Der vertikale Erdkilometer
Der vertikale Erdkilometer oder Vertikaler Erdkilometer ist ein Kunstwerk der Land Art, das von Walter De Maria zur documenta 6 im Jahr 1977 auf dem Kasseler Friedrichsplatz geschaffen wurde.
Vertikaler Erdkilometer
Für das Kunstwerk wurde zunächst eine ein Kilometer tiefe, lotrechte Bohrung, unter Aufsicht des Geologieprofessors Jürgen Pickel, durch die nordhessische Firma H. Anger's Söhne ausgeführt.[1] Anschließend wurden 167 massive Messingstäbe von sechs Metern Länge und fünf cm Durchmesser einen Kilometer tief in die Erde versenkt[2] und das Bohrloch mit Beton verfüllt. Der sichtbare Teil, das obere Ende der Messingstäbe, befindet sich mitten auf der Sichtachse vom Fridericianum zum Denkmal von Landgraf Friedrich II. und ist mit einer zwei mal zwei Meter großen, horizontalen Sandsteinplatte umfasst. Finanziert wurde das 750.000 DM teure Kunstwerk durch die von dem deutschen Kunsthändler Heiner Friedrich initiierte Dia Art Foundation.
Der Schichtenaufbau des Bohrkerns befindet sich heute im Naturkundemuseum (Ottoneum) in Kassel. Weiteres Erdmaterial wurde von Schülern der Freien Waldorfschule Kassel, abgefüllt in 2000 kleinen Glasflaschen, zum Preis von 5 DM für einen guten Zweck verkauft.[3]
De Maria schrieb: „Der senkrechte Erdkilometer soll die Menschen dazu anregen, über die Erde und ihrem Ort im Universum nachzudenken.“ Zudem wird ein Bezug dazu hergestellt, dass das 1779 eröffnete Museum Fridericianum ursprünglich die historischen Instrumente des Landgrafen zur Vermessung des Himmels und der Erde beherbergte.[4]
Olympische Erdskulptur
Auf Vorschlag seines Galeristen Heiner Friedrich sollte De Maria bereits 1970/1971 das Olympic Mountain Project im Rahmen des Kunstprogramms zu den Olympischen Spielen 1972 realisieren, was von der Münchener Stadtverwaltung jedoch abgelehnt wurde.[5] Seine Olympische Erdskulptur – Olympic earthen skulptur sollte aus einem sichtbaren und einem unsichtbaren Teil bestehen. Unter dem Olympischen Berg, der aus Trümmer- und Schuttresten des 2. Weltkriegs bestand, wollte er einen Schacht mit 3 m Durchmesser und 120 m Tiefe graben lassen und mit einer Bronzescheibe vom 8 m Durchmesser[6] und 30 cm Dicke abdecken, auf der man stehen und gehen konnte.[7][8]
Rezeption
Das Kunstwerk Vertikaler Erdkilometer war eines der umstrittensten der documenta 6 und es gab sowohl regional als auch überregional Proteste dagegen. Ziel des Angriffs war zunächst die wochenlange „Verschandelung“ des Friedrichsplatzes durch einen großen Bauzaun und den hoch aufragenden Bohrturm sowie die anschließende massive Lärmbelästigung durch die Bohrarbeiten.[9] 1977 führte das Wickert Institut eine Umfrage durch, nach der 20 % der Bundesbürger bereits vom Erdkilometer gehört hatten. 77 % derer sprachen sich gegen das Kunstwerk und nur 3 % dafür aus. Es gab jedoch – neben der großen Anzahl negativer Leserbriefe in der Presse – eine merkliche Anzahl, die sich für mehr Toleranz aussprach.[10]
Weblinks
- Der vertikale Erdkilometer auf der Website der Stadt Kassel
- Zwei Zoll – In Kassel soll ein tiefes Loch gebohrt werden. Unfug oder Kunst?. In: Der Spiegel vom 1. Mai 1977
Einzelnachweise
- Gert Merkel: Blick auf die documenta 6: So entstand der Erdkilometer. In: Hessische/Niedersächsische Allgemeine vom 2. August 2017
- Walter de Maria, Thomas Kellein: Die Fünf Kontinente Skulptur. Mit Essays zum Werk des Künstlers. Hatje, 1991 ISBN 978-3-77570288-1, S. 72
- Dirk Schwarze: Die Stille nach dem Sturm. In: Dirk Schwarze: … documenta … Künstler … Ausstellungen …. (abgerufen am 15. März 2021)
- Documenta 6, Ausstellungskatalog, 1977, S. 206
- Laura Weissmüller: Kein Wort zur Kunst. In: Süddeutsche Zeitung vom 8. Juli 2011. Abgerufen am 16. März 2021.
- Nach anderer Quelle 3,6 m Durchmesser (Walter de Maria, Thomas Kellein: Die Fünf Kontinente Skulptur), S. 72
- Carl Heinz Harbeke: Bauten für Olympia, Harbkes, München, 1972. S. 46
- Werner Schmalenbach: Zur Mythologie eines Lochs. In: Kunstjahrbuch 2, Fackelträger, Hannover 1972, S. 81–84
- Aus der Perspektive der Medien - Ein Text von Dirk Schwarze über die documenta 6. In: documenta Archiv (abgerufen am 15. März 2021)
- Im Namen des Volkes: das "gesunde Volksempfingen" als Kunstmaßstab, Wilhelm-Lehmbruck-Museum der Stadt Duisburg, 1979 (Ausstellungskatalog), Seite 155