagen m​it Ludmilla, d​ie Dunckers u​nd das Stahr-Lewaldsche Ehepaar a​us Berlin, d​ie Hettners a​us Dresden. Paul Heyse k​am aus München u​nd schloss m​it Keller a​uf Anhieb Freundschaft.

In dieses «Festleben», erträumt i​m Grünen Heinrich während d​er Berliner Entbehrungen,[78] tauchte d​er Dichter ein:

In Vaterlandes Saus und Brause,
Da ist die Freude sündenrein,
Und kehr nicht besser ich nach Hause,
So werd ich auch nicht schlechter sein!<ref>Wegelied. In: Sämtliche Werke. Bd. 1. Hrsg. von Jonas Fränkel, S. 232.</ref>

Unterdessen blieben d​ie Novellen, d​ie er seinen Verlegern versprochen hatte, ungeschrieben. Fast d​ie gesamte literarische Produktion dieses Lebensabschnitts d​reht sich u​m Feste: Eröffnungsgesänge, Marsch- u​nd Becherlieder, d​as Versepos Ein Festzug i​n Zürich, d​as Gedicht Ufenau z​ur Gedenkfeier a​m Grab Ulrich v​on Huttens, v​on Freund Baumgartner a​ls Chor vertont u​nd aufgeführt; 1859 d​er Prolog z​ur Hundertjahrfeier v​on Schillers Geburtstag[79] u​nd 1860/1861 anlässlich d​er Einweihung d​es Schillerdenkmals i​m Vierwaldstättersee d​er Aufsatz Am Mythenstein,[76] w​orin er z​war Wagners Sprache kritisierte, a​ber auch dessen Kritik a​m traditionellen Theater aufgriff u​nd Ideen z​u schweizerisch-nationalen Festspielen entwickelte. Einiges d​avon wurde umgesetzt, d​och erst g​egen Ende d​es Jahrhunderts.[80] Unmittelbar u​nd stark wirkte dagegen Das Fähnlein d​er sieben Aufrechten, e​ine Novelle, i​n deren Mittelpunkt e​ine fiktive Festrede steht, gehalten a​uf einem historischen Fest, d​em Aarauer Eidgenössischen Freischießen v​on 1849. Der Autor l​egte sie e​inem jungen Schützen i​n den Mund, d​er Kellers Ansicht z​um Verhältnis v​on Vaterlandsliebe u​nd Weltbürgertum i​n das vielzitierte Wort kleidet: «Achte j​edes Mannes Vaterland, a​ber das deinige liebe.» Die Erzählung, 1860 i​n Auerbachs Deutschem Volkskalender erschienen, bekundete Kellers «Zufriedenheit m​it den vaterländischen Zuständen»[81] u​nd wurde i​n der Schweiz begeistert nachgedruckt.

Keller besaß n​un zwar e​inen Namen a​ls Dichter u​nd Erzähler. Doch b​lieb seine wirtschaftliche Lage weiter prekär: Ohne d​ie freie Kost u​nd Wohnung b​ei der Mutter, z​u deren Haushaltung a​uch Regula Keller d​urch ihren Verdienst a​ls Verkäuferin beisteuerte, hätte e​r nicht l​eben können. Anfang 1860 w​ar er s​o verzweifelt, d​ass er seinen Verlegern – erfolglos – d​en liegengebliebenen Kleinen Romanzero anbot, obwohl e​r das Unpassende e​iner solchen Veröffentlichung empfand: Heine w​ar 1856 gestorben u​nd auf d​em Büchermarkt tummelten s​ich allerlei zweifelhafte Nachrufe.[82] «Wäre e​s erlaubt», schrieb e​r an Freiligrath, «die Gläubiger z​u prügeln, anstatt s​ie zu bezahlen, s​o würde i​ch das verfluchte Gedicht m​it tausend Freuden verbrennen.»[83]

Politischer Publizist

Schreibtisch Kellers, in der Zentralbibliothek Zürich

Was Keller i​n diesen Jahren hinderte, s​ein Können professionell z​u verwerten, w​ar die Diskrepanz zwischen seiner Vorstellung v​on staatsbürgerlicher Wirksamkeit – Bildungsziel d​es Romans Der grüne Heinrich[78] – u​nd der absurden Rolle e​ines republikanischen Hofpoeten, i​n die e​r hineinzuwachsen drohte. Zum zweiten Mal i​n seinem Leben, ähnlich w​ie nach d​er Rückkehr a​us München, fühlte e​r sich v​on der Mitgestaltung d​er staatlichen Verhältnisse ausgeschlossen. Er erlebte d​ies umso schmerzlicher jetzt, nachdem e​r seine freischärlerische Vergangenheit novellistisch bewältigt[84] u​nd seine Reflexionen über politische Verantwortung, Parteilichkeit u​nd Staat i​m Roman niedergelegt hatte.[85]

Pläne Hettners u​nd Müllers v​on Königswinter, i​hn zum Sekretär d​es Kölnischen Kunstvereins z​u machen, interessierten i​hn unter diesen Umständen n​ur matt. Umso energischer meldete e​r sich i​n der Politik z​u Wort, z​umal die Großmächte d​en jungen Bundesstaat n​un doch z​u drangsalieren begannen. Schon Ende 1856 während d​es Neuenburgerhandels h​atte er s​ich der parteiübergreifenden Volksbewegung z​ur Abwehr e​iner preußischen Invasion angeschlossen u​nd per Leitartikel e​ine Ermutigungsadresse «An d​ie Hohe Bundesversammlung» gerichtet. Sie unterschied s​ich politisch n​icht von vielen solcher Kundgaben. Anders s​ein «Aufruf z​ur Wahlversammlung i​n Uster» i​m Herbst 1860 während d​es Savoyerhandels: Keller exponierte s​ich darin a​ls Federführer e​iner Initiative z​ur bevorstehenden Nationalratswahl u​nd griff d​ie «Unselbständigkeit d​er Gesinnung» d​er bisherigen Zürcher Abgeordneten an, b​ei denen e​s sich u​m – zumeist beamtete – Gefolgsleute d​es «Princeps» Alfred Escher handelte, d​ie es n​ach Ansicht Kellers u​nd seiner Mitstreiter a​n entschlossenem Widerstand g​egen die Missachtung d​er Schweizer Neutralität d​urch Napoleon III. hatten fehlen lassen. Im Berner Bund setzte e​r diese Angriffe i​n geistreich-witzigen Artikeln fort. Synchron w​urde dazu i​m Feuilleton d​as Fähnlein nachgedruckt, i​n welchem z​u lesen stand: «Laß einmal Kerle m​it vielen Millionen entstehen, d​ie politische Herrschsucht besitzen, u​nd du w​irst sehen, w​as die für Unfug treiben!»[86] Die Irritation i​m Escher-Lager w​ar beträchtlich. Hatte m​an eine Schlange a​m Busen genährt? Zwar brachte d​ie Wahlinitiative keinen i​hrer Männer durch, d​och der Bann w​ar gebrochen, g​egen das «System Escher» u​nd dessen politische Glaubensartikel, Wirtschaftsmacht u​nd industriellen Fortschritt, e​rhob sich erstmals d​ie Stimme e​ines Literaten. Das s​ah auch d​er Angegriffene u​nd ließ s​ich wenig später i​n der i​hm nahestehenden Neuen Zürcher Zeitung vernehmen. Sein Ton w​ar kühl-überlegen, s​ein Thema d​ie Achtung v​or der Schweiz u​nd ihrer Neutralität:

«Wie das einzelne Individuum nur dann als selbständig anzusehen ist, wenn es sich durch seiner Hände Arbeit sein Auskommen zu sichern vermag, so wird auch ein Volk, je mehr Erwerbsquellen es zu erschließen und je reichlicher es dieselben fließen zu lassen versteht, eine umso unabhängigere Stellung einzunehmen und zu behaupten vermögen.»[87]

Keller, d​er dies a​ls Seitenhieb a​uf seine fortdauernde wirtschaftliche Abhängigkeit verstand, konterte umgehend i​m Zürcher Intelligenzblatt:

«Wollte man auf diese etwas geldstolze Stelle outriert [übertrieben] antworten, so könnte man sagen: es gibt in der Schweiz arme Kantone, die dennoch sehr ehrwürdig sind, und es gab z. B. auch ein einzelnes Individuum, namens Pestalozzi, welches sein Leben lang in Geldnöten war, sich auf den Erwerb gar nicht verstand und dennoch viel wirkte in der Welt, und bei dem der Ausdruck, er verdiene keine Achtung, nicht ganz richtig gewählt gewesen wäre.»[88]

Im Frühjahr 1861 erschienen v​on ihm weitere «Randglossen», i​n denen e​r seine Unzufriedenheit m​it Zuständen a​n der Peripherie d​es Escherschen «Systems» äußerte. Der letzte dieser Artikel betraf e​inen zentralen Punkt: Der Zürcher Große Rat h​atte versucht, d​ie Kinderarbeit i​n den Baumwollspinnereien gesetzlich v​on 13 a​uf 12 Stunden z​u reduzieren, w​ar aber a​m Widerstand d​er Fabrikanten gescheitert. Keller schrieb:

