Karl Blossfeldt
Karl Blossfeldt (* 13. Juni 1865 in Schielo; † 9. Dezember 1932 in Berlin) war ein deutscher Fotograf, der besonders durch streng-formale Pflanzenfotografien bekannt wurde. Er gilt fotokünstlerisch als Vertreter der Neuen Sachlichkeit.
Leben
Karl Blossfeldt begann 1881 eine Lehre als Bildhauer und Modelleur in der Kunstgießerei Carlswerk in Mägdesprung im Harz und verwendete bereits damals Blätter als Vorlage für Verzierungen. Als Neunzehnjähriger begann er ein zeichnerisches Grundstudium an der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums. Seine Leidenschaft gehörte jedoch weiterhin der Fotografie. Deshalb schloss er sich von 1890 bis 1896 der Mitarbeit am Projekt des Zeichenlehrers Moritz Meurer in Rom zur Herstellung von Unterrichtsmaterialien für ornamentale Gestaltung an. Dies stellte den Beginn der systematischen Fotoarbeit an Pflanzen dar. In der Folgezeit erschienen erste Veröffentlichungen in den Publikationen Meurers.
Im Jahre 1898 begann Karl Blossfeldt mit seiner Lehrtätigkeit als Assistent an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin und wurde ab 1899 Dozent im Lehrfach „Modellieren nach Pflanzen“. 1921 wurde er zum Professor ernannt, ab 1924 an den Vereinigten Staatsschulen für Freie und Angewandte Kunst Berlin. Sein Galerist, der Berliner Karl Nierendorf (1889–1947), stellte seine Fotoaufnahmen 1926 mit afrikanischer und ozeanischer Plastik aus, unter den Rezensenten fand sich Walter Benjamin – welche nachhaltige Wirkung auf die Moderne seine Fotografien ausübten, wurde sofort erkannt. Sein erstes Buch „Urformen der Kunst“ erschien im Jahre 1928 im Ernst Wasmuth Verlag, Berlin, es machte Karl Blossfeldt fast über Nacht berühmt. Nach seiner Emeritierung 1932 erschien kurz vor seinem Ableben 1932 noch der Bildband „Wundergarten der Natur“.
Am 17. September 2020 wurde an seinem ehemaligen Wohnort, Berlin-Steglitz, Stephanstraße 6, eine Berliner Gedenktafel enthüllt.
Werk
- Eisenhut (Aconitum)
- Knoblauchpflanze (Allium ostrowskianum)
- Büschelkraut (Phacelia congesta)
- Rittersporn (Delphinium)
- Stranddistel (Eryngium maritimum)
- Orientalischer Mohn (Papaver orientale)
- Pfauen- oder Reisgerste (Hordeum distichum)
Künstlerisches Anliegen
Blossfeldt sah seine Fotografien als Unterrichtsmaterial und nicht als eigenständige künstlerische Leistung. Er meinte, dass die „Photographie bestes Hilfsmittel für Herausarbeitung von Pflanzendetails“ sei und verwendete die Fotografie aufgrund praktischer Vorteile. Damit machte er einen Kompromiss zwischen Originalpräparat und Zeichnung als Vorlage und Unterrichtsmaterial für Zeichenunterricht. Die Fotografien wurden an die Wand projiziert und dienten als Vorlage für Zeichenübungen. Voraussetzung dafür war eine klare, konturenscharfe Abbildung.
Des Weiteren veranschaulichte Blossfeldt Formen und Strukturen der Natur und wirkte so auf die ornamentale Gestaltung von Produkten hin.
Blossfeldt selbst war eher Enthusiast für Pflanzen als professioneller Fotograf. Mit seinen genauen Studien entdeckte er graphische Details und ging botanisch-wissenschaftlich vor, indem er seine Fotografien mit lateinischen Namen beschriftete. Damit knüpfte er an die Tradition der Herbarien an.
In dem Vorwort zu seinem Buch Wundergarten der Natur schreibt er:
- Die „Bilddokumente“ sprechen für sich.
