Tomas Schmit
Tomas Schmit (* 13. Juli 1943 in Wipperfürth; † 4. Oktober 2006 in Berlin) war Aktions- und Konzeptkünstler, Zeichner und Autor. Er zählt zu den Pionieren der Fluxus-Bewegung in den frühen sechziger Jahren.
Leben und Werk
Tomas Schmit wuchs in Thier im Bergischen Land und in Köln auf. Über Nam June Paik, den er 1961 traf, lernte er George Maciunas und auch die ersten Fluxus-Aktivitäten kennen.[1] 1962 nahm Schmit an der Aufführung Neo-Dada in der Musik, ausgerichtet von den Düsseldorfer Kammerspielen,[2] sowie an den Parallelen Aufführungen Neuester Musik in Amsterdam teil und entwickelte seine ersten pieces. In der Folgezeit beteiligte er sich an den meisten europäischen Fluxusfestivals, die in Kopenhagen, Paris, Düsseldorf, London und Berlin stattfanden, und organisierte mit Valdis Āboliņš das viel diskutierte Festival der neuen Kunst in der Technischen Hochschule Aachen am 20. Juli 1964.[3][4]
Am 5. Juni 1965 trat Schmit in 24 Stunden, veranstaltet von der Galerie Parnass in Wuppertal, mit der aktion ohne publikum auf.[5] Im selben Jahr siedelte er nach Berlin über, arbeitete hier mit Ludwig Gosewitz und Gerhard Rühm zusammen und trat mit diesen und anderen Fluxus-Künstlern 1966 beim Musikfestival der Galerie René Block im Forum-Theater Berlin auf.[6] Zu seinen engen Künstlerfreunden gehörten George Brecht, Ludwig Gosewitz, Arthur Køpcke und Dieter Roth.
1982 schrieb Tomas Schmit für das Buch 1962 Wiesbaden Fluxus 1982 den theoretischen Text über f., in dem er eines seiner wichtigsten Arbeitsprinzipien formulierte:
"was man mit einer plastik bewältigen kann, braucht man nicht als gebäude zu errichten; was man in einem bild bringen kann, braucht man nicht als plastik zu machen; was man mit ner zeichnung erledigen kann, braucht man nicht als bild zu bringen; was man auf nem zettel klären kann, braucht keine zeichnung zu werden; und was man im kopf abwickeln kann, braucht nichtmal einen zettel!“
Seine Themen sind u. a. Sprache, Logik, Paradoxe, Biologie, Kybernetik, Gehirnforschung und Wahrnehmungstheorie. Mit seinem Buch "erster entwurf (einer zentralen ästhetik)" hat er 1989 eine Einführung in die Gehirnforschung geliefert.[7]
Tomas Schmit hat ein weit verzweigtes zeichnerisches Werk, Texte, Editionen und Buchkonzepte entwickelt, seit den sechziger Jahren und bis zu seinem Tod international ausgestellt und parallel dazu ein Werkverzeichnis geschrieben, das in vier Bänden erschienen ist. Er ist in namhaften Museen und Sammlungen vertreten, z. B. im Museum Ludwig in Köln und in der Silverman Collection des MoMA in New York. Sein Nachlass befindet sich im tomas schmit archiv in Berlin, das von Barbara Wien verwaltet wird.[8]
Derzeit ist ein Projekt mit zwei Ausstellungen, einem Performanceprogramm, Filmprogramm und zwei Buchpublikationen in Vorbereitung, das im Herbst 2021 im Neuen Berliner Kunstverein (n.b.k.) und dem Kupferstichkabinett Berlin stattfinden wird und gemeinsam mit dem Arsenal – Institut für Film und Videokunst, dem Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwartskunst und dem tomas schmit archiv organisiert wird.
Tomas Schmit ist auf dem Friedhof der Dorotheenstädtischen und Friedrichswerderschen Gemeinden in Berlin-Mitte bestattet.
Ausstellungen und Werkverzeichnisse (Auswahl)
- katalog 1. Kölnischer Kunstverein, 1978
- katalog 2. DAAD-Galerie, Berlin und Sprengel Museum, Hannover 1987
- katalog 3. Im Portikus, Frankfurt/Main 1997, ISBN 3-928071-33-5.
- katalog 4. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2007
Publikationen (Auswahl)
- tomas schmit: das gute dünken. Berlin 1970 (Selbstverlag).
- tomas schmit: erster entwurf (einer zentralen ästhetik). Berlin 1989 (Selbstverlag).
- tomas schmit liest eigene texte, vol. 1, Audio-CD. Wiens Verlag, Berlin 2005.
- tomas schmit liest eigene texte, vol. 2, Audio-CD. Wiens Verlag, Berlin 2005.
- tomas schmit: Dreizehn Montagsgespräche (Fragen von Wilma Lukatsch). Wiens Verlag, Berlin 2008.
Auszeichnungen
- 1981: Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds, Bonn
- 1982: Stipendium des Rembrandt-Preises, Basel
- 1986: Kurt-Schwitters-Preis der Stadt Hannover
- 1990: Arthur Køpckes ærespris, Kopenhagen
Literatur
- René Block, Gabriele Knapstein, Carola Bodenmüller: Eine lange Geschichte mit vielen Knoten. Fluxus in Deutschland. 1962–1994. Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart 1995.
- Stefan Rippliner: Ein Evoluzzer. Tomas Schmit künstlerische Erforschung der Wahrnehmung (Vortrag in der Reihe Reden über Kunst!). Kunsthalle Lingen 2016
Weblinks
- Literatur von und über Tomas Schmit im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Tomas Schmit in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Suche nach Tomas Schmit im Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Achtung: Die Datenbasis hat sich geändert; bitte Ergebnis überprüfen und
SBB=1
setzen) - Tomas Schmit auf kunstaspekte.de
- Werkverzeichnis, Texte und Audioaufnahmen des Künstlers im tomas schmit archiv
Einzelnachweise
- Thomas Dreher: 'Apres John Cage': Zeit in der Kunst der sechziger Jahre - von Fluxus-Events zu interaktiven Multi-Monitor-Installationen. In: Ulrich Bischoff (Hrsg.): Kunst als Grenzüberschreitung. John Cage und die Moderne. Kat. Ausst. Staatsgalerie moderner Kunst. München 1991.
- NEO-DADA in der Musik, Kammerspiele, Düsseldorf. In: Name June Paik Center. Abgerufen am 5. Dezember 2020.
- Adam C. Oellers, Sibille Spiegel: Wollt Ihr das totale Leben? Fluxus und Agit-Pop der 60er Jahre in Aachen (Kat. Ausst. im Neuen Aachener Kunstverein). Aachen 1995, ISBN 3-929261-24-3.
- Günter Berghaus, Tomas Schmit: Tomas Schmit: A Fluxus Farewell to Perfection: An Interview. In: TDR. Vol. 38, No. 1 (Spring, 1994). MIT Press, S. 79–97.
- Tomas Schmit beim Happening "24 Stunden", Galerie Parnass, Wuppertal, 5. Juni 1965. In: Staatsgalerie Stuttgart, Archiv Sohm. Abgerufen am 5. Dezember 2020.
- Luca Cerizza: The Gallerist: René Block and Experimental Music, 1965–1980 (Part I/III). In: Art Agenda / Reviews. 8. Dezember 2015, abgerufen am 5. Dezember 2020 (englisch).
- Valentin Braitenberg: Tomas Schmit: erster entwurf (einer zentralen ästhetik). In: Spektrum der Wissenschaft. August 1990, S. 135 f.
- tomas schmit archiv. Abgerufen am 6. April 2020.