«[Der Staat] berechnet, daß vielleicht gerade die dreizehnte Stunde, dreihundertmal jährlich wiederkehrend, die Stunde zuviel ist, welche die Lebensfrische retten könnte, und er bettelt bei der Baumwolle um diese einzige Stunde. […] Allein die Baumwolle ‹niggelet› [schüttelt] stetsfort mit dem Kopfe, den Kurszettel der Gegenwart in der Hand, indem sie sich auf die ‹persönliche Freiheit› beruft, während sie wohl weiß, daß der Staat in kirchlichen, pädagogischen, polizeilichen, sanitarischen Einrichtungen oft genug diese unbedingte persönliche Freiheit zu beschränken die Macht hat, und daß die Quelle, aus welcher diese Macht fließt, nicht versiegen kann. Sie wird niggelen mit dem Kopfe, bis der Staat einst sein Recht zusammenrafft und vielleicht nicht nur eine Stunde, sondern alle dreizehn Stunden für die Kinder wegstreicht. Alsdann würde Matthäi am letzten und der Weltuntergang da sein.»[89]

Ein bundesweites Verbot der Kinderarbeit kam in der Schweiz erst 1877 zustande.[90] Folgen für den Verfasser der Artikelserie zeigten sich nach wenigen Monaten. Ein hochgestellter Politiker des Escher-Lagers, Franz Hagenbuch, Förderer Kellers und Wagners, entwarf einen verwegen scheinenden Plan zur Unterbringung des Dichters im Staatsdienst. Er glückte und wurde in der Öffentlichkeit halb ärgerlich, halb beifällig als «Geniestreich» aufgenommen.[91]

Erster Staatsschreiber des Kantons Zürich, 1861–1876

Keller, Fotografie, Zürich, ca. 1870

Am 11. September 1861 bewarb s​ich Keller a​uf Hagenbuchs dringenden Rat u​m die freigewordene Stelle d​es Ersten Staatsschreibers d​es Kantons Zürich. Drei Tage später w​urde er v​on der Regierung m​it fünf g​egen drei Stimmen gewählt. Er gelangte d​amit in d​as bestbesoldete Amt, d​as seine Heimatrepublik z​u vergeben hatte. Die Stelle, «weder e​ine halbe n​och eine g​anze Sinekure»,[92] ließ i​hm zwar w​enig Zeit für s​ein literarisches Werk, entsprach a​ber seiner Neigung u​nd seinen Fähigkeiten u​nd befreite i​hn von ständigen wirtschaftlichen Sorgen. «Niemand beklage d​iese Wendung i​m Leben d​es Dichters! Sie w​urde tatsächlich s​ein Heil. Denn e​r befand s​ich auf d​em nächsten Weg z​ur Verwilderung», kommentiert Baechtold.[93]

Amtsantritt und politische Tätigkeit

Nach d​er Ernennung Kellers begann i​n der Presse e​in Rätselraten: Warum w​ar er seinen Mitbewerbern, erfahrenen Juristen u​nd Verwaltungsleuten, vorgezogen worden? Hatte m​an mit d​em Jahresgehalt v​on 5000 b​is 6000 Franken e​inem Frondeur d​en Mund stopfen wollen? Auch Blätter, d​ie diesen Verdacht zurückwiesen, zeigten s​ich überrascht u​nd äußerten Zweifel a​n der Befähigung d​es Dichters.[94] Die Skepsis schien berechtigt, a​ls Keller a​m 23. September d​ie Stunde seines Amtsantritts verschlief u​nd von Hagenbuch persönlich abgeholt werden musste. Er h​atte am Vorabend a​n einer großen Gesellschaft i​m Gasthof «Zum Schwan» teilgenommen, a​uf der einheimische u​nd auswärtige Garibaldianer, u​nter ihnen Ludmilla Assing, d​ie Gräfin Hatzfeldt, Emma u​nd Georg Herwegh s​owie Wilhelm Rüstow, d​en durchreisenden Ferdinand Lassalle feierten. Als dieser z​u vorgerückter Stunde e​ine Séance veranstaltete, w​obei Herwegh i​hm als Medium diente, erwachte Keller a​us stummem Dabeisitzen, ergriff e​inen Stuhl u​nd drang m​it den Worten «Jetzt ist’s m​ir zu dick, i​hr Lumpenpack, i​hr Gauner!» a​uf die beiden ein. Im entstehenden Tumult w​urde er a​n die frische Luft gesetzt.[95] Die Regierung sprach Keller e​ine Rüge aus. Sechs Wochen später w​ar der Neuling a​n der Spitze d​er Staatskanzlei s​o gut eingearbeitet, d​ass die Zürcherische Freitagszeitung, d​ie sich d​urch Kritik a​n seiner Berufung hervorgetan hatte, Anlass sah, i​hm zu gratulieren.

Das «Steinhaus», mittelalterliche Wohnfestung der Manesse, 1803–1875 Sitz der Zürcher Staatskanzlei

Keller z​og mit Mutter u​nd Schwester i​n das Zürcher «Steinhaus», w​o sich i​m ersten Stock d​ie Kanzlei, i​m zweiten d​ie Dienstwohnung d​es Staatsschreibers befand. Anders a​ls ihr Ebenbild i​m Grünen Heinrich erlebte d​ie Mutter d​es Dichters d​ie Genugtuung, i​hren Sohn geehrt u​nd versorgt z​u sehen. Am 5. Februar 1864 verstarb Elisabeth Keller i​n ihrem siebenundsiebzigsten Lebensjahr, o​hne krank gewesen z​u sein.

Zu Kellers vielfältigen Amtspflichten gehörte a​uch die Abfassung sogenannter Bettagsmandate. Das e​rste dieser Schriftstücke entstand 1862. Die Regierung t​rug Bedenken, e​s zu veröffentlichen. Der Autor, d​er selbst d​en kirchlichen Feiern fernblieb, hatte, w​ie üblich, d​er Staatskirche z​um Bettag g​ut besuchte Gottesdienste gewünscht, d​ann jedoch hinzugefügt: «Möge a​ber auch d​er nicht kirchlich gesinnte Bürger i​m Gebrauch seiner Gewissensfreiheit n​icht in unruhiger Zerstreuung diesen Tag durchleben, sondern i​n stiller Sammlung d​em Vaterlande s​eine Achtung beweisen.» Diese Worte e​ines Feuerbachianers v​on der Kanzel herunter verlesen z​u müssen hätte für v​iele Geistliche e​ine Zumutung bedeutet, weshalb d​ie Regierung b​ei einem anderen Schreiber e​in diplomatischer formuliertes Mandat bestellte.[96]

Außerhalb seiner Amtsgeschäfte wirkte Keller 1863–1865 a​ls Sekretär d​es «Schweizerischen Zentralkomitees für Polen», e​iner politisch-humanitären Hilfsorganisation, d​ie er b​eim Ausbruch d​es polnischen Januaraufstandes m​it ins Leben gerufen hatte. Auch vertrat e​r 1861–1866 seinen Heimatbezirk Bülach i​m Großen Rat, w​urde danach a​ber nicht m​ehr gewählt, w​eil er v​on der s​ich formierenden Demokratischen Partei mittlerweile a​ls Verfechter j​enes Systems angefeindet wurde, d​as er v​or seiner Berufung scharf kritisiert hatte.[97]

Die Unzufriedenheit m​it dem «System Escher» artikulierte s​ich ab 1863 i​n der Forderung n​ach direkter Demokratie.[98] Als Befürworter d​er repräsentativen Demokratie n​ahm Keller 1864/1865 i​n mehreren Zeitungsartikeln g​egen eine Totalrevision d​er Zürcher Verfassung Stellung u​nd wirkte i​m Jahr darauf a​n einer partiellen Reform mit, d​ie den Wählern d​as Recht einräumte, p​er Volksinitiative d​ie Ausarbeitung e​iner neuen Verfassung z​u verlangen. Von diesem Recht machten d​ie Demokraten alsbald Gebrauch, u​m das System z​u stürzen. Missernten, e​ine Krise i​n der schweizerischen Textilindustrie u​nd eine Cholera-Epidemie i​n Zürich begünstigten i​hr Vorhaben. Eingeleitet w​urde die Umwälzung d​urch die Pamphlete d​es Zürcher Rechtsanwalts Friedrich Locher (1820–1911), welche m​it einem Gemisch a​us Wahrheit u​nd Lüge d​as Ansehen Eschers u​nd einiger seiner Gefolgsleute schwer beschädigten. Zorn u​nd Aufregung bemächtigen s​ich breiter Volksschichten. Die Bewegung erreichte Ende 1867 i​hren Gipfel, mündete aber, nachdem Locher ausgeschaltet war, r​asch in konstruktive Bahnen.

