Autunit
Autunit (auch Kalkuranglimmer) ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“, das zur Gruppe der Uranglimmer gehört. Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung Ca[(UO2)(PO4)]2·11 H2O[1] und ist daher chemisch betrachtet ein Calcium-Uranyl-Phosphat. Autunit entwickelt meist tafelige, buchförmige Kristalle, aber auch blättrige oder schuppige Aggregate in leuchtend gelblicher, gelbgrüner oder grüner Farbe bei hellgelber Strichfarbe.
Autunit | |
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Größe: 6,7 cm × 4,2 cm × 3,8 cm | |
Allgemeines und Klassifikation | |
Andere Namen |
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Chemische Formel | Ca[(UO2)(PO4)]2·11H2O[1] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Phosphate, Arsenate und Vanadate – Uranylphosphate und Arsenate mit UO2:RO4 = 1:1 |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
8.EB.05 (8. Auflage: VII/E.01) 40.02a.01.01 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | orthorhombisch[1] |
Kristallklasse; Symbol | orthorhombisch-dipyramidal; 2/m 2/m 2/m |
Raumgruppe | Pnma (Nr. 62)[1] |
Gitterparameter | a = 14,0135(6) Å; b = 20,7121(8) Å; c = 6,9959(3) Å[1] |
Formeleinheiten | Z = 4[1] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 2 bis 2,5 |
Dichte (g/cm3) | 3,1 |
Spaltbarkeit | vollkommen |
Bruch; Tenazität | uneben |
Farbe | verschiedene Gelbtöne, gelbgrün, grün |
Strichfarbe | hellgelb |
Transparenz | durchsichtig bis durchscheinend |
Glanz | Glasglanz bis matt |
Radioaktivität | sehr stark radioaktiv |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nα = 1,553 nβ = 1,575 nγ = 1,577[2] |
Doppelbrechung | δ = 0,003[2] |
Optischer Charakter | zweiachsig negativ |
Achsenwinkel | 2V = 10 bis 53°[2] |
Pleochroismus | nicht vorhanden |
Weitere Eigenschaften | |
Besondere Merkmale | starke gelbgrüne Fluoreszenz |
Etymologie und Geschichte
Erstmals gefunden wurde Autunit 1852 in der französischen Gemeinde Saint-Symphorien-de-Marmagne nahe der Stadt Autun. Wissenschaftlich beschrieben wurde das Mineral durch die beiden englischen Kristallographen und Mineralogen Henry James Brooke (1771–1857) sowie William Hallowes Miller (1801–1880), die es nach seiner Typlokalität benannten.
Klassifikation
In der mittlerweile veralteten, aber noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Autunit zur Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort zur Abteilung der „Uranylphosphate und Uranylvanadate“, wo er zusammen mit Fritzscheit, Heinrichit, Kahlerit, Metanatroautunit, Nováčekit, Sabugalit, Saléeit, Torbernit, Trögerit, Uranocircit, Uranospinit und Zeunerit eine eigenständige Gruppe bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz'schen Mineralsystematik ordnet den Autunit ebenfalls in die Klasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort in die Abteilung der „Uranylphosphate und Arsenate“ ein. Diese Abteilung ist allerdings weiter unterteilt nach dem Verhältnis von Uranoxidkomplex (UO2) zum Phosphat-, Arsenat- bzw. Vanadatkomplex (RO4), so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „UO2 : RO4 = 1 : 1“ zu finden ist, wo es als Namensgeber die „Autunitgruppe“ mit der System-Nr. 8.EB.05 und den weiteren Mitgliedern Heinrichit, Kahlerit, Kirchheimerit (H), Nováčekit-I, Nováčekit-II, Saléeit, Torbernit, Uranocircit-I, Uranocircit-II, Uranospinit, Xiangjiangit und Zeunerit bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Autunit in die Klasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort in die Abteilung der „Wasserhaltige Phosphate etc.“ ein. Hier ist er ebenfalls als Namensgeber der „Autunitgruppe“ mit der System-Nr. 40.02a.01 und den weiteren Mitgliedern Metaautunit, Pseudo-Autunit und Metanatroautunit innerhalb der Unterabteilung der „Wasserhaltigen Phosphate etc., mit A2+(B2+)2(XO4) × x(H2O), mit (UO2)2+“ zu finden.
