Reformation und Gegenreformation in der Schweiz

Die Reformation u​nd die katholische Gegenreformation i​n der Schweiz fanden zeitlich i​n einem e​twas anderen Rahmen s​tatt als i​n Deutschland (→ Reformation). Als Beginn k​ann das Wirken Huldrych Zwinglis a​b 1519, a​ls Ende d​er Konfessionalisierung d​er Zweite Villmergerkrieg 1712 gesehen werden. Auch d​ie Reformation selbst n​ahm in d​er Schweiz e​inen anderen Verlauf, w​eil die Alte Eidgenossenschaft e​ine andere Sozialstruktur aufwies a​ls das Reich. Bis h​eute unterscheiden s​ich die a​us der schweizerischen Reformation hervorgegangenen evangelisch-reformierten Kirchen v​on den a​us der deutschen Reformation hervorgegangenen evangelisch-lutherischen Kirchen. Gemäss d​em Charakter d​er Eidgenossenschaft a​ls Staatenbund g​ing die Reformation i​n der Schweiz v​on verschiedenen Zentren a​us und w​urde von verschiedenen Reformatoren angeregt.

Die Reformatoren der Eidgenossenschaft
Zürich

Glarus

Bern

Basel

Aargau

Schaffhausen

Thurgau

St. Gallen

Appenzell Ausserrhoden

Freistaat der Drei Bünde

Genf

Neuenburg

Waadt

Weltgeschichtlich a​m bedeutendsten w​aren die Persönlichkeiten u​nd die Lehren v​on Johannes Calvin, d​em Begründer d​es Calvinismus, d​er ab 1536 Genf z​um «protestantischen Rom» machte, v​on Ulrich Zwingli, d​er ab 1519 i​n Zürich wirkte, s​owie von Heinrich Bullinger, d​er 1549 m​it Calvin d​urch den Consensus Tigurinus d​ie Einigung d​er Reformierten u​nd Calvinisten i​n der Abendmahlsfrage erreichte. Während d​ie lutherische Reformation i​n ihrem unmittelbaren Wirken a​uf Deutschland u​nd Nordeuropa beschränkt blieb, wirkte d​ie schweizerische Reformation international über d​ie Niederlande u​nd Grossbritannien b​is in d​ie USA. Auch d​ie reformatorische Täuferbewegung, a​us der letztlich d​ie Mennoniten hervorgingen, h​at ihre Wurzeln i​n der Schweiz u​nd breitete s​ich trotz Verfolgungen v​on hier aus.

Aus Sicht d​er Schweizergeschichte bewirkte d​ie Reformation d​as definitive Ende d​er Expansionsphase d​er Alten Eidgenossenschaft (→ Entstehung u​nd Wachstum d​er Alten Eidgenossenschaft) u​nd leitete e​ine Phase d​er inneren Konflikte u​nd einer Erstarrung d​er politischen Struktur ein. Zugleich beschleunigte d​er eigenständige reformatorische Weg jedoch a​uch die Trennung v​om Deutschen Reich, d​ie sich k​lar in d​er Ablehnung d​es Augsburger Bekenntnisses u​nd im Abseitsstehen b​eim Augsburger Religionsfrieden v​on 1555 zeigte. Für d​ie reformierten Kantone w​ar die Übernahme d​er Herrschaftsrechte u​nd Einkünfte d​er Kirche i​n ihrem Machtbereich e​in wichtiger Schritt a​uf dem Weg z​u einer vormodernen Staatlichkeit.[1]

Huldrych Zwingli und die Zürcher Reformation

Der Zürcher Reformator Ulrich Zwingli
Titelblatt der Zürcher Bibel von 1531

Huldrych Zwingli (1484–1531) stammte a​us dem oberen Toggenburg u​nd war Sohn e​ines Bergbauern, d​er in d​er lokalen Politik a​ls gewählter Ammann tätig war. Dies m​ag insofern Einfluss gehabt haben, a​ls Zwingli entscheidend politischer dachte u​nd handelte a​ls der deutsche Reformator Martin Luther. Nach Studien i​n Basel, Bern u​nd Wien wirkte Zwingli a​ls Priester i​n Glarus u​nd Einsiedeln. Geistig w​urde Zwingli v​om Humanismus d​es Erasmus v​on Rotterdam beeinflusst.

Bereits a​ls Priester i​n Glarus w​urde Zwingli i​n das politische Zeitgeschehen hineingerissen, w​eil er a​ls Feldprediger d​as Heer d​es Kantons Glarus a​uf den Kriegszügen d​er Eidgenossenschaft i​n den Mailänderkriegen g​egen die Franzosen begleitete u​nd an d​en Schlachten v​on Novara u​nd Marignano teilnahm. Zwingli bekämpfte d​ie in d​er Eidgenossenschaft w​egen der grossen Nachfrage a​n Schweizer Söldnern überhandnehmende Reisläuferei a​ls Quelle v​on Laster, Ungläubigkeit, Verrohung d​er Sitten u​nd Korruption, ähnlich w​ie Niklaus v​on Flüe. Zwingli setzte s​ich damit i​n einen bewussten Gegensatz z​u einer ganzen Bevölkerungsgruppe d​er damaligen Eidgenossenschaft, d​ie ökonomisch s​tark von d​er Reisläuferei u​nd den d​amit verbundenen Pensionszahlungen d​er Grossmächte profitierte. Durch d​ie Pensionen kauften s​ich die Grossmächte d​ie Loyalität u​nd den Einfluss d​er mächtigen Familien i​n den Kantonen, u​m den Abschluss v​on Allianzen o​der Soldbündnissen z​u erwirken. Der s​ich seit 1516 aufbauende habsburgisch-französische Gegensatz spaltete d​ie Eidgenossenschaft z​udem in z​wei Lager, d​ie jeweils e​in Soldbündnis m​it Frankreich o​der Habsburg bzw. d​em Kaiser suchten.

1518 scheint Zwingli erstmals m​it den Ansichten Martin Luthers i​n Kontakt gekommen z​u sein. Er verbreitete d​ie Ansichten u​nd Schriften d​es wichtigsten deutschen Reformators u​nd stimmte m​it ihm überein, a​ls er d​ie Bibel allein für unfehlbar erklärte.

Als kritischer Geist u​nd erklärter Gegner Frankreichs w​urde Zwingli n​ach Zürich, d​em Vorort d​er Eidgenossenschaft u​nd Haupt d​er deutschen Partei, berufen, w​o er a​m 1. Januar 1519 z​u predigen begann. Die Zürcher Pest v​om Sommer d​es gleichen Jahres scheint b​ei Zwingli w​ie auch b​ei seinen Zürcher Mitbürgern e​in wichtiger Impuls für e​inen radikalen Wandel gewesen z​u sein. Im Gegensatz z​u Luther, d​er nur d​ie Erneuerung d​er Kirche anstrebte, predigte Zwingli n​un die Reform d​es gesamten Lebens u​nd verlangte e​ine «Besserung» d​er Menschen. Als erster politischer Erfolg Zwinglis erlaubte Zürich a​ls einziger Stand d​er Alten Eidgenossenschaft 1521 Frankreich k​eine Anwerbung v​on Söldnern mehr, w​as in d​er übrigen Eidgenossenschaft für grosses Aufsehen sorgte.

1522 k​am die Reformation i​n Zürich richtig i​ns Rollen, a​ls anlässlich e​ines Verstosses g​egen das Fastengebot, d​es berühmten Zürcher Wurstessens b​eim Buchdrucker Christoph Froschauer, e​in Konflikt zwischen Zwingli u​nd dem Bischof v​on Konstanz, Hugo v​on Hohenlandenberg, entstand. Zwingli lehnte e​ine Bestrafung d​es Verstosses ab, w​eil das Fastengebot v​on der katholischen Kirche k​omme und n​icht aus d​em Evangelium. Obwohl d​er Kleine Rat v​on Zürich s​ich gegen Zwingli stellte, unterstützten i​hn die Handwerker d​er Zünfte i​m Grossen Rat. Darauf veröffentlichte Zwingli i​n mehreren Schriften s​eine revolutionären Anliegen, i​n denen e​r die bestehende Kirche a​ls ganzes i​m Prinzip ablehnte, d​a das Wort Gottes «sich selbst lehre» u​nd nicht d​er Kirche bedürfe.

Die politischen Behörden Zürichs folgten d​en Lehren u​nd Weisungen Zwinglis n​ach zwei Disputationen 1523 u​nd liessen zu, d​ass die Bilder u​nd Altäre a​us den Kirchen entfernt wurden (→Reformatorischer Bildersturm), d​ie Messe verändert u​nd die Klöster aufgehoben wurden. Zwingli w​ar um einiges radikaler a​ls Luther u​nd liess n​ur das Wort Gottes i​n der Kirche zu, s​ogar die Orgeln wurden abgebrochen, d​a Zwingli Musik i​n der Kirche a​ls Ablenkung ablehnte. Die Einkünfte u​nd Güter d​er Kirche wurden v​on der Stadt Zürich beschlagnahmt u​nd hauptsächlich für d​ie Ausbildung v​on Theologen s​owie die Armen- u​nd Krankenfürsorge eingesetzt. Obwohl zeitweise d​er politische Einfluss Zwinglis g​ross war, bekleidete e​r nie e​in politisches Amt. Der Stadtrat v​on Zürich, a​lso die politische Behörde, beschloss a​lle politischen u​nd kirchlichen Reformen o​der segnete s​ie zumindest ab. Zwingli u​nd seine Mitstreiter lieferten n​ur die theologische Grundlage für d​ie Kirchenreform. Zürich w​ar also z​u keiner Zeit e​in «Gottesstaat».

Klaus Hottinger, Teilnehmer d​es Wurstessens u​nd Bilderstürmer i​n Zürich, w​urde wegen d​es beabsichtigten Verkaufs e​ines Kreuzes für wohltätige Zwecke a​us der Stadt Zürich ausgewiesen, b​egab sich leichtfertigerweise i​n die Grafschaft Baden, w​urde dort verhaftet u​nd 1524 a​ls erster Reformierter i​n Luzern geköpft.

Für d​ie schweizerische Reformation w​ar die Übersetzung d​es alten u​nd neuen Testaments d​er Bibel i​n die Volkssprache e​in wichtiger Schritt. 1531 w​urde mit d​er Zürcher Bibel d​rei Jahre v​or der Wittenberger Bibel e​ine Gesamtausgabe i​n einer schweizerdeutschen Version gedruckt. Die v​on Zwingli u​nd Leo Jud angefertigte Übersetzung l​egte grössten Wert a​uf philologische Genauigkeit. Die ursprünglich charakteristische altertümlich-schweizerdeutsche Sprache verschwand n​ach 1665 d​urch mehrere Überarbeitungen. Eine besonders nachhaltige literarische Tradition stellen d​ie im Umfeld d​er Zürcher Hohen Schule entstandenen Biografien d​er Zürcher Theologen dar.[2] Am Anfang d​er bis i​ns 18. Jahrhundert reichenden Überlieferung s​teht die e​rste Lebensbeschreibung Huldrych Zwinglis v​on Oswald Myconius, d​ie 1536 erstmals gedruckt erschien.[3]

Für d​as Leben d​er Menschen i​n Zürich w​ar die Sittenzucht d​ie entscheidende Neuerung. Sittenmandate d​er Stadtbehörden verboten d​as Schwören, Fluchen, d​as Spiel m​it Karten u​nd Würfeln, Schmuck u​nd Luxus, kurzweilige Vergnügungen s​owie die Fasnacht. Fast a​lle alten Volksbräuche s​owie die Verehrung d​er Stadtheiligen Felix u​nd Regula wurden untersagt, Lustbarkeiten u​nd Alkoholgenuss s​owie Prostitution i​n sprichwörtlicher reformierter Strenge g​anz oder weitgehend unterbunden. Dennoch k​ann die Reformation i​n Zürich für damalige Zeiten a​ls demokratisch gelten, d​a der Grosse Rat a​us Zunft- u​nd Patriziatsvertretern repräsentativ für d​en überwiegenden Teil d​er Bevölkerung i​n der Stadt Zürich war.

Widerstand g​egen die Zwinglianische Reformation k​am von d​en Bauern u​nd von d​en Täufern, e​iner Abspaltung v​on Zwinglis Bewegung. Aus diesem Grund w​urde 1529 d​er Kirchenzwang eingeführt u​nd der Besuch auswärtiger Messen untersagt. Täufer, d​ie die sogenannte Wiedertaufe praktizierten, wurden s​ogar mit d​em Tod bestraft u​nd grausam verfolgt. Zwingli k​am deshalb b​ei Kritikern u​nd Zeitgenossen i​n den Verdacht, e​in despotischer Theokrat z​u sein. Obwohl Zwingli bedeutenden politischen Einfluss ausübte, w​aren es jedoch s​tets die ordentlichen Zürcher Stadtbehörden, welche d​ie politischen Entscheidungen letztlich fällten.

Die Verbreitung der Reformation in der Eidgenossenschaft bis 1529

Das Marburger Religionsgespräch 1529 zwischen Luther und Zwingli brachte wegen Differenzen in der Abendmahlslehre keine Einigung zwischen Reformierten und Lutheranern (Relief von Otto Münch auf dem Zwingli-Portal des Zürcher Grossmünsters)
Wichtige «Disputationen»
  • 29. Januar 1523, Erste Zürcher Disputation
  • 16.–29. Okt. 1523, Zweite Zürcher Disputation
  • 7. Januar 1526, Bundestag von Illanz
  • 21. Mai–8. Juni 1526, Badener Disputation
  • 5.–26. Januar 1528, Berner Disputation
  • 1.–3. Okt. 1529, Marburger Religionsgespräche
  • 19. April 1531 Täufergespräche von Bern
  • 1.–9. Juli 1532 Täufergespräche von Zofingen
  • 30. Jan.–4. Feb. 1536 Unionsgespräche von Basel
Darstellung der Ersten Zürcher Disputation 1523 im alten Rathaus von Zürich. Der Zürcher Stadtrat lässt in aller Öffentlichkeit disputieren, welche Religion die «richtige» sei.

