Brennabor
Die Brennabor-Werke Gebr. Reichstein, später Brennabor-Werke AG, waren ein deutscher Hersteller von Kinderwagen, Fahrrädern, Kraftwagen und Motorrädern mit Sitz in Brandenburg an der Havel.[2] Der Name des Unternehmens geht auf den vorgeblich alten (aber falschen) Namen der Stadt Brandenburg zurück.
Brennabor-Werke AG | |
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Rechtsform | Aktiengesellschaft |
Gründung | 1871 (als Brennabor-Werke Gebr. Reichstein) |
Auflösung | 1945 |
Auflösungsgrund | Demontage des Werks nach dem Zweiten Weltkrieg |
Sitz | Brandenburg an der Havel, Deutschland |
Mitarbeiterzahl |
|
Branche | Kinderwagenhersteller, Fahrradhersteller, Kraftfahrzeughersteller |
Seit 2020 ist Brennabor eine Fahrrad- und E-Bike-Marke der Hermann Hartje KG.
Geschichte
Die Brüder Adolf, Carl[3] und Hermann Reichstein gründeten 1871 das Unternehmen. Wie ihr 1862 verstorbener Vater, dessen Geschäft sie fortführten, waren die drei gelernte Korbmacher. Um den Betrieb über Körbe hinaus zu erweitern und von Zulieferern unabhängig zu sein, kamen zur Korbmacherei Tischlerei, Stellmacherei, Schlosserei und Schmiede hinzu, sodass am 21. April 1871 die Herstellung kompletter Kinderwagen begann. Die Belegschaft des Unternehmens stieg innerhalb der ersten drei Jahre auf 300 an.[4]
Ab den 1880er Jahren stellten die Reichsteins auch Fahrräder her, die 1888 den Markennamen Brennabor erhielten.[5] Bis in die 1930er Jahre war Brennabor größter Kinderwagen-Hersteller in Europa und eine der größten Fahrradfabriken.
Ab 1901 fertigten die Werke auch Motorräder in Serie, ab 1903 Kraftwagen (zunächst nur auf Bestellung) mit drei und vier Rädern. 1908 begann die Serienproduktion von Automobilen. Während des Ersten Weltkriegs wurden keine Automobile hergestellt, Motorräder zunächst nur bis 1916.
Die Brennabor-Werke unterhielten ab 1908 einen eigenen Rennstall und erzielten weltweit große Erfolge im Motorsport.
Im Jahr 1919 wurde der Mittelklassewagen Typ P vorgestellt, für den 1921 die Großserienproduktion begann. Anfang bis Mitte der 1920er Jahre war Brennabor zum größten Automobilhersteller Deutschlands aufgestiegen, bis 1927/28 noch Zweitgrößter hinter Opel. Das Unternehmen beschäftigte 1924 6.000 Arbeiter.
Brennabor schloss sich 1919 unter Führung von Sigmund Meyer mit der NAG und Hansa-Lloyd zum Kartell Gemeinschaft Deutscher Automobilfabriken (GDA)[6] zusammen. Diese Vertriebsorganisation bestand bis 1928, führte aber nicht zu einem festen Zusammenschluss der beteiligten Unternehmen.
Brennabor führte 1923/24 als einer der ersten deutschen Automobilhersteller die Fließbandfertigung ein. Die Weltwirtschaftskrise bewirkte, dass die Produktionszahlen zurückgingen, zumal kein Kleinwagen im Angebot war. 1931 entwickelte die Firma auf Basis des Typs Juwel 6 erstmals einen Prototyp mit Frontantrieb (nach Voran-Patenten). Zu einer Serienfertigung kam es aus finanziellen Gründen nicht mehr. 1932 wurde die Automobilproduktion zunächst für acht Monate unterbrochen, im Spätherbst kurzzeitig mit neuen Modellen nochmals aufgenommen und 1933 endgültig eingestellt. 1932 wurden die Brennabor-Werke in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
In Berlin unterhielt das Unternehmen sechs Verkaufsniederlassungen und eine in Potsdam.[7]
Von 1930 bis 1942 produzierte Brennabor Leichtmotorräder mit Einbaumotoren von Fichtel & Sachs, ab 1939 auch mit eigenen Motoren (Modell G 100) und Fahrräder noch bis 1945. Es wurden auch Rüstungsgüter produziert; zum Beispiel die 2-cm-Flak 38. Die Unternehmensgeschichte endete nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 mit der Demontage des Werkes.