- „Meine Pflanzenurkunden sollen dazu beitragen, die Verbindung mit der Natur wieder herzustellen. Sie sollten den Sinn für die Natur wieder wecken, auf den überreichen Formenschatz in der Natur hinzuweisen und zu eigener Beobachtung unserer heimischen Pflanzenwelt anregen.“
Er bewertet darin die Pflanze als künstlerisch-architektonischen Aufbau, welche neben zweckdienlichen auch künstlerische Formen schafft. Die Natur ist damit als „Lehrmeisterin“ für Kunst und Technik anzusehen.
Bild
Letztlich wurden die Pflanzen in bis zu 12–45-facher Vergrößerung abgebildet. Das Negativ wurde im Maßstab 1:1 aufgenommen, davon wurden dann Ausschnittsvergrößerungen angefertigt. Daher mussten die Pflanzen sehr ruhig liegen, Blossfeldt hat oft Glasscheiben als Halterung oder als Unterlage benutzt, damit der Untergrund sich unscharf abbildete. Getrocknete Pflanzen hat er aufrecht in Knetmasse gesteckt oder sie sogar aufgehängt. Die durch die Glasplatte entstandene Spiegelung im Bild wurde vor der Veröffentlichung retuschiert. Dabei sind auch „fehlerhafte“ Aufnahmen entstanden, aber auch diese wurden von ihm gesammelt. Das Bild wurde auf Silbergelatinepapier vergrößert, meist im Format 30 × 24 cm, aber auch 24 × 60 cm. Oder er stellte für seinen Kunstunterricht Diapositive 9 × 12 cm her, die er mit Hilfe eines Projektors auf einer entsprechenden Projektionsfläche in großem Format vorführen konnte.
Kamera
Blossfeldt verwendete eine (vermutlich selbstgebaute) Plattenkamera.
Negativ
Das Negativ hatte ein Format von 6×9, 9×12, 13×18, selten auch 9×18. Die Glasplatten waren meist mit orthochromatischer Emulsion, selten mit panchromatischer Emulsion beschichtet. Daher wurden die Pflanzen konturenscharf abgebildet.
Motiv
- Perspektive: Aufsicht, direkte Seitenansicht
- Hintergrund: neutral: einfarbig (schwarz/grau/weiß)
- Belichtung: diffuses Streiflicht/weiches Tageslicht, wodurch das Bild dunkel wirkt
- Detailansicht
- hohe Schärfentiefe
Publikationen
- Urformen der Kunst. Verlag Ernst Wasmuth, Berlin 1928. (Erschien als Buch mit Schutzumschlag und Mappenwerk in verschiedenen Bindungen, mit 120 ganzseitigen Bildtafeln, Einführung Karl Nierendorf. Zweite Auflage 1929.)
- Urformen der Kunst. Mappenwerk von 1928 in Faksimile. Mit einem zusätzlichen Textheft, bearbeitet von Anne Ganteführer-Trier. Stiftung Fotografie und Kunstwissenschaft – Ann und Jürgen Wilde, Köln 2003. (Mit 120 losen Tafeln.)
- Unter dem Titel Art Forms in Nature erschien das Werk von Karl Blossfeldt in englischer Sprache in London bei A. Zwemmer und in New York bei E. Weyhe 1929.
- Art Forms in the Plant World. (Urformen der Kunst), englische Ausgabe von 1929 im Nachdruck einer Paperback-Ausgabe, Dover Publications, New York 1985.
- Art Forms in Nature erschien als Volksausgabe mit 96 Bildtafeln bei A. Zwemmer in London 1935, 1936 und 1967; bei E. Weyhe New York 1935 und Universe Books, New York 1967.
- Unter dem Titel La Plante erschien das Werk in Paris bei A. Calavas 1929
- jeweils mit der übersetzten Einführung von Karl Nierendorf.
- Unter dem Titel Konstformer i Naturen erschien das Werk mit einem Vorwort von Axel L. Romdahl und L. Scottsberg in einer Sonderbindung mit Schutzumschlag in Stockholm 1930.
