Lale Andersen
Lale Andersen, eigentlich Liese-Lotte Helene Berta Bunnenberg, verehelichte Beul (* 23. März 1905 in Lehe (heute Bremerhaven); † 29. August 1972 in Wien) war eine deutsche Sängerin und Schauspielerin. Weltberühmt wurde sie durch das Lied Lili Marleen. Unter dem Pseudonym Nicola Wilke schrieb sie auch selbst Liedtexte, u. a. für ihren Nachkriegsschlager Blaue Nacht am Hafen.[1]
Leben
Als Tochter eines Schiffsstewards ist Lale Andersen in Bremerhaven zur Welt gekommen und aufgewachsen.[2] Bereits mit 17 Jahren heiratete sie den Maler Paul Ernst Wilke († 1971). Zwischen 1924 und 1929 bekam das Paar drei Kinder: Björn, Carmen-Litta und Michael Wilke. Die junge Mutter nahm Schauspiel- und Gesangsunterricht und verließ schließlich ihre Familie, um nach Berlin zu gehen. 1931 wurde die Ehe geschieden. Die Kinder wuchsen bei Verwandten und in Heimen auf. Im selben Jahr trat sie (noch unter dem Namen Liese-Lotte Wilke) erstmals am Deutschen Künstlertheater Berlin auf. Es folgten weitere Engagements an verschiedenen Berliner Theatern. 1933 erhielt sie ein Engagement am Schauspielhaus Zürich, wo sie den Schweizer Komponisten (und späteren Intendanten) Rolf Liebermann kennen und lieben lernte. Es folgten Engagements unter anderem an den Münchner Kammerspielen. Daneben stand sie mit Volksliedern, Chansons und Schlagern auf Kleinkunst- und Kabarettbühnen (Ping-Pong, Simpl, Kabarett der Komiker, Groschenkeller), damals bereits unter ihrem Künstlernamen Lale Andersen.
1937 lernte sie in Heidelberg den Pianisten und Kapellmeister Carl Friedrich Pasche kennen, der von 1937 bis 1943 ihr Klavierbegleiter auf allen Tourneen und bei allen Schallplattenaufnahmen war oder die Aufnahmen leitete. 1943 zur Wehrmacht eingezogen, musste Pasche sich von Lale trennen. Nach dem Krieg fand sie andere Klavierbegleiter.
1939 nahm sie das von Hans Leip bereits 1915 getextete und von Norbert Schultze vertonte Lied Lili Marleen unter dem Titel Lied eines jungen Wachtpostens (Electrola EG 6993) auf. Im Zweiten Weltkrieg wurde Lili Marleen über den Soldatensender Belgrad europaweit verbreitet und auf beiden Seiten der Fronten gehört, später jedoch vom deutschen NS-Regime wegen des „morbiden und depressiven“ Textes sowie seiner „wehrkraftzersetzenden Wirkung“ vorübergehend verboten. Es wurde auf den Frontsendern jeweils vor Sendeschluss um 22 Uhr gesendet. Die hohe Popularität brachte alleine der deutschen Originalfassung des Soldatenliedes einen Umsatz von rund zwei Millionen Platten; das Lied avancierte damit zum ersten Millionenseller der deutschen Schallplattengeschichte.[3]
1942 trat Lale Andersen in dem UFA-Kinofilm GPU unter der Regie von Karl Ritter als Sängerin des schwedischen Liedes Svarte Rudolf auf. Im selben Jahr sang sie für die Truppenbetreuung unter Begleitung von Heinz Wehner und seiner Kapelle in Oslo. Ende September 1942, nachdem der Erfolg des Liedes Lili Marleen der Reichskulturkammer und dem Propagandaministerium verdächtig geworden war, fiel auch Lale Andersen selbst bei den politischen Machthabern in Ungnade: Sie hatte die Teilnahme an einer Besichtigung des Warschauer Ghettos abgelehnt, und ihre Privatbriefe an Emigranten in der Schweiz waren bekannt geworden. Am 16. September wurde sie mit sofortiger Wirkung aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen, ihre Schallplattenaufnahmen durften nicht mehr im Rundfunk gesendet werden und sollten bis auf die „Urplatte“ von Lili Marleen aus dem Archiv entfernt werden.[4]
Aufgrund dieser erzwungenen Inaktivität entstand die Falschmeldung der BBC, Andersen sei in ein Konzentrationslager eingewiesen worden. Hierdurch sahen sich die Nationalsozialisten zu einem heftigen Dementi genötigt und ließen Andersen öffentlich auftreten. Ihr wurde jedoch untersagt, Lili Marleen je wieder zu singen. Im Mai 1943 wurde ihr Auftrittsverbot zwar teilweise gelockert; doch blieb es ihr strikt verboten, vor Soldaten zu singen oder sich in irgendeiner Weise mit ihrem Erfolgslied in Verbindung zu bringen. Stattdessen hatte sie sich laut Anordnung der Reichskulturkammer jederzeit für das Propagandaministerium bereitzuhalten, um für die Rundfunkpolitische Abteilung englische Schallplatten („Propagandajazz“) einzusingen. Sie zog sich auf eine Einladung hin auf die Insel Langeoog zurück und verblieb dort bis zur Übernahme der Insel durch die kanadische Armee.