Brennabor-Produkte wurden weltweit exportiert, so nach Australien, China, Südamerika, Südafrika und ganz Europa.
Auf dem Werksgelände etablierten sich anschließend die Brandenburger Traktorenwerke, die bis 1964 Rad- und Kettenschlepper produzierten und dann die Produktion auf Nutzfahrzeuggetriebe umstellten. Seit 1991 ist das Getriebewerk Brandenburg ein Tochterunternehmen der ZF Friedrichshafen. ZF unterhält am ehemaligen Werk eine Lehrlingsausbildungsstätte. Seit 2018 arbeitet dort auch die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA), die bundesweit für die Förderung der Riester-Rente zuständig ist.
Neuzulassungen von Brennabor-Pkw im Deutschen Reich von 1933 bis 1938
Jahr | Zulassungszahlen |
---|---|
1933 | 921 |
1934 | 222 |
1935 | |
1936 | 3 |
1937 | |
1938 | 2 |
Quelle:[8]
Pkw-Modelle
Typ | Bauzeitraum | Zylinder | Hubraum | Leistung | Vmax |
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Typ A1 3,5/8 PS | 1905–1911 | 2 Reihe | 904 cm³ | 6–8 PS (5,9 kW) | 50 km/h |
Brennaborette 3,5, 4 und 5,5 PS | 1907–1912 | 1 Zyl. mit 3,5 und 4 PS, 2 Zyl. mit 5,5 PS | 452 cm³ | 3,5 (2,6 kW), 4 und 5,5 PS | 35 km/h |
Kleinwagen 6/12 und 6/14 PS | 1908–1910 | 4 Reihe | 12–14 PS | 70 km/h | |
Typ D 10/20 und 10/24 (Prinz Heinrich Wagen) |
1910–1911 | 4 Reihe | 20 und 24 PS | 80 km/h | |
Typ B 5/12 PS | 1911–1913 | 4 Reihe | 1328 cm³ | 12 PS (8,8 kW) | 55 km/h |
Typ L 6/18 PS | 1911–1914 | 4 Reihe | 1592 cm³ | 18 PS (13,2 kW) | 60 km/h |
Typ C 6/18 PS | 1910–1912 | 4 Reihe | 18 PS | 65 km/h | |
Typ G 8/22 PS | 1910–1914 | 4 Reihe | 2025 cm³ | 22 PS (16,2 kW) | 70 km/h |
Typ F 10/28 PS | 1911–1914 | 4 Reihe | 2476 cm³ | 28 PS (20,6 kW) | 80 km/h |
Typ M 6/16 PS | 1914 | 4 Reihe | 1453 cm³ | 16 PS (11,8 kW) | 70 km/h |
Typ P 8/24 PS | 1919–1925 | 4 Reihe | 2091 cm³ | 24 PS (17,7 kW) | 65 km/h |
Typ S 6/20 PS | 1922–1925 | 4 Reihe | 1569 cm³ | 20 PS (14,7 kW) | 70 km/h |
Typ R 6/25 PS | 1925–1928 | 4 Reihe | 1569 cm³ | 25 PS (18,4 kW) | 70 km/h |
Typ P 8/32 PS | 1925–1927 | 4 Reihe | 2091 cm³ | 27 PS (19,9 kW) | 75 km/h |
Typ AL 10/45 PS | 1927–1930 | 6 Reihe | 2547 cm³ | 45 PS (33 kW) | 70 km/h |
Typ Z 6/25 PS | 1927–1929 | 4 Reihe | 1569 cm³ | 25 PS (18,4 kW) | 70 km/h |
Typ AK 10/45 PS | 1927–1930 | 6 Reihe | 2547 cm³ | 45 PS (33 kW) | 85 km/h |
Typ ASK / Typ AFK 12/55 PS | 1928–1932 | 6 Reihe | 3080 cm³ | 55 PS (40 kW) | 90 km/h |
Typ ASL / Typ AFL 12/55 PS | 1928–1932 | 6 Reihe | 3080 cm³ | 55 PS (40 kW) | 85 km/h |
Ideal 7/30 PS | 1929–1933 | 4 Reihe | 1640 cm³ | 30 PS (22 kW) | 75 km/h |
Juwel 6 10/45 PS | 1929–1932 | 6 Reihe | 2460 cm³ | 45 PS (33 kW) | 85 km/h |
Juwel 8 14/60 und 14/65 PS | 1930–1932 | 8 Reihe | 3417 cm³ | 60 PS (44 kW) | 100 km/h |