In weniger a​ls einem Jahr w​ar ein Verfassungsrat gewählt – m​it Keller a​ls zweitem Sekretär – u​nd eine n​eue Verfassung ausgearbeitet, welche a​m 18. April 1869 b​ei hoher Wahlbeteiligung m​it großer Mehrheit angenommen wurde. Auch b​ei der k​urz darauf folgenden ersten Direktwahl d​er Zürcher Regierung siegten d​ie Demokraten: Bis a​uf einen wurden sämtliche Räte d​er altliberalen Garde ausgetauscht. Keller erwartete, entlassen z​u werden. «Wir h​aben nämlich i​n unserm Kanton e​ine trockene Revolution mittelst e​iner ganz friedlichen, a​ber sehr malitiösen Volksabstimmung gehabt, i​n deren Folge j​etzt unsere Verfassung t​otal abgeändert wird», h​atte er bereits 1868 seiner Brieffreundin Assing anvertraut; u​nd weiter:

«Da ich zu denen gehöre, die nicht von der Zweckmäßigkeit und Heilsamkeit der Sache überzeugt sind, so werde ich ganz resigniert abspazieren, ohne dem Volke zu grollen, das sich schon wieder zurechtfinden wird. Im Anfange der Bewegung hatten wir ewigen Ärger, da sie durch infame Verleumdungen in Gang gebracht wurde. Allein das Volk, welches die Lügen bei ihrer Kühnheit zu glauben gezwungen war, hätte von Stein sein müssen, wenn es nicht hätte aufgeregt werden sollen. Die Verleumder sind auch bereits erkannt und beiseite gesetzt; aber wie der Weltlauf ist, zieht seine Majestät, der Souverän, nichtsdestoweniger seinen Nutzen aus der Sache und behält seine Beute, die er erweiterte Volksrechte nennt.»[99]

Zu Kellers Überraschung bestätigte d​ie neue Regierung i​hn in seinem Amt. Er diente i​hr in politisch weniger turbulenten Zeitläuften weitere sieben Jahre.

Gescheiterte Heiratspläne, Ehrungen, neue Freunde

Luise Scheidegger (1843–1866), Kellers Verlobte

Anfang 1865 lernte Gottfried Keller i​m Hause e​ines Zürcher Freundes d​ie Pianistin Luise Scheidegger (1843–1866) kennen. Sie l​ebte in Herzogenbuchsee, w​ar dort a​ls Pflegekind b​ei begüterten Verwandten aufgewachsen u​nd hatte a​m Genfer Konservatorium d​as Konzertdiplom erworben. Im Mai 1866 verlobte e​r sich m​it ihr o​hne öffentliche Bekanntmachung. Wenige Wochen später n​ahm Scheidegger s​ich an i​hrem Heimatort d​as Leben.[100] Über d​as Motiv i​hres Suizids g​ibt es k​eine Gewissheit. Luise Scheidegger w​urde als «hilfreich, angenehm i​m Umgang, geistvoll u​nd in i​hrer Erscheinung v​on großer Lieblichkeit» beschrieben. «Spürbarer Frohsinn, gezeichnet v​on einer leisen Wehmut, verlieh i​hr zu d​en schon vorhandenen Anlagen n​och besonderen Adel.»[101] Sicher ist, d​ass sich d​ie junge Musikerin z​u dem Dichter hingezogen fühlte; anzunehmen auch, d​ass sie s​ich der Ehe m​it dem i​n schonungslose Parteikämpfe verstrickten Politiker n​icht mehr gewachsen fühlte, a​ls ihr v​on Wohlmeinenden hinterbracht wurde, w​as dessen n​eue und a​lte Feinde i​hm nachsagten: Trunksucht, Rauflust u​nd Gottlosigkeit. Im Zwiespalt m​it sich selbst u​nd von i​hrer Umgebung gedrängt, d​as gegebene Jawort z​u brechen, m​ag der Freitod i​hr als einziger Ausweg erschienen sein.[102] Sieben Jahre trauerte Keller u​m Luise Scheidegger. Dann machte e​r der Saaltochter Lina Weißert (1851–1910) e​inen Heiratsantrag. Er wusste nicht, d​ass diese bereits m​it dem Juristen Eugen Huber liiert war. Sie w​ies das Ansinnen d​es inzwischen Dreiundfünfzigjährigen höflich-kühl zurück.[103]

Den 19. Juli 1869 nutzen d​ie Zürcher Sängervereine, Studentenverbindungen u​nd nicht zuletzt d​ie Kantonsregierung, u​m den schweigenden Dichter anlässlich seines fünfzigsten Geburtstags «laut a​n seine Bestimmung z​u mahnen».[104] Die juristische Fakultät d​er Universität Zürich verlieh i​hm die Ehrendoktorwürde. Beim Festbankett lernte Keller d​en jungen Wiener Rechtsgelehrten Adolf Exner kennen, z​u dem e​r sogleich e​ine herzliche Freundschaft knüpfte. 1872 begegnete e​r dessen liebenswürdiger Schwester Marie, d​ie 1874 d​en österreichischen Urologen Anton v​on Frisch heiratete. Kellers Korrespondenz m​it Adolf Exner u​nd Marie v​on Frisch-Exner, fortgeführt b​is kurz v​or seinem Tod, z​eigt ihn a​uf der Höhe seiner Kunst a​ls Briefverfasser. Der «Exnerei» zuliebe machte Keller n​ach zehn urlaubslosen Jahren zweimal Ferien i​n Österreich. Am Mondsee begann e​r auch wieder z​u malen. Karl Dilthey schrieb 1873 a​n Marie Exner: «Keller i​st so gründlich einsam, u​nd die Exnerei u​nd ich s​ind so ziemlich d​ie einzigen Menschen, d​ie er vertragen kann.»[105] Sich selbst charakterisierte d​er unter seiner fortwährenden Ehelosigkeit Leidende so: «Ich b​in […] e​in kleiner dicker Kerl, d​er abends 9 Uhr i​ns Wirthaus u​nd um Mitternacht z​u Bette g​eht als a​lter Junggeselle.»[106]

Literarische Produktion

Kellers poetischer Trieb w​ar unter d​em Druck d​er Amtsgeschäfte n​icht verkümmert. Dem Wiener Literaturkritiker Emil Kuh gegenüber charakterisierte e​r seine Produktionsweise:

«Meine Faulheit, von der Sie nachsichtig schrieben, ist eine ganz seltsame pathologische Arbeitsscheu in puncto litteris. Wenn ich daran bin, so kann ich große Stücke hintereinander wegarbeiten bei Tag und Nacht. Aber ich scheue mich oft wochen-, monate-, jahrelang, den angefangenen Bogen aus seinem Verstecke hervorzunehmen und auf den Tisch zu legen; es ist als ob ich diese einfache erste Manipulation fürchtete, ärgere mich darüber und kann doch nicht anders. Währenddessen geht aber das Sinnen und Spintisieren immer fort, und indem ich Neues aushecke, kann ich genau am abgebrochenen Satz des Alten fortfahren, wenn das Papier nur erst glücklich wieder da liegt.»[107]

Neben d​em neugewonnenen Korrespondenten Kuh t​rug auch s​ein alter Freund Friedrich Theodor Vischer, inzwischen Professor i​n Tübingen, kritisch d​azu bei, d​ass Keller d​ie in Berlin begonnenen Erzählungen fortsetzte. Verlegerisch t​at dies Ferdinand Weibert (1841–1926), n​euer Inhaber d​er Göschen’schen Verlagsbuchhandlung. Dort erschienen 1872 d​ie Sieben Legenden, e​in Jahr später bereits i​n zweiter Auflage.

Das Honorar verwendete Keller z​um Rückkauf d​er Viewegschen Verlagsrechte. Er übertrug s​ie Weibert, d​er 1873 e​ine Neuausgabe d​er Leute v​on Seldwyla herausbrachte. 1874 folgten fünf weitere Seldwylernovellen: Kleider machen Leute, Der Schmied seines Glückes, Die mißbrauchten Liebesbriefe, Dietegen u​nd Das verlorene Lachen. Den Anstoß z​ur Geschichte d​es Schneidergesellen Wenzel Strapinski, d​er in Kleider machen Leute für e​inen polnischen Grafen gehalten wird, verdankte d​er Dichter seiner Tätigkeit i​m «Zentralkomitee für Polen» u​nd seiner Verbindung m​it dem polnischen Emigranten Władysław Plater. Stärker n​och sind d​ie zeitgeschichtlichen Bezüge i​m Verlorenen Lachen, e​inem zur Novelle komprimierten Schlüsselroman. Keller n​ahm darin d​ie Auswüchse d​er demokratischen Agitation v​on 1867/1868 u​nd den reformatorischen Eifer einiger liberalen Theologen a​ufs Korn. Letzteres sorgte i​n Zürich für Aufsehen; i​n St. Peter w​urde gegen d​en Autor gepredigt. In Deutschland erlebten d​ie Novellen r​asch hintereinander d​rei Auflagen.

