Birnthon
Birnthon ist ein als Exklave im Landkreis Nürnberger Land im Nürnberger Reichswald gelegener Gemeindeteil der Stadt Nürnberg (Mittelfranken, Bayern).
Birnthon Statistischer Distrikt 970 Stadt Nürnberg | |
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Höhe: | 385 m ü. NHN |
Einwohner: | 100 |
Eingemeindung: | 1. Juli 1972 |
Postleitzahl: | 90475 |
Vorwahl: | 09128 |
Der zur Stadt Nürnberg gehörende Weiler Birnthon |
Lage
Das Dorf liegt fünf Kilometer östlich der Nürnberger Stadtgrenze (Gemeindeteil Fischbach), etwas südlich der Landstraße Nürnberg-Altdorf. Zusammen mit den beiden nahegelegenen Ortschaften Brunn und Netzstall bildet er als Distrikt 970 den statistischen Bezirk 97 des Nürnberger Stadtgebietes. Birnthon wird westlich der Ortsbebauung vom Ludergraben durchflossen.[1]
Geschichte
Birnthon geht auf eine hochmittelalterliche Zeidlerei im Nürnberger Reichswald zurück. Erstmals schriftlich erwähnt wurde es 1309 als Wirtschaftsgut des Nürnberger Bürgers Conrad Wagner, der sich verpflichten musste, es nicht zu einem Festen Haus auszubauen.[2] Als Besitzer folgten über viele Jahrhunderte eine Reihe der bekanntesten Nürnberger Patrizierfamilien. 1382 gehörte das Zeidelmuttergut dem Ratsherrn Berthold Behaim, dem vor 1397 Heinrich II. Rummel folgte. Dieser unterhielt enge Beziehungen zum Pfalzgrafen und späteren König Ruprecht und erwarb 1409 auch die Herrschaft und Burg Lichtenau, die sein Sohn Franz Rummel im Ersten Markgrafenkrieg 1449 an Albrecht Achilles übergeben musste und erst 1453 zurückerhielt. Als das Rummelsche Fernhandels- und Montanunternehmen in den 1470er Jahren in Schwierigkeiten geriet, wurde 1472 die Herrschaft Lichtenau an das Nürnberger Reiche Almosen verkauft und der Zeidelhof in Birthon an Endres Rech.[3]
Dieser erbaute 1495 mit Erlaubnis des Rats der Reichsstadt ein „Lusthaus“, das mit einer Mauer eingefriedet war. Es handelte sich um eine Fachwerkkonstruktion auf einem massiven Sockelgeschoss. Ihm folgte 1516 Hieronymus Rech, dessen Witwe Agatha 1522 Martin Löffelholz heiratete, den reichsstädtischen Pfleger zu Lichtenau, der 1533 verstarb. Ihr dritter Ehemann, Florentin Örtel, aus einer „ehrbaren Familie“ des Zweiten Standes stammend, stockte 1541 das Herrenhaus mit einem weiteren Fachwerkgeschoss auf.[2] Schon 1552 wurde der Örtel'sche Sitz aber im Zweiten Markgrafenkrieg niedergebrannt und blieb, mehrfach innerhalb der Familie weitergereicht, über zwei Generationen hinweg bis in die 1610er Jahre hinein größtenteils eine Wüstung.
Zwischen 1609 und 1619 ließ Eustachius Carl Holzschuher den Sitz als Vierseithof mit stattlichem Haupthaus wieder aufbauen. Über seine Tochter Maria Salome kam er an die Familie Hüls. Den Dreißigjährigen Krieg überstand das Anwesen unbeschadet, wurde in den 1680er Jahren teilweise erneuert und um zwei Weiher erweitert. Aus dieser Zeit stammen auch die ältesten dendrochronologisch nachweisbaren Bauteile der denkmalgeschützten Gebäude.[4] 1680 kam es an Sigmund Pfintzing und von ihm 1688 an Johann Christoph Tucher, der das Herrenhaus erneuern oder sehr weitgehend umbauen ließ. 1692 kam es an die Nützel, 1755 an Maria Jakobina Ebner geb. Nützel, Witwe des Zweiten Losungers Hieronymus Wilhelm Ebner von Eschenbach. 1762 erweiterte sie den Sitz um ein eingeschossiges Sommerhaus. Sie führte das Gut Birnthon 1773 einer Familienstiftung zu, die von ihren Schwiegersöhnen Haller von Hallerstein und Kreß von Kressenstein verwaltet wurde. Mit dem Gemeindeedikt (1808) wurden die Fideikommissgüter in Bayern aufgehoben, das Stiftungsgut von den Erben zerschlagen und 1813/14 in zwei Teilen verkauft.[2] Der ehemalige Herrensitz wurde seither als Wohnhaus genutzt und vielfach weiterveräußert; 1990 wurde er renoviert.
Das bayerische Urkataster zeigt in den 1810er Jahren für Birnthon fünf Gehöfte mit einem gemeinsamen Brunnen, sowie die beiden Weiher und einen Feldbrunnen in den nördlichen gelegenen landwirtschaftlichen Flächen.[5] Die beiden Weiher wurden im zwanzigsten Jahrhundert zugeschüttet und teils überbaut. Den ehemaligen Hofraum quert eine Dorfstraße und der Brunnen wurde mit einer Garage überformt.
