Margaret Bourke-White
Margaret Bourke-White (* 14. Juni 1904 in New York; † 27. August 1971 in Stamford, Connecticut) war eine US-amerikanische Fotoreporterin. Sie war als Lieutenant Colonel die erste Kriegsberichterstatterin der US-Streitkräfte und gegen Ende des Zweiten Weltkriegs Fotografin der United States Army Air Forces (USAAF). Eines ihrer Bilder, The Living Dead of Buchenwald (deutsch: Die lebenden Toten von Buchenwald), zählt zu den berühmtesten Ikonen des 20. Jahrhunderts.
Leben
Jugend
Margaret Bourke-White wurde als Tochter der römisch-katholischen Minnie Bourke und des nicht praktizierenden Juden Joseph White in der Bronx, New York geboren. Sie hatte eine ältere Schwester, Ruth White, und einen jüngeren Bruder, Roger White. Bourke-White erhielt eine damals für Mädchen noch nicht übliche Ausbildung an einem College. Im Alter von 20 Jahren heiratete sie Everett Chapman und ließ sich zwei Jahre später wieder scheiden.
Architektur- und Industriefotografie
Nach Beendigung ihres Studiums 1927 eröffnete sie ihr erstes Fotostudio in Cleveland, Ohio und begann ihre Karriere als Architektur- und Industriefotografin.[1] Ihre spektakulären Aufnahmen von Industrieanlagen stellten einen neuen und vielbeachteten fotografischen Zugang zur rasanten Wirtschaftsentwicklung der Vereinigten Staaten dar.
Fotojournalismus
Bald erhielt sie Aufträge renommierter Zeitschriften. Die von ihr fotografierten Brücken und Stahlfabriken illustrierten 1930 die Titelstory der Erstausgabe von Fortune, deren Mitherausgeberin sie war. 1931 eröffnete sie ihr Fotostudio im New Yorker Chrysler Building.
1930 reiste sie zum ersten Mal in die Sowjetunion, die gerade dabei war, die Industrialisierung voranzutreiben. Es entstanden Bilder, die gigantische Bauprojekte (Fabriken und Kraftwerke) festhalten, aber auch die einfachen, ausgebeuteten Arbeiter nicht aussparten.[2] Während der 1930er Jahre machte sie unter anderem Fotoreportagen über die I.G. Farben und die Werften von Hamburg sowie über die Großbaustelle der sowjetischen Industriestadt Magnitogorsk im westlichen Sibirien.
Auch in der ersten Nummer des Life-Magazins vom November 1936, dessen Gründungsmitglied Bourke-White war, lieferte sie das Titelbild und die Titelstory über den Staudammbau des Fort Peck Lake in den USA. Neben Walker Evans und W. Eugene Smith gehört Bourke-White zu den Pionieren des Foto-Essays.[1]
Auch sie selbst wurde durch ihren extravaganten Lebensstil und ihr energisches Auftreten zum Objekt der Medien und zu einem Typenmodell für die moderne, emanzipierte Frau.
1937 erschien ihr gemeinsam mit dem Schriftsteller Erskine Caldwell erstellter Bildband über die Lebensbedingungen der Feldarbeiterinnen und Feldarbeiter im Süden der USA (Dust Bowl), die in dieser Zeit von einer extremen Dürrewelle in ihrer Existenz gefährdet waren. You Have Seen Their Faces gilt als eines ihrer wichtigsten Werke. 1939 heiratete sie Caldwell, von dem sie sich 1942 wieder scheiden ließ. 1938 brach sie zu einer Europareise auf und arbeitete an einem Bildbericht über die Sudetenkrise in der Tschechoslowakei.[3]
Zweiter Weltkrieg
The Living Dead of Buchenwald |
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Margaret Bourke-White, 1945 |
Schwarzweißfotografie |
Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora |
Link zum Bild |
1941 ging sie für Life nach Moskau. Während des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion war sie die einzige westliche Fotoreporterin in der Stadt und dokumentierte vor allem die deutschen Luftangriffe auf die sowjetische Hauptstadt. Sie wurde der erste weibliche Kriegsberichterstatter der US-Armee,[2] unter anderem in England, Nordafrika und Italien. Als Fotografin der United States Army Air Forces (USAAF) reiste sie mit General George S. Patton durch Deutschland und war bei der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald und des Zwangsarbeitslagers Leipzig-Thekla anwesend. Ihr Bild Die lebendigen Toten von Buchenwald von 1945 ist eine der berühmtesten Fotografien des 20. Jahrhunderts. Sie porträtierte auch viele Prominente wie Franklin D. Roosevelt, Josef Stalin, Winston Churchill oder Marlon Brando.
