78. Infanterie-Division (Wehrmacht)
Die 78. Infanterie-Division (andere Bezeichnungen: 78. Sturm-Division, 78. Grenadier-Division, 78. Volksgrenadier-Division, 78. Volks-Sturm-Division) war ein Großverband des Heeres der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg.
78. Infanterie-Division | |
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Truppenverbandsabzeichen: das Ulmer Münster und die Eiserne Faust | |
Aktiv | 26. August 1939 bis 8. Mai 1945 (Gesamtkapitulation) |
Staat | Deutsches Reich |
Streitkräfte | Wehrmacht |
Teilstreitkraft | Heer |
Typ | Infanterie-Division |
Gliederung | Gliederung |
Aufstellungsort | Ulm |
Zweiter Weltkrieg | Westfeldzug |
Kommandeure | |
Liste der | Kommandeure |
Geschichte
Die Division wurde als Infanterie-Division der 2. Aufstellungswelle am 26. August 1939 in Ulm, Wehrkreis V, durch den Artilleriekommandeur V aufgestellt. Das erste Truppenverbandsabzeichen stellte daher auch das Ulmer Münster dar. Ein großer Teil der Soldaten waren Reservisten, die der 5. (Ulm), 25. (Ludwigsburg) und 35. Infanterie-Division (Karlsruhe) sowie Einheiten aus Ulm, Tübingen/Reutlingen, Heilbronn und Konstanz entstammten.
Nach ihrer Aufstellung verblieb die Division für den Rest des Jahres 1939 im Deutschen Reich. Ursprünglich war geplant, dass sie an der zweiten Phase des Westfeldzugs (Fall Rot) teilnehmen sollte. Dazu kam es aufgrund des Ausbruchs der Krankheit Rotlauf und der damit verbundenen Quarantäne jedoch nicht. Erst im Juni 1940 wurde die 78. Infanterie-Division über Luxemburg und Belgien in die Nähe von Reims verlegt. Ein Truppenverband wurde für die Vorbereitung auf das Unternehmen Seelöwe nach Lac sur Mer abgestellt, sowie ein Drittel der Division[A 1] für die Neuaufstellung der 305. Infanterie-Division im Herbst 1940 abgegeben. Zum Ausgleich wurden der 78. Infanterie-Division 4.000 neu ausgebildete Rekruten zugeführt.
Im Mai 1941 wurde die Division ins besetzte Polen verlegt. Nach dem Beginn des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion (→Deutsch-Sowjetischer Krieg) am 22. Juni 1941 wurde die Division bei Kämpfen in Białystok, Mogilew und Roslawl sowie in der Kesselschlacht von Wjasma-Brjansk eingesetzt. Anfang Dezember 1941 gehörte die 78. Division zu jenen Einheiten, die bei der Stadt Rusa bis auf wenige Kilometer an Moskau heranrücken konnten, bevor sie sich aufgrund des sowjetischen Gegenangriffs wieder zurückziehen mussten (→Schlacht um Moskau).
Im ersten Halbjahr 1942 nahm die Division bei Gschatsk an mehreren Abwehrschlachten teil, unter anderem auch am Unternehmen Winterreise, der Rückverlegung der Front auf die Linie Juchnow–Gschatsk–Rschew. Nach weiteren heftigen Kämpfen wurde die Division während der im Dezember 1942 stattfindenden sowjetischen Offensive Operation Mars im Frontabschnitt bei Rschew fast aufgerieben. Nur 1.500 Soldaten überlebten und die Division musste zur Reorganisation aus dem Kampf herausgenommen werden.
Im Raum Sytschewka erfolgte ab dem 27. Dezember 1942 die Neuaufstellung als 78. Sturm-Division, womit sie zur einzigen so benannten Division des deutschen Heeres wurde. Hierfür wurde der Division moderne Ausrüstung zugeführt: Sie erhielt eine neue Aufklärungskompanie, Sturmgeschütze, Raupenschlepper als Ersatz für bisher verwendete Pferdegespanne, Flugabwehrkanonen, schwere Granatwerfer und 7,5 cm Panzerabwehrkanonen. Gleichzeitig erhielt sie auch ein neues Truppenkennzeichen: Die Eiserne Faust.
So aufgefrischt, nahm die Division als Teil der 9. Armee im Juli 1943 am Unternehmen Zitadelle teil und führte anschließend Abwehrkämpfe bei Smolensk (1943), Brjansk (1943), Jelnja (1943) und Orscha (bis Juni 1944). Zwischen dem 3. und 11. Juli 1944 wurde die 78. Division bei der Ortschaft Tscherwen östlich von Minsk während des Zusammenbruchs der Heeresgruppe Mitte eingeschlossen und vollständig vernichtet. Der größte Teil der überlebenden Soldaten der Division ging in sowjetische Gefangenschaft. Nur wenigen Soldaten gelang es, sich bis zu den 500 Kilometer entfernten deutschen Linien als „Rückkämpfer“ durchzuschlagen.