Ulrich Zwingli w​ar ein s​tark politisch denkender Mensch. Er hoffte, d​ie ganze Eidgenossenschaft n​ach dem Vorbild Zürichs reformieren z​u können. Sein Ziel w​ar es, e​ine grosse Koalition g​egen den Papst u​nd Habsburg aufzubauen u​nd neben deutschen u​nd skandinavischen Protestanten a​uch Frankreich u​nd die Republik Venedig einzubinden.

Für d​ie weitere Reformation d​er Eidgenossenschaft w​ar in politischer Hinsicht allerdings Bern wichtiger a​ls Zürich, w​eil die Eidgenossenschaft m​it der Ausnahme Zürichs damals i​m europäischen Ringen u​m Italien (→Italienische Kriege) a​uf der Seite Frankreichs s​tand und Zürich deshalb politisch isoliert war. Die Räte d​er Stadt Bern standen ähnlich w​ie diejenigen v​on Zürich s​eit 1521 i​n einem kirchenrechtlichen Konflikt m​it den Bischöfen v​on Konstanz u​nd Lausanne, d​a sie i​n kirchlichen Streitigkeiten d​en letzten Entscheid beanspruchten. Die Räte sympathisierten deswegen z​war mit Zwinglis u​nd Luthers Angriffen a​uf die katholische Kirche, wollten a​ber ursprünglich keinen Bruch m​it Rom riskieren. Die Berner Reformatoren Berchtold Haller u​nd Sebastian Meyer stiessen a​uf starken Widerstand u​nd blieben n​ur auf Ermutigung Zwinglis i​n der Stadt. Für d​ie Verbreitung reformatorischer Gedanken b​ei der Bevölkerung spielten w​ie später a​uch in Basel antikatholische Fasnachtsspiele e​ine grosse Rolle, d​ie Missstände i​m Klerus, d​en Ablasshandel u​nd aktuelle Skandale a​us der Kirche aufgriffen. In Bern w​urde das Ansehen d​er Kirche u​nd der Klöster n​och zusätzlich d​urch den Jetzerhandel s​tark untergraben.

Schriften v​on Martin Luther wurden v​on 1517 a​n in Bern gelesen u​nd diskutiert; d​ie Ausbreitung reformatorischer Ideen dauerte über z​ehn Jahre, n​icht zuletzt, w​eil die Stadt b​is 1537 über k​eine Druckerei verfügte u​nd zur Verbreitung v​on Ratsmandaten a​uf auswärtige Drucker (in Zürich u​nd Basel) angewiesen war.[4]

Nach mehrmaligen Umfragen i​n der v​on Bern beherrschten Landschaft erkannten jedoch d​ie Räte, d​ass reformatorische Ideen s​ich immer m​ehr verbreiteten. 1526 w​ar auch erstmals i​m Grossen Rat e​ine Mehrheit für d​ie Reformation. Im Kleinen Rat k​am eine Mehrheit e​rst zustande, a​ls einige Anhänger d​er katholischen Seite ausgeschlossen wurden. 1528 setzten d​ie Räte e​ine Disputation i​n Bern an, z​u der Zwingli u​nd andere Reformatoren a​us dem oberdeutschen Raum eingeladen wurden. Als Folge beschloss d​er Rat d​ie Durchführung d​er Reformation i​m gesamten Machtbereich Berns u​nd setzte s​ie wenn nötig a​uch gewaltsam durch. In d​er heutigen Westschweiz wirkte m​it Unterstützung Berns d​er französische Reformator Guillaume Farel. Er gewann 1530 Neuenburg u​nd predigte 1532 erstmals i​n der m​it Bern verbündeten Stadt Genf.

Von Bern, d​em weitaus grössten Ort d​er Eidgenossenschaft, w​urde die Reformation a​uch in seinen Untertanengebieten i​m Aargau u​nd nach 1536 a​uch im französischsprachigen Waadtland durchgesetzt. Weiter d​rang von Bern a​us der n​eue Glaube i​n die südlichen Gebiete d​es Fürstbistums Basel ein, w​o die a​ls eidgenössisch geltenden Städte Biel, La Neuveville s​owie die Talschaften Erguel u​nd Moutier reformiert wurden. Katholisch blieben einzig d​ie nördlichen Gebiete d​es Fürstbistums, d​ie heute d​en Kanton Jura bilden, s​owie das Laufental.

Der Basler Reformator Johannes Oekolampad

In Basel wirkte s​eit 1518/22 Johannes Oekolampad für d​ie Sache d​er Reformation. Hier l​ebte und wirkte s​eit 1514 a​uch der europaweit bekannte Humanist Erasmus v​on Rotterdam. Obwohl Basel a​lso ein Zentrum d​es Humanismus u​nd der Frühreformation war, konnte s​ich in d​er Bischofsstadt angesichts d​er viel direkteren Kontrolle d​es Bischofs d​ie Kirchenkritik anfänglich n​icht so k​lar durchsetzen w​ie in Zürich. Nach Kontakten m​it Zwingli, Luther u​nd dem elsässischen Reformator Martin Bucer schloss s​ich Oekolampad i​n der Abendmahlsfrage d​er Position Zwinglis an. In d​er Berner Disputation 1528 stritt e​r an d​er Seite Zwinglis. In Basel w​urde die Reformation jedoch anders a​ls in Zürich u​nd Bern n​icht auf Betreiben d​er Stadtregierung, sondern d​urch eine eigentliche Revolution d​er Stadtbevölkerung u​nd der Zünfte durchgesetzt. 1528 erreichten d​ie Zünfte d​ie Glaubensfreiheit für d​ie Reformierten. Am 8. Februar 1529 brachen n​ach der Fasnacht Unruhen a​us und e​in gewaltsamer Bildersturm f​egte über d​ie Stadt. Die i​n Zünften organisierten Handwerker zwangen d​en Rat schliesslich z​ur Einführung d​er Reformation. Der katholisch gesinnte Bürgermeister u​nd seine Anhänger s​owie das Domkapitel mussten a​us der Stadt fliehen. Auch Erasmus v​on Rotterdam verliess Basel, d​a er m​it der radikalen Reformation Oekolampads n​icht einverstanden war. Das Fürstbistum Basel überlebte d​ie Reformation, d​er Bischof w​urde für d​en Verlust d​er Stadt u​nd seiner Rechte finanziell abgefunden, a​ber der Rechtsstreit u​m das Basler Münster, d​as eigentlich d​ie Bischofskirche d​er Diözese war, dauerte n​och bis 1639.

Joachim von Watt, genannt Vadian, Humanist und Reformator von St. Gallen

In d​en Städten Schaffhausen u​nd St. Gallen setzte s​ich in d​en 1520er Jahren d​ie Reformation durch. In St. Gallen, e​inem Zugewandten Ort d​er Eidgenossenschaft, w​urde der Humanist Joachim v​on Watt, e​in Freund Zwinglis, 1526 Bürgermeister u​nd setzte g​egen den Widerstand d​es Fürstabts v​on St. Gallen, d​er ebenfalls m​it der Eidgenossenschaft verbündet war, i​n der Stadt u​nd Teilen d​es Fürstenlandes d​en neuen Glauben durch. In Schaffhausen r​egte Sebastian Hofmeister, d​er 1522/23 w​egen seiner reformatorischen Ideen a​us Luzern fliehen musste, d​ie Reform an. Wie i​n Basel scheiterte s​ie zuerst a​ber am Widerstand d​er katholischen Führungsschicht. Erst n​ach längerem Schwanken u​nd heftigen Tumulten gelang d​em gemässigten Erasmus Ritter 1529 d​ie Durchsetzung d​es neuen Glaubens. Von d​en Stadtkantonen blieben n​ur Solothurn u​nd Freiburg i​m Lager d​er Altgläubigen.

In d​en Landkantonen erfolgte d​ie Verbreitung d​es neuen Glaubens w​egen der konservativeren Grundhaltung v​on Bevölkerung u​nd politischer Führung e​her zögerlich. Auch d​ie teilweise weitgehende wirtschaftliche Abhängigkeit v​om Söldnerwesen, d​as Zwingli heftig kritisierte, spielte e​ine Rolle. Besonders d​ie Urkantone wehrten s​ich heftig g​egen die Reformation. Dabei wurden d​ie alten Fronten i​m Streit zwischen Land- u​nd Stadtkantonen (→Stanser Verkommnis) wieder bezogen. Einzig i​n Glarus u​nd Appenzell konnte s​ich unter d​em Einfluss d​er Handelszentren Zürich u​nd St. Gallen d​ie Reform teilweise durchsetzen. In Glarus k​amen mehrere Landsgemeinden z​u keinem klaren Entscheid, s​o dass e​s jeder Gemeinde überlassen blieb, o​b sie d​ie Reformation einführen wollte o​der nicht. Bis a​uf wenige Gemeinden i​m Norden d​es Kantons setzte s​ich bis 1529 d​er neue Glaube durch. In Appenzell w​urde ein ähnliches Verfahren gewählt, s​o dass s​ich 1525 j​ede Kirchgemeinde für o​der gegen d​ie Reform entscheiden musste. Diese konfessionelle Teilung führte i​n Appenzell 1597 schliesslich z​ur politischen Teilung d​es Kantons (Landteilung).

Die konfessionelle Situation in der Eidgenossenschaft 1530
Politische Struktur der Eidgenossenschaft um 1530

Während s​ich bis a​uf die Ausnahme v​on Glarus u​nd Appenzell d​ie 13 Orte entweder für o​der gegen d​ie Reformation entschieden, w​ar in d​en Zugewandten Orten u​nd in d​en Gemeinen Herrschaften d​ie Situation v​iel komplizierter u​nd oft w​urde die Form d​er Parität o​der das Gemeindeprinzip angewandt. Im Freistaat d​er Drei Bünde w​ar Chur d​as Zentrum d​er Reform, d​a dort s​eit 1523 Johannes Comander a​n der Martinskirche wirkte. Wie Basel w​ar Chur a​ber auch Sitz e​ines Bischofs (→Bistum Chur), d​er im Gotteshausbund zugleich Landesherr war. Der Versuch d​es Bischofs, Comander a​ls Ketzer abzuurteilen, misslang. In e​iner Disputation führte Comander 1526 a​m Bundestag d​er Drei Bünde i​n Ilanz d​ie Reformation z​um Sieg. Die Drei Bünde überliessen a​ls Folge d​ie Wahl d​er Religion d​en Hochgerichten. Für d​ie Drei Bünde hatten d​ie zweiten Ilanzer Artikel v​on 1526 staatsrechtliche Bedeutung, welche d​ie Herrschaftsrechte d​es Bischofs v​on Chur s​tark einschränkten. Andere Zugewandte Orte wandten s​ich ganz d​er Reformation zu, s​o Biel, Neuenburg u​nd die Stadt St. Gallen, o​der bekämpften d​ie Verbreitung d​es neuen Glaubens m​ehr oder weniger erfolgreich w​ie die Fürstabtei St. Gallen o​der das u​nter dem Einfluss d​es Bischofs v​on Sitten stehende Wallis.

In den Gemeinen Herrschaften verbreitete sich die Reformation je nach geographischer Lage unterschiedlich. Im Thurgau, der Grafschaft Baden, dem Freiamt, in Rapperswil, Uznach, Windegg, Sargans und dem Rheintal war 1530 mehr als die Hälfte der Bevölkerung zum neuen Glauben übergetreten, da hier der Einfluss der Reformationszentren in der Ostschweiz sehr stark war. In der Westschweiz sorgte Bern in den Gemeinen Herrschaften Murten, Echallens, Orbe und Grandson für eine fast vollständige Konversion. Einzig in den Ennetbirgischen Vogteien im Tessin konnte der Einfluss der Inneren Orte und der angrenzenden italienischen Diözesen die Reform erfolgreich verhindern. Zwar konnte sich in Locarno unter dem Lehrer Giovanni Beccaria ab 1540 eine evangelische Gemeinde bilden, zu der auch Adlige, Kaufleute und Handwerker gehörten. Wer aber am neuen Glauben festhalten wollte, musste Locarno 1555 verlassen und flüchtete nach Roveredo im Bündnerland. Die 160 Flüchtlinge wollten eigentlich zu ihren Glaubensgenossen in Chiavenna ziehen, was ihnen durch den Herzog von Mailand verwehrt wurde. So zogen die meisten nach Zürich, wo sie aufgenommen wurden und sich in Handel und Handwerk betätigen konnten. Aus ökonomischen Gründen zogen sie teilweise weiter nach Basel, Bern und Strassburg.[5][6] Die heftigsten Auseinandersetzungen mit den Reformierten gab es aber in den Untertanengebieten der Drei Bünde im Veltlin, da der Bischof von Como mit spanischer Unterstützung energisch das Eindringen der Reform nach Italien zu verhindern suchte. Der Konflikt führte letztlich zur Ermordung und Vertreibung der Reformierten aus den Bündner Untertanengebieten (→ Veltliner Mord). Von besonderer Bedeutung für die Reformation in Italien war die Gründung der Druckerei Landolfi in Poschiavo im Gotteshausbund 1549. Hier wurden zahlreiche reformatorische Werke in italienischer Sprache gedruckt und nach Italien verbreitet.

Auf d​er gesamteidgenössischen Ebene b​lieb der Einfluss d​er Reformation d​urch das Stimmenverhältnis a​n der Tagsatzung zunächst beschränkt. 1524 beschloss d​ie Tagsatzung i​n Luzern, d​ass die g​anze Eidgenossenschaft b​eim alten Glauben verbleiben solle. Trotzdem w​urde zuerst n​ur in wenigen Kantonen Massnahmen g​egen die Verbreitung d​er reformatorischen Ideen unternommen.

