documenta 6
Die documenta 6 fand vom 24. Juni bis 2. Oktober 1977 in Kassel statt und war die größte je veranstaltete Kunstausstellung in Deutschland. Ihr künstlerischer Leiter war Manfred Schneckenburger, Wieland Schmied war für die Sektion Zeichnung verantwortlich. An der documenta 6 nahmen insgesamt 655 Künstler mit 2.700 Werken teil. 343.410 Besucher sahen sich die sechste documenta an.
Konzept
Die Teilnehmer nutzten verschiedene Medientypen als Kunstform: Fotografie und Film wurden in den Mittelpunkt gerückt. Zudem wurde die Mediengesellschaft thematisiert. Die documenta 6 stellte erstmals als große Ausstellung in der Abteilung Fotografie die Arbeiten von historischen und zeitgenössischen Fotografen in den Zusammenhang zur zeitgenössischen Kunst im Kontext von „150 Jahren Fotografie“.
Erstmals fand auf einer documenta eine Auseinandersetzung mit dem Sozialistischen Realismus in der bildenden Kunst der DDR statt. Die Teilnahme von sechs „offiziellen“ Künstlern der DDR (Willi Sitte, Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke vertraten in einer gesonderten Abteilung die ostdeutsche Malerei – die Bildhauer Jo Jastram und Fritz Cremer die Bildhauerei der DDR) war umstritten und führte zu heftigen Diskussionen im Vorfeld und während der documenta – bis hin zum Ausstieg bereits berufener anderer Ausstellungs-Teilnehmer.
Horst Wackerbarth wurde mit der Publikation „Kunst und Medien – Materialien zur documenta 6“ beauftragt, darin finden sich insbesondere Positionen jüngerer Künstler Bazon Brock, Eberhard Fiebig und Adam Jankowski, aber auch politische Texte.
Kunstwerke
Bedeutende Kunstwerke waren das „Terminal“ von Richard Serra sowie „der vertikale Erdkilometer“ auf dem Friedrichsplatz von Walter De Maria. Dabei bohrte de Maria ein einen Kilometer tiefes Loch und füllte das Loch mit massiven Messingstäben von 5 cm Durchmesser, die zu einem Kilometer ineinandergesteckt, dauerhaft in die Erde eingelassen wurden.
Bei den Kasselern besonders beliebt war die Laserskulptur Laserscape von Horst H. Baumann, die heute – in geänderter Form und Technik – wieder an einigen Tagen im Jahr am Kasseler Nachthimmel vom Zwehrenturm aus zu sehen ist. Die „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ von Joseph Beuys nahm einen großen Teil der Rotunde des Fridericianums ein. Vor dem Hintergrund der Starfighter-Affäre wollte Wolf Vostell einen Starfighter auf das Dach des Fridericianum stellen, was ihm nicht erlaubt wurde.[1] Stattdessen zeigte er seine Installation „La quinta del sordo“ (Das Haus des Tauben) eine Anlehnung an Francisco de Goya.
Die begehbare Stahlskulptur „Rahmenbau“ des österreichischen Künstlerkollektivs Haus-Rucker-Co ist ebenso wie das aus Polyester gefertigte und an ein gefaltetes Papierboot erinnernde „Traumschiff Tante Olga“ von Anatol Herzfeld noch immer in Kassel zu sehen. Das Schiff steht heute an der Heinrich-Schütz-Schule.
- „Laserscape“ von Horst H. Baumann
- „Der vertikale Erdkilometer“ von Walter De Maria
- „Traumschiff Tante Olga“ von Anatol Herzfeld
Ausstellungsorte
Ausstellungsorte waren das Fridericianum, die Neue Galerie, die Orangerie in der Parkanlage Karlsaue, sowie die Karlsaue selbst. Die documenta 6 zeigte dabei eine starke Präsenz durch ihre Außenarbeiten. Die gesamte Karlsaue war mit Kunstwerken erschlossen.
Zur didaktischen Unterstützung der Ausstellung wurde zum dritten Mal nach der 4. documenta und der documenta 5 die Besucherschule von Bazon Brock veranstaltet.
Teilnehmende Künstler
Insgesamt nahmen 655 Künstler an der Documenta teil:
Einige Künstler haben ihre Werke zurückgezogen:
- Georg Baselitz und Markus Lüpertz wegen der Zulassung der „offiziellen“ DDR-Künstler
- Gerhard Richter zog seine Bilder zurück wegen eines Streits um die Aufhängung seiner Werke.
In Kassel verbliebene Kunstwerke
- Das Traumschiff Tante Olga von Anatol (Polyester, Höhe ca. 3 m und Länge ca. 10 m)
Ort: Freigelände der Heinrich-Schütz-Schule
- Der Vertikale Erdkilometer von Walter De Maria (Messing, Länge und Tiefe 1000 m, Durchmesser 5 cm; Kopfeinfassung: Sandstein 200 × 200 cm)
Ort: Friedrichsplatz
- Laserscape Kassel von Horst H. Baumann
Ort: Zwehrenturm - Herkules - Orangerie - Karlsaue - Laser-Environment über die Stadt (nur temporär in Betrieb)
- Rahmenbau von Haus-Rucker-Co (Verzinkter Stahl, Stahlgitter, 14 × 16,5 × 31 m)
Ort: Friedrichsplatz/Schöne Aussicht, Gustav-Mahler-Treppe
- documenta-Signet zur d6 von Karl Oskar Blase
Ort: Garten des Privathauses von Karl Oskar Blase, Kuhbergstraße 47
Quellen und Literatur
- Katalog zur documenta 6. Kassel 1977, ISBN 3-920453-00-X.
- Band 1: Malerei, Plastik/Environment, Performance.
- Band 2: Fotografie, Film, Video.
- Band 3: Handzeichnungen, Utopisches Design, Bücher.
- Manfred Schneckenburger (Hrsg.): documenta – Idee und Institution: Tendenzen, Konzepte, Materialien. München 1983, ISBN 3-7654-1902-8.
- Kunstforum International: documenta 6. Band 21, 3/77, Mainz 1977.
- Klaus Honnef: 150 Jahre Fotografie. Zweitausendeins, Mainz/ Frankfurt am Main 1977. (Erweiterte Sonderausgabe von Kunstforum International: 150 Jahre Fotografie III / Fotografie auf der documenta 6, Band 22)
- Ralf Zumpfe, Karin Schrader, Carsten Thiemann: Architekturführer Kassel 1900 – 1999. Kassel 1997, ISBN 3-87816-087-9.
- Horst Wackerbarth (Hrsg.), Stadtzeitung und Verlag Kassel: Kunst und Medien – Materialien zur documenta 6. Kassel 1977, ISBN 3-921768-00-4.
- Harald Kimpel: documenta, Mythos und Wirklichkeit. Köln 1997, ISBN 3-7701-4182-2.
- Dirk Schwarze: Meilensteine: 50 Jahre documenta. Kassel 2005, ISBN 3-936962-23-5.
- Kulturamt der Stadt Kassel, documenta Archiv (Hrsg.): Documenta 1-9 – Ein Focus auf vier Jahrzehnte Ausstellungsgeschichte / Profiling four decades of exhibition history - 1955 - 1992. Kassel/ Würzburg 1997, ISBN 3-89322-934-5. (CD)
- Harald Kimpel (Hrsg.): Utopie documenta: Unverwirklichte Projekte aus der Geschichte der Weltkunstausstellung, Verlag für Moderne Kunst, Nürnberg 2015, ISBN 978-3-9030-0436-8.