Bournonit
Bournonit (Rädelerz, Spießglanzbleierz, Schwarzspießglanzerz, Wölchit) ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der Sulfide und Sulfosalze. Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung PbCu[SbS3][1] und entwickelt kurze, prismatische oder tafelige Kristalle, aber auch körnige oder massige Aggregate von stahlgrauer bis schwarzer Farbe bei gleicher Strichfarbe. Auf den Flächen der undurchsichtigen Kristalle zeigt sich bei frischen Proben starker Metallglanz, ältere Proben laufen allerdings gelegentlich bläulich an und werden matt.
Bournonit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Andere Namen |
Rädelerz |
Chemische Formel | PbCu[SbS3][1] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Sulfide und Sulfosalze |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
2.GA.50 (8. Auflage: II/D.04a) 03.04.03.02 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | orthorhombisch |
Kristallklasse; Symbol | orthorhombisch-pyramidal; mm2 |
Raumgruppe | Pn21m (Nr. 31, Stellung 5)[1] |
Gitterparameter | a = 8,15 Å; b = 8,69 Å; c = 7,79 Å[1] |
Formeleinheiten | Z = 4[1] |
Zwillingsbildung | überwiegend Vierlinge in Zahnradform (Rädelerz) |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 2,5 bis 3 (VHN100 = 176 bis 205)[2] |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 5,83; berechnet: 5,84[2] |
Spaltbarkeit | unvollkommen nach {010}, undeutlich nach {100} und {001}[2] |
Bruch; Tenazität | schwach muschelig bis uneben; spröde[2] |
Farbe | stahlgrau bis eisenschwarz, bläulich anlaufend |
Strichfarbe | stahlgrau bis schwarz |
Transparenz | undurchsichtig |
Glanz | Metallglanz bis matt |
Etymologie und Geschichte
Das zunächst durch Philip Rashleigh[3] 1797 Endellionit benannte Mineral wurde nach der Bestimmung durch Bournon 1804 von Robert Jameson in Bournonit umbenannt. Jacques Louis de Bournon (1751–1825) war ein französischer Kristallograph und Mineraloge. Die bergmännische Bezeichnung Rädelerz entstand durch den häufigen Fund von Vierlingsverwachsungen der Bournonit-Kristalle, die einem Zahnrad ähnlich sehen.
Erstmals entdeckt wurde Bournonit in der „Wheal Boys Mine“ (auch Trewetha Mine) bei St. Endellion in der englischen Grafschaft Cornwall.
Klassifikation
Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Bournonit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung der „Komplexe Sulfide (Sulfosalze)“, wo er zusammen mit Seligmannit die „Seligmannit-Reihe“ mit der System-Nr. II/D.04a innerhalb der „Bleikupferspießglanz-Gruppe“ bildete.
Im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/E.16-20. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Abteilung „Sulfosalze (S : As,Sb,Bi = x)“, wo Bournonit ebenfalls zusammen mit Seligmannit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet (Stand 2018).[4]
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[5] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Bournonit dagegen in die Abteilung der „Sulfarsenide, Sulfantimonide, Sulfbismutide“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der Kristallstruktur und der möglichen Anwesenheit von zusätzlichem Schwefel, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Insel-Sulfarsenide (Neso-Sulfarsenide) usw., ohne zusätzlichen Schwefel (S)“ zu finden ist, wo es zusammen mit Seligmannit und Součekit die unbenannte Gruppe 2.GA.50 bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Bournonit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfosalze“ ein. Hier ist er ebenfalls in der „Seligmannitgruppe“ mit der System-Nr. 03.04.03 innerhalb der Unterabteilung „Sulfosalze mit dem Verhältnis 3 > z/y und der Zusammensetzung (A+)i (A2+)j [ByCz], A = Metalle, B = Halbmetalle, C = Nichtmetalle“ zu finden.
Chemismus
Die idealisierte (theoretische) Zusammensetzung von Bournonit (PbCu[SbS3]) besteht aus 42,40 % Blei, 13,00 % Kupfer, 24,91 % Antimon und 19,68 % Schwefel.[6]
Aufgrund von Mischkristallbildung mit Seligmannit (CuPbAsS3) ist bei natürlichem Bournonit meist ein geringer Anteil des Antimons durch Arsen ersetzt (substituiert). Als Fremdbeimengung können Bournonitproben zudem kleinere Eisen und/oder Zinkgehalte enthalten. Gemessene Silberanteile sind allerdings immer auf Verwachsungen mit Silberträgern zurückzuführen.[7]
Kristallstruktur
Bournonit kristallisiert orthorhombisch in der Raumgruppe Pn21m (Raumgruppen-Nr. 31, Stellung 5) mit den Gitterparametern a = 8,15 Å, b = 8,69 Å und c = 7,79 Å sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]
Eigenschaften
In Salpetersäure löst sich Bournonit unter Abscheidung von Schwefel und Antimonoxid auf. Vor dem Lötrohr lässt er sich leicht zu einer schwarzen Kugel schmelzen, wobei Antimonrauch entsteht.
