Joan Jonas
Joan Jonas (* 13. Juli 1936 in New York City als Joan Amerman Edwards) ist eine US-amerikanische Künstlerin, die als wegweisend für Performance und Videokunst bekannt wurde und an der Documenta in Kassel mehrmals teilnahm.
Leben
Jonas wuchs in New York auf, studierte 1954–58 zunächst Kunstgeschichte am Mount Holyoke College. 1958–61 folgte ein Studium der Bildhauerei an der Boston Museum School und 1961–64 das Studium der Malerei an der New Yorker Columbia University. Ihre frühen Werke Anfang der 1960er Jahre in New York waren beeinflusst durch die non-linearen Arbeiten von John Cage und Claes Oldenburg.[1] Sie begann ihre künstlerische Laufbahn in New York City als Bildhauerin.
Werk
Um 1968 wandelte sich Joan Jonas zur experimentellen Künstlerin. Sie mischte Performance mit medial projizierten Bildern und führte sie in Natur- oder Industrie-Umgebungen auf. In ihren Frühwerken, etwa „Wind“ aus 1968, filmte Jonas Schauspieler, die steif durch ein Blickfeld laufen. Der Eindruck der „Steifheit“ wird durch den Widerstand eines „Gegenwinds“ erzeugt, durch den die Choreographie eine „psychologische Mystik“ bekam.
Im Jahr 1972 war Joan Jonas Teilnehmerin der Documenta 5 in Kassel in der Abteilung Individuelle Mythologien: Selbstdarstellung - Performances - Activities - Changes.
Songdelay von 1973 zeigte Filmaufnahmen sowohl mit Frosch- als auch mit Weitwinkelobjektiven, wobei diese extremen Gegensätze der Schärfentiefe absichtlich die übliche Wahrnehmung durchbrachen. Jonas verarbeitete in Songdelay ihre Erlebnisse in Japan, wo sie Schauspieler des Noh-Theaters sah, die Holzblöcke aneinanderschlugen und zugleich bizarre Bewegungsmuster vollführten.
In Organic Honey gab sich die Künstlerin als „elektronisch-erotische Verführerin“, deren puppenhaftes Gesicht wechselnde weibliche Rollenmuster reflektierte. Zeichnungen, Kostüme, Masken und Interaktion mit elektronischen Videobildern erzeugten Effekte, die eine optischen Verdoppelung der Perzeption und Bedeutungsebenen erlaubten. Die „Spiegelung“ durch Video wurde ihr dabei zum Symbol des (Selbst-)Porträts und der Repräsentation des Körpers. „Reales“ und „Imaginäres“ gingen ineinander über. Dadurch vermittelten ihre Performances eine ihnen eigene Stimmung der Gefahr und der Spannung in Rückkopplung zum Publikum.
In „Lines in the Sand“ von 2002, einer Installation und Performance für Documenta11, untersuchte Jonas die Thematik des Selbst und dessen Körper-Repräsentation. Grundlage war Hilda Doolittles episches Gedicht „Helen in Egypt“ (1951–55), das den Mythos der trojanischen Helena rekonstruiert.
In The Shape, The Scent, The Feel of Things, einer Auftragsarbeit der Chicagoer „Renaissance Society“ von 2004, bezog sich Jonas auf Aby Warburgs Studie der Hopi-Bildwelten. Jonas sieht in Warburgs Arbeit Parallelen zu ihrer eigenen.
Jonas Arbeiten beeinflussten Richard Serra, Robert Smithson, Dan Graham und Laurie Anderson. In Europa weithin bekannt, galt sie im eigenen Land weniger. Jonas' Projekte und Experimente schufen die Grundlage des Genres „Video-Performance“. Ihr Einfluss erstreckte sich darüber hinaus auf Konzeptkunst, Theater und andere visuelle Medien.
Joan Jonas war auch auf der Documenta 6 (1977), der Documenta 7 im Jahr 1982 und der Documenta 8 (1987) mit Werken vertreten.
1994 wurde Jonas mit einer großen Retrospektive im Amsterdamer Stedelijk Museum geehrt. Bei dieser Gelegenheit transformierte sie mehrere ihrer Performance-Arbeiten in Installationen für das Museum. Soloausstellungen hatte sie 2003 bei Rosamund Felsen in Los Angeles und in der „Pat Hearn Gallery“ in New York City. 1995 erhielt sie einen Ruf auf einen Lehrstuhl für Bildhauerei (Nachfolge Jürgen Brodwolf) an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, sie lehrte dort bis 2002.[2][3]
Das „Queens Museum of Art“ zeigte mit „Joan Jonas: Five Works“ (14. Dezember 2003 – 14. März 2004) die erste große Ausstellung von Jonas in einem New Yorker Museum. Diese Ausstellung bestand aus einem Videoraum und einem Überblick ihrer Zeichnungen, Fotografien und Skizzenblöcke.[4][5] 2006 wurde sie Professor für „Visuelle Künste“ am Massachusetts Institute of Technology (MIT).
