Gendarmenmarkt
Der Gendarmenmarkt ist ein nach dem ursprünglich hier angesiedelten Kürassierregiment Gens d’armes benannter Platz im Berliner Ortsteil Mitte des gleichnamigen Bezirks. Angelegt bei der Stadterweiterung im Jahr 1688, wurde er im Zweiten Weltkrieg zerstört und 1976–1993 wiederaufgebaut. Auf ihm befinden sich das heute als Konzerthaus genutzte Schauspielhaus von Karl Friedrich Schinkel sowie der Deutsche und Französische Dom von Carl von Gontard. Der Gendarmenmarkt gilt als „schönster Platz Berlins“.[1]
Gendarmenmarkt | |
---|---|
Gendarmenmarkt mit Schauspielhaus und Französischem Dom, 1984 | |
Basisdaten | |
Ort | Berlin |
Ortsteil | Mitte |
Angelegt | 1688 |
Neugestaltet | 1773 1936 1976 |
Hist. Namen | Lindenmarkt, Mittelmarkt, Friedrichstädtischer Markt, Neuer Markt, Schillerplatz, Platz der Akademie |
Einmündende Straßen | Jägerstraße, Taubenstraße, (sowie begrenzend:) Französische Straße, Markgrafenstraße, Mohrenstraße, Charlottenstraße |
Bauwerke | Schauspielhaus, Französischer Dom Französische Friedrichstadtkirche Deutscher Dom Deutsche Kirche Schillerdenkmal |
Nutzung | |
Nutzergruppen | Fuß- und Radverkehr |
Lage
Der rund 3,3 Hektar große Platz liegt inmitten des auf dem Reißbrett geschaffenen Stadtviertels Friedrichstadt. Er nimmt drei der Karrees ein und wird begrenzt durch die Französische Straße im Norden, die Charlottenstraße im Westen, die Mohrenstraße im Süden und die Markgrafenstraße im Osten. Die Jäger- und die Taubenstraße werden durch den Platz geteilt und sind im Bereich des Platzes – als Straßen kaum noch kenntlich – in Form einer Fußgängerzone ausgelegt.
Geschichte
Entstehung
Der Platz entstand ab 1688 nach Plänen von Johann Arnold Nering als Teil der Friedrichstadt, die Kurfürst Friedrich III., der spätere König Friedrich I. in Preußen, Ende des 17. Jahrhunderts anlegen ließ. In diesem historischen Viertel siedelte sich ein Großteil der französischen Einwanderer (Hugenotten) an, denen der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg mit dem Edikt von Potsdam im Jahr 1685 den Schutz ihrer religiösen Freiheit und volles Bürgerrecht zugesichert hatte.
König Friedrich I. wies sowohl der lutherischen als auch der französisch-reformierten Gemeinde je eine Stelle auf dem Platz zum Kirchenbau zu: im Norden für die Französische Friedrichstadtkirche und im Süden für die Deutsche Kirche. Beide Kirchenbauten entstanden nach 1701 zunächst ohne die später angebauten Türme.
Seine Gestalt erhielt der Platz unter Friedrich II. (Friedrich der Große) mit den beiden identischen Kuppeltürmen neben den Kirchen. Sie wurden in den Jahren 1780–1785 nach Plänen von Carl von Gontard errichtet. Als Vorbild für die Neugestaltung wird oft die Piazza del Popolo in Rom erwähnt, Laurenz Demps jedoch bezweifelt dies.[2] Da das Charakteristikum des Platzes in der Überdimensionierung der Türme besteht, wird manchmal als Vorbild das Old Royal Naval College (1703) in Greenwich genannt.
Ursprünglich als Markt angelegt, hieß der Platz im 17. Jahrhundert Linden-Markt, im 18. Jahrhundert bis 1786 Mittelmarkt oder Friedrichstädtischer Markt, danach Neuer Markt. 1799 erhielt er den Namen Gendarmenmarkt in Erinnerung an die Stallungen des Kürassierregiments der Gens d’armes, die der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. 1736 hier errichten ließ. Um den Platz herum standen die Wohnhäuser hoher Beamter des Königs, staatliche Behörden und bedeutende Hotels, darunter das Hotel de Brandebourg.