Kristallstruktur
In veralteten Publikationen wird beschrieben, dass Autunit im tetragonalen Kristallsystem in der Raumgruppe I4/mmm (Raumgruppen-Nr. 139) mit den Gitterparametern a = 7,01 Å und c = 20,74 Å sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle kristallisiert.[3]
Aufgrund der Tatsache, dass Autunit sein Kristallwasser jedoch sehr schnell verliert und zu Metaautunit dehydratisiert, konnte die exakte Kristallstruktur lange Zeit nicht aufgeklärt werden. Im Jahre 2003 konnten Locock and Burns durch Gelkristallisation Einzelkristalle von Autunit synthetisieren, die zur Einkristallstrukturanalyse herangezogen werden konnten. Vollkommen hydratisierter Autunit, der sein Kristallwasser noch nicht verloren hat, kristallisiert daher in der orthorhombischen Raumgruppe Pnma (Nr. 62) mit den Gitterparametern a = 14,0135(6) Å, b = 20,7121(8) Å und c = 6,9959(3) Å sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]
Die folgenden Bilder illustrieren den Aufbau der Elementarzelle entlang aller drei kristallographischen Achsen, das Packungsbild zur besseren Übersicht ohne Kristallwasser sowie den Aufbau der Uranylphosphat-Schichten.
Die Kristallstruktur von Autunit ist namensgebend für die Strukturgruppe der Autunit-Schicht-Typen, zu denen ca. 40 Uranylphoshat- und Uranylarsenatminerale gehören, die alle das [(UO2)(XO4)]--Strukturmotiv (mit X = P oder As) tragen. Dieses Strukturmotiv zeichnet sich dadurch aus, dass die Uranyleinheiten quadratisch-bipyramidal (= oktaedrisch) koordiniert sind, und in der äquatorialen Ebene die Sauerstoffatome der tetraedrischen Phophat- oder Arsenatgruppe tragen.[4]
Im Falle von Autunit werden Uranylphosphat-Schichten von Ca2+-Ionen zusammengehalten, die die oktaedrischen Uranyleinheiten über die Uranyl-Sauerstoffatome koordinieren und so zwei gegenüberliegende Schichten verknüpfen. Die Ca2+-Ionen sind weiterhin von sieben Wassermolekülen umgeben, so dass ihre Koordinationszahl N = 9 ist. Des Weiteren befinden sich Kristallwassermoleküle zwischen den Uranylphosphat-Schichten, die durch Wasserstoffbrückenbindungen zusammengehalten werden.
Die Calcium-Atome sind jedoch in der Kristallstruktur nur zu 86 % besetzt, was bedeutet, dass es ein Ladungsdefizit gibt das durch Oxonium-Ionen (H3O+) im Kristallgitter ausgeglichen wird, ähnlich wie es bei dem Mineral Chernikovit vermutet wird.[1] Diese Oxonium-Ionen könnten sich beispielsweise an den freien Kristallwassermolekülen im Kristallgitter bilden. Der strukturelle Nachweis dieser Oxonium-Ionen ist allerdings durch Einkristallstrukturanalyse, deren Grundlage die Beugung eines Röntgenstrahls an der Elektronenhülle der zu untersuchenden Atome ist, in diesem Fall nicht möglich. Das Vorhandensein des sehr elektronenreichen Uranatoms (formal 86 Elektronen für U(VI)) neben Wasserstoffatomen (ein Elektron) bzw. H+-Ionen (= Protonen, d. h. kein Elektron) macht schon eine Lokalisierung der einzelnen Wasserstoffatome sehr problematisch und eine Lokalisierung von Protonen ist praktisch unmöglich. Die Untersuchung des Autunits in Neutronenbeugungsexperimenten könnte hier zur Aufklärung hilfreich sein, doch liegen dazu bisher keine Daten vor.
Locock und Burns diskutieren in ihrer Untersuchung, dass die schnelle Dehydratisierung des Autunits zu Meta-Autunit zu einem Zusammenbruch des Netzwerks und damit zu einer stärkeren Wechselwirkung der Ca2+-Ionen an das Uranylphosphatnetzwerk führt.