Bildung und Fundorte
Bournonit bildet sich hydrothermal in mittelgradigen Zink-, Blei- und Kupfererzlagerstätten. Begleitmineralien sind Bleiglanz, Tetraedrit, Pyrit, Siderit und andere.
Weltweit konnte Bournonit bisher (Stand: 2011) an rund 850 Fundorten nachgewiesen werden. Neben seiner Typlokalität „Wheal Boys Mine“ trat das Mineral im Vereinigten Königreich (Großbritannien) noch an mehreren Orten der englischen Grafschaften Cornwall und Cumbria sowie in Wales und Schottland zutage.
Bekannte Fundstätten aufgrund ungewöhnlicher Bournonitfunde sind unter anderem Machacamarca im bolivianischen Departamento Potosí und Saint-Laurent-le-Minier im französischen Département Gard, wo Kristalle von bis zu 10 cm Größe gefunden wurden. In der „Herodsfoot Mine“ bei Lanreath in Cornwall wurden komplexe Rädelerz-Zwillinge von über 5 cm Größe gefördert und bis zu 4 cm große Kristalle fanden sich bei Příbram in Tschechien und in der Region Huancavelica in Peru.
In Deutschland wurde Bournonit in mehreren Orten des Schwarzwaldes in Baden-Württemberg, im Frankenland und der Oberpfalz in Bayern, bei Laubuseschbach in Mittelhessen, bei Clausthal und Sankt Andreasberg im niedersächsischen Harz, an mehreren Fundpunkten in der Eifel, im Siegerland und im Westerwald von Nordrhein-Westfalen bis Rheinland-Pfalz, im Sauerland und Bergischen Land in Nordrhein-Westfalen, in der saarländischen Gemeinde Nonnweiler, bei Neudorf und Wolfsberg in Sachsen-Anhalt, bei Freiberg und Schneeberg im sächsischen Erzgebirge sowie bei Gera, Greiz und Saalfeld in Thüringen.
In Österreich lässt sich das Mineral in mehreren Regionen von Kärnten, Salzburg und der Steiermark sowie am Eichberg bei Gloggnitz in Niederösterreich und im Inn- und Silltal in Tirol finden und in der Schweiz fand man es in der tessiner Region Malcantone sowie im Binntal und der Gemeinde Collonges VS im Kanton Wallis.
Weitere Fundorte sind Argentinien, Äthiopien, Australien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Fidschi, Finnland, Ghana, Griechenland, Grönland, Indonesien, Irland, Italien, Japan, die Kanalinsel Jersey, Kanada, Kasachstan, Kirgisistan, Kolumbien, Korea, Kosovo, Kroatien, Mexiko, Mongolei, Namibia, Neuseeland, Peru, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Südafrika, Tadschikistan, Tunesien, Ukraine, Ungarn, Usbekistan, die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und Vietnam.[8]
Verwendung
Bournonit ist ein wichtiges Blei- und Kupfererz und dient als Rohstoff für die Gewinnung dieser Elemente.
Siehe auch
Literatur
- J. L. Bournon: Description of a triple sulphuret, of lead, antimony and copper, from Cornwall; with some observations upon the various modes of attraction which influence the formation of mineral substances, and upon the different kinds of sulphuret of copper. In: Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Band 94, 1804, S. 30–62 (rruff.info [PDF; 4,4 MB; abgerufen am 27. Dezember 2019]).
- Robert Jameson: Bournonite. In: System of Mineralogy. Band 2, 1805, S. 579–582 (englisch, rruff.info [PDF; 170 kB; abgerufen am 27. Dezember 2019]).
- Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 475–476 (Erstausgabe: 1891).
- Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 56.
Weblinks
- Mineralienatlas: Bournonit (Wiki)
- Bournonite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy (englisch).
- Bournonite search results. In: rruff.info. Database of Raman spectroscopy, X-ray diffraction and chemistry of minerals (RRUFF) (englisch).
- American-Mineralogist-Crystal-Structure-Database – Bournonite. In: rruff.geo.arizona.edu. (englisch).
- Bournonit. In: geomuseum.tu-clausthal.de. GeoMuseum TU Clausthal
Einzelnachweise
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 145 (englisch).
- Bournonite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 63 kB; abgerufen am 27. Dezember 2019]).
- Charles Hatchett: Analysis of a Triple Sulphuret, of Lead, Antimony, and Copper, from Cornwall. In: Philosophical Transactions of the Royal Society of London. Band 94, 1804, S. 63–69, doi:10.1098/rstl.1804.0007, JSTOR:107139 (englisch, royalsocietypublishing.org [PDF; 1,2 MB; abgerufen am 27. Dezember 2019]).
- Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
- Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF 1816 kB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 27. Dezember 2019 (englisch).
- David Barthelmy: Bournonite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 27. Dezember 2019 (englisch).
- Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 295–296.
- Fundortliste für Bournonit beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 27. Dezember 2019.