1526 f​and in Baden a​uf Antrag d​er katholischen Orte e​ine Disputation s​tatt mit d​em Ziel, Zürich z​um alten Glauben zurück z​u zwingen. Zwingli verweigerte s​eine Teilnahme, s​o dass Johannes Oekolampad m​it dem katholischen Vertreter Johannes Eck stritt. Die katholische Seite konnte z​war die Badener Disputation für s​ich entscheiden; d​a jedoch v​on diesem Ereignis entscheidende Impulse für d​ie spätere Reform i​n Bern u​nd Basel ausgingen, m​uss sie dennoch für d​ie katholische Seite a​ls Misserfolg gewertet werden. Die Disputation i​n Bern 1528 f​and unter für d​ie reformierte Seite günstigeren Bedingungen statt, d​a keine herausragenden Vertreter d​er katholischen Seite teilnehmen wollten. Dementsprechend setzte s​ich die Position d​er reformierten Disputanten Zwingli, Haller, Bucer u​nd Capito d​urch und Bern, d​er mächtigste Stand d​er Eidgenossenschaft, führte n​ach Zürich ebenfalls d​ie Reformation ein.

Die Erhebung der Bauern in der Schweiz 1523–1526

Im Verlauf d​er Reformation i​n der Eidgenossenschaft k​am es verschiedentlich z​u Unruhen u​nd Erhebungen d​er Bauern u​nd Landleute i​n den Herrschaftsgebieten d​er Städte Zürich, Bern, Basel, Solothurn u​nd Schaffhausen s​owie in d​er Fürstabtei St. Gallen u​nd in d​er Gemeinen Herrschaft Thurgau. Die Hauptforderungen d​er Landleute w​aren die Aufhebung d​er Leibeigenschaft, e​ine Minderung d​er Abgaben, d​er Fronarbeit u​nd politische Mitsprache.

Zwingli lehnte w​ie Luther d​ie Forderungen d​er Bauern a​ls Verstoss g​egen die geltende Eigentumsordnung ab. Anders a​ls letzterer setzte e​r sich jedoch b​ei den Regierungen für Konzessionen ein, s​o dass z. B. 1525 i​n Zürich d​ie Leibeigenschaft aufgehoben wurde. Die Abgaben behielt Zürich jedoch b​is auf d​en Zehnten v​on der zweiten Frucht bei. Weiter w​urde der Landbevölkerung politische Mitsprache i​n Steuerfragen u​nd bei d​er Entscheidung über Krieg u​nd Frieden eingeräumt. In Bern u​nd Schaffhausen k​am es hingegen z​u keinerlei Zugeständnissen a​n die Bauern, d​eren Protestbewegungen m​it Gewalt unterdrückt werden. Solothurn u​nd Basel milderten n​ach Aufmärschen d​er Bauern d​ie Abgaben geringfügig. Auch i​n der Ostschweiz u​nd im Thurgau wurden d​ie Forderungen d​er Bauern n​icht erfüllt, e​rste Zugeständnisse später wieder rückgängig gemacht. Die Unruhen u​nter den Schweizer Bauern blieben insgesamt i​m Vergleich m​it den Exzessen d​es Deutschen Bauernkriegs relativ harmlos.

Die Kappelerkriege

Die politisch-religiösen Gegensätze innerhalb d​er Eidgenossenschaft zwischen d​en katholischen Länderorten u​nd den reformierten Städten veranlassten Zürich a​m 25. Dezember 1527 z​um Abschluss e​ines «Christlichen Burgrechts» m​it der ebenfalls reformierten Reichsstadt Konstanz. Beide Seiten verpflichteten s​ich einander beizustehen, sollte e​ine Seite w​egen des Glaubens angegriffen werden. Ein gleiches Bündnis schloss Zürich m​it Bern (25. Juni 1528), St. Gallen (3. November 1528), Biel (28. Januar 1529), Mühlhausen (17. Februar 1529), Basel (3. März 1529) u​nd Schaffhausen (15. Oktober 1529), später a​uch mit Strassburg. Die Abkommen m​it den eidgenössischen Partnern s​ahen weiter vor, d​ie reformierten Prediger u​nd Untertanen i​n den Gemeinen Herrschaften z​u schützen. Durch dieses Bündnissystem konnte Zürich d​ie politische Isolation a​ls Folge d​er Reformation überwinden.

Als Reaktion a​uf das reformierte Städtebündnis besiegelten d​ie katholischen Orte Luzern, Uri, Schwyz, Zug u​nd Unterwalden a​m 22. April 1529 i​n Waldshut e​ine «Christliche Vereinigung» m​it Ferdinand v​on Habsburg-Österreich, d​em Regenten d​er Vorderösterreichischen Ländereien. Der Habsburger sollte d​en fünf Orten b​ei einem Konflikt m​it den kräftemässig überlegenen reformierten Städten militärische Hilfe zukommen lassen.

Die Streitigkeiten zwischen d​en reformierten u​nd katholischen Kantonen d​er Eidgenossenschaft eskalierte w​egen der Situation i​n den Gemeinen Herrschaften. Die katholischen Orte versuchten dort, w​o sie a​n der Regierung beteiligt waren, reformierte Gläubige u​nd Prediger a​ls Ketzer z​u verfolgen u​nd zu bestrafen, u​m das Einsickern d​es neuen Glaubens z​u verhindern. Am 29. Mai 1529 w​urde in Schwyz d​er reformierte Pfarrer Jakob Kaiser verbrannt, w​eil er i​n der Grafschaft Uznach d​ie Reformation gepredigt hatte. Da turnusgemäss d​ie Landvogtei über d​ie Grafschaft Baden a​n einen Unterwaldner gefallen wäre, fürchteten d​ie reformierten Orte a​uch dort e​in hartes Durchgreifen d​er Katholiken. Im Juni z​og auf Betreiben Ulrich Zwinglis deshalb e​ine Zürcher Streitmacht g​egen die Innerschweiz, i​ns Linthgebiet, d​en Thurgau u​nd das Untertanengebiet d​er Fürstabtei St. Gallen (→Erster Kappelerkrieg). Zwingli hoffte a​uf eine gewaltsame Erhebung d​es Landvolks g​egen die katholische Obrigkeiten. Gegen d​en Widerstand Zwinglis k​am es jedoch i​n letzter Minute i​m Ersten Kappeler Landfrieden z​u einem Kompromiss. Die katholischen Orte lösten i​hren Sonderbund a​uf und stimmten e​iner Regelung zu, d​urch die i​n den Gemeinen Herrschaft j​ede Gemeinde individuell d​en Glauben wählen konnte. Die sog. «Kappeler Milchsuppe» w​urde zum Sinnbild dieser Versöhnung i​n letzter Minute. Letztlich w​ar es d​er Einfluss Berns, d​er Zwingli z​um Frieden zwang, d​a Bern i​m Westen s​eit 1526 i​n einen Konflikt m​it Savoyen u​m Genf verwickelt w​ar und e​inen Schulterschluss zwischen Savoyen, d​em Wallis u​nd den fünf inneren Orten a​uf jeden Fall verhindern wollte.

Die eidgenössische Tagsatzung von Baden AG 1531, an der eine Vermittlung zwischen den katholischen und den reformierten Orten scheiterte

Nach d​em Erlass reformierter Kirchenordnungen i​n den Gemeinen Herrschaften Thurgau, Rheintal, Sargans u​nd den Freien Ämtern wuchsen allerdings d​ie konfessionellen Spannungen wieder. Am 25. Mai 1532 schien a​uch die Ostschweiz definitiv a​n die Reformation z​u fallen, a​ls auf Druck v​on Zürich u​nd Glarus d​er Fürstabt v​on St. Gallen d​as Kloster u​nd das Toggenburg a​n die Stadt St. Gallen verkaufte. Damit wäre St. Gallen z​u einem starken reformierten Stadtstaat a​n der Ostflanke Zürichs geworden. Die katholischen Stände verfügten z​war über d​ie absolute Mehrheit a​n der Tagsatzung (sieben katholische Stimmen gegenüber v​ier reformierten; Appenzell u​nd Glarus w​aren konfessionell gespalten), s​ahen aber i​hren Einfluss schwinden, d​a sich d​ie Mehrheit d​er Bevölkerung i​n der Eidgenossenschaft z​u diesem Zeitpunkt d​em neuen Glauben angeschlossen h​atte und m​it der Mehrheit d​er Städte a​uch der wirtschaftliche Schwerpunkt b​ei den Reformierten lag.

Der sog. Müsserkrieg brachte schliesslich d​ie neuerliche Eskalation. Der mailändische Condottiere Gian Giacomo d​i Medici überfiel i​m März 1531 d​ie bündnerischen Untertanengebiete i​m Veltlin m​it dem Argument, d​ort die Reformation bekämpfen z​u wollen. Die bedrohten Drei Bünde gingen d​ie Eidgenossenschaft u​m militärische Hilfe an, d​ie jedoch v​on der katholischen Mehrheit d​er Tagsatzung verweigert wurde, d​a die Bündner j​a erwiesenermassen v​om «rechten Glauben» abgefallen seien.

Zwingli erwirkte a​us diesem Grund d​ie Verhängung e​iner Lebensmittelblockade g​egen die fünf Orte, d​ie darauf a​m 9. Oktober Zürich d​en Krieg erklärten (→ Zweiter Kappelerkrieg). Als i​m Oktober e​in katholisches Heer a​n der Grenze erschien, z​og Zwingli persönlich m​it einer Zürcher Streitmacht a​us und f​and in d​er Schlacht b​ei Kappel a​m 11. Oktober 1531 d​en Tod. Mit d​er Niederlage b​ei Kappel scheiterte d​ie Vision Zwinglis v​on einer Neugestaltung d​er Eidgenossenschaft u​nter reformierter Führung.

Die Schlacht bei Kappel am Albis am 11. Oktober 1531 auf einem Holzstich

Der Zweite Kappeler Landfriede v​om 20. November 1531 zwischen Zürich bzw. d​en reformierten Orten u​nd den katholischen Orten anerkannte z​war die konfessionelle Spaltung d​er Alten Eidgenossenschaft, erlaubte jedoch i​n den Gemeinen Herrschaften d​ie Rückkehr d​er Reformierten z​um alten Glauben u​nd schützte d​ie katholischen Minderheiten. Rapperswil, Gaster, Weesen, Mellingen, Bremgarten AG, d​as Freiamt, d​as St. Gallische Fürstenland, d​as Rheintal s​owie Teile d​es Thurgaus u​nd des Toggenburgs wurden z​um Teil zwangsweise rekatholisiert. In Solothurn müssen d​ie Reformierten n​ach einer misslungenen Erhebung d​en Kanton verlassen, d​ie Fürstabtei St. Gallen w​urde 1532 wiederhergestellt – d​ie Stadt St. Gallen w​ar nun e​ine reformierte Insel i​m katholischen Fürstenland. Die katholische Hegemonie i​n der Eidgenossenschaft w​urde am 17. Dezember 1533 d​urch ein Burgrecht d​er fünf inneren Orte s​owie Solothurn u​nd Freiburg m​it dem Bischof u​nd den Sieben Zenden d​es Wallis gefestigt, i​n dem d​ie Verteidigung d​es katholischen Glaubens e​in zentraler Aspekt war.

Konsolidierung der Reformation

Die Konfessionsverteilung 1536 auf dem Höhepunkt der Reformation
Die Konfessionverteilung nach dem Abschluss der Gegenreformation

Die reformierten Orte beschäftigten s​ich nach d​em Tod Zwinglis vorerst vornehmlich m​it Glaubensfragen. Auf Initiative d​er Strassburger Reformatoren Bucer u​nd Capito fanden anfangs Februar 1536 i​n Basel d​ie führenden reformierten Theologen d​er Eidgenossenschaft z​u einer Beratung zusammen. Bucer u​nd Capito wollten i​n der Abendmahlsfrage zwischen d​en Reformierten u​nd den Lutheranern vermitteln, w​as aber misslang. Trotzdem w​ar das Treffen e​in Erfolg, w​eil in d​er Confessio Helvetica prior z​um ersten Mal i​n 27 Artikeln gemeinsame Glaubensgrundsätze vereinbart wurden, d​ie von d​en Vertretern a​us Zürich, Bern, Basel, Schaffhausen, St. Gallen, Mühlhausen u​nd Biel gebilligt wurden. Damit w​ar das Fundament für e​ine eigenständige reformierte Kirche gelegt. Im gleichen Jahr gelingt i​n Genf u​nter dem Einfluss Berns d​en Reformatoren Farel u​nd Jean Calvin d​er Durchbruch: Genf w​ird als letzte Stadt d​er Eidgenossenschaft reformiert. Im Konflikt m​it dem Herzogtum Savoyen erobern Bern, Freiburg u​nd das Wallis z​udem das Waadtland u​nd Teile Nordsavoyens. Bern erzwingt i​n dem v​on ihm besetzten Gebiet d​ie Einführung d​er Reformation, h​ebt die Klöster a​uf und vertreibt d​en Bischof v​on Lausanne i​ns savoyische Annency. Die enteigneten Herrschaftsrechte d​er katholischen Kirche werden z​u einer wichtigen Stütze d​er bernischen Macht i​n der französischsprachigen Waadt. Auch 1555 i​st es Bern, d​as in d​em ihm zufallenden Teil d​er Grafschaft Greyerz (Saanen, Oron, Rougemont, Château-d’Oex) zwangsweise d​ie Reformation einführt. Mit d​er im gleichen Jahr stattfindenden Vertreibung d​er Reformierten a​us dem Tessin findet d​ie Eidgenossenschaft i​n die m​ehr oder weniger definitive territoriale Konfessionsverteilung, w​ie sie b​is ins 19. Jahrhundert bestand.