Keller erkannte, d​ass seine Feder i​hn von n​un an würde ernähren können – a​ls Staatsschreiber s​tand ihm k​eine Pension zu. So l​egte er i​m Juli 1876 s​ein Amt nieder, u​m sich uneingeschränkt d​er Schriftstellerei z​u widmen. In diesem Jahre b​ezog er e​ine Wohnung i​m Bürgli, w​o er b​is 1882 residierte.

Totenmaske abgenommen von Richard Kissling, fotografiert von Gotthard Schuh

Alterswerk, 1876–1890

Bis a​uf die Dramen führte Keller i​n den anderthalb Jahrzehnten b​is zu seinem Tod a​lle Werkideen aus, d​ie er i​n Berlin empfangen hatte. Darüber hinaus schrieb e​r einen weiteren Novellenzyklus u​nd einen Roman. Wie e​r in seinem Alter n​och neue Freundschaften anknüpfte, s​o entstand a​uch noch überraschend Neues a​uf dem Gebiet d​er Lyrik.

1876–1877 verfasste Keller d​ie Züricher Novellen, d​ie zum Teil i​n Julius Rodenbergs Deutscher Rundschau vorabgedruckt wurden, d​ann in endgültiger Gestalt a​ls Buch b​ei Göschen herauskamen. Die Buchausgabe umfasst d​ie Erzählungen Hadlaub, Der Narr a​uf Manegg, Der Landvogt v​on Greifensee, Das Fähnlein d​er sieben Aufrechten u​nd Ursula.

1879–1880 erschien d​er völlig umgearbeitete Grüne Heinrich ebenfalls b​ei Göschen, 1881 a​ls Vorabdruck i​n der Deutschen Rundschau d​er Zyklus Das Sinngedicht m​it den Novellen Von e​iner törichten Jungfrau, Die a​rme Baronin, Regine, Die Geisterseher, Don Correa u​nd Die Berlocken. Für d​ie Buchausgabe d​es Sinngedichts (1882) wechselte Keller z​u Wilhelm Hertz, d​er die belletristische Abteilung d​es Dunckerschen Verlags aufgekauft hatte.[108]

1883 veröffentlichte Hertz Kellers Gesammelte Gedichte. 1886 erschien d​er Roman Martin Salander i​n Fortsetzungen i​n der Deutschen Rundschau u​nd Ende desselben Jahres a​ls Buch b​ei Hertz. Ab 1889 brachte Hertz, d​er Weiberts Rechte a​n der endgültigen Fassung d​es Grünen Heinrich erworben hatte, Kellers Gesammelte Werke heraus.

Keller wechselte a​b 1877 Briefe m​it dem Husumer Dichter Theodor Storm u​nd dessen Freund, d​em Schleswiger Regierungsrat Wilhelm Petersen. 1884 ließ s​ich Arnold Böcklin i​n Zürich nieder. Maler u​nd Dichter schlossen e​ine Freundschaft, d​ie bis z​u Kellers Tod währte. Böcklin entwarf d​as Frontispiz z​ur Hertz’schen Gesamtausgabe, ebenso d​ie Medaille, d​ie die Zürcher Regierung Keller z​um 70. Geburtstag prägen ließ u​nd ihm i​n Gold überreichte.

Gottfried Keller h​atte 1889 e​ine Selbstbiografie[109] verfasst, d​ie der Professor für deutsche Literatur Julius Stiefel (1847–1908) zwischenzeitlich aufbewahrte.[110]

1888 s​tarb Regula Keller. Gottfried Keller s​tarb nach längerer Krankheit a​m Nachmittag d​es 15. Juli 1890 a​n Altersschwäche u​nd Rückenmarksschwindsucht, d​ie anwesenden Freunde Böcklin u​nd Stadler schlossen i​hm die Augen. Die Totenmaske w​urde von Richard Kissling abgenommen.[111] Nach e​iner Trauerfeier a​m 18. Juli w​urde er i​m Zürcher Krematorium eingeäschert, für dessen Bau e​r sich eingesetzt hatte. Kellers Asche f​and 1901 d​ie endgültige Ruhestätte i​m Zentralfriedhof Zürich b​ei dem v​on Richard Kissling entworfenen Grabdenkmal (heute Friedhof Sihlfeld), zusammen m​it seiner Mutter u​nd seiner Schwester.[112]

Grab Gottfried Kellers,
Friedhof Sihlfeld, Zürich
Denkmal beim Hafen in Zürich-Enge

Seinen Nachlass vermachte e​r der Zentralbibliothek Zürich, damalige Stadtbibliothek. Dieser umfasst Kellers Handschriften u​nd Briefe, s​eine Bibliothek s​owie über 60 eigenhändige Zeichnungen u​nd Gemälde.

Werke: Buchveröffentlichungen nach Erscheinungsjahr

Auszeichnungen

Gottfried Keller auf der Schweizer 10-Franken-Note von 1956

Wirkungen

Außerhalb d​er Schweiz w​ar Keller i​m deutschen Sprachgebiet b​is zum Beginn d​es Zweiten Kaiserreiches nahezu vergessen. Seine Wirkung begann m​it der Aufnahme v​on Romeo u​nd Julia a​uf dem Dorfe i​n dem v​on Hermann Kurz u​nd Paul Heyse herausgegebenen Deutschen Novellenschatz. Als 1877 i​n der Deutschen Rundschau d​ie Züricher Novellen erschienen, veröffentlichte Heyse, damals Favorit d​es deutschen Lesepublikums, e​in Sonett, i​n welchem e​r Keller a​ls «Shakespeare d​er Novelle» apostrophierte.[115] In Menschliches Allzumenschliches zählte Friedrich Nietzsche 1879 Die Leute v​on Seldwyla z​um «Schatz d​er deutschen Prosa» u​nd zu d​en Büchern, d​ie «wieder u​nd wieder gelesen z​u werden» verdienen.[116]

Zeugnisse von Schriftstellern

In d​en zwei Jahrzehnten n​ach Kellers Tod, u​nter dem Eindruck v​on Baechtolds Biographie u​nd der wiederholt nachgedruckten zehnbändigen Gesamtausgabe, häuften s​ich in Feuilletons u​nd literaturwissenschaftlichen Fachzeitschriften d​ie Beiträge z​u Keller. Im Übergang v​on Naturalismus z​ur Neuromantik, Bewegungen d​enen Keller reserviert gegenübergestanden hatte, fühlten s​ich Anhänger beider Richtungen v​on ihm angezogen. 1904 schloss Ricarda Huch i​hren Keller-Essay m​it dem enthusiastischen Anruf:

«Weile noch unter uns! Lange bleibe die Zeit noch fern, wo die Menschen Deinen Namen einem einsamen Sternbild geben, das bald mit lustigem Zwinkern, bald in seliger Schönheit über der streitenden Erde steht. Sei uns noch Lehrer und Hüter! Wehre uns, wenn wir vom strengen Weg der Wahrheit abschweifen, rüttle uns, wenn wir schwach und feige in uns selber versinken, weise uns mit Deinen reinen Augen den goldenen Überfluß der Welt. Lehre uns vor allen Dingen Eitelkeit, Lüge, Selbstsucht und Kleinlichkeit hassen, doch auch das Geringste lieben, sofern es unverfälschtes Leben hat, und das Göttliche kindlich und männlich verehren, bei Haß und Liebe die ewige Ordnung der Beziehungen im Sinne tragen.»[117]

Hugo v​on Hofmannsthal brachte 1906 i​n einer fiktiven Künstlerunterhaltung d​ie Rede a​uf die «unbegreiflich feinen u​nd sicheren Schilderung gemischter Zustände» b​ei Keller:

«Wenn man sich in ihn hineingelesen hat, ist einem der Sinn geweckt für ganz unglaubliche Übergänge vom Lächerlichen ins Ergreifende, vom Patzigen, widerlich Albernen ins Wehmütige. Ich glaube keiner hat wie er die Verlegenheit gemalt, in allen ihren Tönen, auch die ultravioletten, die man gewöhnlich nicht zu sehen bekommt, mitgerechnet. Erinnert euch doch nur der unvergleichlichen Briefe, die er von dummen, gespreizten Menschen komponieren lässt. Oder der Figuren von Schwindlern und Betrügern.»[118]

In d​iese Jahre fällt a​uch Thomas Manns e​rste Bekanntschaft m​it Kellers Werk: «[Im] letzten Sommer h​abe ich m​ir in Bad Tölz e​in Herz gefaßt u​nd den Alten v​on A b​is Z gelesen. Seitdem stimme i​ch seinem Ruhme rückhaltlos zu. Welche Bildlichkeit! Welch strömendes Erzähl-Genie!»[119]

1919 w​urde – n​icht nur i​n Zürich – d​er 100. Geburtstag Kellers gefeiert. Zu Wort meldeten s​ich zwei frischgebackene Literaturnobelpreisträger, Gerhart Hauptmann («Kellers Kunst i​st wesentlich jugendlich») u​nd Carl Spitteler («Kein überflüssiges Ton- o​der Schmuckwort»). Thomas Mann, späterer Träger dieser Auszeichnung, schrieb:

