Anna Oppermann
Anna Oppermann, geboren als Regina Heine (* 18. Februar 1940 in Eutin; † 8. März 1993 in Celle), war eine deutsche bildende Künstlerin. Sie lebte und arbeitete in Hamburg.
Anna Oppermann nimmt eine herausgehobene, synthetisierende Position in der bildenden Kunst der 1960er und 70er Jahre ein, die sich in Richtungen wie Konzeptkunst, Arte Povera, Spurensicherung, Individuelle Mythologie und Story Art manifestierte. Ihre „Ensembles“ fanden zu einer Kombination von konzeptueller und bildnerischer Arbeitsweise, mit der sie sowohl analytisch als auch plastisch narrativ auf die Kunst- und Alltagswelt am Ende des 20. Jahrhunderts einging.
Leben
Anna Oppermann wurde am 18. Februar 1940 in Eutin mit dem Namen Regina Heine geboren. Sie studierte von 1962 bis 1968 an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und Philosophie an der Universität Hamburg (1962–1968). Nach dem Studium lebte und arbeitete sie als freischaffende Künstlerin in Hamburg. 1968 wurde sie Mitglied der CO-OP Künstlercooperative Hamburg. 1986 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der Galerie Vorsetzen. Ab 1987 wählte sie ihren Zweitwohnsitz in Celle. Hier starb sie am 8. März 1993 und wurde in Celle Lachtehausen beerdigt.
Nach Gastprofessuren an der Hochschule für bildende Künste Hamburg in den Jahren 1976 und 1978 lehrte sie von 1982 bis 1990 als Professorin an der Bergischen Universität Wuppertal und anschließend bis zu ihrem Tod an der Hochschule der Künste Berlin (heute: Universität der Künste Berlin).
1967 heiratete sie den Hamburger Künstler Wolfgang Oppermann und nahm mit seinem Namen auch den Künstlernamen Anna an, der ihre Karriere als freischaffende Künstlerin begleitete. Gemeinsamer Sohn des Künstlerpaars ist Alexander Oppermann. Nach der Trennung im Jahr 1977 lebte die Künstlerin bis zu ihrem Tod mit dem Hamburger Verwaltungsjuristen und leitenden Regierungsdirektor Herbert Hossmann zusammen, der sie bei zahlreichen Ausstellungen begleitete und in ihrer Arbeit unterstützte.
Werk
Ab Ende der sechziger Jahre entwickelte Anna Oppermann ihre besondere Arbeitsweise, beeinflusst von so gegenläufigen Strömungen wie einerseits der Pop Art und anderseits der Prozess- und Konzeptkunst, deren zentrale Vertreter in der damaligen Hamburger Kunstszene viel gezeigt und intensiv rezipiert wurden. Ihre Ensembles sind offene Sammlungen und Arrangements, die aus bisweilen mehreren hundert Bildleinwänden, Fotografien, Zeichnungen, Objekten, Skulpturen, architektonischen Elementen, Schrifttafeln und Schriftbändern bestehen und zu verstehen sind als im Raum ausgebreitete Bild- und Denkprozesse. Zentrale Themen der Künstlerin waren Übergänge zwischen Realität und Fiktion, Konflikte im Umgang mit Menschen, Kunst, Traditionen und Fragen der Ökonomie.
Ausgehend von kleinen thematischen Stillleben formte, fotografierte, malte und schrieb sie, sammelte zudem Zitate aus Philosophie, Wissenschaften und Printmedien. Jedes neue Element im Bildprozess wurde Teil des Arrangements und Gegenstand weiterer Abbildungen und Reflexionen. Sukzessive entstanden raumgreifende Ensembles, in denen nah gerückte Stillleben mit distanzierten Arrangementansichten abwechseln, in denen Details hervorgehoben oder durch Überlagerungen verborgen sind. Bis zu ihrem frühen Tod arbeitete die Künstlerin an über 60 Konvoluten mit unterschiedlichen Ausmaßen und Wachstumsphasen – je nach Bedeutung und Aktualität, die das aufgerollte Thema für sie besaß.
Rezeption
1972 stellte Oppermann die ersten Ensembles in der Hamburger Kunsthalle, in Trier und in Berlin aus. Die Arbeiten erregten Aufsehen und sorgten zunächst für kontroverse Diskussionen. Verunsichert durch die wuchernde, unabgeschlossene Form und die zum Teil persönlichen Inhalte, behandelte die konservative Kunstkritik die Werke als wirre Selbstbekenntnisse. Oppermanns „Angebot zur Kommunikation“ (Oppermann) kann nur annehmen, wer mit der Künstlerin überkommene Auffassungen von Kunst in Frage stellt. So erteilt sie dem Mythos Künstler und dem Geniekult eine Absage. Statt klar geformter Ergebnisse zeigt sie den Weg der Bildproduktion mit seinen Fehlern, Umwegen und Überschüssen. Und sie bewegt sich bei der Bilderstellung zwischen persönlichem Alltag und Kunstwelt, zwischen Massenmedien und diversen wissenschaftlichen Disziplinen, um die Wechselbedingungen und -wirkungen zwischen Privatem und Allgemeinem nachzuzeichnen.
