Roger Cicero
Roger Marcel Cicero Ciceu [roˈʒeː ˈtsitsəro] (* 6. Juli 1970 in West-Berlin; † 24. März 2016 in Hamburg[1]) war ein deutscher Pop- und Jazzmusiker.
Leben
Roger Cicero war der Sohn des 1997 verstorbenen Jazzpianisten Eugen Cicero und der Tänzerin Lili Cziczeo.[2][3] Er wuchs in Berlin-Grunewald auf und besuchte dort zunächst die Grunewald-Grundschule, dann das Rathenau-Gymnasium.[4] Seine Halbschwester Babette starb 1977 im Alter von 14 Jahren an einer Überdosis. Sie erlangte traurige Berühmtheit durch das Buch Wir Kinder vom Bahnhof Zoo und als damals jüngste Drogentote Deutschlands.[5] Als Elfjähriger trat er im Vorprogramm von Helen Vita auf. Mit 16 hatte er mit dem RIAS-Tanzorchester unter Leitung von Horst Jankowski seinen ersten Fernsehauftritt. Im Alter von 18 Jahren wurde er am Hohner-Konservatorium in Trossingen aufgenommen und in den Fächern Klavier, Gitarre und Gesang ausgebildet. Von 1989 bis 1992 trat Roger Cicero mit dem Horst-Jankowski-Trio, dem Eugen-Cicero-Trio (Gruppe seines Vaters) sowie mit dem Bundesjugendjazzorchester unter Leitung von Peter Herbolzheimer auf.
Von 1991 bis 1996 studierte er Jazzgesang an der Amsterdamse Hogeschool voor de Kunsten in Hilversum. In der Folgezeit wurde er Gastsänger bei den Gruppen Jazzkantine und Soulounge, mit denen er 2003 beim Montreux Jazz Festival teilnahm. 2003 gründete er das Roger-Cicero-Quartett. Danach trat er mit einer elfköpfigen Bigband auf. Stilistisch bediente er sich bei der Swingmusik der 1940er und 1950er Jahre und kombinierte sie mit deutschen Texten.
2006 war er am Album Good Morning Midnight der Jazz-Pianistin Julia Hülsmann beteiligt und mit Männersachen erschien im Mai 2006 sein erstes Soloalbum. Neben 13 Kompositionen, die überwiegend von seinen Produzenten Matthias Haß und Frank Ramond stammen, gab es auch eine Fremdkomposition. Schieß mich doch zum Mond war die deutsche Version des Frank-Sinatra-Klassikers Fly Me to the Moon. Die ausgekoppelte Single Zieh die Schuh aus, die auf ironische Weise den Geschlechterkampf behandelt, platzierte sich im Juli 2006 auf Rang 71 der deutschen Charts, das Album Männersachen im August desselben Jahres auf Platz 3. Bis Anfang 2009 verkaufte sich Männersachen über eine Million Mal.[6]
Am 8. März 2007 gewann er bei der deutschen Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest 2007 mit dem Song Frauen regier’n die Welt. Die Komposition stammte von Matthias Haß in der Zusammenarbeit mit Frank Ramond, der den Text schrieb.[7] Mit dem Titel vertrat er Deutschland beim Eurovision Song Contest 2007 am 12. Mai in Helsinki. Im Finale belegte er den 19. von 24 Plätzen mit insgesamt 49 Punkten. Vom Frauenmagazin Emma wurde er für den Song mit dem Negativpreis „Pascha des Monats“ bedacht.[8][9] Diese Auszeichnung wurde 2009 im Lied Spontis zeugen Banker verarbeitet.[10] Neben Juli, Shakira, Yusuf Islam und Silbermond trat Roger Cicero beim deutschen Live-Earth-Konzert am 7. Juli 2007 in Hamburg auf. Im Oktober 2007 erschien sein zweites Album Beziehungsweise.