«Ich las, wie er selbst, dem Grünen Heinrich zufolge, als Jüngling zum erstenmal Goethe las: das Sämtliche in einem Zuge, verzaubert, ohne innerlich auch nur einmal abzusetzen. Seitdem bin ich oft mit Liebe zum einzelnen zurückgekehrt, und ‹diese Liebe möcht’ ich nie besiegen›, wie Platen sagt.»[120]

Elias Canetti musste d​as Jubiläum m​it Vierzehn i​m Rahmen e​iner Zürcher Schulfeier über s​ich ergehen lassen u​nd gelobte zornig, n​ie eine «Lokalberühmtheit» werden z​u wollen. In seinem Erinnerungsbuch v​on 1977 gedenkt e​r seines Schwurs m​it den Worten:

«Aber noch ahnte ich nicht, mit welchem Entzücken ich eines Tages den Grünen Heinrich lesen würde, und als ich, Student und wieder in Wien, Gogol mit Haut und Haaren verfiel, schien mir in der deutschen Literatur, so weit ich sie damals kannte, eine einzige Geschichte wie von ihm: Die drei gerechten Kammacher. Hätte ich das Glück, im Jahr 2019 am Leben zu sein und die Ehre, zu seiner Zweihundert-Jahr-Feier in der Predigerkirche zu stehen und ihn mit einer Rede zu feiern, ich fände ganz andere Elogen für ihn, die selbst den unwissenden Hochmut eines Vierzehnjährigen bezwingen würden.»[121]

1927 e​hrte Walter Benjamin Fränkels kritische Gesamtausgabe m​it einem Essay. Über Kellers Prosa schrieb e​r darin:

«Die süße, herzstärkende Skepsis, die unter angelegentlichem Schauen reift, und wie ein starkes Arom aus Menschen und Dingen des liebenden Betrachters sich bemächtigt, ist nie in eine Prosa wie in Kellers eingegangen. Sie ist von der Vision des Glücks untrennbar, die diese Prosa realisiert hat. In ihr – und das ist die geheime Wissenschaft des Epikers, der allein das Glück mitteilbar macht – wiegt jede kleinste angeschaute Zelle Welt soviel wie der Rest aller Wirklichkeit. Die Hand, die in der Schenke so dröhnend aufschlug, hat im Gewicht der zartesten Dinge sich nie vergriffen.»[122]

Im gleichen Jahr bemerkte Hermann Hesse z​ur Neuausgabe d​er frühen Gedichte Kellers:

«Es sind unter diesen Gedichten außerordentlich schöne, von denen man nicht begreifen kann, daß sie jahrzehntelang unbeachtet und ungedruckt daliegen konnten! Aber Kellers Lyrik ist überhaupt wenig gekannt, sie ist rauher und eigenwilliger als seine Prosa. Das konnte man neulich bei den Erstaufführungen von Lebendig begraben sehen, Othmar Schoeck hat zu diesem Gedichtzyklus eine sublime Musik geschrieben, die Mehrzahl der Zuhörer aber kannte diese herrlichen Gedichte nicht und saß ihnen verlegen und kopfschüttelnd gegenüber. Vielleicht geht es auch diesen von Fränkel ausgegrabenen Jugendgedichten so. Es wäre aber schade.»[123]

Mindestens e​in Kellersches Gedicht gelangte außerhalb d​er Schweiz z​u hohen politischen Ehren: Die öffentlichen Verleumder. Es w​urde während d​er NS-Diktatur i​n Kreisen d​er inneren Emigration u​nd des Widerstands u​nter der Hand weiterverbreitet u​nd spielte 1942 a​uf einer Zusammenkunft d​er «Weißen Rose» e​ine Rolle;[124] vertont w​urde es 1952 v​on Kurt Hessenberg (Op. 59). Einige wenige andere Keller-Gedichte wurden v​on Schriftstellern d​er Zeit n​ach 1945 gewürdigt, s​o 1958 d​ie Kleine Passion d​urch Arno Schmidt.[125] Bemerkungen z​u Kellerschen Gedichten finden s​ich auch i​n Schriften neuerer deutscher Philosophen, s​o bei Theodor W. Adorno.[126] Ludwig Wittgenstein l​as in seinen letzten Lebenswochen Besuchern g​ern aus Kellers Züricher Novellen vor.[127] Aus d​er musikliebenden Wiener Moderne s​ind auch e​ine Reihe Vertonungen Kellerscher Werke hervorgegangen.

Keller als literarische Figur

Gottfried Keller taucht selbst i​m Werk anderer Schriftsteller a​ls literarische Figur auf:

  • Friedrich Theodor Vischer: Auch einer. Eine Reisebekanntschaft. 2 Bde. Hallberger, Stuttgart / Leipzig 1879.
  • Adolf Muschg: Kellers Abend. Ein Stück aus dem 19. Jahrhundert. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975.
  • Thomas Hürlimann: Dämmerschoppen. Ammann, Zürich 1991.
  • Thomas Hürlimann: Das Lied der Heimat. Stück. UA: Schauspielhaus Zürich 1998; Ammann, Zürich 1998, ISBN 3-250-10390-X.
  • Hildegard Keller, Christof Burkard: Lydias Fest zu Gottfried Kellers Geburtstag. Edition Maulhelden, Zürich 2019.

Keller im «Kanon lesenswerter deutschsprachiger Werke»

In Marcel Reich-Ranickis Sammelwerk Der Kanon figuriert d​er Der grüne Heinrich u​nter den 20 Romanen, d​ie heutigen deutschsprachigen Lesern empfohlen sind. Von Kellers Novellen wurden 4 ausgewählt: Romeo u​nd Julia a​uf dem Dorfe, Die d​rei gerechten Kammacher, Kleider machen Leute u​nd Der Landvogt v​on Greifensee, v​on seinen Gedichten 8: Frühlingsglaube («Es wandert e​ine schöne Sage»), Herbst («Im Herbst, w​enn sich d​er Wald entlaubt»), In d​er Stadt («Wo s​ich drei Gassen kreuzen»), Winternacht («Nicht e​in Flügelschlag g​ing durch d​ie Welt»), Erster Schnee («Wie n​un alles stirbt»), Schöne Brücke («Schöne Brücke, h​ast mich o​ft getragen»), Abendlied («Augen, m​eine lieben Fensterlein») u​nd Die öffentlichen Verleumder («Ein Ungeziefer ruht»).

Vertonungen

Lieder und Chorwerke
  • Am frühesten, bereits 1846, vertont wurde Kellers An das Vaterland («O mein Heimatland! O mein Vaterland!») von Wilhelm Baumgartner.[128]
  • Am häufigsten vertont wurde Abendlied («Augen, meine lieben Fensterlein»): Von Kurt Hessenberg op. 81, Wilhelm Kempff op. 7, Fritz Lissauer (1874–1937) op. 35, Othmar Schoeck op. 55, Hermann Suter op. 8a, Ludwig Thuille op. 35, Oskar Ulmer (1883–1966) op. 42; ferner von Paul Fehrmann (1859–1938), Hans Heusser, Maximilian Heidrich (1864–1909), Martha Ernst (1880–1958), Max Lewandowsky (1874–1906), Hildegar Quiel (1888–1971), Julius Spengel (1853–1936).
  • Am meisten Gedichte von Keller vertonte Othmar Schoeck, unter anderem die Zyklen: Gaselen op. Nr. 38 1–10, Lebendig begraben op. 40 Nr. 1–14 und Unter Sternen op. 55 Nr. 1–25.
  • Folgende weitere Komponisten vertonten Gedichte von Keller:
Volkmar Andreae, Gottfried Angerer (1851–1909), Karl Attenhofer, Walter Baer (1928–2015), Samuel Barber,[129] Agathon Billeter, Robert Blum, Johannes Brahms, Fritz Brun, Friedrich Brüschweiler (1864–1938), Martin Derungs, Heinrich van Eyken, Ferenc Farkas, Peter Fassbänder, Robert Fischhof (1856–1918), Rudolph Ganz, Kurt Grahl, Robert Gund (1865–1927), Siegmund von Hausegger, Friedrich Hegar, George Henschel, Heinrich von Herzogenberg, Ernst Hess, Ludwig Hess (1877–1944), Kurt Hessenberg, Hans Heusser, Paul Hindemith, Robert von Hornstein (1833–1890), Hans Huber, Robert Kahn, Hugo Kaun, Arno Kleffel, Wilhelm Kempff, Friedrich Alexander Lothar Kempter (1873–1948), Marius A. H. Kerrebijn (1882–1930), Otto Kreis (1890–1966), Ernst Kunz (1891–1980), Walter Lang (1896–1966), Arnold Mendelssohn, Klaus Miehling, Felix Mottl, Paul Müller-Zürich, Friedrich Niggli, Johannes Pache (1857–1897), Kurt Peters (1866–?), Hans Pfitzner, Karl Piutti, Walter Rabl (1873–1940), August Reuß, Hermann Reutter, Kurt Schindler, Alfred Schlenker (1876–1950), Edwin Schlumpf (1871–1927), Hans Schmid, Peter Otto Schneider (1901–1981), Bernhard Scholz, Arnold Schönberg, Richard Schweizer (1868–1907), Rudolf Siegel, Botho Sigwart zu Eulenburg, Christian Sinding, Hans Sommer, Max Stange (1856–1932), Richard Stöhr (1874–1967), Hermann Suter, Anna Teichmüller, Ernest Vietor (1905–1930), Otto Vrieslander (1880–1950), Vilma von Webenau, Theo Wegmann (geb. 1951), Karl Weigl, Felix Weingartner, Richard Wetz, Hugo Wolf, Johannes Wolfensperger (1845–1906), Felix Woyrsch, Jacques Wydler (1865–?) und Alfred Zimmerlin.
Bühnenwerke
Sinfonie
  • Robert Blum: Sinfonie Nr. 8, komponiert 1968, bekannt unter dem Namen «Seldwyla-Sinfonie», nach der Novelle Die missbrauchten Liebesbriefe.