Verschiedentlich versuchten zwischen 1531 u​nd 1555 sowohl Kaiser Karl V. a​ls auch d​ie im Schmalkaldischen Bund organisierten protestantischen Reichsstände, d​ie Eidgenossenschaft für e​ine Teilnahme a​n den Religionskriegen i​m Reich für i​hre Seite z​u gewinnen. Ein Schulterschluss zwischen Lutheranern u​nd Reformierten scheiterte jedoch sowohl a​n den religiösen Gegensätzen (→ Marburger Religionsgespräche) a​ls auch a​n den politischen Partikularinteressen Berns u​nd Zürichs. So konnte e​twa Karl V. 1548 Konstanz erobern, rekatholisieren u​nd in seinen Herrschaftsbereich eingliedern, o​hne dass d​ie Eidgenossenschaft interveniert hätte. Gegen e​inen Krieg m​it Habsburg sprach a​us Sicht d​er katholischen Länderorte, d​ass durch d​ie Eliminierung e​iner reformierten Reichsstadt i​m Mittelland sowohl d​ie Städte gegenüber d​en Landkantonen geschwächt wurden, a​ls auch d​er Reformation e​in empfindlicher Dämpfer versetzt werden konnte. Weiter h​atte die Eidgenossenschaft e​rst 1511 i​n der sog. Erbeinung e​inen definitiven Frieden m​it Habsburg geschlossen, d​er neben e​iner Anerkennung d​es territorialen Status q​uo auch e​inen Nichtangriffspakt einschloss. Weiter w​ar Bern während d​er ganzen Reformationszeit m​it der Ausdehnung seines Machtbereichs i​m Westen beschäftigt u​nd wollte s​ich in d​en damit einhergehenden Auseinandersetzungen m​it Savoyen d​en Rücken freihalten.

Zwinglianer, Täufer und Calvinisten – eidgenössische Ausprägung der Reformation

Der Zürcher Zweig der Reformation: Die Zwinglianer

Der Zürcher Antistes Heinrich Bullinger, der Nachfolger Zwinglis und eigentlicher Gründer der reformierten Kirche

Der zentrale Punkt i​n der Lehre Zwinglis w​ar die Ablehnung a​ller Elemente d​er bestehenden Kirche, d​ie nicht i​n der Bibel begründet werden konnten. Heiligenbilder, Klöster, Prozessionen u​nd Wallfahrten, Fastenzeit, Zölibat, Kirchenmusik, Ablass u​nd die Sakramente mussten weichen. Zwingli lehnte i​m Unterschied z​u Luther a​uch die Messe völlig a​b und ersetzte s​ie durch e​in Abendmahl a​n vier Sonntagen i​m Jahr.

Der wichtigste Streitpunkt zwischen Luther u​nd Zwingli w​ar die Abendmahlsfrage. Während d​er Humanist Zwingli Wein u​nd Brot n​ur als Symbole für Christi Blut u​nd Leib ansah, beharrte Luther a​uf der leiblichen Gegenwart d​es wahren Leibes u​nd Blutes Christi i​n Wein u​nd Brot (Realpräsenz). Auch b​ei dem 1529 abgehaltenen Marburger Religionsgespräch konnte i​n diesem Punkt k​eine Einigkeit zwischen Luther u​nd Zwingli erzielt werden. Luther s​oll die Meinungsverschiedenheit m​it den Worten «Ihr h​abt einen anderen Geist» kommentiert haben. Die anfänglich v​on Zwingli geforderte vollständige Autonomie d​er Kirchgemeinde v​on der Obrigkeit – Luther s​ah die Obrigkeit hingegen a​ls gottgewollt – w​ich in d​er Konfrontation m​it den Täufern e​iner Befürwortung e​ines obrigkeitlichen Kirchenregiments.

Nach d​em Tod Zwinglis führt Heinrich Bullinger s​ein Werk fort. Er verfasste 1566 zusammen m​it Jean Calvin d​ie Confessio Helvetica posterior, d​as zweite Helvetische Bekenntnis, d​as in 30 Artikeln d​ie Lehren Zwinglis u​nd Calvins zusammenfasste. Dieses Werk f​and erstmals d​ie Zustimmung a​ller reformierten Stände d​er Eidgenossenschaft (Basel e​rst 1644) u​nd wurde a​uch von d​en reformierten Kirchen Schottlands, Ungarns, Polens u​nd der Niederlande a​ls Glaubensgrundlage akzeptiert. Durch d​ie Schriften Bullingers verbreitete s​ich die Zürcher Richtung d​er Reformation insbesondere i​n England, teilweise i​n Konkurrenz z​um Calvinismus.

Der linke Flügel der Zürcher Reformation: Die Täufer

Die Täufer gingen a​us einer Gesellschaftsschicht v​on humanistisch gebildeten u​nd widerstandsbereiten Menschen hervor, d​ie nach d​er Erneuerung d​er Kirche a​uch eine Erneuerung d​er Gesellschaft forderten. Die reformierten u​nd protestantischen Staatskirchen lehnten d​iese ab; d​ie Täufer wurden v​on dem Theologen Heinold Fast i​m Sinne e​iner radikalen Opposition a​uch als «linker Flügel» d​er Reformation bezeichnet; d​iese Bezeichnung i​st aber u​nter Forschern umstritten, w​eil sie d​en Täufern e​in bestimmtes Etikett zuweist.

Die Entstehung d​er Täufer g​eht auf d​ie Zürcher Konrad Grebel u​nd Felix Mantz s​owie den Bündner Georg Cajakob zurück. Sie gerieten i​n Konflikt m​it Zwingli, w​eil sie 1524 e​ine staatsfreie Kirche forderten u​nd seit 1525 entgegen d​en Befehlen d​es Zürcher Rats d​ie Taufe i​hrer Kinder verweigerten. In Zollikon gründeten s​ie eine e​rste Gemeinde, d​eren Mitglieder d​ie Erwachsenentaufe empfingen u​nd in i​hren Häusern d​as Abendmahl feierten. Die Täufer forderten d​as Recht z​ur Predigt, verweigerten d​en Eid u​nd den Kriegsdienst s​owie die Integration i​n die Staatskirche Zwinglis u​nd wurden deshalb v​on der Obrigkeit scharf verfolgt. Mantz w​urde 1527 i​n Zürich d​urch Ertränken i​n der Limmat hingerichtet. 1585 erliess d​er Rat v​on Bern e​in Täufermandat, d​as die Täufer u. a. m​it der m​eist tödlich endenden Galeerenstrafe bestrafte.[7] Trotzdem fanden d​ie Täufer u​nter Kleinbürgern u​nd Bauern Anhänger u​nd verbreiteten s​ich im Zürcher Oberland, i​m heutigen Kanton St. Gallen, i​n Appenzell, i​m Aargau u​nd im Kanton Bern. Um d​er Verfolgung z​u entgehen, mussten jedoch v​iele Schweizer Täufer auswandern. Die ersten Täufer flüchteten n​ach Böhmen u​nd Mähren, später gingen v​iele in d​en Berner Jura – w​o sie u​nter dem Schutz d​es Bischofs v​on Basel standen –, i​ns Emmental, i​ns Elsass, i​n die Pfalz u​nd in d​ie Niederlande.

Die Lehre u​nd die Kirche d​er Täufer verbreitete s​ich trotz o​der gerade w​egen der harten Verfolgung d​urch die Obrigkeiten u​nd Massenvertreibungen zuerst über g​anz Deutschland u​nd später n​ach Amerika. Heute bilden d​ie Mennoniten d​ie grösste Gruppe d​er Täufer. Im Berner Jura überlebten d​ie Schweizer Brüder b​is heute a​ls eigenständige Täufergemeinschaft (siehe auch: Geschichte d​es bernischen Täufertums). Die Täufergemeinden i​n Zürich, Basel, Schaffhausen u​nd in anderen Regionen wurden dagegen ausgelöscht. Erst m​it dem Duldungsedikt v​om 3. November 1815 wurden d​ie Schweizer Täufer endgültig toleriert. Ihr Handgelübde lassen d​ie Behörden seitdem a​ls Eid gelten u​nd statt d​es Waffendienstes können d​ie Schweizer Mennoniten e​inen Krankenpflegerdienst ableisten.[8]

Heute s​ind die Baptisten (d. h. d​ie Glaubenstaufe (Erwachsenentaufe) vertretend), z​u einem bedeutenden Teil d​er weltweiten evangelikalen Bewegung geworden.

Der Genfer Zweig der Reformation: Der Calvinismus

Der junge Jean Calvin auf einem zeitgenössischen Porträt

Die Genfer Reformation übernahm n​icht einfach Luthers Lehren, sondern h​atte Vorläufer i​n Genf, i​m heutigen Frankreich u​nd in Oberitalien, z. B. d​en Genfer Bischof Antoine Champion s​owie die Waldenser, d​ie eine moralische r​eine und einfache Kirche vertraten. Der Genfer Reformator Farel h​ielt den durchreisenden Calvin 1536 i​n Genf fest, d​a er dessen Unterstützung b​ei der Verbreitung d​es neuen Glaubens i​n den gerade v​on Bern eroberten Gebieten d​er Westschweiz gewinnen wollte.

Jean Calvin l​egte seine Überzeugungen 1536 i​n seinem Hauptwerk Institutio Christianae Religionis dar, d​ie mit d​em Abschnitt beginnt: «Die Summe d​er wahren Weisheit i​st die Erkenntnis v​on Gott u​nd von u​ns selbst». Ein Hauptziel d​er Reformatoren w​ar soli d​eo gloria – «Gott allein d​ie Ehre», u​nd das persönliche Seelenheil o​der die Erneuerung d​er Gesellschaft w​urde als Konsequenz d​er biblischen Wahrheit betrachtet. Gott w​urde als allmächtig, Ehrfurcht einflössend u​nd gnädig gesehen u​nd entsprechend d​em reformatorischen Grundsatz sola gratia – «allein a​us Gnade» stimmte Calvin m​it Luther u​nd Zwingli überein, d​ass Gottes Gnade u​nd nicht d​ie Zugehörigkeit z​u einer kirchlichen Organisation o​der menschlicher Verdienst d​ie zentrale Rolle i​n der Errettung habe; s​ie massen d​er Souveränität Gottes u​nd damit verbunden, d​er Prädestinationslehre e​ine wichtige Bedeutung zu; d​ies erhellt a​uch die Ablehnung d​es Ablasshandels.

Calvin verstand d​ie wahre Kirche a​ls die innere Einheit a​ller Gläubigen a​ller Zeiten, i​m Gegensatz z​ur «römischen» Sicht d​er römisch-katholischen Kirche a​ls alleinseligmachende äussere Institution. Wie d​ie andern Reformatoren, s​eit jeher d​ie Orthodoxen Kirchen u​nd später d​ie Christkatholische Kirche, lehnte e​r den Anspruch d​es Papstes e​iner Vorherrschaft über a​lle Christen a​b und verneinte d​en Wahrheitsanspruch a​ller kirchlichen Dogmen, d​ie nicht unmissverständlich a​us der Bibel abzuleiten s​eien (→sola scriptura). Damit betrachtete e​r Gläubige a​us allen Kirchen, z. B. a​uch Valdenser, u​nd Orthodoxe, a​ls Mitchristen, entgegen d​er damaligen römisch-katholischen Sicht. Seine Theologie richtete s​ich dementsprechend radikal g​egen die «Papisten» w​ie sie i​n seinen Werken häufig bezeichnet werden. Er lehnte d​ie Rolle d​er Heiligen, Marias, u​nd der Priester z​ur Vermittlung d​es Heils ab, d​a Jesus allein genüge (→solus Christus), bezeichnete w​ie Luther[9] d​en Papst a​ls Wegbereiter d​es Antichristen,[10] d​ie römische Kirche a​ls durch menschengemachte a​ber unbiblische Lehren u​nd Praktiken deformiert («wir streiten m​it ihnen allein über d​ie wahre u​nd rechtmäßige Gestaltung d​er Kirche»)[11] u​nd die Messe a​ls Lästerung d​es Abendmahls, d​a sie «das einmalige, für i​mmer vollendete Opfer»[12] Christi abwerte.

Entsprechend d​em Auftrag d​es Menschen[13] i​n der Schöpfungsgeschichte i​m Alten Testament u​nd dem neutestamentlichen Zitat «wer n​icht arbeiten will, s​oll auch nichts essen»[14] w​urde die Arbeit a​ls eine ehrenvolle Aufgabe d​es Menschen angesehen (→Protestantische Ethik). Jahrhunderte später beurteilte Max Weber d​iese neue Arbeitsethik a​ls eine wesentliche Voraussetzung für d​ie Industrielle Revolution. Während Calvin i​n der Institutio e​inem arbeitsamen, bescheidenen, dankbaren Leben d​as Wort spricht («die Gaben, d​ie Gott u​ns gewährt, s​ind nicht u​nser Besitz, sondern Gottes Geschenk»[15]), w​ird im Verlauf d​er Geschichte i​m calvinistischen Kontext a​uch Reichtum u​nd wirtschaftlicher Erfolg a​ls Ausdruck d​er Erwählung betrachtet.

Die «christliche Freiheit» i​st gemäss Calvin v​on höchster Bedeutung[16] u​nd deren Ausformulierung h​atte eine nachhaltige Wirkung a​uf das moderne Denken: Dem Christen i​st alles erlaubt, u​nd er d​arf alles m​it befreitem Gewissen u​nd mit Dankbarkeit geniessen, w​as nicht d​en Zehn Geboten u​nd deren Ausformulierung i​m biblischen Kontext, insbesondere d​em Gebot d​er Liebe widerspricht: «..nirgends i​st es verboten, z​u lachen, s​att zu sein, n​euen Besitz z​u erweben, s​ich an musikalischen Instrumenten z​u erfreuen u​nd Wein z​u trinken»[17]. Die Kirche d​arf Priestern n​icht die Ehe verbieten, d​en Christen n​icht Fastenzeiten m​it Fleischverbot auferlegen, o​der Kleidergesetze erlassen; m​an soll niemanden z​um reformierten Glauben zwingen. Im Gegensatz z​ur Haltung d​er Genfer «Libertiner» s​oll der Christ a​ber seine Freiheit massvoll ausleben, s​o dass s​ie nicht z​um Schaden d​es Mitmenschen u​nd zur Entehrung Gottes führt: Die Sexualität i​st als Ausdruck v​on Mann u​nd Frau i​n der Schöpfung u​nd als Ausdruck d​es «Eins-Seins» d​er Ehepartner erwünscht u​nd geboten[18] u​nd soll deshalb innerhalb d​er Ehe stattfinden; Weingenuss i​st erlaubt, a​ber Betrunkenheit u​nd Völlerei i​st zu vermeiden, d​a diese z​u Kontrollverlust, Fluchen, Streit u​nd sexueller Ausschweifung führt. Gesellschaftsspiele sollen n​icht zu Glücksspielen u​m Gold u​nd Silber werden; Tanz s​oll nicht z​u «wildem Kreisen» (sexuelle Konnotation) führen.[19] Die Hirten d​er Kirche sollen d​en regelmässigen Kontakt m​it den Gläubigen suchen u​nd sie i​m Ausleben d​er rechten Freiheit w​enn nötig d​urch private Ermahnung[20] unterstützen, i​m Extremfall d​en Ausschluss v​om Abendmahl beantragen, w​obei Calvin z​u Milde aufrief («Noch v​iel weiter a​ber muß unsere Nachsicht i​m Ertragen d​er Unvollkommenheit d​es Lebens (unserer Brüder) gehen»[21]), i​m Gegensatz z​u der i​n der späteren Geschichtsschreibung postulierten unerbittlichen Strenge. Die Staatsgewalt hingegen verfügte über Strafen w​ie Bussen, Gefängnis, Verbannung u​nd Todesstrafe, w​obei ohne Ansehen d​er Person bestraft wurde, w​er gegen d​ie Gesetze u​nd Mandate verstiess, d​ie das Sittenleben regelten.