Metaautunit
Die starke Tendenz des Autunits zur Dehydratisierung ist seit langer Zeit bekannt, und Exemplare, die sich in Museen befinden können praktisch ausnahmslos als Metaautunit klassifiziert werden.[1] Locock und Burns konstatieren, dass Autunit an der Luft nicht stabil ist und innerhalb von Minuten dehydratisiert.[1]
Im Jahre 1960 konnten Makarov und Ivanov bereits die Kristallstruktur des Metaautunits aufklären. Ihre Untersuchungen zeigen, dass die Summenformel für Metaautunit Ca[(UO2)(PO4)]2·6H2O entspricht. Die Strukturlösung erfolgte in der primitiven tetragonalen Raumgruppe P4/nmm (Raumgruppen-Nr. 129) mit den Gitterparametern a = 6,96±0,01 Å und c = 8,40±0,02 Å sowie einer Formeleinheiten pro Elementarzelle.[5] Auch Makarov und Ivanov finden, dass die Struktur des Metaautunits aus Schichten von Uranylphosphat aufgebaut ist, die durch Ca2+-Ionen verknüpft werden. Jedoch befindet sich in der Kristallstruktur, im Gegensatz zum Autunit, kein Kristallwasser. Die Koordinationsumgebung des Uranylphosposphat-Netzwerkes ist gleich, die Calcium-Ionen sind jedoch untereinander durch Sauerstoffatome verbrückt, die Wassermolekülen zugeschrieben sind. Kristallographisch muss des Weiteren angemerkt werden, dass die Ca-Atome nur zu 50 %, die Sauerstoffe-Atome der Wassermoleküle nur zu 75 % besetzt sind.[5] Nach einer Untersuchung von Ross aus dem Jahre 1963 ist diese Struktur in Hinblick auf die Calcium-Atome und Wassermoleküle jedoch nicht vollständig korrekt. Dies resultiert aus der Bestimmung der falschen Raumgruppe, die laut Ross P4222 ist.[6] Der Vollständigkeit halber zeigen die folgenden Bilder die Kristallstruktur von Metaautunit nach Makarov und Ivanov:
Ross beschreibt des Weiteren die Untersuchung von helleren und dunkleren Metaautunitkristallen mit der Vermutung, dass sich U4+-Atome in der Kristallstruktur befinden. Diese Vermutung wurde auch von Makarov und Ivanov postuliert, konnte aber nicht bestätigt werden. Ross nimmt an, dass die dunkler gefärbten Metaautunitkristall durch fein dispergierten Uraninit (UO2) verursacht werden.[6]
Thermogravimetrische und Differenzthermo-Analysen zeigen weiterhin, dass Autunit bei höheren Temperaturen noch weiter dehydratisieren kann. Bei 61 °C zeigt sich beispielsweise in der Thermogravimetrie das Erscheinen einer Hydratationsstufe, die drei Kristallwassermolekülen entspricht (Ca[(UO2)(PO4)]2·3H2O).[7]
Eigenschaften
Das Mineral ist durch seinen Urangehalt als sehr stark radioaktiv eingestuft und weist eine spezifische Aktivität von etwa 86 kBq/g[3] auf (zum Vergleich: natürliches Kalium 0,0312 kBq/g).
Unter UV-Licht zeigt Autunit eine starke, gelblichgrüne Fluoreszenz, ähnlich der von neonfarbenen Textmarkern.
Bildung und Fundorte
Autunit entsteht durch Oxidation in Uranlagerstätten und in Pegmatit. Ebenso kann es sich sedimentär oder hydrothermal in verschiedenen anderen Uranerzen bilden.
Weltweit konnte Autunit bisher (Stand: 2011) an knapp 1100 Fundorten nachgewiesen werden.[2] Es ist damit das häufigste und am weitesten verbreitete Uranylphosphat-Mineral.[1] Neben seiner Typlokalität Autun in Burgund wurde das Mineral in Frankreich unter anderem noch in Nouvelle-Aquitaine, im Elsass, in Auvergne-Rhône-Alpes, der Bretagne, Lothringen, Okzitanien, Pays de la Loire und der Provence-Alpes-Côte d’Azur gefunden.