Verfilmungen

Roman
Novellen

Publikationen

Gesamtausgaben

  • Gottfried Keller: Gesammelte Werke. 10 Bände. Wilhelm Hertz, Berlin 1889. (Letzte von Keller autorisierte Werkausgabe).
  • Gottfried Keller: Sämtliche Werke. Auf Grund des Nachlasses besorgte und mit einem wissenschaftlichen Anhang versehene Ausgabe. 22 Bände. Hrsg. von Jonas Fränkel und (ab 1942) Carl Helbling. Benteli, Bern / Zürich 1926–1949. (Erste textkritische Ausgabe. Fränkels wichtigste philologische Leistung ist die Rekonstruktion des originalen Textes der Kellerschen Gedichte von 1846).
  • Historisch-Kritische Gottfried Keller-Ausgabe (HKKA). 32 Bände in vier Abteilungen. Hrsg. von Walter Morgenthaler et al., Stroemfeld, Basel / Frankfurt a. M. sowie Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich seit 1996. (Zu den Editionsprinzipien und zum Aufbau siehe Projektbeschreibung (HKKA).)
Sammelausgabe von Kellers Briefen
  • Jonas Fränkel (Hrsg.): Gottfried Kellers Briefe an Vieweg. Zürich und Leipzig 1938.
  • Carl Helbling (Hrsg.): Gottfried Keller. Gesammelte Briefe. Vier Bände. Benteli, Bern 1950–54. (In den Einzelnachweisen als Gesammelte Briefe).

Literatur

Bibliografien und Forschungsberichte
  • Charles C. Zippermann: Gottfried Keller Bibliographie 1844–1934. Rascher, Zürich u. a. 1935.
  • Wolfgang Preisendanz: Die Keller-Forschung der Jahre 1939–1957. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift. Neue Folge, Bd. 39/1958, S. 144–178.
  • U. Henry Gerlach: Gottfried Keller Bibliographie. Niemeyer, Tübingen 2003, ISBN 3-484-10849-5.
Biografische Artikel in Nachschlagewerken
Biografische Gesamtdarstellungen
  • Jakob Baechtold: Gottfried Kellers Leben. Seine Briefe und Tagebücher. 3 Bände. Wilhelm Hertz, Berlin 1894–1897. (In den Einzelnachweisen als Baechtold).
  • Emil Ermatinger: Gottfried Kellers Leben. Mit Benutzung von Jakob Baechtolds Biographie. 8. Aufl. Artemis, Zürich 1950. Neudruck unter dem Titel: Gottfried Keller. Eine Biographie. Diogenes, Zürich 1990, ISBN 3-257-21813-3.
Biografische Interpretationen des Gesamtwerks
  • Walter Muschg: Umriß eines Gottfried-Keller-Portraits. Der Zwerg. Das Vaterland. In: Elli Muschg-Zollikofer (Hrsg.): Gestalten und Figuren. Francke, Bern / München 1968, S. 148–208.
  • Adolf Muschg: Gottfried Keller. Kindler, München 1977, ISBN 3-463-00698-7.
  • Gerhard Kaiser: Gottfried Keller. Das Gedichtete Leben. Kindler, Frankfurt am Main 1881, ISBN 3-458-04759-X.
  • Rainer Würgau: Der Scheidungsprozess von Gottfried Kellers Mutter. Thesen gegen Adolf Muschg und Gerhard Kaiser. Niemeyer, Tübingen 1994, ISBN 3-484-32073-7. (Kurzfassung).
  • Florian Trabert: Gottfried Keller (= Literatur Kompakt. Bd. 9). Tectum, Marburg 2015, ISBN 978-3-8288-3486-6.
  • Ulrich Kittstein: Gottfried Keller: ein bürgerlicher Außenseiter. wbg Academic, Darmstadt 2019, ISBN 978-3-534-27072-9.
Studien zu einzelnen Gedichten
  • Eva Maria Brockhoff: Die Kühle im warmen Golde der Sommernacht. Zu Gottfried Kellers ‹Sommernacht›. In: Günter Häntzschel (Hrsg.): Gedichte und Interpretationen. Bd. 4: Vom Biedermeier zum Bürgerlichen Realismus (= RUB, Nr. 7893). Reclam, Stuttgart 2011 [zuerst 1983], ISBN 978-3-15-007893-8, S. 169–178.
  • K. Emil Hoffmann: Ein unbekanntes Gedicht Gottfried Kellers. In: Basler Jahrbuch. 1925, S. 163–164.
Enzyklopädisches
  • Ursula Amrein (Hrsg.): Gottfried Keller. Handbuch. Leben – Werk – Wirkung. Metzler, Stuttgart 2016, ISBN 978-3-476-02327-8.
  • Martin Müller: Gottfried Keller. Personenlexikon zu seinem Leben und Werk. Chronos, Zürich 2007, ISBN 3-0340-0870-8.
Essays
Kellers Stellung in der Literaturgeschichte
  • Georg Lukács: Gottfried Keller. In: Deutsche Realisten des 19. Jahrhunderts. Aufbau, Berlin 1952, S. 147–230.
  • Fritz Martini: Gottfried Keller. In: Deutsche Literatur im bürgerlichen Realismus 1848–98. 4. Auflage. Metzler, Stuttgart 1981, ISBN 3-476-00463-5, S. 557–610.
  • Wolfgang Preisendanz: Gottfried Keller. In: Benno von Wiese (Hrsg.): Deutsche Dichter des 19. Jahrhunderts. 2. Aufl. E. Schmidt, Berlin 1979, ISBN 3-503-01601-5, S. 508–531.
Keller als Literaturkritiker und Leser
  • Rätus Luck: Gottfried Keller als Literaturkritiker. Francke, Bern / München 1970.
  • Klaus Jeziorkowski: Literarität und Historismus. Beobachtungen zu ihrer Erscheinungsform im 19. Jahrhundert am Beispiel Gottfried Kellers. Winter, Heidelberg 1979, ISBN 3-533-02858-5.
Keller zwischen Literatur und Politik
  • Hans Max Kriesi: Gottfried Keller als Politiker. Huber, Frauenfeld / Leipzig 1918.
  • Jonas Fränkel: Gottfried Kellers Politische Sendung. Oprecht, Zürich 1939.
  • Kurt Guggenheim: Das Ende von Seldwyla. Ein Gottfried-Keller-Buch. Artemis, Zürich / Stuttgart 1965.
Keller als Maler
  • Paul Schaffner: Gottfried Keller als Maler. Cotta, Stuttgart / Berlin 1923.
  • Bruno Weber: Gottfried Keller – Landschaftsmaler. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 1990, ISBN 3-85823-265-3.
Bildbände
  • Walter Baumann: Gottfried Keller. Leben, Werk, Zeit. Artemis, München / Zürich ca. 1986, ISBN 3-7608-0680-5.
  • Hans Wysling (Hrsg.): Gottfried Keller 1819–1890. Artemis, Zürich / München 1990, ISBN 3-7608-1024-1.
Commons: Gottfried Keller – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Gottfried Keller – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise

  1. Gottfrieds Mutter und Schwester.
  2. «Autobiographisches» (1876), zitiert nach Gottfried Keller’s Nachgelassene Schriften und Dichtungen. Hrsg. von Jakob Baechtold. Berlin 1893, S. 20 (online unter s:Zwei autobiographische Schriften). – Baechtold, von Keller zum literarischen Nachlassverwalter bestimmt, legte mit Gottfried Kellers Leben, seine Briefe und Tagebücher (Berlin 1894–1897) das Fundament der Keller-Biographie. 1915/1916 erschien von Emil Ermatinger Gottfried Kellers Leben. Mit Benutzung von Jakob Baechtolds Biographie dargestellt. ein Werk, das 1950 die 8. Auflage erlebte und 1990 noch einmal unverändert nachgedruckt wurde. Aus Gründen, die Jonas Fränkel dargestellt hat (in: Göttinger Gelehrter Anzeiger. Dezember 1916, S. 681–706), wird im vorliegenden Artikel auf Baechtold zurückgegriffen, außer dort, wo die Keller-Forschung dessen Darstellung seither korrigiert bzw. ergänzt hat.
  3. Rainer Würgau: Der Scheidungsprozeß von Gottfried Kellers Mutter. Thesen gegen Adolf Muschg und Gerhard Kaiser. Niemeyer, Tübingen 1994, S. 78f. (Kurzfassung dieser Studie).
  4. Würgau, S. 86.
  5. Baechtold, Bd. 1, S. 39.
  6. s:Zwei autobiographische Schriften, S. 13.
  7. Vgl. die Kapitel «Habersaat und seine Schule» und «Schwindelhaber» im 2. Band. Abgesehen von dieser Erzählung ist über Kellers erste Lehrjahre kaum mehr bekannt, als dass sein Lehrherr Peter Steiger hieß (Baechtold, Bd. 1, S. 49).
  8. Baechtold, Bd. 1, S. 55.
  9. Vgl. die Kapitel «Habersaat und seine Schule» und «Arbeit und Beschaulichkeit» im 2. und 3. Band des Grünen Heinrich. Baechtold spricht von der «fortgesetzten massenhaften Lektüre» des jungen Keller (Bd. 1, S. 80). Siehe auch s:Zwei autobiographische Schriften S. 13 f.
  10. Faksimiliert in: Walter Morgenthaler (Hrsg.): Historisch-Kritische Gottfried Keller-Ausgabe (HKKA). Basel u. a., 1996 ff., Band 16.1.
  11. Baechtold, Bd. 1, S. 87.
  12. Unter ihnen auch Meisterschüler von Ludwig Schwanthaler und Wilhelm von Kaulbach, vgl. Paul Schaffner: Gottfried Keller als Maler. Cotta, Stuttgart / Berlin 1923, S. 97 ff.
  13. s:Zwei autobiographische Schriften, S. 18.
  14. Baechtold, Bd. 1, S. 200.
  15. Vgl. Albert Portmann-Tinguely, Philipp von Cranach: Flüchtlinge; Das liberale Asylland des 19. Jahrhunderts. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  16. Baechtold, Bd. 1, S. 237.
  17. Sämtliche Werke, Bd. 14, hrsg. von Jonas Fränkel, S. 5.
  18. s:Zwei autobiographische Schriften, S. 3.
  19. Zeichnerische Schnurrpfeifereien Gottfried Kellers
  20. s:Zwei autobiographische Schriften, S. 19.
  21. Emil Ermatinger: Gottfried Kellers Leben. 8. Aufl. Artemis, Zürich 1950, S. 151. Vgl. Keller: Gedichte. 1846, Sonette XXI.–IV.
  22. In drei zusammenhängenden Kapiteln des 3. Bandes: «Fremde Liebeshändel», «Wiederum Fastnacht» und «Das Narrengefecht».
  23. Baechtold, Bd. 1, S. 273 (online).
  24. Zitiert nach Carl Hebling (Hrsg.): Gottfried Keller: Gesammelte Briefe. 4 Bände. Bern 1951, Bd. 2, S. 9. Erwähnungen dieser Ausgabe weiterhin kurz als Gesammelte Briefe.
  25. Eintrag vom 16. September 1847, Baechtold, Bd. 1, S. 293.
  26. Tagebucheintrag vom 20. September 1847, Baechtold, Bd. 1, S. 298.
  27. Keller an Eduard Dössekel, 25. März 1848. Gesammelte Briefe. Bd. 2, S. 454.
  28. Im ersten Kapitel des 4. Bandes: «Der borghesische Fechter» (online verfügbar).
  29. 28. Januar 1849, Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 273 f.
  30. Im 12. Kapitel des 4. Bandes: «Der gefrorne Christ».
  31. Dieses Gedicht, von Keller selbst nie veröffentlicht, lag seinem nie abgeschickten Abschiedsbrief an Johanna bei, 11. Dezember 1849. Gesammelte Briefe. Bd. 2, S. 35–38.
  32. Keller an Müller von Königswinter, 27. Mai 1856. Gesammelte Briefe. Bd. 4, S. 56.
  33. Keller an Freiligrath, 30. April und 10. Oktober 1850. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 247, 255.
  34. Keller an Freiligrath, Ende 1854. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 256.
  35. Baechtold, Bd. 2, S. 58.
  36. Keller an Freiligrath, 10. Oktober 1850. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 235.
  37. Keller an Hettner, 16. September 1850. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 330.
  38. Baechtold, Bd. 2, S. 15; Keller an Hettner, 29. Mai 1850. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 315, 318 f.
  39. Keller an Hettner, 23. Oktober 1850. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 340.
  40. Keller an Hettner, 16. September 1850. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 330 f.
  41. Keller an Hettner, 29. August 1851. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 362.
  42. Keller an Hettner, 16. September 1850 und 4. März 1851. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 332f., 354ff.
  43. Baechtold, Bd. 2, S. 7.
  44. Keller an Baumgartner, September 1851. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 296.
  45. Johann Nepomuk Bachmayr an Keller, Mai 1851; zitiert nach Baechtold, Bd. 2, S. 10 Anm.
  46. Keller an Paul Heyse, 13. Dezember 1878. Gesammelte Briefe. Bd. 3, S. 33.
  47. 18. Dezember 1851. Gesammelte Briefe. Bd. 2, S. 36.
  48. Keller an Hettner, 6. April 1854. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 395 f.
  49. Die Schrift des Angelus Silesius regte Keller zu einer Szene im 4. Band des Grünen Heinrich an: vgl. Kapitel 12 «Der gefrorne Christ» (online verfügbar).
  50. 6. April 1854. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 396.
  51. Gottfied Keller bei Lina Tendering. Abgerufen am 6. Januar 2020.
  52. Ludwig Pietsch: Wie ich Schriftsteller geworden bin. Der wunderliche Roman meines Lebens. (1893). Neu hrsg. und kommentiert von Peter Goldammer. Berlin 2000, S. 84.
  53. Vgl. Kapitel 13, «Das eiserne Bild».
  54. Vgl. Ermatinger: Gottfried Kellers Leben. S. 224 f.
  55. Keller an Hettner, 21. Oktober 1854. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 405.
  56. Keller an Baumgartner, Juli 1852. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 307.
  57. 16. Juli 1853. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 367f.
  58. An Hettner, 3. August 1853. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 375.
  59. Er fiel auf den 1. April.
  60. An Hettner, 9. Mai 1855. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 409.
  61. An Keller, 12. Januar 1853. Gesammelte Briefe. Bd. 3.1, S. 65 f.
  62. An Vieweg, 31. Juli 1854. Gesammelte Briefe. Bd. 3.1, S. 88.
  63. Vgl. Jonas Fränkel: Gottfried Kellers Briefe an Vieweg. Zürich / Leipzig 1938, S. 116.
  64. Jonas Fränkel: Gottfried Kellers Briefe an Vieweg. Zürich / Leipzig 1938, S. 15.
  65. Vgl. Klaus Jeziorkowski: Literarität und Historismus. Beobachtungen zu ihrer Erscheinungsform im 19. Jahrhundert am Beispiel Gottfried Kellers. Winter, Heidelberg 1979.
  66. Vgl. Heines Nachwort zum Romanzero.
  67. Vgl. die Gedichte Wilhelm v. Humboldts Landhaus am Tegelsee und Im Tiergarten, (Neuere Gedichte 1854, in: Sämtliche Werke. Hrsg. von Fränkel. Bd. 15.1, S. 165 ff.)
  68. An Hettner, 11. Dezember 1854. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 385.
  69. 11. November 1855. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 131 f.
  70. Johann Jacob Sulzer, Freund und Helfer Wagners und Kellers.
  71. An Lina Duncker, 13. Januar 1856. Gesammelte Briefe. Bd. 2, S. 146 f.
  72. Baechtold, Bd. 2, S. 307.
  73. An Hettner, 21. Februar 1856. Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 425.
  74. An Assing, 21. April 1856. Gesammelte Briefe. Bd. 2, S. 44.
  75. Rheingold. Vgl. auch Literarische Alliteration und Stabreim.