Oppermanns Arbeitsweise und Themen berührte damit wichtige Fragen, die seit den ausgehenden 1960er Jahren immer wieder diskutiert werden. Dem Werk wurde entsprechend sukzessive und dauerhaft internationale Anerkennung zuteil. Ensembles waren auf vielen internationalen Ausstellungen wie der documenta 6 (1977), der documenta 8 (1987) in Kassel und der Biennale von Sydney (1984) zu sehen. Zur Biennale in Venedig wurde sie 1980 als wichtige Vertreterin der Kunst der 1970er Jahre eingeladen. Zwei große Retrospektiven, die erstmals acht der großen Ensemblewerke gleichzeitig präsentierten, fanden 1984 und 1985 im Kunstverein in Hamburg und im Bonner Kunstverein statt. In der Hamburger Kunsthalle sind heute die Ensembles Öl auf Leinwand (1981–1992) und MKÜVO (Mach kleine überschaubare verkäufliche Objekte) (1979–1984) zu sehen. Als Dauerinstallation richtete die Künstlerin 1991 das Ensemble Pathosgeste – MGSMO – Mach grosze schlagkräftige machtdemonstrierende Objekte (1984–1991) im Altonaer Rathaus ein. Es ist Teil des Hamburger Programms Kunst im öffentlichen Raum.[1]
Nach ihrem Tod wurden zahlreiche Ensembles in interpretierender Rekonstruktion weltweit in Museen und Kunstinstitutionen wie dem Sprengel Museum Hannover (1993), dem Museum of Contemporary Art Sydney (1994), dem P.S. 1 New York (1999), La Maison Rouge Paris (2004), dem Museum für Gegenwartskunst Siegen (2005), in der Sammlung Falckenberg (2005, 2009), in der Villa Arson Nizza (2012) und zuletzt auf der Sao Paulo Biennale (2012) gezeigt. 2007 fanden zwei große Retrospektiven im Württembergischen Kunstverein Stuttgart[2] und in der Anna Oppermann Retrospektive der Generali Foundation Wien statt[3]. Seit Mai 2012 kann im Museum Abteiberg in Mönchengladbach das Ensemble Künstler sein (Zeichnen nach der Natur – zum Beispiel Lindenblütenblätter) (1969–1986) besichtigt werden.[4]
Preise
Anna Oppermann erhielt wichtige Preise und Stipendien wie den Edwin-Scharff-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg (1977), den ars-viva-Preis[5] des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft (1977), den Villa-Romana-Preis Florenz (1977), den Förderpreis Glockengasse (1980), das Stipendium Cité Internationale des Arts Paris (1981), den Kunstpreis der Heitland Foundation, Celle (1985) und das Barkenhoff-Stipendium mit Aufenthalt in Worpswede.
Seit 2012 verleiht die Universität der Künste Berlin jährlich den Anna-Oppermann-Preis (für herausragende Leistungen in der künstlerischen Praxis des BA-Studiengangs der Fakultät Bildende Kunst). Der Preis ist mit 2.500 € dotiert.