Bis zur kommunalen Gebietsreform hatte Birnthon zu der bis dahin selbstständigen Gemeinde Fischbach gehört, seit deren 1972 erfolgter Eingliederung in die Stadt Nürnberg bildet es eine der drei innerhalb des Landkreises Nürnberger Land gelegenen bewohnten Nürnberger Exklaven.
Infrastruktur / Sehenswertes
In Birnthon befindet sich ein restaurierter Herrensitz.[2] Im Ortskern stehen die fünf südwestlichen Gebäude des aus ehemals zehn Baukörpern bestehenden Vierseithofes unter Denkmalschutz.[4] In den Räumen einer ehemaligen Gastwirtschaft war seit Mitte der 1990er Jahre die türkische Dönüs-Therapieeinrichtung[6] untergebracht, die überwiegend Drogenabhängige orientalischer Abstammung aufnahm. Im August 2015 wurde die überschuldete Einrichtung aufgegeben.[7] Im Ort befindet sich weiterhin die Big Horn Ranch des Nürnberger Westernclubs.[8]
Verkehr
Gemeindestraßen erschließen Birnthon zu der unmittelbar nördlich verlaufenden Kreisstraße LAU 13/N 5 hin. Diese verbindet den Ort nach Westen über Fischbach nach Nürnberg und in östlicher Richtung nach Altdorf.[1] Der ÖPNV versorgt Birnthon an der LAU 13 an zwei Bushaltestellen mit der Stadtbuslinie 59 / N59 nach Nürnberg – Langwasser hin. Morgens gibt es zusätzlich eine einzelne Fahrt der Linie 96 zur Nürnberger Meistersingerhalle, die hauptsächlich von Schülern und Studenten genutzt wird.
Schutzgebiete
Birnthon ist von Bannwald und von den Landschaftsschutzgebieten Birnthon (LSG-00536.12[9]) und Brunn–Netzstall (LSG-00536.11[10]) umschlossen, weshalb die Bauleitplanung der Stadt für den bis heute dörflich strukturierten Ortsteil keine bauliche Erweiterung zulässt.
Die mageren Flachland-Mähwiesen (Alopecurus pratensis, Sanguisorba officinalis) um den Siedlungskörper von Birnthon sind Bestandteil des 43 Hektar umfassenden FFH-Gebiets Rodungsinseln im Reichswald. Der Erhalt des Offenlandcharakters der Rodungsinseln mit den nährstoffarmen bis mäßig nährstoffreichen Standorten und der typischen Vegetation stellt das gebietsbezogene Erhaltungsziel dieses europäischen Schutzgebiets dar.[11] Das artenreiche, größtenteils magere Grünland auf Sandsteinkeuper wurde als überregional bedeutsamer Lebensraum im Arten- und Biotopschutzprogramm (ABSP) von Bayern eingestuft.[12]
Literatur
- Michael Diefenbacher, Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2., verbesserte Auflage. W. Tümmels Verlag, Nürnberg 2000, ISBN 3-921590-69-8 (online).
- Altnürnberger Landschaft e.V. (Hrsg.): Burge und Herrensitze in der Nürnberger Landschaft. 1. Auflage. Selbstverlag der Altnürnberger Landschaft e.V., Lauf an der Pegnitz 2006, ISBN 978-3-00-020677-1.
- Johann Kaspar Bundschuh: Birnthon. In: Geographisches Statistisch-Topographisches Lexikon von Franken. Band 1: A–Ei. Verlag der Stettinischen Buchhandlung, Ulm 1799, DNB 790364298, OCLC 833753073, Sp. 395 (Digitalisat).
- Günter P. Fehring, Anton Ress, Wilhelm Schwemmer: Die Stadt Nürnberg (= Bayerische Kunstdenkmale. Band 10). 2. Auflage. Deutscher Kunstverlag, München 1977, ISBN 3-422-00550-1, S. 273.
- August Gebeßler: Landkreis Nürnberg (= Bayerische Kunstdenkmale. Band 11). Deutscher Kunstverlag, München 1961, DNB 451450981, S. 26.
- Georg Paul Hönn: Birnthon. In: Lexicon Topographicum des Fränkischen Craises. Johann Georg Lochner, Frankfurt und Leipzig 1747, S. 471 (Digitalisat).
Weblinks
Einzelnachweise
- Birnthon im BayernAtlas
- Herrensitz Birnthon
- Birnthon auf Herrensitze.com (Giersch/Schlunk/von Haller)
- LfD-Liste für Nürnberg, Seiten 67 und 338 (.pdf)
- Birnthon im Bayernatlas (Bayerische Uraufnahme)
- http://www.doenues-drogentherapie.de/ Dönüs-Therapieeinrichtung
- Pressebericht, Dönus Birnthon geschlossen
- http://www.bighorn-ranch.de/ Big Horn Ranch
- LSG Birnthon in der World Database on Protected Areas, abgerufen am 31. Dezember 2020 (englisch).
- LSG Brunn–Netzstall in der World Database on Protected Areas, abgerufen am 31. Dezember 2020 (englisch).
- 6533-371 Rodungsinseln im Reichswald (FFH-Gebiet). Herausgegeben vom Bundesamt für Naturschutz. Abgerufen am 5. Februar 2019.
- Wulf Riess: Arten- und Biotopschutzprogramm Bayern (ABSP) – Stadt Nürnberg. (PDF) Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, März 1996, abgerufen am 27. August 2017.