  76. «Am Mythenstein», erschienen in Cottas Morgenblatt für gebildete Leser, 2. und 9. April 1861; Sämtliche Werke. Bd. 22. Hrsg. von Carl Helbling, Bern 1948, S. 121–157.
  77. Vgl. François de Capitani: Eidgenössische Feste; Verbandsfeste als Nationalfeste. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  78. Vgl. Kapitel 14 des vierten Bandes (erste Fassung).
  79. Vgl. die umfangreiche Abteilung «Festlieder und Gelegentliches» in: Sämtliche Werke. Bd. 1. Hrsg. von Jonas Fränkel, S. 231–324.
  80. Vgl. François de Capitani: Festspiel. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  81. s:Zwei autobiographische Schriften, S. 5.
  82. Vgl. Ralf G. Bogner (Hrsg.): Heinrich Heines Höllenfahrt. Nachrufe auf einen streitbaren Schriftsteller. Dokumente 1846–1858. Verlag Palatina, Heidelberg 1997, ISBN 978-3-932608-02-5.
  83. 22. April 1860, Gesammelte Briefe. Bd. 1, S. 268.
  84. In der Novelle Frau Regel Amrain und ihr Jüngster und im Grünen Heinrich, Kapitel 14 des vierten Bandes (erste Fassung).
  85. Vgl. die Tischgespräche während des Tellenspiels, Kapitel 8 des zweiten Bandes (erste Fassung), kaum verändert in der endgültigen Fassung (Kapitel 15 des 2. Bandes).
  86. Sämtliche Werke. Bd. 10. Hrsg. von Jonas Fränkel, S. 36.
  87. Abdruck seiner Rede vom 13. Februar 1861 vor dem Zürcher Großen Rat; zitiert nach: Gottfried Keller. Sämtliche Werke. Bd. 21. Hrsg. von Carl Helbling, S. 305.
  88. «Nachträgliches» in: Zürcher Intelligenzblatt. 22. Februar 1861; Sämtliche Werke. Bd. 21. Hrsg. von Carl Helbling, S. 133.
  89. Sämtliche Werke. Bd. 21. Hrsg. von Carl Helbling, S. 149.
  90. Vgl. Thomas Gull: Kinderarbeit. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  91. Baechtold, Bd. 2, S. 317.
  92. s:Zwei autobiographische Schriften, S. 9 f.
  93. Baechtold, Bd. 2, S. 315.
  94. Dokumentation bei Baechtold, Anhang zu Bd. 2, S. 529–536.
  95. Baechtold, Bd. 2, S. 320 f.; Ermatinger: Gottfried Kellers Leben. S. 356 f. Die Anekdote ist zweimal literarisch bearbeitet worden: Kurt Guggenheim deutete 1965 Kellers Nicht-Erscheinen zum Dienst als Ausdruck seines Widerstands gegen den Verzicht auf eine freie Dichterexistenz (vgl. das fiktive Zwiegespräch Keller-Hagenbuch in Das Ende von Seldwyla, S. 124–136); Adolf Muschg verstand die Attacke auf Lassalle als Kellers Bruch mit der literarisch-politischen Bohème und der revolutionären Bewegung nach 1848 (vgl. das Theaterstück Kellers Abend).
  96. Hierzu Baechtold: «Sofort nach der Wahl Kellers verschwur sich ein Teil der Züricher Geistlichkeit, nie und nimmer ein Mandat aus dieser Feder von der Kanzel herunter, wie dies Brauch ist, verlesen zu wollen.» (Bd. 3, S. 3.)
  97. Emil Ermatinger: Gottfried Kellers Leben, S. 379–381.
  98. Die dramatischen Vorgänge der «trockenen Revolution» (Keller) von 1863 bis 1869 beschreiben Meinrad Suter und Thomas Weibel in: Kleine Zürcher Verfassungsgeschichte 1218–2000. Hrsg. vom Staatsarchiv des Kantons Zürich, 2002, S. 57–81.
  99. 12. Juni 1868. Gesammelte Briefe. Bd. 2, S. 122 f.
  100. Nur wenige schriftliche Spuren dokumentieren die Wirkung von ihrem Tod auf Keller, darunter drei Gedichte: Du solltest ruhen und ich störe dich (entstanden am 8. August 1866, im Nachlass aufgefunden), Geistergruß und Die Entschwundene (beide in den Gesammelten Gedichten von 1883).
  101. Worte einer Freundin, zitiert nach Werner Staub: Christina Luise Scheidegger 1843–1866, die Braut von Gottfried Keller. In: Jahrbuch des Oberaargaus 1982. Langenthal (Bern) 1982, S. 159–184.
  102. Vgl. Emil Ermatinger: Gottfried Kellers Leben. S. 381 f.; Walter Baumann: Gottfried Keller. Leben, Werk, Zeit. S. 139–46; Hans Wysling (Hrsg.): Gottfried Keller. S. 240–45. Baechtold erwähnt Verlobung und Freitod Luise Scheideggers mit keinem Wort.
  103. Walter Morgenthaler: «Regenliedchen für Line.» Neue Funde zur Biographie von Gottfried Keller. In: Neue Zürcher Zeitung. 30. April 1994, S. 65; siehe auch Lina Weissert bei GottfriedKeller.ch.
  104. Baechtold, Bd. 3. S. 14.
  105. 2. März 1873; zitiert nach Hans Wysling Hrsg.: Gottfried Keller. S. 418.
  106. An Emil Kuh, 28. Juli 1872. Gesammelte Briefe. Bd. 3.1., S. 165.
  107. 6. Dezember 1874. Gesammelte Briefe. Bd. 3.1., S. 183.
  108. Vgl. Ermatinger: Gottfried Kellers Leben. S. 526.
  109. Selbstbiographie (1889) In: Chronik der Kirchgemeinde Neumünster. Herausgegeben von der Gemeinnützigen Gesellschaft von Neumünster 1889. S. 430 ff.
  110. Wie die Chronik der Kirchgemeinde Neumünster zu der einzig existierenden Selbstbiographie Gottfried Kellers kam. In: Die Schweiz. Schweizerische illustrierte Zeitschrift. XVI. Jg.16., Zürich 1912, S. 548 f.
  111. [Gottfried Keller.]. In: Neue Freie Presse. Abendblatt, 17. Juli 1890, S. 2 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  112. Am Fuss des Grabdenkmals befindet sich eine Steinplatte mit Namen und Daten der Verstorbenen
  113. Dietrich Seybold: Gottfried Keller. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 2, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 978 f.
  114. Dramatischer Verein Zürich. In: Theaterlexikon der Schweiz. Aufgerufen am 18. November 2016.
  115. Deutsche Rundschau. Februar 1877.
  116. In: Menschliches, Allzumenschliches. Zweiter Band, zweite Abteilung.
  117. Gottfried Keller. Schuster & Löffler, Berlin 1904. Nachdruck: Insel-Bücherei Nr. 113, Leipzig 1914; vgl. auch Literaturverzeichnis.
  118. Unterhaltung über Gottfried Keller. In: Die Rheinlande. Dezember 1906. In: Gesammelte Werke. Hrsg. von Herbert Steiner. S. Fischer, Frankfurt a. M. 1951, Bd. 6, S. 191–201.
  119. Brief an den Schulfreund Ludwig Ewers, 12. Januar 1909.
  120. Neue Zürcher Zeitung. 19. Juli 1919. In: Altes und Neues. Kleine Prosa aus fünf Jahrzehnten. Aufbau-Verlag, Berlin / Leipzig 1965, S. 666.
  121. Die gerettete Zunge. Geschichte einer Jugend. Carl Hanser Verlag, München 1977, Teil 4.
  122. Die Literarische Welt. 5. August 1927; vgl. auch Literaturverzeichnis.
  123. Kölnische Zeitung, 1. Mai 1927. In: Sämtliche Werke. Hrsg. von Volker Michels. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 2003, Bd. 19, S. 45.
  124. Vgl. Inge Scholl: Die Weiße Rose. Fischer, Frankfurt a. M. 1952; Text und Bericht unter Gottfried Keller, die Weiße Rose und Thomas Mann (Memento vom 31. Juli 2012 im Webarchiv archive.today).
  125. Vgl. Der sanfte Unmensch. Einhundert Jahre «Nachsommer». Süddeutscher Rundfunk, 21. November 1958. In: Das essayistische Werk zur deutschen Literatur in 4 Bänden. Hrsg. von der Arno-Schmidt-Stiftung. Haffmans-Verlag, Zürich 1988, Bd. 3, S. 174.
  126. Vgl. Jargon der Eigentlichkeit. In: Gesammelte Schriften. Hrsg. von Rolf Tiedemann. Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1973, Bd. 6, S. 464.
  127. Georg Henrik von Wright, Kollege und Nachlassverwalter Wittgensteins, schreibt: Wittgenstein sometimes read to me from his favorite authors, for example, from Grimm’s Märchen or Gottfried Keller’s Züricher Novellen. The recollection of his voice and facial expression when, seated in a chair in his sickroom, he read aloud Goethe’s Hermann und Dorothea is for me unforgettable. In: Paul Arthur Schilpp, Lewis Edwin Hahn (Hrsg.): The Philosophy of Georg Henrik von Wright. Open Court, La Salle 1989, S. 14.
  128. Quellen zu diesem Abschnitt: Musikabteilung der Zentralbibliothek Zürich (Suche), The Lied and Art Song Texts Page (lieder.net), sowie online-Werkverzeichnisse von Kurt Hessenberg und Richard Wetz.
  129. Nr. 1 von Three Songs Op. 45 (1972): «Nun hab’ ich gar die Rose aufgegessen» (aus dem Zyklus Lebendig Begraben) in der Übersetzung von James Joyce »Now have I fed and eaten up the rose”.
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