In Deutschland wurde Autunit bisher an mehreren Orten im Schwarzwald in Baden-Württemberg, an der Hartkoppe bei Sailauf im Spessart, bei Schwandorf sowie an mehreren Orten im Fichtelgebirge, im Bayerischen und Oberpfälzer Wald in Bayern, im Erzgebirge und Vogtland in Sachsen sowie bei Wurzbach und der ehemaligen Absetzerhalde bei Ronneburg in Thüringen gefunden. Ungewöhnlich große Kristalle mit bis zu 3 cm Durchmesser wurden hier vor allem aus den Fundgebieten Johanngeorgenstadt und Schneeberg bekannt.[8]
In Österreich fand sich das Mineral bisher am Millstätter See und bei Villach in Kärnten; im Raurisertal und am Mitterberg in den Berchtesgadener Alpen in Salzburg sowie in den Fischbacher Alpen und der Koralpe in der Steiermark.
In der Schweiz konnte Autunit bisher nur an einem Fundort in der Gemeinde Sementina im Kanton Tessin nachgewiesen werden.
Weitere Fundorte liegen unter anderem in Argentinien, Australien, Belgien, Bolivien, Brasilien, Chile, China, Finnland, Italien, Japan, Kanada, Kasachstan, Madagaskar, Neuseeland, Pakistan, Polen, Portugal, Ruanda, Rumänien, Russland, Spanien, Slowakei, Slowenien, Südafrika, Tadschikistan, Tschechien, Ungarn, Usbekistan sowie im Vereinigten Königreich (Großbritannien) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[2]
Vorsichtsmaßnahmen
Aufgrund der starken Radioaktivität des Minerals sollten Proben nur in staub- und strahlungsdichten Behältern, vor allem aber niemals in Wohn-, Schlaf- und Arbeitsräumen aufbewahrt werden. Ebenso sollte eine Aufnahme in den Körper (Inkorporation) auf jeden Fall verhindert und zur Sicherheit direkter Körperkontakt vermieden sowie beim Umgang mit dem Mineral Mundschutz und Handschuhe getragen werden.
Siehe auch
Literatur
- Paul Ramdohr, Hugo Strunz: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. 16. Auflage. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 654–655.
- Autunite, In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America, 2001 (PDF 65 kB)
- Yukio Takano: X-ray study of autunite In: American Mineralogist, Vol. 46, 1961, S. 812–822
Weblinks
- Mineralienatlas: Autunit (Wiki)
- American-Mineralogist-Crystal-Structure-Database – Autunite. In: rruff.geo.arizona.edu. Abgerufen am 20. Januar 2019.
Einzelnachweise
- Andrew J. Locock, Peter C. Burns: The crystal structure of synthetic autunite, Ca[(UO2)(PO4)]2(H2O)11. In: American Mineralogist. Band 88, 2003, S. 240–244 (englisch, rruff.info [PDF; 398 kB; abgerufen am 20. Januar 2019]).
- Autunite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 20. Januar 2019 (englisch).
- David Barthelmy: Autunite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 20. Januar 2019 (englisch).
- Andrew J. Locock, Peter C. Burns, Theodore M. Flynn: Divalent transition metals and magnesium in structures that contain the autunite-type sheet. In: The Canadian Mineralogist. Band 42, 2004, S. 1699–1718 (englisch, rruff.info [PDF; 2,4 MB; abgerufen am 20. Januar 2019]).
- Ye. S. Makarov, V. I. Ivanov: The crystal structure of meta-autenite, Ca(UO2)2(PO4)2·6H2O. In: Doklady Akademii Nauk SSSR. Band 132, 1960, S. 601–603 (englisch, rruff.info [PDF; 240 kB; abgerufen am 20. Januar 2019]).
- M. Ross: The crystallography of meta-autunite (I). In: American Mineralogist. Band 48, 1963, S. 1389–1393 (englisch, rruff.info [PDF; 300 kB; abgerufen am 20. Januar 2019]).
- Yohey Suzuki, Tsutomu Sato, Hiroshi Isobe, Toshihiro Kogure, Takashi Murakami: Dehydration processes in the meta-autunite group minerals meta-autunite, metasaléeite, and metatorbernite. In: American Mineralogist. Band 90, 2005, S. 1308–1314 (englisch, rruff.info [PDF; 228 kB; abgerufen am 20. Januar 2019]).
- Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 190.