2008 erhielt Cicero seine erste Filmrolle. Im Film Hilde, der während der Berlinale 2009[11] uraufgeführt wurde, spielte er an der Seite von Heike Makatsch den Musiker Ricci Blum. Im Mai 2008 kam sein Sohn zur Welt.[12] Roger Ciceros drittes Album Artgerecht erschien am 3. April 2009, die Single daraus mit dem Titel Nicht artgerecht am 20. März 2009.[6] Im Dezember 2009 synchronisierte er die Figur Prinz Naveen in der deutschen Fassung des Disney-Films Küss den Frosch. Ab November 2010 moderierte er mit Mirjam Weichselbraun drei Ausgaben der Sat.1-Show Die Hit-Giganten. Im Oktober 2011 erschien sein viertes Album In diesem Moment. Von seinem Auftritt bei Inas Nacht am 12. November 2011 wurde sein Lied In diesem Moment zusammen mit neun weiteren Gastauftritten auf der Bonus-CD Inas kleine Nachtmusik mit Ina Müllers Album Ich bin die veröffentlicht. 2012 veröffentlichte er die Single Für nichts auf dieser Welt, den offiziellen DFB-Fansong zur Fußball-Europameisterschaft 2012.
Im Herbst 2012 nahm er am Albumprojekt Giraffenaffen teil, in dessen Rahmen mehrere deutsche Künstler, darunter Ulla Meinecke, Götz Alsmann, Flo Mega, Das Gezeichnete Ich, Lena Meyer-Landrut, Roman Lob, Thomas D und Max Mutzke zugunsten des Kinderhilfswerks Die Arche Kinderlieder im modernen Soundgewand neu aufnahmen.[13] Cicero schrieb auch das Titellied zu diesem Projekt. Im Oktober 2013 wirkte Cicero (neben Lena Meyer-Landrut, Annett Louisan, Stefan Kaminski und Heinz Rudolf Kunze) als Sprecher in den beiden Giraffenaffenhörspielen Wir sind da und Die Schatzsuche von Cally Stronk und Steffen Herzberg mit. 2014 nahm er an der von VOX ausgestrahlten Fernsehreihe Sing meinen Song – Das Tauschkonzert von Xavier Naidoo teil. Im März 2014 erschien sein fünftes Album Was immer auch kommt.
Cicero litt am chronischen Erschöpfungssyndrom. Infolgedessen wurden 2014 und 2015 geplante Tourneen abgesagt.[14] Sein am 2. Oktober 2015 erschienenes Album The Roger Cicero Jazz Experience nahm er nicht wie sonst mit seiner Bigband auf, sondern in Quartett-Besetzung. Heraus kam ein Jazz-Album „zwischen Bebop und Bar“.[15] Dieses siebte Album von Cicero enthielt seine Lieblingssongs von Pop-Musikern wie Nick Drake, Paul Simon oder James Taylor, die von der Band teilweise stark verändert wurden, um als Jazzstücke gespielt zu werden.[16]
Am 24. März 2016 starb Cicero im Alter von 45 Jahren in Folge eines ischämischen Schlaganfalls (Hirninfarkt),[17][18][19][20] woran bereits sein Vater verstorben war. Er hatte über zehn Jahre in Hamburg-Winterhude gelebt[21] und wurde in seiner Wahlheimat auf dem Friedhof Ohlsdorf beigesetzt. Nur ein kleines Namensschild auf einem Stein im Ruhewald weist auf ihn hin.[22]
Im März 2017 erschien das Best-of-Album Glück ist leicht – Das Beste von 2006–2016 mit dem unveröffentlichten Titel Eine Nummer zu groß.