Geschichte bis 1945
Friedrich der Große, Sohn des „Soldatenkönigs“, ließ die Stallungen im Jahr 1773 abreißen, und den Platz nach Plänen von Georg Christian Unger einheitlich mit dreigeschossigen Wohnhäusern umsäumen. Zwischen den beiden Kirchen entstand ein kleines französisches Komödientheater, das 1800–1802 durch ein neues Nationaltheater mit 2000 Sitzplätzen ersetzt wurde. Dieses vom Architekten Carl Gotthard Langhans geschaffene Theater brannte 1817 ab. Karl Friedrich Schinkel errichtete im Stil des Klassizismus an seiner Stelle bis 1821 den platzbeherrschenden Neubau. Als preußisches Staatstheater wurde das Schauspielhaus zu einer der führenden deutschsprachigen Bühnen.
Der Gendarmenmarkt war Ort wechselhaften politischen Geschehens in Berlin. Die Revolution von 1848/1849 kündigte sich schon 1847 auf dem Gendarmenmarkt durch die Kartoffelrevolution an, einen Aufruhr gegen gestiegene Lebensmittelpreise. Die in den Barrikadenkämpfen während der Märzrevolution von 1848 Gefallenen wurden auf den Stufen des Deutschen Doms feierlich aufgebahrt. Ab September 1848 tagte die Preußische Nationalversammlung mehrere Wochen im Großen Saal des Schauspielhauses.
Das Denkmal für Friedrich Schiller vor dem Schauspielhaus ist eine Auftragsarbeit an Reinhold Begas. Die feierliche Grundsteinlegung erfolgte am 10. November 1859 anlässlich des 100. Geburtstags des Nationaldichters, zwölf Jahre später die Einweihung. Zwischen 1871 und 1936 hieß dieser Teil des Gendarmenmarkts Schillerplatz.[3][4]
Die Umgestaltungen repräsentativer Plätze im Zentrum Berlins während der Zeit des Nationalsozialismus betrafen neben dem Lustgarten, dem Kaiser-Franz-Joseph-Platz und dem Wilhelmplatz auch den Gendarmenmarkt. Alle dienten nunmehr als Aufmarschplätze für propagandistische Veranstaltungen und sonst, außer dem Lustgarten, als Pkw-Parkplätze. Auf dem Gendarmenmarkt ersetzte ab 1936 ein großflächiges Muster quadratischer Platten, das in Grundzügen noch vorhanden ist (Stand: 2020), das Schillerdenkmal sowie die gärtnerischen Schmuckanlagen. Jährlich fand auf dem Gendarmenmarkt die jahrgangsweise Aufnahme von Jungen des Deutschen Jungvolks in die Hitlerjugend statt.[5]
Geschichte seit 1945
Im Zweiten Weltkrieg erlitt der Platz starke Beschädigungen. Die drei platzbildenden Gebäude brannten nahezu vollständig aus, doch blieben ihre Bausubstanz samt Fassaden- und Figurenschmuck erhalten. Im Jahr 1948 gab das Alexandrow-Ensemble, der berühmte sowjetische Soldatenchor mit Orchester, vor dieser Kulisse ein Konzert. Anlässlich der 250-Jahr-Feier der 1946 hier angesiedelten Deutschen Akademie der Wissenschaften bekam der Gendarmenmarkt 1950 den Namen Platz der Akademie.
Im Jahr 1976 erteilte der Magistrat von Berlin den Auftrag zum Wiederaufbau des Platzes als geistig-kulturelles Zentrum.[6] Durch die Wiederherstellung der drei beherrschenden Gebäude von 1976 bis 1993 und die Lückenschließungen in der Randbebauung von 1985 bis 1996 konnte die eindrucksvolle Platzanlage zurückgewonnen werden. Schon die Bebauung der 1980er Jahre zeigte das Bemühen, der Bedeutung des Standortes gerecht zu werden: „Die meist in Stahlskelettbauweise mit vorgehängter Fassade errichteten Gebäude wurden mit farbigen Mosaikinkrustationen oder Rundbogenarkaden aus materialsichtigem Betonwerkstein und historisierenden Bauelementen verfeinert.“[7] Auf dem Platz stehen einige bemerkenswerte Bäume, von denen die folgenden als Naturdenkmale unter Schutz stehen: zwei Japanische Schnurbäume, eine Strauchkastanie sowie ein Französischer Ahorn.[8]
Am 2. Oktober 1990, dem Vorabend der deutschen Wiedervereinigung, fand auf diesem Platz der letzte Staatsakt der DDR-Regierung unter Ministerpräsident Lothar de Maizière mit der Aufführung von Beethovens 9. Sinfonie unter Leitung von Kurt Masur statt. Im Jahr 1991 erhielt der Platz seinen historischen Namen zurück.