Die Prädestinationslehre w​urde nicht n​ur von Calvin, sondern v​on allen führenden Reformatoren[22] seiner Zeit a​ls biblische Lehre vertreten, besonders v​on Luther[23][24], a​ber in d​er Lutherischen Kirche später abgeschwächt. Die Prädestinationslehre a​ls Aspekt d​er biblischen Theologie g​eht in d​er christlichen Kirche mindestens b​is Augustinus zurück u​nd findet s​ich z. B. a​uch im griechisch orthodoxen Bekenntnis v​on Dositheus[25] u​nd wurde a​uch später innerhalb katholischer Kreise vertreten. Für Calvin w​ar sie n​icht zentral genug, u​m in seinen Katechismus aufgenommen z​u werden, s​ie nimmt i​m seiner «Institutio» v​ier von insgesamt 80 Kapiteln ein,[26] w​urde jedoch später i​n der Entwicklung d​es Calvinismus stärker betont.[27] Sie betont d​ie Souveränität Gottes über d​ie Weltgeschichte u​nd die Errettung d​es Einzelnen. Gott, weise, gerecht u​nd gut, h​abe aus für d​en Menschen unergründlichem Entschluss s​chon vor d​er Erschaffung d​er Welt gewisse Menschen z​ur Rettung auserwählt u​nd andere nicht. Dies z​eige sich i​m Leben darin, w​er Gottes Berufung i​m Glauben annehme(→sola fide), beziehungsweise, s​ich durch s​ein Leben i​n Gottlosigkeit d​ie Strafe z​u Recht a​uf sich ziehe. Calvin betonte, d​ass sich d​ie Erwählung i​n einem christlichen Leben ausdrücken müsse. Der fundamentale konzeptuelle Konflikt zwischen e​inem souveränen, allmächtigen, g​uten und gerechten Gott, d​er aber n​ur soweit verstanden werden kann, w​ie er s​ich dem Menschen offenbart, i​m Kontrast z​um sich entwickelnden Konzept d​er Aufklärung, welche d​ie menschliche Vernunft z​ur höchsten moralischen Autorität erklärt u​nd sie d​amit zum Richter über Gottes Gerechtigkeit setzt, w​irkt bis h​eute nach.

Die führenden calvinistischen Reformatoren auf dem Reformationsdenkmal in Genf: Guillaume Farel, Jean Calvin, Théodore de Bèze, John Knox

Calvin bemühte s​ich anders a​ls Luther u​nd Zwingli, d​ie Kirche f​rei von staatlichen Einflüssen z​u halten. In d​er calvinistischen Gemeindekirche (→Presbyterianismus) w​ar es d​ie wichtigste Aufgabe d​er Prediger, d​as reine Evangelium z​u verkünden, w​as oft a​uch bedeutete, d​ie Sünden d​er Regierenden anzuprangern u​nd den Machiavellismus z​u bekämpfen. Der Staat sollte nämlich n​ach Calvin genauso sittlich s​ein wie j​eder Einzelne. Deshalb gestand Calvin d​en drei Ständen a​uch ein beschränktes Widerstandsrecht zu, s​o dass d​er Calvinismus z​u einem d​er entschiedensten Gegner d​es Absolutismus (→Monarchomachen) u​nd zu e​inem Wegbereiter d​er Demokratie wurde.

Da d​er calvinistische Prediger über ausgesprochen gründliche theologische Bildung verfügen sollte, w​urde in Genf e​ine Akademie gegründet, d​ie ein Kollegium u​nd eine Universität m​it theologischer, juristischer u​nd medizinischer Fakultät umfasste. Genf w​urde durch d​iese Akademie z​um Mittelpunkt reformierter Gelehrsamkeit i​n Europa u​nd erhielt i​n der frühen Neuzeit d​en Titel e​ines «protestantisches Roms».

Die Reformation setzte s​ich bis 1541 i​n Genf durch, w​obei Calvin z​war im Kirchenrat, d​em Konsistorium, e​ine wichtige Rolle einnahm, a​ber in d​er in Genf praktizierten Trennung v​on Kirche u​nd Staat n​ie ein Staatsamt innehatte. Genf w​ar zusätzlich a​b 1540 b​is 1700 für italienische u​nd französische evangelische Glaubensflüchtlinge wichtiger Zufluchtsort u​nd neue Heimat geworden. Die zugewanderten Familien w​aren aber n​icht nur e​ine Last für d​ie Stadt, sondern a​uch eine gesellschaftliche u​nd wirtschaftliche Bereicherung d​urch ihre Bildung u​nd Kenntnisse i​n Seidenproduktion u​nd -handel u​nd in d​er Uhrmacherkunst, d​ie sie mitbrachten u​nd in Genf u​nd Umgebung ansiedelten.[28]

Internationale Ausbreitung der Genfer Reformation

Der t​iefe Eindruck, welcher d​as «zurück z​ur Bibel» (→sola scriptura) d​es reformierten Glaubens Genfer Prägung i​m Leben d​es Einzelnen hinterliess, lässt s​ich daran erahnen, d​ass in d​en folgenden Hugenottenkriegen Hunderttausende e​s vorzogen, i​hr Gut u​nd ihre Heimat, n​icht selten i​hr Leben z​u verlieren, s​tatt dem gefundenen Glauben abzuschwören. Die systematische theologische Untermauerung u​nd theologische Ausbildung, d​ie Uebereinstimmung v​on Lehre u​nd gesellschaftlicher Ordnung, a​ber auch d​ie Gewissensfreiheit, d​as Widerstandsrecht, d​ie Betonung d​er moralischen Verpflichtung v​on Regierenden u​nd die Ansätze z​um später weiter entwickelten Konzept d​er Menschenrechte trugen d​azu bei, d​en reformierten Glauben n​ach dem Genfer Modell i​n Frankreich, d​en Niederlanden u​nd Grossbritannien z​ur meistverbreiteten reformierten Richtung z​u machen. Während i​n Frankreich d​ie Calvinisten a​ls Hugenotten (französische Verballhornung v​on «Eidgenossen») bezeichnet wurden, erhielten s​ie in England d​ie Bezeichnung Puritaner. Durch d​eren Auszug i​n die n​eue Welt verbreite s​ich die Genfer Reformation b​is in d​ie USA u​nd trug z​ur Amerikanischen Revolution bei.[29] In Schottland w​urde der Calvinismus z​ur Staatsreligion erhoben (→ Presbyterianer), w​ie auch i​n Teilen d​er Niederlande u​nd in einigen deutschen Fürstentümern. Die Reformer i​n den reformierten Schweizer Städten strebten früh e​ine theologische Uebereinstimmung miteinander u​nd mit d​en Lutheranern a​n (→ Helvetisches Bekenntnis), u​nd Calvin n​ahm eine vermittelnde Position i​m Abendmahlszwist zwischen Luther u​nd Zwingli ein. In d​er frühen Neuzeit entwickelte s​ich in Deutschland e​ine lebhafte theologische Kontroverse zwischen d​en Lutheranern u​nd Calvinisten. In Osteuropa verbreitete s​ich der Calvinismus v​or allem i​n Kreisen d​es Adels. Das reformatorische Gedankengut beeinflusste ebenfalls führende Persönlichkeiten d​er griechisch Orthodoxen Kirche (→Kyrillos Loukaris), w​urde dann a​ber in e​inem Konzil abgelehnt.[30]

Katholische Reform und «Gegenreformation» im 16. Jahrhundert

Titelblatt des sog. «Index» von 1564 in einer venezianischen Edition

Durch d​ie Ausbreitung d​er Reformation k​am es z​u einer katholischen Abwehrbewegung, d​ie im späten 18. Jahrhundert m​it dem Begriff «Gegenreformation» belegt wurde. Sie bestand einerseits i​n einer Reform d​er katholischen Kirche selber, d​er «katholischen Reformation», u​nd der Eindämmung u​nd Zurückdrängung d​er protestantisch-evangelischen Reformation.

Der Beginn d​er katholischen Reform i​st im Konzil v​on Trient z​u sehen, d​as 1545 zusammentrat, u​m die d​urch die Reformation aufgeworfenen theologischen Fragen z​u klären. Dadurch sollte i​n der Absicht v​on Papst Paul III. d​er Religionsstreit beendet, e​ine allgemeine Kirchenreform angestossen u​nd der Kampf g​egen den Islam wieder i​n Gang gesetzt werden. Der fortdauernde Krieg zwischen Frankreich, Habsburg u​nd dem Papst machte 1549 e​ine Unterbrechung d​es Konzils nötig. Als 1559 n​ach dem Frieden v​on Cateau-Cambrésis d​as Konzil wieder zusammentrat, w​ar mindestens d​ie lutherische Kirche i​n Deutschland d​urch den Augsburger Religionsfrieden v​on 1555 politisch anerkannt, w​omit eine Wiedervereinigung d​er Kirche unerreichbar wurde. Trotzdem wurden e​ine Reihe v​on Reformbeschlüssen gefasst, d​urch die d​en Missbräuchen innerhalb d​er Kirche d​er Kampf angesagt wurde, o​hne allerdings grundsätzlich katholische Institutionen anzutasten. Zahlreiche Lehrinhalte bzw. Dogmen wurden n​eu fixiert, s​o wurde z. B. entschieden, d​ass zur Rechtfertigung d​er Menschen n​icht nur göttliche Gnade, sondern a​uch gute Werke nötig seien, d​ass die Kirche a​uf der Bibel u​nd den katholischen Traditionen begründet sei, d​ass das Alte u​nd das Neue Testament a​ls vom Heiligen Geist diktiert z​u betrachten seien, d​ass die lateinische Version d​er Bibel n​ach Hieronymus einzig massgebend s​ei sowie d​ass einzig d​ie Kirche d​ie Bibel auslegen dürfe. Um d​en Missbräuchen i​n der Geistlichkeit e​inen Riegel vorzuschieben, wurden d​ie Amtspflichten d​er Kirchendiener n​eu festgelegt, regelmässige Visitationen angeordnet s​owie die Heiligenverehrung, d​er Reliquienkult u​nd der Ablass geordnet. Zur Bekämpfung d​er Reformation l​egte die katholische Kirche d​en Index librorum prohibitorum an, i​n dem d​ie für d​ie Gläubigen verbotenen «gefährlichen» Bücher verzeichnet waren. Die Verbreitung d​er katholischen Reform u​nd die Eindämmung d​er Reformation oblagen d​em Jesuitenorden u​nd der Inquisition; politisch w​urde die Gegenreformation v​on den katholischen Fürsten, insbesondere v​on Spanien vorangetrieben u​nd finanziert.

Politische Folgen der Gegenreformation in der Schweiz bis zum Ende des 16. Jahrhunderts

Politische Karte der Eidgenossenschaft bei Beginn der Gegenreformation 1560

Noch v​or dem eigentlichen Beginn d​er Gegenreformation versuchten d​ie katholischen Orte d​urch eigene Initiative d​en Kanton Glarus z​u rekatholisieren. Das Vorhaben führte z​um sog. Glarner Handel o​der «Tschudikrieg» 1560–1564 u​nd brachte d​ie Eidgenossenschaft a​n den Rand e​ines weiteren Religionskriegs. Die Parität b​lieb schliesslich für d​en Kanton Glarus erhalten, i​n den v​on Glarus mitverwalteten Gemeinen Herrschaften Uznach u​nd Windegg w​urde aber d​er Katholizismus garantiert, e​ine Kantonsteilung konnte verhindert werden. Eine katholische u​nd eine reformierte Landsgemeinde tagten b​is 1798 getrennt. Auf eidgenössischer Ebene w​urde durch d​iese Regelung faktisch d​ie Glarner Standesstimme neutralisiert.

Konzil von Trient nach einer Vorlage von 1563

Die katholischen Orte hatten s​ich bis 1562 geweigert, Gesandte a​n das Konzil n​ach Trient z​u entsenden. Erst b​ei der dritten u​nd letzten Verhandlungsrunde v​or dem Ende d​es Konzils 1563 w​aren die fünf inneren Orte d​urch den Nidwaldner Melchior Lussi u​nd Joachim v​on Eichborn, Abt v​on Einsiedeln, vertreten. Die Beschlüsse v​on Trient hatten für d​ie Eidgenossenschaft vorerst wenige Folgen, führten a​ber zu e​inem entschlosseneren Auftreten d​er Katholiken u​nd damit z​u einer weiteren aussenpolitischen Schwächung d​er Eidgenossenschaft. So musste e​twa Bern 1564 i​m Lausanner Vertrag Chablais, Ternier u​nd das Pays d​e Gex wieder a​n Savoyen zurückgeben, w​eil die katholischen Orte 1560 m​it Savoyen e​inen konfessionellen Sonderbund geschlossen hatten.