Als Interpretin von Chansons und Seemannsliedern ging sie nach dem Krieg auf erfolgreiche internationale Tourneen. Charakteristika blieben stets ihr herbes Timbre und die ungekünstelte Art ihres Vortrags.
1949 heiratete sie den Schweizer Liederkomponisten Artur Beul und blieb bis zu ihrem Tod mit ihm verbunden. Beul schrieb für sie rund zwanzig Lieder, darunter He, hast du Feuer, Seemann?, Lieselott aus Bremerhaven, Die Fischer von Langeoog, Mit zwei Augen wie den deinen und das gospelartige Lied Moses, Moses.
1956 sang sie in dem Film … Wie einst, Lili Marleen (Regie Paul Verhoeven) die Lieder Lili Marleen und Südseenacht. Ebenso die Lili bei einem internationalen Veteranentreffen vor 16.000 Teilnehmern des Afrikakriegs. 1958 nahm sie erfolglos an der deutschen Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest teil. 1961 trat sie mit dem Lied Einmal sehen wir uns wieder erneut in der deutschen Vorentscheidung zum Eurovision Song Contest an, gewann und vertrat Deutschland beim Eurovision Song Contest in Cannes. Sie erreichte den Platz 13 unter 16 Teilnehmern. 1968 schaffte es Lale Andersen einmalig, in eine Schlagerparade zu kommen, und zwar mit Ketten aus Bernstein, für mehrere Wochen beim Schlagerderby vom Deutschlandfunk, moderiert von Carl-Ludwig Wolff. Diese Single erschien auf dem Columbia-Label (C 23 753).
Neben den genannten Filmen trat Lale Andersen mit ihren Liedern und Schlagern bis 1970 in zahlreichen Fernsehsendungen und großen Shows auf (neunmal in der beliebten Haifischbar). Der Regisseur Truck Branss drehte mit ihr 1964 ein Porträt in Musik. 1968 spielte sie im Fernsehkrimi Einer fehlt beim Kurkonzert unter der Regie von Jürgen Roland die mutmaßliche Täterin. 1969 wirkte sie in Peter Zadeks Der Pott mit und sang das eigenwillige Antikriegslied Tragt sie sanft (Die Kugel). 1970 drehte wiederum Truck Branss ein musikalisches Porträt ihrer Wahlheimat Langeoog mit ihr, während der sie plattdeutsche Lieder sang.
1972 veröffentlichte Lale Andersen die Autobiografie Der Himmel hat viele Farben, die in der Spiegel-Bestsellerliste geführt wurde. Kurz darauf starb sie in Wien an einem Leberkrebsleiden. Sie wurde in Wien eingeäschert, die Urne auf dem Dünenfriedhof Langeoog beigesetzt.
Rezeption und Nachlass
1980 drehte Rainer Werner Fassbinder den Film Lili Marleen mit Hanna Schygulla in der Hauptrolle: ein Film, der laut Abspann unter anderem auf der genannten Autobiografie beruht. Nach den Worten von Lale Andersens letztem Ehemann Artur Beul hat die Filmhandlung mit ihrem wirklichen Leben jedoch nicht viel gemeinsam und lässt auch von den zeitweiligen Problemen der Künstlerin unter dem Nationalsozialismus nichts ahnen.
Auf Langeoog befindet sich Lale Andersens Wohnhaus, der Sonnenhof. Ihr ältester Sohn, Björn Wilke, betrieb im Sonnenhof einen Pensionsbetrieb, bis er das Anwesen verkaufte. Danach wurde im Vorderhaus eine Teestube und ein Restaurant betrieben, das mit Erinnerungsstücken an Lale Andersen dekoriert war. Heute dient es als Ferienhaus.[5] In Bremerhaven steht seit 1981 eine ihr zugeeignete gusseiserne Laterne. Schließlich wurde am 23. März 2005 – ihrem 100. Geburtstag – auf Langeoog ihr zu Ehren eine Bronzestatue der Goldschmiedin Eva Recker enthüllt.