Juwel Front 10/45 PS | Prototyp 1931 | 6 Reihe | 2460 cm³ | 45 PS | 85 km/h |
Typ C 4/20 | 1931–1933 | 4 Reihe | 995 cm³ | 20 PS (14,7 kW) | 75 km/h |
Ideal extra 7/30 PS | 1930–1933 | 4 Reihe | 1640 cm³ | 30 PS (22 kW) | 75 km/h |
Typ D 4/22 | 1933 | 4 Reihe | 995 cm³ | 22 PS (16,2 kW) | 75 km/h |
Typ E 8/38 PS | 1933 | 6 Reihe | 1957 cm³ | 38 PS (27,9 kW) | 80 km/h |
Typ F 10/45 PS | 1933 | 6 Reihe | 2460 cm³ | 45 PS (33 kW) | 90 km/h |
Marke nach 1945
In den 1950er Jahren tauchte die Marke Brennabor bei Mopeds westdeutscher Produktion wieder auf[9], produziert von den Brennabor Fahrzeugwerken m.b.H., deren Fabrik sich in der Banksstraße 20–26 in Hamburg befand. Unter anderem gab es von 1953 bis 1955 ein Modell Brennabor FP 5. In den 1990er und 2000er Jahren wurde Brennabor als Handelsmarke für Fahrräder verschiedener Hersteller verwendet. Im September 2020 gab die Hermann Hartje KG aus Hoya, Niedersachsen, bekannt, die Namensrechte an Brennabor erworben zu haben und etablierte die Marke in der folgenden Zeit neu auf dem Fahrrad- und E-Bike-Markt.[10]
Literatur
- Archiv Mario Steinbrink, Interessengemeinschaft Brennabor Brandenburg, www.brennabor-brb.de
- Werner Oswald: Deutsche Autos. Band 2: 1920–1945. 2. Auflage. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 2005, ISBN 3-613-02170-6.
- Bertold Pavel, Frank Brekow, Bernd Krause: Von Brennabor bis ZF Brandenburg. Eine Industriegeschichte. Brandenburgisches Verlagshaus, Berlin 1996, ISBN 3-89488-107-0.
- Fred Frank Stapf, Renate Stapf, Roger Daniel: Brennabor. Vom Korbmacher zum Autokönig. Aus dem Leben der Industriellen-Familie Reichstein 1839–1971. Kerschsteiner Verlag, Lappersdorf 2005, ISBN 3-931954-12-9.
Weblinks
- Interessengemeinschaft Brennabor
- Informationen zu einigen Brennabor-Fahrrädern mit Fotos
- Website der heutigen Marke Brennabor: https://brennabor.bike/
Einzelnachweise
- Brennabor-BRB.
- Oldtimerservice: Brennabor.
- Deutsche Biographie: Reichstein, Carl Eduard Robert.
- Brennabor. In Automodelle, Katalog 1970/71, Vereinigte Motorverlage, Stuttgart 1970, S. 54–56.
- Heimatkundliche Blätter 2016, VFV-Info Heft 1/2016.
- Christoph Graf von Seherr-Thoß: Meyer, Sigmund (genannt Hans Sigismund). In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-00198-2, S. 373 f. (Digitalisat).
- Anzeige der Gebr. Reichstein Brennabor-Werke in Deutsche Allgemeine Zeitung, April 1929.
- Hans Christoph von Seherr-Thoss: Die deutsche Automobilindustrie. Eine Dokumentation von 1886 bis heute. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1974, ISBN 3-421-02284-4, S. 328.
- Brigitte Podszun: Mopeds der Wirtschaftswunderzeit. Podszun Verlag, Brilon, Auflage 2010. ISBN 978-3-86133-276-3.
- Relaunch Radmarkt.de. Abgerufen am 26. Oktober 2021.