Nach der Vernichtung im Juli 1944 erfolgte bereits am 18. Juli 1944 die Wiederaufstellung durch Umbenennung der 543. Grenadier-(Sperr-)-Division (29. Welle), die seit dem 10. Juli 1944 auf dem Truppenübungsplatz Münsingen aufgestellt wurde, zunächst als 78. Grenadier-Division, ab 9. Oktober 1944 78. Volksgrenadier-Division. Ab 1. Januar 1945 hieß sie 78. Volks-Sturm-Division. Diese Benennung steht in keinem Zusammenhang mit dem Volkssturm.
Nach der Neuaufstellung folgten Kämpfe in Galizien und den Karpaten. Im letzten Kriegsjahr 1945 führte die Division Rückzugskämpfe in Oberschlesien, den Beskiden und zuletzt im Sudetenland. Der Befehl zur bedingungslosen Kapitulation erreichte die 78. Division am 8. Mai 1945 unweit von Olmütz (Mähren). Die verbliebenen rund 5000 Soldaten der Division gingen ebenfalls daraufhin in sowjetische Gefangenschaft.
Verbandszugehörigkeit
Die Division gehörte bei ihrer Aufstellung zur 7. Armee der Heeresgruppe C. Später gehörte sie zur 9. Armee, 4. Armee, 17. Armee, Panzergruppe 2, Panzergruppe 4, zur 1. Panzerarmee, 2. Panzerarmee, 3. Panzerarmee und zur 4. Panzerarmee. Die jeweiligen Heeresgruppen waren A, B, C, Mitte und Nordukraine.
Gliederung
78. Infanterie-Division 1939 | 78. Sturm-Division 1943 | 78. Volks-Sturm-Division 1945 |
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Infanterie-Regiment 195 | Sturm-Regiment 195 | Sturm-Regiment 195[A 2] |
Infanterie-Regiment 215 | Sturm-Regiment 215 | Sturm-Regiment 215[A 3] |
Infanterie-Regiment 238 | Sturm-Regiment 14[A 4] | Sturm-Regiment 14[A 5] |
Artillerie-Regiment 178 | Artillerie-Regiment 178[A 6] | |
Aufklärungs-Abteilung 178 | Divisions-Füsilier-Bataillon 78[A 7] | |
Pionier-Bataillon 178 | — | |
Panzerabwehr-Abteilung 178 | Panzerjäger-Abteilung 178 | |
— | Granatwerfer-Bataillon 5 | — |
— | Sturmgeschütz-Abteilung 189 | — |
— | Flak-Abteilung 293 | — |
Infanterie-Divisions-Nachrichten-Abteilung 178 | Sturm-Divisions-Nachrichten-Abteilung 178 | |
Divisions-Nachschubführer 178 | Kommandeur der Divisions-Nachschubtruppen 178 | Divisions-Versorgungsregiment 178 |
Kommandeure
- Generalleutnant Fritz Brand – 26. August bis 30. September 1939
- Generalleutnant Curt Gallenkamp – 1. Oktober 1939 bis 21. September 1941
- Generalmajor Emil Markgraf – 22. September bis 6. Dezember 1941 (in Vertretung)
- Generalmajor/Generalleutnant Paul Völckers – 7. Dezember 1941 bis 8. April 1943, in dieser Funktion im September 1942 zum Generalleutnant befördert
- Generalleutnant Hans Traut – 8. April 1943 bis 1. November 1943
- Oberst Heribert von Larisch – 1. November 1943 bis 15. Februar 1944
- Generalleutnant Hans Traut – 15. Februar 1944 bis 12. Juli 1944
- Generalleutnant Siegfried Rasp – 12. Juli bis 23. September 1944
- Oberst Alois Weber – 23. September 1944 bis 1. Dezember 1944 (in Vertretung, eigentlicher inoffizieller Funktionsträger war Harald von Hirschfeld)
- Generalmajor Harald von Hirschfeld – 1. Dezember 1944 bis 18. Januar 1945 (gefallen)
- Generalmajor Hans Schrepffer – 18. bis 25. Januar 1945 (in Vertretung)
- Generalmajor Wilhelm Nagel – 25. Januar bis 1. April 1945
- Oberst Gerhard Mathias – 1. bis 30. April 1945 (in Vertretung)
- Generalmajor Erich Geissler – 1. bis 8. Mai 1945 (in Vertretung)
Divisionsangehörige
Inhaber des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes
- Oberst Georg von Neufville, 22. September 1941
- Oberst Ludwig Merker, 18. November 1941
- Generalleutnant Curt Gallenkamp, 19. November 1941
- Oberstleutnant Alfons Hitter, 14. Dezember 1941
- Oberleutnant Paul Dowerk, 14. Januar 1942
- Oberleutnant Horst Stoffleth, 20. August 1942
- Stabsfeldwebel Ludwig Barth, 20. August 1942
- Oberstleutnant Ernst Kaether, 10. Dezember 1942
- Hauptmann Wilhelm Kohler, 10. Dezember 1942
- Generalleutnant Paul Völckers, 11. Dezember 1942