Am 5. Februar 2021 wurden die Platzgestaltung und die Randbebauung des Gendarmenmarktes als bedeutende Zeugnisse der Postmoderne in der ehemaligen DDR unter Denkmalschutz gestellt.[9][10] Der Platz soll 2022 bis 2024 nach historischem Vorbild saniert werden.[11]
- Gendarmenmarkt mit Komödienhaus (links), Gemälde von Carl Traugott Fechhelm, 1788
- Gendarmenmarkt mit Nationaltheater (rechts), Aquarell von Friedrich August Calau, um 1815
- Gendarmenmarkt in Berlin, Gemälde von Carl Hasenpflug, 1822
- Aufbahrung der Märzgefallenen, Gemälde von Adolph Menzel, 1848
- Ansicht des Gendarmenmarkts von Südosten, um 1900
- Briefmarke der Serie Berliner Bauten, 1949
- Ruine des Schauspielhauses und des Französischen Doms, 1951
Nutzung
- Seit 1992 findet einmal jährlich Anfang Juli das Classic Open Air-Konzert auf dem Platz statt.[12]
- Im Dezember gibt es den Weihnachtsmarkt am Gendarmenmarkt.
- An jedem 3. Oktober veranstaltet der Verein der Freunde und Förderer des Gendarmenmarktes e. V. anlässlich des Jahrestages der deutschen Wiedervereinigung ein „Einheitsfest“ auf dem Platz.
- An der Ecke Markgrafen-/Jägerstraße steht das Gebäude der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Es wurde 1901 als Sitz der Seehandlungsgesellschaft errichtet.
Außerdem befinden sich am Gendarmenmarkt zahlreiche Restaurants, Geschäfte und Hotels.
Literatur
Fachliteratur
- Laurenz Demps: Der Gensd’armen-Markt. Gesicht und Geschichte eines Berliner Platzes. Henschel, Berlin 1987, ISBN 3-362-00141-6.
- Laurenz Demps: Der schönste Platz Berlins. Der Gendarmenmarkt in Geschichte und Gegenwart. Henschel, Berlin 1993, ISBN 3-89487-012-5.
- Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR – Berlin I. Hrsg. Institut für Denkmalpflege im Henschelverlag, Berlin 1984. S. 212–218.
- Dietmar Schings: Schauplatz Gendarmenmarkt 1800–1848. Verlag Vorwerk 8, Berlin 2010.
- Hermann Müller-Bohm: Die Denkmäler Berlins in Wort und Bild, Berlin o. J. (um 1905).
Belletristik
- Anfang April 1822 skizzierte E. T. A. Hoffmann in der Erzählung Des Vetters Eckfenster das Gewimmel der Berliner Bevölkerung auf dem Gendarmenmarkt während eines Markttages.
Weblinks
- Gendarmenmarkt. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
- Neuer Markt. In: Luise.
- Platz der Akademie. In: Luise.
- Einträge in der Berliner Landesdenkmalliste: zum Ensemble Gendarmenmarkt & Hausvogteiplatz, Stadtplatz Gendarmenmarkt und zum Schiller-Denkmal
- Verein der Freunde und Förderer des Gendarmenmarktes Berlin
- Private Website zum Gendarmenmarkt
Einzelnachweise
- https://www.gendarmenmarkt.de/geschichte-des-gendarmenmarktes-berlin-mitte.htm
- Siehe Literaturliste: Laurenz Demps 1993, S. 42.
- Bildmitte oberhalb roter U-Bahn-Linie auf Westermanns Plan von Berlin. Berlin-Mitte um 1932 (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Schillerplatz. In: Berliner Adreßbuch, 1911, III, S. 750.
- Eva-Maria Kaufmann Von der Wanderschaft der Denkmäler in Berlin. In: Der Bär von Berlin: Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlins, 56. Folge, 2007. Verein für die Geschichte Berlins e. V. Berlin, 2007, S. 35.
- Adalbert Behr, Alfred Hoffmann: Das Schauspielhaus in Berlin. VEB Verlag für Bauwesen. Berlin, 1984. S. 131.
- Datenbank Gendarmenmarkt & Hausvogteiplatz. Abgerufen am 31. Dezember 2018.
- Detailinformationen zu den Bäumen stadtentwicklung.berlin.de; abgerufen am 16. März 2014.
- Neu unter Denkmalschutz: Gendarmenmarkt. 5. Februar 2021, abgerufen am 6. Februar 2021.
- BauNetz: Ostberliner Postmoderne - Denkmalschutz für den Gendarmenmarkt. 19. Februar 2021, abgerufen am 20. Februar 2021.
- "WeihnachtsZauber Gendarmenmarkt" zieht zum Bebelplatz um. In: Berliner Woche, 8. Juli 2020.
- Homepage zum „Classic Open Air“ mit Diashow