Titanit
Titanit, auch Sphen genannt, ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ mit der chemischen Formel CaTi[O|SiO4][1] und ist damit chemisch gesehen ein Calcium-Titan-Silikat. Strukturell gehört Titanit zu den Inselsilikaten.
Titanit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Chemische Formel | CaTi[O|SiO4][1] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Silikate und Germanate – Inselsilikate (Nesosilikate) |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
9.AG.15 (8. Auflage: VIII/B.12) 52.04.03.01 |
Ähnliche Minerale | Kassiterit, Rutil[2] |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | monoklin |
Kristallklasse; Symbol | monoklin-prismatisch; 2/m[3] |
Raumgruppe | C2/c (Nr. 15)[1] |
Gitterparameter | a = 6,57 Å; b = 8,72 Å; c = 7,44 Å β = 119,7°[1] |
Formeleinheiten | Z = 4[1] |
Häufige Kristallflächen | {111}, {110}, {102}, {100}, {001}, {112}[4] |
Zwillingsbildung | häufig nach {100}, Kontakt- und Durchdringungszwillinge; seltener lamellar nach {221} |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 5 bis 5,5[5] |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 3,48 bis 3,60; berechnet: [3,53][5] |
Spaltbarkeit | deutlich nach (110), undeutlich nach (111)[4] |
Bruch; Tenazität | muschlig; spröde[4] |
Farbe | farblos, schwarz, braun, grau, grün, gelb, rot |
Strichfarbe | weiß |
Transparenz | durchsichtig bis undurchsichtig |
Glanz | Diamantglanz, Glasglanz[4]; Harzglanz[5] |
Radioaktivität | schwach radioaktiv |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nα = 1,843 bis 1,950[6] nβ = 1,870 bis 2,034[6] nγ = 1,943 bis 2,110[6] |
Doppelbrechung | δ = 0,100 bis 0,160[6] |
Optischer Charakter | zweiachsig positiv |
Achsenwinkel | 2V = 17° bis 40°[6] |
Pleochroismus | Sichtbar: X–Y–Z = farblos – gelb bis grün – rot bis gelborange[6] |
Weitere Eigenschaften | |
Chemisches Verhalten | löslich in konzentrierter Schwefelsäure |
Titanit kristallisiert im monoklinen Kristallsystem und entwickelt meist tafelige oder keilförmig zugespitzte Kristalle und Zwillinge mit glas- bis diamantähnlichem Glanz auf den Oberflächen. Er kommt aber auch in Form körniger bis massiger Mineral-Aggregate vor. In reiner Form ist Titanit farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung kann er aber auch durchscheinend weiß erscheinen und durch Fremdbeimengungen eine grüne, gelbe, rote, graue oder braune bis schwarze Farbe annehmen.
Etymologie und Geschichte
Erstmals gefunden wurde Titanit 1795 in den Hauzenberger Graphitgruben im Bayerischen Wald und beschrieben durch Martin Heinrich Klaproth, der das Mineral nach seinem Gehalt an Titan benannte.
Das Synonym Sphen (altgr. σφήν sphén „Keil“) erhielt Titanit aufgrund seiner oft keilförmigen Kristallformen.
Klassifikation
Bereits in der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Strunz (8. Auflage) gehörte der Titanit zur Mineralklasse der „Silikate und Germane“ und dort zur Abteilung der „Inselsilikate mit tetraederfremden Anionen (Neso-Subsilikate)“, wo er als Namensgeber die „Titanit-Reihe“ mit der System-Nr. VIII/B.12 und den weiteren Mitgliedern Malayait, Trimounsit-(Y) und Vanadomalayait bildete.
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Titanit ebenfalls in die Abteilung der „Inselsilikate“ ein. Diese ist aber präziser unterteilt nach der möglichen Anwesenheit zusätzlicher Anionen und der Koordination der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Inselsilikate mit zusätzlichen Anionen; Kationen in meist [6] und >[6] Koordination“ zu finden ist, wo er nur noch zusammen mit Malayait und Vanadomalayait die „Titanitgruppe“ mit der System-Nr. 9.AG.15 bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Titanit in die Klasse der „Silikate und Germane“ und dort in die Abteilung der „Inselsilikate: SiO4-Gruppen und O, OH, F und H2O“ ein. Hier ist er ebenfalls zusammen mit Malayait und Vanadomalayait in der „Titanitgruppe“ mit der System-Nr. 52.04.03 innerhalb der Unterabteilung „Inselsilikate: SiO4-Gruppen und O, OH, F und H2O mit Kationen in [6] und/oder >[6]-Koordination“ bildet.