Gesellschaftliches Engagement
Roger Cicero engagierte sich für die Kinderhilfsorganisation Save the Children, vor allem für die Projekte der Organisation in Rumänien, dem Geburtsland seines Vaters Eugen Cicero. Zugunsten der Organisation versteigerte er im April 2008 sein Auto bei eBay. Das Saab 9-3 Cabrio von 2006 erzielte einen Preis von 21.161 Euro.[23]
Beim Konzert zu Ehren des Dalai Lama im August 2009 in Frankfurt gehörte er zu den teilnehmenden Künstlern und äußerte, sich dem Buddhismus verbunden zu fühlen.[24]
Für die Tierschutzorganisation PETA engagierte er sich gegen das Tragen von Pelzen.[25]
Diskografie
Studioalben
Jahr | Titel Musiklabel |
Höchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartplatzierungenChartplatzierungen (Jahr, Titel, Musiklabel, Platzierungen, Wochen, Auszeichnungen, Anmerkungen) |
Anmerkungen | ||
---|---|---|---|---|---|
DE | AT | CH | |||
2005 | There I Go JazzSick Records (JSR) |
— | — | — | |
2006 | Good Morning Midnight ACT (ACT) |
— | — | — |
Erstveröffentlichung: 27. Januar 2006 mit Julia Hülsmann Trio |
Männersachen Starwatch Entertainment (WMG) |
DE3 ×3 (84 Wo.)DE |
AT23 Gold (39 Wo.)AT |
CH40 (12 Wo.)CH |
Erstveröffentlichung: 26. Mai 2006 Verkäufe: + 610.000 | |
2007 | Beziehungsweise Starwatch Entertainment (WMG) |
DE2 ×3 (44 Wo.)DE |
AT7 Gold (31 Wo.)AT |
CH17 (14 Wo.)CH |
Erstveröffentlichung: 12. Oktober 2007 Verkäufe: + 310.000 |
2009 | Artgerecht Starwatch Entertainment (WMG) |
DE2 Platin (41 Wo.)DE |
AT4 (12 Wo.)AT |
CH8 (16 Wo.)CH |
Erstveröffentlichung: 3. April 2009 Verkäufe: + 200.000 |
2011 | In diesem Moment Starwatch Entertainment (WMG) |
DE4 Gold (22 Wo.)DE |
AT8 (17 Wo.)AT |
CH18 (7 Wo.)CH |
Erstveröffentlichung: 28. Oktober 2011 Verkäufe: + 100.000 |
2014 | Was immer auch kommt Starwatch Entertainment (WMG) |
DE4 Gold (22 Wo.)DE |
AT3 (15 Wo.)AT |
CH11 (14 Wo.)CH |
Erstveröffentlichung: 28. März 2014 Verkäufe: + 100.000 |
2015 | The Roger Cicero Jazz Experience Wavemusic (Sony) |
DE27 (3 Wo.)DE |
AT29 (1 Wo.)AT |
CH79 (1 Wo.)CH |
Erstveröffentlichung: 2. Oktober 2015 |
2021 | The English Album Sony Music (Sony) |
— | — | — |
Erstveröffentlichung: 10. Dezember 2021 |
Filmografie
Filme
- 2009: Hilde
- 2009: Küss den Frosch (deutsche Synchronstimme des Prinz Naveen)
- 2012: Durch die Nacht mit … Roger Cicero und Robert Davi (Arte-Dokumentarfilm)
- 2018: Roger Cicero – Ein Leben für die Musik (NDR-Dokumentarfilm)
Gastauftritte
- 2013: Sesamstraße präsentiert Promisongs: Ernie & Bert und Roger Cicero
- 2014: Sing meinen Song – Das Tauschkonzert
- 2015: Großstadtrevier – Hals über Kopf
Auszeichnungen
- Deutscher Fernsehpreis
- 2014: für „Beste Unterhaltung Show“ (Sing meinen Song – Das Tauschkonzert)
- Echo Jazz
- Echo Pop
- 2007: für „Künstler Rock/Pop National“[28]
- 2015: für „Partner des Jahres“ (Sing meinen Song – Das Tauschkonzert)
- Goldene Stimmgabel
- 2007: für „Jazz Solist“
- Weitere Erfolge
- 2007: Gewinner der deutschen Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest
- 2007: Krawattenmann des Jahres
- 2008: Fred-Jay-Preis
- 2008: Hörerlebnispreis HELIX
- 2015: Hutträger des Jahres
Schriften
- Rogert Cicero: Weggefährten. Meine Songs fürs Leben. Rowohlt, Reinbek, 2010, ISBN 978-3-499-62652-4.