Weil Lale Andersens 1939er-Fassung von Lili Marleen die erste deutsche Schallplatte war, die im Verkauf die Millionengrenze überschritt, und weil die Künstlerin zudem – laut Komponistenmeinung – die beste Fassung von Ein Schiff wird kommen (Les enfants du Pirée / Never on Sunday) sang, wurde sie vom amerikanischen Nachrichtenmagazin Time in die „Liste der berühmtesten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts“ aufgenommen. Damit darf Lale Andersen wohl als einer der wenigen deutschen Weltstars bezeichnet werden.
Sie hat Songs aus der Dreigroschenoper (1958), plattdeutsche Volkslieder (1961) und internationale Folklorelieder (1965) aufgenommen. Ihr Pseudonym als Liedtexterin war Nicola Wilke, unter dem sie etliche bekannte Lieder übersetzte oder selbst verfasste (Spiel’ mir eine alte Melodie, Bésame mucho, La Seine, Destiny, Sunset Boulevard und viele andere). Nachdem Ende der 1940er Jahre einige ihrer Liedübersetzungen (so unter anderem von Bewitched / Verliebt, South of the Border / Mexikanische Serenade oder La vie en rose / Schau mich bitte nicht so an) von Ralph Maria Siegel umgetextet und durch seinen Musikverlag verwertet worden waren, hat Lale Andersen diese Lieder öffentlich nicht mehr gesungen.
Diskografie
- 1939: Backboard ist links (Schiffsjungenlied) (getextet von Fred Endrikat)
- 1939: Der Junge an der Reling
- 1939: Lili Marleen (in über 48 [angeblich sogar 80] Sprachen übersetzt; Verkäufe: + 2.000.000[3])
- 1941: Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei
- 1941: Unter der roten Laterne von St. Pauli
- 1949: Schäferlied (getextet von Peter Hacks)
- 1949: Die Fischer von Langeoog
- 1950: Das Meer (La Mer)
- 1951: Blaue Nacht, o blaue Nacht am Hafen (orig. Jealous Heart)
- 1951: Spiel’ mir eine alte Melodie (orig. Simple Melody)
- 1952: Grüß mir das Meer und den Wind (orig. Please, Mister Sun)
- 1953: Fernweh (später für Petula Clark ins Englische übersetzt als Helpless)
- 1953: Ich werd’ mich an den Jonny schon gewöhnen
- 1954: Kleine Nachtmusik (nach dem Thema von Mozart)
- 1958: Jan von Norderney (Siegertitel des Ausscheids für ein Norderney-Lied)
- 1958: Dreigroschenopersongs
- 1958: Die Dame von der Elbchaussee
- 1958: Hein Mück
- 1959: Ein Schiff wird kommen (orig. Ta pedia tou Pirea / Never on Sunday; Verkäufe: + 800.000[3])
- 1959: Blue Hawaii
- 1961: Einmal sehen wir uns wieder (Deutscher Beitrag für den Grand Prix Eurovision de la Chanson)
- 1961: Wenn du heimkommst (später für Hank Locklin ins Englische übersetzt als Happy Journey)
- 1963: He, hast du Feuer, Seemann?
- 1963: Die kleine Bank im Alsterpark (Beitrag für Ein Lied für Hamburg des Hamburger Senats)
- 1964: In Hamburg sind die Nächte lang (für The King Sisters ins Englische übersetzt als In Hamburg When the Nights Are Long)
- 1963: Mein Leben, meine Lieder (Musikalische Memoiren)
- 1964: Was ist ein Strand ohne Wind und Meer
- 1969: Der Rummelplatz am Hafen
- 1971: Geh’ nicht zurück aufs Meer (orig. Ruby, Don’t Take Your Love to Town)
Filmografie
- 1942: G.P.U.