Im Juni 2008, als Stargast des Performance-Festivals „In Transit 08“ im Berliner Haus der Kulturen der Welt vollführte die 72-Jährige einen „multimedialen Gewittersturm“ mit Pianobegleitung.[6]
Für die Saison 2014/2015 in der Wiener Staatsoper gestaltete Joan Jonas im Rahmen der von museum in progress konzipierten Ausstellungsreihe „Eiserner Vorhang“ ein Großbild von 176 Quadratmetern.[7] 2015 bespielte sie bei der 56. Biennale Venedig den Pavillon der USA.[8]
Joan Jonas lebt und arbeitet in New York City.
Werke (Auswahl)
- In the trees II (2018)[9]
- The Shape, The Scent, The Feel of Things (2004)
- Lines in the Sand (2002)
- My New Theater, portable Reihe (1997–1999)
- Woman in the Well (1996/2000)
- Revolted by the Thought of Known Places… (1992)
- Volcano Saga (1985)
- The Juniper Tree (1976)
- Organic Honey’s Visual Telepathy (1972)
Ausstellungen (Auswahl)
- 2000 Joan Jonas, Performance Video Installation, Galerie der Stadt Stuttgart/Kunstmuseum Stuttgart[3]
- 2009: 53. Biennale Venedig
- 2014: Joan Jonas., HangarBicocca, Mailand[10]
- 2014/15: Eiserner Vorhang in der Wiener Staatsoper, Eröffnung am 14. November 2014[11]
- 2015: 56. Biennale Venedig (Kuratoren für den Pavillon der USA: Paul C. Ha und Ute Meta Bauer)
- 2018: Joan Jonas, Tate Modern[12]
Auszeichnungen
Jonas erhielt mehrfach Fellowships and Stipendien für Choreographie, Videokunst und bildende Kunst, zum Beispiel vom National Endowment for the Arts, der Rockefeller Foundation, der Guggenheim Foundation, dem „CAT Fund“, dem „Artist TV Lab am WNET/13“ (New York City), dem „Television Workshop at WXX1“ (Rochester) sowie dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). An internationalen Preisen erhielt sie den „Hyogo Prefecture Museum of Modern Art Prize“ beim Tokyo International Video Art Festival, den „Polaroid Award für Videokunst“ und den „Maya Deren Award für Videokunst“ des American Film Institute. 2009 erhielt Jonas den erstmals ausgelobten Lifetime Achievement Award des New Yorker Solomon R. Guggenheim Museums für ihre außerordentlichen Leistungen in der Gegenwartskunst.[13] 2015 wurde sie in die American Academy of Arts and Sciences und 2016 in die American Academy of Arts and Letters[14] gewählt. Bei der Biennale di Venezia des gleichen Jahres wurde sie mit Special Mentions bedacht. Für 2018 wurde ihr der Kyoto-Preis in der Kategorie Kunst zugesprochen.
Literatur
- Johann-Karl Schmidt, Joan Jonas und das anthropologische Porträt, In: Ausstellungskatalog Galerie der Stadt Stuttgart, hg. von Johann-Karl Schmidt, Cantz, Ostfildern 2000, ISBN 3-7757-0977-0
- Susan Morgan: I Want to Live in the Country The MIT Press, 2007 ISBN 1-84638-025-1
- Inventing Nature. Pflanzen in der Kunst, hg.von Kirsten Claudia Voigt und Leonie Beiersdorf, Snoeck Verlag, 2021, ISBN 978-3-86442-312-3
Weblinks
- Literatur von und über Joan Jonas im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- art-magazin.de vom 6. Juni 2008: Interview mit Joan Jonas zum Auftritt auf „In Transit 08“
- Installationsbeschreibung und Flashvideo-Ausschnitt von der Performance im Berliner Haus der Kulturen der Welt, Juni 2008
- Ausführliches Künstlerportrait JJ auf culturebase.net
- Joan Jonas bei artfacts.net
- Materialien von und über Joan Jonas im documenta-Archiv
Einzelnachweise
- „Medien Kunst Netz“: kurze Biografie
- culturebase.net | The international artist database | Joan Jonas. 16. Juni 2010, abgerufen am 17. Januar 2021.
- Joan Jonas in der städtischen Galerie. In: www.artlog.net. 1. Februar 2001, abgerufen am 17. Januar 2021.
- Joan Jonas: Five Works - Queens Museum of Art. Artikel vom 1. Februar 2004, abgerufen am 15. November 2014.
- Queens Museum of Art: Katalog der Ausstellung von 2004
- die Tageszeitung vom 14. Juni 2008: „Alle Kunst ist Regenmagie“: Joan Jonas, Pionierin der Performance, im Haus der Kulturen der Welt
- Eiserner Vorhang 2014/2015, museum in progress
- Biennale Venedig: Joan Jonas im US-Pavillon. In: www.art-magazin.de. 29. November 2014, abgerufen am 17. Januar 2021.
- Joan Jonas – In the Trees II. Bamberger Onlinezeitung, 2019, abgerufen am 7. November 2021.
- Mitteilung zur Ausstellung, englisch, abgerufen am 23. August 2014.
- Eiserner Vorhang, Projektseite von museum in progress.
- "Joan Jonas", englisch, abgerufen am 7. Juni 2020.
- Lifetime Achievement Award. In: www.guggenheim.org. 13. Oktober 2009, abgerufen am 17. Januar 2021.
- Academy Members. American Academy of Arts and Letters, abgerufen am 16. Januar 2019.