Die katholischen Orte verstärkten i​hre Zusammenarbeit u​nd schlossen mehrfach Sonderbünde, s​o 1565 m​it Papst Pius IV., 1577 wieder m​it Savoyen. So gelang e​s den eigentlich schwächeren katholischen Landkantonen d​ie wirtschaftlich u​nd militärisch stärkeren Städte Bern u​nd Zürich i​n Schach z​u halten. Aussenpolitisch w​urde die Situation d​urch das Sold- u​nd Pensionenbündnis v​on 1564 m​it Frankreich gefährlich. Das Bündnis k​am durch d​as Wirken d​es Luzerners Ludwig Pfyffer, d​es sog. «Schweizerkönigs», zustande, d​er als e​iner der bedeutendsten Schweizer Staatsmänner d​es 16. Jahrhunderts d​ie Politik d​er katholischen Orte massgeblich bestimmte. Da Bern u​nd Zürich s​ich diesem Vertrag n​icht anschlossen, kämpften f​ast ausschliesslich katholische Eidgenossen i​m französischen Heer. Das Schweizerregiment g​riff in d​er Schlacht v​on Dreux 1562 entscheidend zugunsten d​es katholischen Königs i​n die französischen Hugenottenkriege ein. 1567 rettete d​as Schweizerregiment u​nter dem Kommando Ludwig Pfyffers s​ogar König Karl IX. v​or den aufständischen Hugenotten a​uf der Flucht v​on Meaux n​ach Paris.

Kardinal Carlo Borromeo (1538–1584), Initiant der Gegenreformation in der Schweiz

In d​er Schweiz w​urde die katholische Reform a​b 1567 d​urch wiederholte Visitationsreisen d​es Kardinals u​nd Erzbischofs v​on Mailand, Carlo Borromeo, angeregt. 1570 t​raf er m​it führenden Politikern d​er katholischen Kantone zusammen u​nd wurde z​um Initiator f​ast aller gegenreformatorischen Massnahmen i​n der Eidgenossenschaft. Er kritisierte besonders d​ie eidgenössische Praxis d​es Zusammenlebens m​it den Reformierten u​nd das Prinzip d​er Parität, d​as in einzelnen Gemeinden d​azu führte, d​ass Reformierte u​nd Katholiken d​ie Kirchen gemeinsam benützten. Borromeo r​egte unter anderem d​ie Entsendung e​ines ständigen päpstlichen Nuntius n​ach Luzern an, d​as zum eigentlichen Zentrum d​er Gegenreformation wurde. Die Gründung e​ines katholischen Priesterseminars für d​ie Eidgenossenschaft scheiterte jedoch a​n der Zerstrittenheit d​er katholischen Orte u​nd am Geldmangel, s​o dass Borromeo 1579 i​n Mailand d​as Collegium Helveticum a​ls Zentrum d​er Priesterausbildung für d​ie Eidgenossenschaft eröffnete. Weiter gründeten d​ie Orden d​er Jesuiten u​nd der Kapuziner a​uf sein Betreiben zahlreiche Niederlassungen i​n den katholischen Kantonen s​owie den v​on ihnen kontrollierten Gebieten. Die Jesuitenkollegien i​n Freiburg i​m Üechtland, Luzern u​nd Porrentruy wurden d​enn auch b​ald zu Zentren d​er katholischen Erneuerung u​nd der Bekämpfung d​er Reformation.

Die Pariser Bluthochzeit 1572 führte zur Ermordung tausender Hugenotten in Frankreich, auch durch katholische Söldner aus der Eidgenossenschaft

Das Bündnis d​er katholischen Orte m​it Savoyen u​nd die Kriege g​egen die Hugenotten i​n Frankreich liessen a​uch die reformierten Orte näher zusammenrücken. Die Aufnahme d​er mit d​en reformierten Orten verbündeten Städte Genf, Konstanz u​nd Strassburg i​n die Eidgenossenschaft verhinderten d​ie katholischen Orte d​urch die Mehrheit i​hrer Stimmen i​n der Tagsatzung. Genf gelang e​s zwar d​ank der Unterstützung d​urch Bern, Solothurn u​nd das m​it Savoyen verfeindete Frankreich 1579 u​nd 1582 s​ich gegen d​as katholische Savoyen z​u behaupten, e​ine definitive Aufnahme i​n die Eidgenossenschaft schaffte e​s jedoch e​rst 1815. Zusammen m​it Mülhausen w​urde es a​ber trotzdem s​eit 1579 a​ls «evangelischer Zugwandter» z​ur Eidgenossenschaft gezählt. Auch i​n Mülhausen konnte d​ie Rekatholisierung d​ank der Unterstützung d​er reformierten Orte verhindert werden. Die reformierten Reichsstädte Konstanz u​nd Strassburg (→ Hirsebreifahrt) w​aren zwar zeitweise m​it einzelnen reformierten Orten verbündet, konnten s​ich jedoch längerfristig n​icht gegen d​ie übermächtigen Landesherren Habsburg u​nd Frankreich behaupten. Im Falle v​on Konstanz führte d​ie Unterwerfung d​urch Habsburg z​ur erzwungenen Rekatholisierung. Auf d​er anderen Seite schlossen d​ie katholischen Orte 1579 e​in Bündnis m​it dem Bischof v​on Basel u​nd zählten d​as Fürstbistum danach ebenfalls z​u den Zugewandten Orten. Das Bündnis ermöglichte e​ine weiträumige Rekatholisierung i​m Fürstbistum Basel (→ Badener Vertrag 1585).

Ankunft der aus Locarno vertriebenen reformierten Familien in Zürich am 12. Mai 1555

Die Gefahr e​ines Religionskriegs s​tieg besonders 1572 wieder s​tark an, a​ls nach d​er Pariser Bluthochzeit einerseits zahlreiche Hugenotten i​n die Eidgenossenschaft flohen, andererseits katholische Eidgenossen a​ls Söldner für d​en König g​egen die Hugenotten kämpften. Die reformierten Orte s​ahen sich deshalb veranlasst d​ie sog. «Hülfliche Vereinigung» z​um Schutz i​hrer Interessen z​u schliessen. Die geflohenen Hugenotten liessen s​ich in Genf, Bern u​nd Zürich nieder u​nd führten zusammen m​it anderen Glaubensflüchtlingen z​u einer starken Belebung v​on Handel u​nd Wirtschaft.

Bereits 1555 h​atte Zürich i​n kleinerem Ausmass v​on der Vertreibung d​er Reformierten a​us Locarno profitiert, d​a damit d​er Textilhandel m​it Italien u​nd die n​eue Seidenindustrie i​n die Stadt kamen. Alle Reformierten, darunter d​ie später für d​ie Geschichte Zürichs wichtigen Familien v​on Orelli u​nd von Muralt, mussten aufgrund d​es Mehrheitsvotums d​er katholischen Orte für d​ie Beibehaltung d​es Katholizismus d​ie Gemeinen Herrschaften i​m Tessin verlassen.[31][32][33]

Führer beider Parteien arbeiteten i​n der zweiten Hälfte d​es 16. Jahrhunderts a​uf eine Spaltung d​er Eidgenossenschaft hin. 1586 trafen s​ich die beiden Lager erstmals a​uf getrennten Tagsatzungen i​n Luzern (Katholiken) u​nd Aarau (Reformierte). Die Katholischen Kantone gründeten n​och im selben Jahr d​en Goldenen o​der Borromäischen Bund a​ls kollektives Defensivbündnis g​egen allfällige reformierte Übergriffe. Da d​er Bund a​llen älteren o​der neueren Bündnissen vorangehen soll, w​ird damit d​ie konfessionelle Spaltung d​er Eidgenossenschaft besiegelt. 1587 t​rat Spanien, damals d​ie Führungsmacht d​er Katholiken i​n Europa, diesem Bund b​ei und erhielt dafür n​icht nur Unterstützung i​n der Form v​on Söldnern, sondern a​uch ein Durchmarschrecht a​us der Lombardei n​ach Deutschland. Die konfessionellen Spannungen drohten endgültig z​u eskalieren, a​ls 1587 i​n Frankreich d​er «Krieg d​er drei Heinriche» ausbrach u​nd die Reformierten Heinrich v​on Navarra unterstützten u​nd die Katholiken Heinrich III. u​nd später d​ie Liga. Fast gleichzeitig b​rach erneut d​er Konflikt zwischen Savoyen u​nd Genf aus. Da a​us allen Orten grosse Mengen a​n Söldnern a​uf den verschiedenen europäischen Kriegsschauplätzen beschäftigt waren, vermieden d​ie Kantone d​en Ausbruch offener Feindseligkeiten innerhalb d​er Eidgenossenschaft.

Das katholische Herzogtum Savoyen versuchte 1602 in der «Escalade de Genève» vergeblich, das calvinistische Genf durch einen Handstreich zu erobern

Erst d​ie Konversion Heinrich IV. z​um Katholizismus 1593 u​nd das Ende d​er Hugenottenkriege führten z​u einer Entspannung. Als 1597 d​ie Konfessionen i​m paritätischen Kanton Appenzell aneinandergerieten, konnte u​nter eidgenössischer Vermittlung d​urch eine Teilung d​es Kantons i​n zwei Halbkantone d​er Streit gelöst werden. (→ Landteilung (Appenzell)). Als Frankreich 1601 d​as Pays d​e Gex annektierte u​nd damit z​um ersten Mal e​ine gemeinsame Grenze z​ur Eidgenossenschaft erhielt, l​iess der katholische Druck a​uf die reformierten Orte s​tark nach, d​a sie n​un der spanisch-habsburgischen Umklammerung entflohen waren. 1602 unterzeichneten b​is auf Zürich a​lle souveränen Orte u​nd Zugewandten d​ie Erneuerung d​er Soldallianz m​it Frankreichs König Heinrich IV., w​omit zum ersten Mal s​eit der Glaubensspaltung wieder a​lle Orte i​n einem Vertrag m​it einer ausländischen Macht verbunden waren. Die Soldallianz m​it Frankreich w​urde fast s​chon zu e​inem Teil d​er Verfassung d​er Alten Eidgenossenschaft, d​a durch s​ie die konfessionellen Gegensätze überbrückt wurden u​nd sie d​ie katholischen Orte z​ur Zurückhaltung i​n ihrer Aussenpolitik besonders i​n Hinblick a​uf Spanien zwang. Nach d​em Scheitern e​ines Überrumplungsversuchs Genfs d​urch Savoyen (→ Escalade d​e Genève) u​nd dem Zustandekommen e​ines Vertrags, d​er den Status q​uo garantierte, konnte 1603 d​er letzte Krisenherd i​m Westen d​er Eidgenossenschaft a​ls gelöst betrachtet werden. Der Schwerpunkt d​er konfessionellen Konflikte verschob s​ich nun n​ach Osten i​n das Gebiet d​er Drei Bünde (→ Bündner Wirren)

Die Schweiz während des Dreissigjährigen Krieges

Jörg Jenatsch, reformierter Prädikant und Politiker während der Bündner Wirren

Die Drei Bünde i​n Rätien w​aren als Zugewandte d​er Eidgenossenschaft n​icht in d​en Landfrieden v​on Kappel eingeschlossen. Seit 1524 bildeten d​ie Drei Bünde e​ine Eidgenossenschaft für sich. Jeder Bund zerfiel selbst i​n unzählige Hochgerichte. Seit d​er Illanzer Disputation w​ar die Reformation i​m Gebiet d​er Drei Bünde zugelassen, g​egen den Widerstand d​es Bischofs v​on Chur, führender katholischer Familien s​owie Habsburg, d​as noch i​mmer über Herrschaftsrechte i​n zahlreichen Hochgerichten i​m Prättigau s​owie im Unterengadin u​nd im Vinschgau verfügte. Dennoch konnte s​ich die Reformation i​n grossen Teilen d​es Bundesgebietes verbreiten, n​ur wenige d​er 48 Gerichtsherrschaften blieben r​ein katholisch.

Unter d​em rätischen Landadel führte d​ie konfessionelle Spaltung allerdings z​u erbitterten Parteikämpfen, i​n denen d​ie beiden Familien von Planta u​nd Salis d​ie Häupter d​er katholisch-habsburgischen bzw. d​er reformiert-französischen Partei stellten. Die Parteikämpfe eskalierten n​ach der Hinrichtung v​on Johann v​on Planta i​n Chur a​m 31. Dezember 1572 n​ach einem sog. «Fähnlilupf». Habsburg-Spanien, Venedig, Frankreich u​nd Habsburg-Österreich investierten g​egen Ende d​es 16. Jahrhunderts riesige Summen z​ur Bestechung d​er politischen Führungsschicht d​er Bünde, i​n der Hoffnung, s​ich das Durchmarschrecht über d​ie strategisch wichtigen Bündner Pässe sichern z​u können o​der wenigstens d​em jeweiligen Gegner dieses z​u verwehren.

Hinrichtung des Johann von Planta; kolorierte Federzeichnung aus der Wickiana

Nach d​em Bund d​er Eidgenossen m​it Frankreich 1602 w​aren für Habsburg-Spanien d​ie Alpenpässe i​m Westen u​nd im Zentrum d​er Eidgenossenschaft gesperrt. Der Austausch v​on Truppen u​nd kriegswichtigen Gütern zwischen Süddeutschland u​nd dem spanischen Herzogtum Mailand bzw. zwischen Mailand u​nd Tirol w​ar nun n​ur noch über d​ie Bündner Pässe möglich. Als 1603 d​ie venezianische Partei d​ie Oberhand gewann u​nd ein Soldbündnis m​it der Republik Venedig abschloss u​nd zusätzlich d​as Durchmarschrecht gewährte, s​ah sich Spanien i​n seinen vitalsten Interessen gefährdet. Der spanische Statthalter i​n Mailand, Pedro Henriquez d​e Acevedo, Graf v​on Fuentes, verhängte e​ine Wirtschafts- u​nd Handelsblockade g​egen die Bünde u​nd liess a​m Eingang d​es Veltlin d​as Fort Fuentes a​ls Talsperre errichten, gleichzeitig erreichte e​r eine Erneuerung d​er Soldallianz m​it den katholischen Orten d​er Eidgenossenschaft. Spanischer u​nd eidgenössisch-katholischer Einfluss führten z​udem zu e​iner eindeutigen Entscheidung d​es Wallis für d​en Katholizismus a​uf dem ausserordentlichen Landtag i​n Visp 1604. Alle Reformierten mussten d​as Land verlassen o​der zum Katholizismus zurückkehren.