Ausstellungen (Auswahl, seit 2004)
- 2019 „Anna Oppermann – Künstler sein“, Kunsthalle Bielefeld, 23. März bis 28. Juli 2019
- 2014 „Playtime“, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München, 15. März bis 29. Juni; ausgestelltes Werk: E 35 – Der ökonomische Aspekt
- 2013 „Anna Oppermann – Ensembles“, Presentation House Gallery Vancouver, Kanada
- 2012 „The immenence of Poetiques“, 30ste Biennale von São Paulo
- 2012 „Super Bodies“, 3. Triennale des arts plastiques, Hasselt
- 2012 „L’institut des archives sauvages“, Villa Arson, Nizza
- 2012 „Anna Oppermann – Selbstportrait“ Galerie Barbara Thumm Berlin
- 2011 „gehen blühen fließen – Naturverhältnisse in der Kunst“, Stadtgalerie Kiel
- 2010 „Squatting. erinnern, vergessen, besetzen“, Temporäre Kunsthalle Berlin
- 2010 „Anna Oppermann – Künstler sein..“, Galerie Barbara Thumm Berlin
- 2010 „The more I draw. Drawing as a concept for the world“, Museum für Gegenwartskunst, Siegen
- 2010 „Habiter poétiquement – The World as Poem“, Lille métropole musée d’art moderne d’art contemporain et d’art brut
- 2007 „Anna Oppermann – Revisionen der Ensemblekunst“, Württembergischer Kunstverein, Stuttgart
- 2007 „Anna Oppermann – Ensembles“, Generali Foundation, Wien
- 2007 „True Romance – Allegorien der Liebe“, Kunsthalle Wien, Kunsthalle zu Kiel und Villa Stuck, München
- 2006 „Anna Oppermann – Der ökonomische Aspekt“, Galerie Kienzle & Gmeiner, Berlin
- 2005 „Kontexte der Fotografie“, Museum für Gegenwartskunst, Siegen
- 2004 „Anna Oppermann. Spiegel / Räume“, art agents gallery, Hamburg
- 2004 „Central Station. La collection Harald Falckenberg“, La Maison Rouge, Paris
- 1987: documenta 8, Kassel
Dauerinstallationen
- seit 2012 „Künstler sein (Zeichnen nach der Natur – zum Beispiel Lindenblütenblätter)“ (1969–1986), Museum Abteiberg, Mönchengladbach
- seit 1991 „Pathosgeste MGSMO (Mach grosze schlagkräftige machtdemonstrierende Objekte)“ (1984–1991), Altonaer Rathaus, Hamburg
Einzelnachweise
- Anna Oppermann „Pathosgeste – MGSMO – Mach große, schlagkräftige, machtdemonstrierende Objekte!“. Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg. Abgerufen am 10. Januar 2019.
- Anna Oppermann: Revisionen der Ensemblekunst. Württembergischer Kunstverein Stuttgart. Abgerufen am 10. Januar 2019.
- Anna Oppermann: Ensembles. Generali Foundation. Abgerufen am 10. Januar 2019.
- Anna Oppermann „Künstler sein (Zeichnen nach der Natur – zum Beispiel Lindenblütenblätter)“. Städtisches Museum Abteiberg. Abgerufen am 10. Januar 2019.
- kulturkreis.eu: Namhafte ars viva-Preisträger / 1977 Anna Oppermann (Memento vom 5. Oktober 2015 im Internet Archive) (abgerufen am 20. November 2018)
Literatur (Auswahl)
- Anna Oppermann. Ensembles 1968–1992, Ute Vorkoeper (Hrsg.), Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2007 (anlässlich der Ausstellungen Anna Oppermann. Revisionen der Ensemblekunst im Württembergischen Kunstverein Stuttgart und der Generali Foundation Wien)
- Claus Pias, Anna Oppermann in der Hamburger Kunsthalle (mit einer Dokumentation auf DVD von Martin Warnke, Carmen Wedemeyer und Christian Terstegge), Hamburg 2004
- Perdita von Kraft, Anna Oppermann, Hannover 1994 (=Kunst der Gegenwart aus Niedersachsen 40)
- Andrea Legde, Anna Oppermann: Das Ensemble als Methode, in: Ursula Peters, Moderne Zeiten. Die Sammlung zum 20. Jahrhundert, in Zusammenarbeit mit Andrea Legde, Nürnberg 2000, S. 270–273 (=Kulturgeschichtliche Spaziergänge im Germanischen Nationalmuseum, Bd. 3).
- Anna Oppermann. Paradoxe Intentionen, hrsg. v. Ute Vorkoeper, Begleitpublikation zur Ausstellung im Kunstverein Celle 1998, Hamburg, Brüssel 1998.
- Carmen Wedemeyer, Anna Oppermanns Ensemble „Umarmungen, Unerklärliches und eine Gedichtzeile von R.M.R.“. Ein hypermediales Bild-Text-Archiv zu Ensemble und Werk, (CD-ROM mit Beilage) Frankfurt am Main 1998.
- Anna Oppermann – Pathosgeste, Brüssel und Hamburg 1987
- Anna Oppermann. Ensembles 1968–1984, Katalog zur Ausstellung im Kunstverein Hamburg, Bonner Kunstverein, Hamburg/Brüssel 1984
- Anna Oppermann Ensembles, Katalog zur Ausstellung in der Neuen Galerie – Sammlung Ludwig, Aachen 1976
Weblinks
- Literatur von und über Anna Oppermann im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Materialien von und über Anna Oppermann im documenta-Archiv
- Anna Oppermann in der Hamburger Kunsthalle
- Oppermann’s Werknachlass in der Galerie Barbara Thumm