- 1952: Fritz und Friederike
- 1953: Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein
- 1954: Sterne und Sternchen am Schlagerhimmel (Fernsehfilm)
- 1956: … wie einst Lili Marleen
- 1957: Gruß und Kuß vom Tegernsee
- 1959–1972: Aktuelle Schaubude (Unterhaltungsshow, 11 Folgen)
- 1961: Ein Berliner in Hamburg (Fernsehfilm)
- 1962: Hamburger Extrablätter (Fernsehsendung, eine Folge)
- 1962–1972: Haifischbar (Unterhaltungsshow, neun Folgen)
- 1966: Wer will’s noch mal – Ein musikalisches Kaleidoskop (Fernsehfilm)
- 1966: Von uns – für Sie! (Fernsehfilm)
- 1968: Einer fehlt beim Kurkonzert (Fernsehfilm)
- 1971: Der Pott (Fernsehfilm)
- 1971: Wochenspiegel (Fernsehsendung, eine Folge)
Lale-Andersen-Preis
Die Sparkasse Bremerhaven stiftete 1999 den Lale-Andersen-Preis.
Film
- Britta Lübke: Lale Andersen. Dokumentation der Künstlerbiografie, D, 2007, 45 Min.
Werk
- Lale Andersen: Der Himmel hat viele Farben. Leben mit einem Lied, autobiografischer Roman. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1972, 1984, dtv, München 1981. ISBN 3-421-01625-9.
Literatur
- Dirk Ahlborn-Wilke: Lale Andersen. Erinnerungen Briefe Interviews. Gauke-Verlag Hannoversch Münden 1985, ISBN 3-87998-058-6. Es handelt sich um die zweite erweiterte Auflage des 1978 erschienenen Buches Wie einst…
- Albert Carlsson (Pseudonym): Lili Marleen – Das Schicksalslied der Lale Andersen. (Memento vom 4. Januar 2010 auf WebCite) In: Lëtzebuerger Journal. Luxemburg 2010, Nr. 1 (2./3. Januar), S. 14.
- Litta Magnus Andersen: Lale Andersen – die Lili Marleen. Das Lebensbild einer Künstlerin. Universitas Verlag München 1981, ISBN 3-8004-0895-3
- Jörg Deuter: Nicht nur Lili Marleen Hans Leip und der Esperantologe Richard Schulz/Rikardo Ŝulco in ihren Briefen von 1943 bis 1983. Bautz, Nordhausen 2013, ISBN 978-3-88309-794-7.
- Arne Krone: Ihr Gesang lässt im Krieg die Waffen verstummen. Nordsee-Zeitung vom 22. August 2008, S. 10.
- Arne Krone: Lales Leben nach „Lili Marleen“. Nordsee-Zeitung vom 23. August 2008, S. 20.
- Liel Leibovitz, Matthew I. Miller: Lili Marlene. The soldiers’ song of World War II. Norton, New York 2008, ISBN 978-0-393-06584-8, (Deutsch: Lili Marleen. Ein Lied bewegt die Welt. Aus dem amerikanischen Englisch von Nathalie Lemmens. Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann, München 2009, ISBN 978-3-570-58006-6).
- Rosa Sale Rose: Lili Marleen. Die Geschichte eines Liedes von Liebe und vom Tod. dtv, München 2010, ISBN 978-3-423-24801-3.
- Dirk Wilke: Wie einst… In memoriam Lale Andersen 1945–1972. Chr. Gauke Verlag Hannoversch Münden 1978, ISBN 3-87998-023-3
- Michael Wilke (Lales Sohn): Künstlerkind – Erinnerungen aus erster Hand: Der Sohn von Lale Andersen (»Lili Marleen«) erzählt. (Memento vom 1. Februar 2010 im Internet Archive)
Weblinks
- Werke von und über Lale Andersen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Lale Andersen (Memento vom 14. April 2012 im Internet Archive) auf werften.fishtown.de
- private Seite zu Lale Andersens Leben und Werk
- Lale-Andersen-Preis
- Lale Andersen in der Internet Movie Database (englisch)
- Beiträge mit Lale Andersen in den Onlinebeständen der Österreichischen Mediathek (Schellackaufnahmen, Interviews, Radiobeiträge)
- Sellemols – Ein Porträt in Musik zum 40. Todestag (SR 2012) im Videoarchiv – Internet Archive
Einzelnachweise
- Website über Leben und Werk von Lale Andersen
- Das Geburtshaus von Lale Andersen liegt am Altstadtrundgang (Bremerhaven).
- Joseph Murrells: The Book of Golden Discs: The Records That Sold a Million. 2. Auflage. Limp Edition, London 1978, ISBN 0-214-20512-6, S. 22.
- Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, S. 2347, Quelle: BA R 55/ 696. Blatt 62.
- Lale Andersen Ferienhaus Langeoog. Abgerufen am 28. August 2019 (deutsch).
- Chartquellen: Lale Andersen bei chartsurfer