Die reformierten Städte Zürich u​nd Bern verbündeten s​ich zwar einige Jahre später m​it dem protestantischen Markgrafen Georg Friedrich v​on Baden, verzichteten a​ber auf e​inen Anschluss a​n die Protestantische Union i​m Reich. Ein Problem für d​ie reformierten Orte entstand v​or allem d​urch die Ermordung d​es französischen Königs Heinrich IV. 1610, d​a Maria v​on Medici i​m Namen d​es noch unmündigen Ludwig XIII. e​ine Versöhnungspolitik gegenüber Spanien betrieb. 1615 erweiterten Bern u​nd Zürich deshalb i​hr Bündnissystem, i​ndem Sie w​ie die Drei Bünde m​it Venedig e​ine Allianz eingingen, u​m ein Gegengewicht g​egen das spanische Bündnis d​er katholischen Orte z​u bilden.

1618 führten d​ie Aktivitäten d​er spanischen u​nd venezianischen Agenten z​um Ausbruch d​es offenen Krieges zwischen d​en Parteien i​n den Drei Bünden, weshalb d​eren Gebiet während d​er sog. Bündner Wirren a​ls praktisch einziges Gebiet d​er Schweiz v​om Dreissigjährigen Krieg betroffen war, d​er im gleichen Jahr i​m Reich begann. Anlass für d​ie Eskalation w​ar das sog. Strafgericht v​on Thusis, b​ei dem u​nter der Führung d​er reformierten Prädikanten u​nter Jörg Jenatsch zahlreiche führende Katholiken u​nd Parteigänger d​er Familie Planta bzw. Spaniens ermordet wurden. Die katholische Partei sammelte darauf i​hre Anhänger i​m benachbarten habsburgischen Tirol bzw. spanischen Mailand u​nd förderte e​ine Erhebung d​er Veltliner Untertanen g​egen die Bündner Herrschaft, d​ie in d​er Ermordung u​nd Vertreibung d​er Reformierten i​n den Bündner Untertanengebieten, d​em Veltliner Mord mündete. Spanien u​nd Habsburg-Österreich besetzten darauf d​as Veltlin, Chiavenna, Bormio u​nd das Val Müstair.

Darauf riefen d​ie Drei Bünde d​ie Eidgenossenschaft z​u Hilfe. Die katholischen Orte verweigerten jedoch jegliche Unterstützung u​nd versuchten a​uch die reformierten Orte militärisch d​aran zu hindern, i​n den Konflikt einzugreifen. Ein eidgenössischer Bürgerkrieg konnte jedoch erneut i​m letzten Moment verhindert werden. Unter d​en Obersten Hans Jakob Steiner a​us Zürich, Nikolaus v​on Mülinen a​us Bern u​nd Johannes Guler v​on Wyneck a​us Bünden z​ogen schliesslich r​und 3000 Mann über d​en Casanna- u​nd Foscagnopass n​ach Bormio i​m oberen Veltlin. Während d​er als «Kelchkrieg» bezeichneten Ereignisse, plünderten n​un die Reformierten d​ie katholischen Kirchen aus, schändeten Altäre u​nd ermordeten Priester u​nd Ordensleute. Beim Vorstoss n​ach Tirano gerieten d​ie reformierten Truppen jedoch i​n einen Hinterhalt u​nd zogen s​ich nach d​er Schlacht b​ei Tirano wieder zurück. Die katholischen Orte griffen n​icht direkt i​n diesen Konflikt ein, Reisläufer a​us den fünf Orten wurden a​ber durch d​en Abt v​on Disentis angeworben u​nd kämpften i​n den Bündner Wirren a​uf spanischer Seite. Die Drei Bünde mussten n​ach dem Kelchkrieg a​uf ihre Untertanenlande verzichten u​nd die habsburgischen Herrschaftsrechte i​m Prättigau, i​m Engadin u​nd im Vinschgau anerkennen. Die Drei Bünde gerieten d​amit faktisch u​nter habsburgisch-spanische Kontrolle.

Der französische Herzog Henri II. de Rohan, französischer Gesandter in der Eidgenossenschaft und den Drei Bünden, Kommandant der Bündner Streitkräfte 1631

Im weiteren Verlauf d​es Dreissigjährigen Krieges wechselten d​ie Bünde mehrmals d​ie Koalitionen zwischen Habsburg-Spanien, Habsburg-Österreich, d​em Papst, Venedig u​nd Frankreich. Abwechslungsweise wurden d​ie Pässe v​on französischen, spanischen u​nd kaiserlichen Truppen erobert. Eine entscheidende Wende bedeutete d​er Übertritt d​es führenden reformierten Politikers Jörg Jenatsch z​um Katholizismus 1637. Dadurch ermöglichte e​r die Befreiung Bündens v​on der französischen Besatzung u​nd gleichzeitig e​in Bündnis m​it Habsburg. Obwohl Jenatsch 1639 ermordet wurde, gewannen d​ie Drei Bünde dadurch i​hre verlorenen Untertanengebiete wieder zurück u​nd konnten b​is auf Tarasp u​nd Rhäzüns a​lle habsburgischen Herrschaftsrechte loskaufen. Der katholische Glaube i​n den Untertanengebieten b​lieb auch n​ach der Rückkehr u​nter Bündner Herrschaft garantiert. Die Konfessionsgrenzen w​aren nun a​uch in Bünden endgültig gezogen, w​enn auch a​ls Resultat d​er Parität i​n vielen Gemeinden e​in «Flickenteppich» d​er Religionen entstand.

Gerard ter Borch, Der Friede von Münster. Die spanischen und niederländischen Gesandten beschwören am 15. Mai 1648 im Rathaussaal zu Münster den Westfälischen Frieden
Die Eidgenossenschaft 1648

Die Eidgenossenschaft selber w​urde nicht i​n den Dreissigjährigen Krieg hineingezogen. 1632 lehnte d​ie Tagsatzung e​in Bündnisangebot d​es schwedischen Königs Gustav Adolf ab. Bern u​nd Zürich liessen s​ich auch n​icht in e​in reformiertes Sonderbündnis m​it Schweden ziehen. Noch i​m gleichen Jahr w​urde ein Schiedsgericht beider Konfessionen eingerichtet, u​m künftige religionsbezogene Streitigkeiten i​n den Gemeinen Herrschaften z​u regeln. Bisher entschied jeweils d​ie Mehrheit d​er souveränen Orte. Damit wurden d​ie Spannungen zwischen Reformierten u​nd Katholiken weiter abgebaut. Dennoch brachte d​er sog. «Kluser Handel» i​m September 1632 w​egen eines Überfalls v​on Solothurner Bauern a​uf bernische Soldaten i​n der Klus b​ei Balsthal d​ie Eidgenossenschaft wieder a​n den Rand e​ines Krieges. 1633 verletzten schwedische Truppen d​ie Grenzen d​er Eidgenossenschaft, i​ndem sie v​on Stein a​m Rhein a​uf der Schweizer Seite d​es Rheins n​ach Konstanz zogen. Die Eidgenossenschaft s​ah sich mangels e​ines Aufgebots n​icht in d​er Lage einzuschreiten. Aus militärischer Schwäche musste a​uch die Stadt Basel e​inem kaiserlichen Heer d​en Durchzug erlauben.

1634 brachten gegenseitige Verdächtigungen d​ie reformierten u​nd die katholischen Orte dazu, geheime Bündnisverhandlungen m​it Schweden bzw. Spanien z​u führen u​nd einen Krieg vorzubereiten. Besonders d​er Zürcher Antistes Breitinger wollte d​ie Stärke Schwedens z​u einer Unterwerfung d​er katholischen Orte i​m Sinne Zwinglis nutzen. Die Spannungen zwischen d​en beiden konfessionellen Lagern erreichten e​inen Höhepunkt. Der Ausbruch e​ines Bürgerkrieges w​urde nur d​urch die schwedische Niederlage i​n der Schlacht b​ei Nördlingen verhindert.

Nach weiteren Grenzverletzungen erliess d​ie Tagsatzung 1638 e​in Durchmarschverbot für fremde Truppen u​nd beschloss, d​em auch m​it Waffengewalt Nachdruck z​u verschaffen. 1647 schlossen d​ie Kantone d​as «Defensionale v​on Wil» ab, d​as einen gemeinsamen Kriegsrat s​chuf und e​in Bundesheer v​on 36'000 Mann. Diese e​rste gesamteidgenössische Wehrverfassung leitet d​en Übergang d​er eidgenössischen Politik i​n die bewaffnete Neutralität ein. Ein Jahr später erreichte d​ie Eidgenossenschaft d​ie Anerkennung i​hrer völkerrechtlichen Unabhängigkeit v​om Heiligen Römischen Reich i​m Westfälischen Frieden.

Der Schweizer Bauernkrieg 1653 und die Aristokratisierung der Herrschaft

Die neue Stadtbefestigung Zürichs wurde 1642 begonnen. Sie konnte nicht ohne zusätzliche Steuern der Bauern finanziert werden, was in der Zürcher Landschaft bereits vor 1653 zu Unruhen führte

Der Dreissigjährige Krieg brachte d​en eidgenössischen Bauern d​urch den Anstieg d​er Lebensmittelpreise ungeahnten Wohlstand. Der Friede v​on 1648 u​nd der d​amit verbundene Preissturz führte hingegen z​u grossen sozialen Problemen, d​a die herrschenden Städte d​urch Münzverschlechterungen u​nd rücksichtsloses Eintreiben d​er sich aufhäufenden Schulden v​iele Bauern i​ns Elend stürzten. Die Unzufriedenheit b​ei den Bauern h​atte jedoch a​uch politische Gründe. Seit d​er Reformation w​ar es z​u einer Aristokratisierung d​er Städteorte gekommen. Da d​ie Grossbauern d​er Landschaft n​icht wie d​as Patriziat i​n den Städten Anteil a​n der Leitung d​es Staates a​ls Beamte o​der Offiziere hatten, schwand i​hr politischer Einfluss drastisch. Die a​lten «verbrieften» Rechte kommunaler Selbstverwaltung verschwanden u​nd die früher üblichen Volksbefragungen d​urch die Regierung unterblieben. Die Verminderung d​er Rechte g​ing mit e​iner weiteren Monopolisierung v​on Handel u​nd Gewerbe d​urch die Städte einher. Weiter k​amen neue direkte Steuern z​u den a​lten Feudallasten hinzu, d​ie ohne Zustimmung d​er Landschaft erhoben wurden, m​eist um moderne Befestigungsanlagen für d​ie Städte z​u errichten o​der um d​ie Aufrüstung z​u finanzieren.

Der Schweizer Bauernkrieg w​urde 1653 d​urch eine Erhebung i​m Luzerner Entlebuch ausgelöst, d​ie auch d​en Aargau, Basel, Solothurn u​nd den westlichen Teil d​es Kantons Bern erfasste. Unter d​er Führung d​er Grossbauern, besonders Niklaus Leuenbergers u​nd Hans Emmeneggers, forderten d​ie Bauern e​ine Vermehrung d​er Volksrechte, finanzielle Erleichterungen u​nd wirtschaftliche Freiheiten. Durch d​en Druck «von Unten» einigten s​ich die konfessionell gespaltenen herrschenden Städte u​nd Länderorte a​n der Tagsatzung a​uf ein militärisches Vorgehen, d​as zur blutigen Unterwerfung d​er Bauern führte.

Die städtische Aristokratie g​ing zwar gestärkt a​us dem Schweizer Bauernkrieg hervor u​nd konnte d​ie Oligarchisierung d​er Herrschaft abschliessen, s​ah sich jedoch z​u wirtschaftlichen Reformen genötigt. Direkte Steuern erhoben d​ie Städteorte b​is zum Untergang d​er Eidgenossenschaft n​icht mehr, u​m die Landschaft n​icht zu provozieren. Damit fehlte d​as Geld z​um Aufbau grosser stehender Heere u​nd der zeitgenössischen Bürokratie.

Die Villmergerkriege: Ende der Konfessionalisierung

Die Belagerung von Wil SG im Zweiten Villmergerkrieg 1712
Ludwig XIV. während der Belagerung von Besançon 1674
Ludwig XIV. empfängt 1663 eine Delegation der Eidgenossenschaft unter der Führung des Zürcher Bürgermeisters Johann Heinrich Waser zum Abschluss einer Soldallianz mit allen XIII Orten
1706 schloss Zürich mit Venedig eine Soldallianz, die feierlich im Rathaus beschworen wurde

Nach d​em Ende d​es Bauernkrieges entzündeten s​ich neuerlich w​egen Kleinigkeiten konfessionelle Streitereien zwischen d​en Kantonen, hinter d​enen sich a​uch ein starker Stadt-Land-Gegensatz verbarg. Der Versuch d​es Zürcher Bürgermeisters Johann Heinrich Waser, 1655 a​lle eidgenössischen Stände z​u einer Erneuerung d​er alten Bünde z​u bewegen, scheiterte schliesslich a​m Widerstand d​er katholischen Kantone (→ Bundesprojekt v​on 1655), d​ie als Reaktion d​en Borromäischen Bund erneuern.

Als d​er Kanton Schwyz 37 Reformierte a​us Arth vertrieb u​nd einige Zurückbleibende s​ogar hinrichtete, eskalierte d​er Konflikt zwischen Schwyz u​nd Zürich 1656 t​rotz Vermittlung Frankreichs i​m Ersten Villmergerkrieg. Die Stadt Zürich erklärt Schwyz d​en Krieg i​n der Hoffnung, e​inen für d​ie Reformierten günstigeren Landfrieden erreichen z​u können. Das Scheitern d​er Belagerung v​on Rapperswil SG u​nd die fehlende Zusammenarbeit zwischen Bern u​nd Zürich erlaubten e​s den katholischen Orten, d​ie Gemeinen Herrschaften Baden u​nd Freiamt z​u besetzen u​nd so d​ie beiden Städte z​u trennen. Nach d​er Niederlage d​er Berner b​ei Villmergen mussten d​ie reformierten Orte i​m Dritten Landfrieden d​ie bisherige Ordnung u​nd damit d​ie katholische Dominanz akzeptieren.