- Urformen der Kunst erschien mit 96 Bildtafeln im Verlag Ernst Wasmuth, Berlin 1935 als Volksausgabe, und unverändert: 1936, 1941, 1948 (Verlagsort Tübingen). Die Ausgabe von 1967, die letzte aus dem Verlag Ernst Wasmuth, erschien in einem geänderten Layout.
- Weitere Ausgaben dieses Werkes in der vom Verlag Ernst Wasmuth vorgegebenen Form sind bisher nicht bekannt.
- Urformen der Kunst. Hg. Ann und Jürgen Wilde, mit dem Vorwort von Karl Nierendorf von 1928 und einem biographischen Nachwort von Ann und Jürgen Wilde, Zülpich. (= Band 303 der Bibliophilen Taschenbücher des Harenberg Verlages) Dortmund 1982. (Illustrierter Umschlag. In dieser Form erschien das Buch in 13 Auflagen.)
- Wundergarten der Natur. Neue Folge von Urformen der Kunst. Verlag für Kunst-Wissenschaft, Berlin-Friedenau 1932. (Einführung: Karl Blossfeldt; 14 Textseiten und 120 Bildtafeln im Kupfertiefdruck. Dieses Werk erschien als Buchausgabe mit Schutzumschlag und Mappenwerk mit losen Tafeln.)
- Unter dem Titel Art Forms in Nature, Second series erschien das Werk in gleicher Ausstattung wie die deutsche Ausgabe bei A. Zwemmer in London und bei E. Weyhe in New York jeweils 1932. (S. Neuauflage zusammen mit Urformen der Kunst bei Schirmer/Mosel, München 1981, mit mehreren Auflagen.)
- Wunder in der Natur. Bilddokumente schöner Pflanzenformen von Karl Blossfeldt, Einführung Otto Dannenberg, 12 Seiten Text und 120 Tafeln in Kupfertiefdruck. Pantheon Verlag H.Schmidt & Günther, Leipzig 1942. (Erschien nur als Buchausgabe mit Schutzumschlag.)
- Urformen der Kunst und Wundergarten der Natur. Das fotografische Werk von Karl Blossfeldt in einem Band. Vorwort von Gert Mattenklott, botanische Bearbeitung Harald Kilias. Verlag Schirmer/Mosel München 1994. (Mit Schutzumschlag und weiteren Auflagen bis 2008 u.f.)
- Karl Blossfeldt, Fotografien 1900–1932. Katalog zur Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum, Bonn 1976. Einführung Christoph Rüger, Text Klaus Honnef, Bildauswahl und Ausstellung: Ann und Jürgen Wilde, Karl Blossfeldt Archiv, Zülpich. Im Anhang weitere Texte von Karl Nierendorf (s. Urformen der Kunst 1928), Karl Blossfeldt (s. Wundergarten der Natur 1932) und Walter Benjamin: Rezension von Urformen der Kunst in Die literarische Welt 1928.
Literatur
- Birgit Hammers: Faszination Pflanze. Die Fotobücher von Karl Blossfeldt. In: Manfred Heiting, Roland Jaeger (Hrsg.): Autopsie. Deutschsprachige Fotobücher 1918 bis 1945. Band 1. Steidl, Göttingen 2012, ISBN 978-3-86930-412-0, S. 188–201
- Judith Elisabeth Weiss: Sichtbarmachung des Sichtbaren. Karl Blossfeldts Pflanzenurkunden. In: Jana Kittelmann (Hrsg.): Botanik und Ästhetik. Annals of the History and Philosophy of Biology. Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2018, S. 237–252
Weblinks
- Literatur von und über Karl Blossfeldt im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Karl Blossfeldt im Katalog der Kunstbibliothek Köln
- Website des Karl-Blossfeldt-Archivs
- Detaillierte Informationen zu Karl Blossfeldt inklusive Werkverzeichnis bei der Photographischen Sammlung der SK Kultur
- Karl Blossfeldt – Informationen und Bilder in der Deutschen Fotothek