Nachkriegsjahre
Im Herbst 1945 erhielt sie von der USAAF den Auftrag, die Zerstörungen deutscher Städte mit Luftbildern zu dokumentieren.[4] 1946 fotografierte sie für Life eines ihrer bekanntesten Bilder: Mahatma Gandhi am Spinnrad. In den Folgejahren dokumentierte Margaret Bourke-White die Teilung Indiens, später auch den Koreakrieg. Sie bereiste auch Südafrika während der Apartheid.
Späte Jahre
Mitte der 1950er Jahre erkrankte Bourke-White an der Parkinson-Krankheit und musste ihre Arbeit mehr und mehr einschränken. Ihr Leben war so reich an außergewöhnlichen Ereignissen, dass ihre 1963 erschienene Autobiographie über Wochen hinweg auf der Bestsellerliste der New York Times rangierte.[1] 1971 starb sie an den Folgen der Parkinson-Krankheit.
Werke (Auswahl)
Reportagen
- The Story of Steel, 1928
- Eyes on Russia, 1931
- You Have Seen Their Faces, 1937
- North of the Danube, 1939
- Say, Is This the USA, 1941
- Shooting the Russian War, 1942
- They Called It "Purple Heart Valley, 1944
- Dear Fatherland, Rest Quietly, 1946
- Half Way to Freedom: A Report on the New India, 1949
- Interview with India, 1950
- A Report on the American Jesuits, 1956
- Portrait of Myself, 1963
Fotogalerie mit Reportagebildern
- Kinder in einem Erholungsheim in Georgien, Entstehungsjahr nicht bekannt
- Alexander Wwedenski, 1941
- Gran Dogana Marittima, Neapel, 1943
- Bahnhof Hannover, nach den Luftangriffen, 1945
- Zerstörtes Würzburg, 1945
- Zerstörter Rödingsmarkt, Hamburg, 1945
- Durch Luftangriffe der USAAF zerstörte Mineralölindustrie im 3. Seehafen Hamburg-Harburg, Herbst 1945
- Der indische Industrielle G. D. Birla (l.) unterhält sich mit seinem Besucher Vallabhbhai Patel. Im Hintergrund ist Patels Tochter Manibehn Patel, 1946
Ausstellungen
- Russian Photographs, American Russian Institute, New York, 1931
- Little Carnegie Playhouse, New York, 1932
- Art Institute of Chicago, 1956
- Bourke-White’s People, Syracuse University, New York, 1966
- Witkin Gallery, New York. Carl Seinbab Gallery, Boston, 1971
- Cornell University, Ithaca, New York, 1972
- University of California, Santa Clara, 1974
- Allen Frumkin Gallery, New York. Robert Schoelkopf Gallery, New York, 1975
- The Early Years, Washington Public Library, New York, 1975
- Syracuse University, New York. Witkin Gallery, New York, 1978
- The Humanitarian Vision, Joe and Emily Lowe Gallery, Syracuse University, New York, 1983
- The Humanitarian Vision, Tournee durch 20 Städte Europas 1984–1985
- The Humanitarian Vision, Kunsthaus Zürich, 1985
- Margaret Bourke-White. Moments in History. Photographs 1930–1945, Martin-Gropius-Bau, Berlin, und Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern, München 2013
Sammlungen
Margaret Bourke-White's Werke sind heute wichtiger Bestandteil folgender Sammlungen
- Brooklyn Museum
- Cleveland Museum of Art
- Museum of Modern Art (MoMA) in New York
- Library of Congress in Washington, D.C.