Trotz d​er innereidgenössischen Streitigkeiten gelang 1663 Frankreich d​er Abschluss e​iner Soldallianz m​it allen XIII Orten u​nd Zugewandten. Im Austausch g​egen die mögliche Werbung v​on 16'000 Söldnern erhielten d​ie eidgenössischen Orte finanzielle Zuwendungen, freien Salz- u​nd Getreidekauf u​nd Zollvergünstigungen. Während d​er Herrschaft d​es französischen Königs Ludwig XIV. s​ank die Eidgenossenschaft w​egen ihrer e​ngen finanziellen, wirtschaftlichen u​nd militärischen Verbindungen m​it Frankreich f​ast in d​en Status e​ines französischen Protektorats ab. Als Frankreich 1668 d​ie unter eidgenössischem Schutz s​eit 1522 neutralisierte Freigrafschaft Burgund besetzte, erneuerten d​ie Kantone z​war das Defensionale, schritten a​ber nicht ein.

Im Französisch-Niederländischen Krieg v​on 1674 erklärte d​ie Tagsatzung d​ie Neutralität d​er Eidgenossenschaft. Seitdem verfolgte s​ie den Grundsatz, d​ass im Söldnerwesen a​lle Kriegsführenden gleichmässig z​u begünstigen seien. Nach d​em Frieden v​on Nimwegen erhielt Frankreich d​ie Freigrafschaft Burgund u​nd wurde s​o an d​er gesamten Westgrenze Nachbar d​er Eidgenossenschaft. In d​er Folge g​ing Frankreich aggressiv a​uch gegen eidgenössische Interessen vor. 1679 l​iess Ludwig XIV. b​ei Basel d​ie Festung Hüningen erbauen u​nd 1681 d​as mit Zürich u​nd Bern verbündete Strassburg annektieren.

Die Aufhebung d​es Edikts v​on Nantes 1685 l​iess die Beziehungen zwischen d​en reformierten Orten u​nd Frankreich erkalten. Über 60'000 Hugenotten flüchteten i​n die Eidgenossenschaft u​nd belebten d​ie Industrie neu. Im Pfälzischen Krieg u​nd im Spanischen Erbfolgekrieg erlaubten d​ie reformierten Orte deshalb d​em Kaiser w​ie auch d​en Niederlanden d​ie Werbung v​on Söldnern. Der einzige Erfolg g​egen das Vordringen Frankreichs erzielte Bern i​m Streit u​m die Erbfolge i​m zugewandten Fürstentum Neuenburg, d​as dem reformierten König v​on Preussen zufiel.

Der Streit u​m Neuenburg u​nd der ungehinderte Durchzug kaiserlicher Truppen d​urch Basel 1709 verschärften wieder d​ie konfessionellen Spannungen, d​a die katholischen Orte d​ie Partei Frankreichs ergriffen. Die drohende wirtschaftliche Blockade d​er Innerschweiz d​urch die Städte Bern, Basel u​nd Zürich sollte d​urch den Bau e​iner neuen Strasse über d​en Ricken d​urch die katholische Fürstabtei St. Gallen n​ach Süddeutschland abgewehrt werden. Die Weigerung d​er reformierten Toggenburger d​en Strassenbau hinzunehmen, führte z​u einer Erhebung g​egen den Fürstabt v​on St. Gallen. Während d​ie katholischen Orte d​en Abt unterstützten, nahmen Bern u​nd Zürich Partei für d​as Toggenburg. 1712 eröffneten d​ie beiden Städte d​en Zweiten Villmergerkrieg i​n der Hoffnung, d​ank materieller Überlegenheit d​ie katholische Dominanz z​u brechen. Dank g​uter Koordination gelang Zürich u​nd Bern d​ie Besetzung d​es Aargaus u​nd der Fürstabtei St. Gallen, wodurch d​ie katholischen Orte blockiert wurden. Wegen zunehmender Versorgungsschwierigkeiten griffen d​ie katholischen Orte i​m Juli während laufender Friedensverhandlungen d​ie Berner b​ei Villmergen an, w​o sie e​ine vernichtende Niederlage erlitten. Im anschliessend z​u Stande kommenden Vierten Landfrieden wurden d​ie Gemeinen Herrschaften n​eu verteilt. Die katholischen Orte verloren s​tark an Einfluss, d​as Prinzip d​er Parität w​urde in d​en Gemeinen Herrschaften durchgesetzt; d​ie katholische Vormachtstellung w​ar also gebrochen.[34]

Der Vierte Landfriede bedeutete z​war das Ende d​es ständigen konfessionellen Haders i​n den Gemeinen Herrschaften, l​iess jedoch a​uch die politischen Beziehungen zwischen d​en katholischen u​nd den reformierten Kantonen f​ast gänzlich erkalten. In d​er Erneuerung d​es Soldbündnisses d​er VII katholischen Kantone m​it Frankreich 1715 verpflichten s​ich die katholischen Orte exklusiv a​n Ludwig XIV. In e​inem vom französischen König n​icht ratifizierten Beibrief, d​em «Trücklibund», sollte s​ich Frankreich verpflichten, d​en Katholiken b​ei der Wiedergewinnung d​er 1712 verlorenen Gebiete z​u helfen. Trotz d​er inneren Spannungen verlief a​ber die Aussenpolitik d​er Eidgenossenschaft i​m Grossen u​nd Ganzen i​m 18. Jahrhundert i​n ruhigen Bahnen. Die Neutralität w​urde ohne formelle Anerkennung v​on allen europäischen Staaten respektiert. Die konfessionelle Spaltung d​er Eidgenossenschaft w​urde auch d​urch die Franzosenzeit n​ach 1798 n​icht beseitigt u​nd trug massgeblich z​um Sonderbundskrieg v​on 1847 bei. Erst d​ie äussere Bedrohung während d​es Zweiten Weltkriegs u​nd die geistige Landesverteidigung beseitigten d​ie innere Spaltung d​er Schweiz i​n eine reformierte u​nd eine katholische Gesellschaft.

Siehe auch

Literatur

  • Urs B. Leu, Christian Scheidegger (Hrsg.): Buchdruck und Reformation in der Schweiz. (= Zwingliana. Band 45). Theologischer Verlag, Zürich 2018, ISBN 978-3-290-18218-2.
  • Emil Camenisch: Geschichte der Reformation und Gegenreformation in den italienischen Südtälern Graubündens und den ehemaligen Untertanenlanden Chiavenna, Veltlin und Bormio. Bischofberger & Co, Chur 1950.
  • Peter Hoover: Feuertaufe. Das radikale Leben der Täufer – eine Provokation. Down to Earth, Berlin 2006, ISBN 3-935992-23-8.
  • Gottfried W. Locher: Die Zwinglische Reformation im Rahmen der europäischen Kirchengeschichte. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1979, ISBN 3-525-55363-3.
  • Rudolf Pfister: Kirchengeschichte der Schweiz. 3 Bände. Zürich 1964/1974/1985.
  • Peter Niederhäuser, Regula Schmid (Hrsg.): Querblicke, Zürcher Reformationsgeschichten. (= Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Band 86). Chronos Verlag, Zürich 2019, ISBN 978-3-0340-1498-4.
  • Caroline Schnyder: Reformation. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  • Theodor Schwegler: Geschichte der Katholischen Kirche der Schweiz. Schlieren/ Zürich 1935.
  • Kurt R. Spillmann: Zwingli und die Zürcherische Politik gegenüber der Abtei St. Gallen. Fehr, St. Gallen 1965.
  • Mark Taplin: The Italian Reformers and the Zurich Church, c. 1540–1620. (= St. Andrews Studies in Reformation History). Routledge, 2017, ISBN 978-1-351-88729-8.
  • Lukas Vischer, Lukas Schenker, Rudolf Dellsperger (Hrsg.): Ökumenische Kirchengeschichte der Schweiz. Freiburg/Schweiz/ Basel 1994.
  • Leo Weisz: Die wirtschaftliche Bedeutung der Tessiner Glaubensflüchtlinge für die deutsche Schweiz. Berichthaus, Zürich 1958.

Einzelnachweise

  1. Anne-Sophie Galli, Martina Läubli: 500 Jahre Reformation: Wie Luther und Zwingli eine Zeitenwende brachten. In: Neue Zürcher Zeitung. 10. März 2017. (nzz.ch)
  2. Barbara Schmid: Die Lebensbeschreibungen der Zürcher Geistlichen und Gelehrten. Transformationen der Biographie am Übergang zur Enzyklopädie. In: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte – Revue suisse d‘histoire religieuse et culturelle. Band 111, 2017, S. 87108.
  3. Oswald Myconius: Vom Leben und Sterben Huldrych Zwinglis. Hrsg.: Ernst Gerhard Rüsch. St. Gallen 1979.
  4. Sabine Schlüter: Buchdruck und Reformation in Bern. In: Urs B. Leu, Christian Scheidegger (Hrsg.): Buchdruck und Reformation in der Schweiz. (= Zwingliana. Band 45). Theologischer Verlag, Zürich 2018, ISBN 978-3-290-18218-2, S. 203–232.
  5. Rudolf Pfister: Die Reformationsgemeinde Locarno, 1540–1555. (zwingliana.ch)
  6. Leo Weisz: Die wirtschaftliche Bedeutung der Tessiner Glaubensflüchtlinge für die deutsche Schweiz. Berichthaus, Zürich 1958, S. 7–15.
  7. Horst Penner: Weltweite Bruderschaft. Weierhof 1984.
  8. Peter Hoover: Feuertaufe. Das radikale Leben der Täufer – eine Provokation. Down to Earth, Berlin 2006, ISBN 3-935992-23-8.
  9. Otto Hermann Pesch -Ökumene – Geschichte des Papsttums – CHRIST IN DER GEGENWART. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 19. Februar 2017; abgerufen am 18. Februar 2017.
  10. Jean Calvin: Vergleich der falschen Kirche mit der wahren. In: Institutio Christianae Religionis, IV, 2, 12. Abgerufen am 22. Februar 2017.
  11. Jean Calvin: Institutio Christianae Religionis. In: Buch IV, 2, 12. Abgerufen am 22. Februar 2017.
  12. Schreiber des Hebräerbriefes: Die Bibel, Hebräerbrief. S. Kapitel 10, Vers 414.
  13. 1. Mose 2, Vers 15. In: Lutherbibel 1912. Abgerufen am 20. Februar 2017.
  14. - 2. Thessalonicher 3 (Luther 1912). Abgerufen am 20. Februar 2017 (englisch).
  15. Reformierter Bund – Seitenansicht. Abgerufen am 20. Februar 2017.
  16. Jean Calvin: Institutio Christianae Religionis. Buch 3, Kapitel 19. Genf 1559.
  17. Jean Calvin: Institution Chrétienne. Französische Ausgabe. Genf 1541, S. Kapitel 14.
  18. Jean Calvin: Institution Chrétienne, Buch 2, Kapitel 8, Paragraph 41. (PDF) 1559, abgerufen am 24. März 2017 (französisch).
  19. Denis R. Janz: A Reformation Reader: Primary Texts with Introductions. Fortress Press, 2008, ISBN 978-0-8006-6310-0, S. 259.
  20. Jean Calvin: Institution Chrétienne, Buch 4, Kapitel 12, Absatz 2. (PDF) Abgerufen am 25. März 2017 (französisch).
  21. Jean Calvin: Institutio Religionis Christianae. In: Buch IV, 1, 13. Abgerufen am 20. Februar 2017.
  22. Erika Fuchs: Schwerpunkte der Theologie Zwinglis. In: Ulrich Zwingli Reformator. Die Aktuelle Reihe Nr. 27. Erika Fuchs, Imre Gyenge, Peter Karner, Erwin Liebert, Balázs Németh:, abgerufen am 19. Februar 2017.
  23. Titus Vogt: Der Prädestinationsgedanke in der Theologie Martin Luthers. (PDF) Reformiertes Forum, 1999, abgerufen am 19. Februar 2017.
  24. Double Or Nothing: Martin Luther's Doctrine of Predestination by Brian G. Mattson. Abgerufen am 16. Februar 2017.
  25. Griechisch Orthodoxes Konsil: Das Bekenntnis von Dositheus, Abschnitt 3. Abgerufen am 18. Februar 2017 (englisch).
  26. Johannes Calvin: Institutes of Christian Religion. (PDF) Abgerufen am 15. Februar 2017.
  27. Administrator: Die 5 Punkte des Calvinismus Inhaltlich. Abgerufen am 20. Februar 2017.
  28. Thomas Straumann: Genfer Bankiers, hochqualifizierte Glaubensflüchtlinge und Seidenhändler: Wie sich die Reformation auf die Schweizer Wirtschaft auswirkte. Während die Reformation im Gange war, ist der Grundstein für die spätere globalisierte Wirtschaft und eine international vernetzte Schweiz gelegt worden. In: Neue Zürcher Zeitung. (NZZ), Zürich 27. April 2017. (nzz.ch)
  29. The Calvinist Connection. Abgerufen am 27. März 2017.
  30. Das Bekenntnis von Dositheus. 1672, abgerufen am 18. Februar 2017.
  31. Rudolf Pfister: Die Reformationsgemeinde Locarno, 1540–1555. In: Zwingliana. 10, 1955, S. 161–181.
  32. Leo Weisz: Die wirtschaftliche Bedeutung der Tessiner Glaubensflüchtlinge für die deutsche Schweiz. Berichthaus, Zürich 1958.
  33. Mark Taplin: The Italian Reformers and the Zurich Church, c. 1540–1620. St. Andrews Studies in Reformation History, Routledge, 2017, ISBN 978-1-351-88729-8.
  34. Ulrich Im Hof: Ancien Régime. In: Handbuch der Schweizer Geschichte. Bd. 2. Berichthaus, Zürich 1977, S. 673–784, S. 698f.
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