Kristallstruktur
Titanit kristallisiert monoklin in der Raumgruppe C2/c (Raumgruppen-Nr. 15) mit den Gitterparametern a = 6,57 Å; b = 8,72 Å; c = 7,44 Å und β = 119,7° sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]
Eigenschaften
Chemische Eigenschaften
Das Mineral ist empfindlich gegenüber Säuren (vollkommene Löslichkeit in Schwefelsäure[7]), Laugen sowie Wärmeeinflüssen.
Physikalische Eigenschaften
Vor dem Lötrohr schmilzt Titanit an den Kanten zu dunklem Glas.
Je nach Fundort kann das Mineral durch Fremdbeimengungen an Uran, Thorium[8] oder Radium[9] schwach radioaktiv sein und eine spezifische Aktivität von etwa 82 Bq/g[3] aufweisen (zum Vergleich: natürliches Kalium 31,2 Bq/g).
Bildung und Fundorte
Titanit hat einen relativ weiten Stabilitätsbereich, das heißt, er kann sich bei Drücken bis 1,4 Gpa und Temperaturen bis 700 °C bilden (nach W. G. Ernst und Jun Liu 1996[10]) und entsprechend entweder direkt durch magmatische oder indirekt durch metamorphe Vorgänge in Pegmatiten entstehen.
Als häufige Mineralbildung ist Titanit an vielen Fundorten anzutreffen, wobei bisher über 4500 Fundorte als bekannt gelten (Stand: 2016).[11]
Attraktive, sammelwürdige Titanite mit teilweise bis zu 18 cm großen Kristallen fand man auf alpinotypen Gängen in Österreich (Zillertal, Felbertal), der Schweiz (Tujetsch, Binntal) und in Russland (Dodo Mine, nördlicher Ural). Große, aber unvollkommene Kristalle mit einem Gewicht von bis zu 40 kg wurden in Kanada (Ontario) und den USA (New York) entdeckt.[12] Ein weiterer berühmter, historischer Fundpunkt in Deutschland ist der Plauensche Grund zwischen Dresden und Freital. Im dort anstehenden Monzonit wurden die berühmten Titanitspiegel gefunden.
Reiche Vorkommen mit drei oder mehr Fundorten sind in Argentinien, Australien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Chile, in der Volksrepublik China, in Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Indien, Irland, Italien, Japan, Kamerun, Kanada, Kasachstan, Kirgisien, auf Kuba, auf Madagaskar, in Malawi, Marokko, Mexiko, der Mongolei, Namibia, Nordkorea, Norwegen, Österreich, Pakistan, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, der Schweiz, der Slowakei, Spanien, Sri Lanka, Südafrika, Südkorea, Tansania, Tschechien, der Ukraine, Ungarn, im Vereinigten Königreich (Großbritannien) sowie in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[13]
Verwendung
Rohstoff
Titanit dient bei lokaler Anhäufung als Rohstoff zur Herstellung von Titandioxid (TiO2). Bevorzugt werden allerdings die bereits natürlich vorkommenden Titandioxide Rutil, Anatas und Brookit.
Schmuckstein
Klare Varietäten werden zu Schmucksteinen verarbeitet und dienen im Facettenschliff vor allem als Diamantersatz. Allerdings ist das Mineral aufgrund seiner Empfindlichkeit gegenüber Säuren, Laugen und Wärmeeinflüssen nicht leicht zu verarbeiten.[14][15]
Siehe auch
Literatur
- Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 681–682 (Erstausgabe: 1891).
- Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. Alle Arten und Varietäten der Welt. 1600 Einzelstücke. 13. überarbeitete und erweiterte Auflage. BLV Verlags GmbH, München u. a. 2002, ISBN 3-405-16332-3, S. 210.
Weblinks
Einzelnachweise
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 553.
- Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4., durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 472.
- Webmineral – Titanite
- Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin / New York 1981, ISBN 3-11-006823-0.
- Titanite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (handbookofmineralogy.org PDF 76,5 kB).
- Mindat – Titanite
- Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 682 (Erstausgabe: 1891).
- Wissenschaft-online – radioaktive Altersbestimmung
- Heinrich Mache: Ueber die Entstehung radioaktiver Quellen. In: Mitteilungen des Alpenländischen geologischen Vereines. Band 34, 1941, S. 75, hier S. 7 (zobodat.at [PDF; 363 kB]).
- W. G. Ernst, Jun Liu: Experimental phase-equilibrium study of Al- and Ti-contents of calcic amphibole in MORB—A semiquantitative thermobarometer. In: American Mineralogist. Band 83, 1998, S. 952–969 (minsocam.org PDF 176,4 kB)
- Mindat – Anzahl der Fundorte für Titanit
- Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Nebel Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 3-89555-076-0, S. 206–207.
- Fundortliste für Titanit beim Mineralienatlas und bei Mindat
- Edelstein-Knigge von Prof. Leopold Rössler – Titanit
- realgems.org – Titanit (mit vielen Bildbeispielen geschliffener Titanite)