- Oberleutnant Walter Reissinger, 17. Dezember 1942
- Hauptmann Albert Schneider, 23. Dezember 1942
- Hauptmann Berthold Gamer, 25. Januar 1943
- Leutnant Erich Fischer, 31. März 1943
- Feldwebel Josef Schreiber, 31. März 1943
- Obergefreiter Emil Rosshart, 3. April 1943
- Oberstleutnant Oskar Eckholt, 9. April 1943
- Oberstleutnant Walter Hollaender, 18. Juli 1943
- Oberfeldwebel Wilhelm Schlecht, 23. Juli 1943
- Hauptmann Wilhelm Hilgers, 31. Juli 1943 (postum)
- Major Rudolf Ihde, 23. September 1943
- Hauptmann Wilhelm Rüngeler, 11. Oktober 1943
- Leutnant Karl Reinhart, 20. Dezember 1943
- Oberleutnant Josef Liebenwein, 7. April 1944
- Oberfeldwebel Ernst Jedele, 15. April 1944 (postum)
- Oberleutnant Walter Klocke, 20. April 1944
- Hauptmann Georg Gärtner, 21. September 1944
- Major Hans Huzel, 18. Februar 1945
- Hauptmann Helmut Jeserer, 30. April 1945
- Hauptmann Erhard Liss, 30. April 1945
- Hauptmann Karl Heer, 30. April 1945 (postum)
Inhaber des Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes
- Oberfeldwebel Josef Schreiber, 5. Oktober 1943
- Oberstleutnant Georg Gebhardt, 19. Februar 1945
Weitere Persönlichkeiten
- Hans Gmelin (1911–1991), Oberbürgermeister (1954–1974) und Ehrenbürger von Tübingen[1](S. 172)
- Hans Lorenser (1916–1989), Oberbürgermeister von Ulm (1972–1984), CDU-Landtagsabgeordneter im baden-württembergischen Landtag (1964–1972)[1](S. 173)
- Kurt Gerber, Kommandeur der 10. Panzerdivision der Bundeswehr in Sigmaringen, Befehlshaber im Wehrbereich V (Stuttgart).[1](S. 174)
- Rolf Friedemann Pauls (1915–2002), Botschafter der Bundesrepublik in Israel, den USA und der Volksrepublik China.[1](S. 172)
- Richard Scheringer (1904–1986), deutscher Antifaschist und Mitglied der KPD.
Nach dem Krieg
Bereits 1951 wurde begonnen, Ehemalige zu kontaktieren und Divisionstreffen abzuhalten. 1955 wurde in Tübingen das Kameradenhilfswerk gegründet.
Verbindungen zur Bundeswehr
Zwischen Ehemaligen der Division und Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 251 (Calw) gab es bis zu dessen Auflösung 1996 Kontakte, die allerdings inzwischen nicht mehr bestehen.[2] Dieses führte ebenfalls die „Eiserne Faust“ als Bataillonsabzeichen.
Gedenkstätten
- Gedenkstein auf den Münsinger Truppenübungsplatz, im August 1999 von der Neckarinsel in Tübingen dorthin verlegt.
- Gedenktafel des Artillerieregiments 178 im Ehrenhof der Deutschen Artillerie in Idar-Oberstein.
- Gedenkkreuz auf dem Castell-Berg bei Achkarren.
- Gedenkstein in Immendingen in der nach Ritterkreuzträger Josef Schreiber benannten Bundeswehrkaserne.
Verweise
Literatur
- Ludwig Merker: Das Buch der 78. Sturm-Division, Hrsg. Kameradenhilfswerk d. 78. Sturm-Division e. V., Selbstverlag, 1965.
- Mitcham, Samuel W., Jr. (2007). German Order of Battle. Volume One: 1st – 290th Infantry Divisions in WWII. PA; United States of America: Stackpole Books. S. 132+133, ISBN 978-0-8117-3416-5.
- Georg Tessin: Verbände und Truppen der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg 1939–1945. Band 6. Die Landstreitkräfte 71 – 130. 2. Auflage. Biblio-Verlag, Bissendorf 1979, ISBN 3-7648-1172-2.
- Fritz Vetter: Die 78. Infanterie- und Sturm-Division 1938–1945, Nebel Verlag, Eggolsheim-Bammersdorf, 2004 (Neuauflage), ISBN 3-89555-182-1.
Einzelnachweise
- Fritz Vetter: Die 78. Infanterie- und Sturm-Division 1938–1945, Nebel Verlag, Eggolsheim-Bammersdorf, 2004 (Neuauflage) ISBN 3-89555-182-1.
- Anfrage von Angelika Beer am 9. Januar 1998 im Bundestag
Anmerkungen
- Stab/195, III./195, III./215, III./238.
- I. und II. Bataillon aus Gren.Rgt. 1080.
- I. und II. Bataillon aus Gren.Rgt. 1081.
- Im November 1941 als Ersatz für das aufgelöste IR 238 von der 5. ID abgegeben.
- I. und II. Bataillon aus Gren.Rgt. 1079.
- mit I. – IV. Abteilung aus Art.Rgt. 1543.
- am 22. Oktober 1944 aus III./Gren.Rgt. 1070.