Ihr Nachlass wird von der Syracuse University, New York verwaltet.
Auszeichnungen
- Ehrendoktor: Rutgers University, 1948
- Ehrendoktor University of Michigan (Ann Arbor), 1951
- Achievement Award: Reise und Freizeit, 1963
- Honor Roll Award: American Society of Media Photographers, 1964
Sie wurde außerdem vom National Women’s History Project ausgezeichnet.
Literatur
- Susan Goldman Rubin: Margaret Bourke White. Her Pictures Were Her Life. Harry N. Abrams, New York 1999, ISBN 0-8109-4381-6.
- John Stomber: Power and Paper. Margaret Bourke-White, Modernity, and the Documentary Mode. Boston University Art Gallery, Boston, Mass. 1998 (Katalog der gleichnamigen Ausstellung, 6. März bis 12. April 1998).
- Margaret Bourke-White: Deutschland – April 1945 (Dear Fatherland, Rest Quietly. A report on the collapse of Hitler's „Thousand Years“. 1946). Schirmer/Mosel, München 1985, ISBN 3-921375-34-7 (EA 1979).
- Margaret Bourke-White: Licht und Schatten. Mein Leben und meine Bilder (Portrait of myself, 1964). Droemer/Knaur, München 1964.
- Elisabeth Bronfen, Daniel Kampa (Hrsg.): Eine Amerikanerin in Hitlers Badewanne. Drei Frauen berichten über den Krieg: Margaret Bourke-White, Lee Miller und Martha Gellhorn. Mit einem Nachwort von Elisabeth Bronfen. Hoffmann und Campe, Hamburg 2015, ISBN 978-3-455-50365-4.
Sonstiges
In dem Film Gandhi (1982) spielte Candice Bergen die Fotografin Margaret Bourke-White.
1989 wurde Bourke-White in dem Fernsehfilm Double Exposure: The Story of Margaret Bourke-White (deutscher Titel: …und ihr Traum wird wahr) von Farrah Fawcett porträtiert.[5]
Einzelnachweise
- Peter Geimer: In schwindelnder Höhe, vor grausigem Abgrund. In: faz.net. 22. Januar 2013, abgerufen am 11. Dezember 2014.
- Auge ihrer Zeit. In: Der Spiegel. Nr. 3, 2013 (online).
- Florian Christner: Momente der Geschichte - VKB-Kunstfoyer in München zeigt Bilder der Fotografin Margaret Bourke-White. In: Bayernkurier. 8. Juni 2013.
- Florian Christner: Momente der Geschichte - VKB-Kunstfoyer in München zeigt Bilder der Fotografin Margaret Bourke-White. In: Bayernkurier. 8. Juni 2013.
- Double Exposure: The Story of Margaret Bourke-White. Internet Movie Database, abgerufen am 22. Mai 2015 (englisch).
Weblinks
- Literatur von und über Margaret Bourke-White in der bibliografischen Datenbank WorldCat
- Literatur von und über Margaret Bourke-White im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Margaret Bourke-White in Swisscovery, dem schweizerischen Suchportal der wissenschaftlichen Bibliotheken
- Margaret Bourke-White in der Internet Movie Database (englisch)
- Kurzer Lebenslauf des Deutschen Historischen Museums
- Biografie, Literatur & Quellen zu Margaret Bourke-White FemBio des Instituts für Frauen-Biographieforschung
- Fotogalerie Gallery M (englisch)
- Fotogalerie veröffentlicht im Rahmen des Google-LIFE-Projekts
- Carmen Böker: Ich will ein Erfolg sein. In: Berliner Zeitung. 21. Mai 2002.
- The Last Days of a Legend. (Memento vom 13. Dezember 2013 im Internet Archive) (englisch)
- Erste US-Kriegsberichterstatterin: Frau unter Feuer. In: Spiegel online. 22. Januar 2013.
- Annette Vowinckel: Schwierige Lichtverhältnisse - Moments in History. Margaret Bourke-White im Berliner Gropius-Bau. auf: zeitgeschichte-online.de. Februar 2013.