Weblinks
- Literatur von und über Roger Cicero im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Roger Cicero in der Internet Movie Database (englisch)
- Roger Cicero bei filmportal.de
- Roger Cicero bei Discogs
- My Father's Name Trailer bei Vimeo
- Interview mit Roger Cicero bei Planet Interview
- Peter-Philipp Schmitt: „Alles Roger in Helsinki!“ In: FAZ vom 10. Mai 2007
- Offizielle Website (benötigt Adobe Flash)
- Hommage an Roger Cicero - MDR KULTUR im Konzert, 115 Minuten, abgerufen am 4. April 2017
Einzelnachweise
- https://www.munzinger.de/search/document?index=mol-02&id=02000001544&type=text/html&query.key=0ieYXblh&template=/publikationen/pop/document.jsp&preview=, http://www.abendblatt.de/kultur-live/musik/article207317397/Trauer-um-Roger-Cicero-Saenger-stirbt-mit-45-Jahren.html, nach anderen Quellen Berlin: DNB 13311824X, cicero.de
- Roger Cicero GQ Starportrait gq-magazin.de
- Ruft Sie Ihre Mutter noch häufig an, Herr Cicero? F.A.Z. Nr. 4, 5. Januar 2008.
- Barbara Jänichen: Roger Cicero: Hut ab? Niemals! In: Berliner Morgenpost. 8. Mai 2007, abgerufen am 2. April 2016.
- Occult World: Christiane Felscherinow: Babette "Babsi "Döge. In: Christiane Felscherinow. 14. Dezember 2019, abgerufen am 9. Mai 2021.
- Information im hr3-Hörfunk
- Frauen regier’n die Welt
- „Pascha des Monats“ für Roger Cicero. In: Emma
- Roger Cicero ist „Pascha des Monats“. (Memento vom 21. Mai 2007 im Internet Archive) In: Netzeitung
- http://www.golyr.de/roger-cicero/songtext-spontis-zeugen-banker-690215.html
- "Hilde"-Weltpremiere stürmisch gefeiert (Memento vom 27. Dezember 2015 im Internet Archive) Märkische Oderzeitung 14. Februar 2009
- Baby Louis ist da. Focus Online, 3. Mai 2008, abgerufen am 29. März 2016.
- Homepage Ulla Meinecke (Memento vom 6. September 2012 im Internet Archive)
- German jazz singer Roger Cicero dies, aged 45. Deutsche Welle, 29. März 2016, abgerufen am 5. April 2019.
- „Lupenreiner Jazz“, SWR1, 30. September 2015.
- „Wir haben erst die Tour, dann das Album gemacht.“ Rezension im Deutschlandfunk, 6. Oktober 2015, abgerufen am 8. Oktober 2015.
- Jazzmusiker: Roger Cicero ist tot. Spiegel Online, 29. März 2016, abgerufen am 29. März 2016.
- Roger Cicero ist tot: Der Sänger starb an einem Hirninfarkt. dpa, t-online.de, 29. März 2016, abgerufen am 29. März 2016.
- Abschied von einem Vollblutsänger. (Nicht mehr online verfügbar.) In: inforadio.de. 29. März 2016, archiviert vom Original am 9. April 2016; abgerufen am 29. März 2016.
- Roger Cicero: Diese Fragen beschäftigen uns nach seinem Tod. focus.de, 31. März 2016, abgerufen am 31. März 2016.
- Roger Cicero liebt das Wasser in Hamburg. (Nicht mehr online verfügbar.) Elbe Wochenblatt, 20. November 2014, archiviert vom Original am 24. April 2016; abgerufen am 24. April 2016.
- Das Grab von Roger Cicero. knerger.de, 30. Juni 2016, abgerufen am 30. Juni 2016.
- Für die Kinder: Der Swing-Barde als Saab-Verkäufer. auto-news.de, 14. April 2008, abgerufen am 8. Juli 2016.
- Roger Cicero: Konzert für den Dalai Lama. (Memento vom 31. August 2009 im Internet Archive)
- peta.de (2013): Musiker zeigt schockierende Realität der Pelzproduktion in begleitendem Spot (Memento vom 6. Juni 2013 im Internet Archive)
- There I Go. In: jazzsick.com. Abgerufen am 1. November 2021.
- Götz Alsmann und Gregory Porter moderieren Echo Jazz. In: General-Anzeiger (Bonn). 3. Mai 2016, abgerufen am 3. Mai 2016.
- echopop.de (Memento vom 26. August 2010 im Internet Archive)