Obernai
Obernai (deutsch Oberehnheim) ist eine französische Gemeinde mit 11.765 Einwohnern (Stand 1. Januar 2019) im Département Bas-Rhin in der Region Grand Est (bis 2015 Elsass). Die Gemeinde liegt im Arrondissement Sélestat-Erstein. Der Name rührt (wie beim benachbarten Niedernai) von der Lage am Vogesenflüsschen und Illzufluss Ehn her. Die Bewohner von Obernai und Umgebung nennen den Ort Ewer'nahn, jedoch sind weitere elsässische Bezeichnungen wie Ewer'nah, Ower'nah, Ower'nahn oder (in Straßburg) Ower'näh bekannt. Der Neckname für die Einwohner lautet Zanefbieche (deutsch „Senfbäuche“). Oberehnheim war bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges eine selbstständige Reichsstadt im Heiligen Römischen Reich, was sich im Ortswappen widerspiegelt.
Obernai | ||
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Staat | Frankreich | |
Region | Grand Est | |
Département (Nr.) | Bas-Rhin (67) | |
Arrondissement | Sélestat-Erstein | |
Kanton | Obernai | |
Gemeindeverband | Pays de Sainte-Odile | |
Koordinaten | 48° 28′ N, 7° 29′ O | |
Höhe | 156–572 m | |
Fläche | 25,69 km² | |
Einwohner | 11.765 (1. Januar 2019) | |
Bevölkerungsdichte | 458 Einw./km² | |
Postleitzahl | 67210 | |
INSEE-Code | 67348 | |
Website | http://www.obernai.fr/ | |
Zentrum Obernai: Marktplatz und Kappelturm |
Geographie
Obernai liegt in der Oberrheinebene, etwa 25 Kilometer südwestlich von Straßburg am Fuß des Odilienbergs.
Benachbarte Gemeinden sind Bernardswiller, Goxwiller, Krautergersheim, Meistratzheim, Niedernai, Heiligenstein, Bischoffsheim, Bœrsch und Ottrott.
Geschichte
Der Ort wurde im Jahr 778 unter dem Namen Ehinheim erstmals erwähnt und soll als ursprünglich fränkische Siedlung im 7. Jahrhundert Sitz des Merowingers Athich (auch Eticho, Etih oder Adalricus), Herzog des Elsass, gewesen sein. Hier wurde seine Tochter, die heilige Odilia geboren, deren Abtei auf dem nahe gelegenen Berg die Stadt später lange unterstand. Die Legende berichtet: Da anstelle des gewünschten Sohnes Odilia, zudem noch blind, geboren wurde, wollte Athich sie töten lassen. Doch ihre Mutter ließ Odilia in das Kloster Baume-les-Dames nach Burgund schaffen und dort taufen. Daraufhin erlangte Odilia der Überlieferung nach das Augenlicht. Bruder und Mutter brachten sie nach Ehnheim zurück. Athich tötete in seinem Jähzorn daraufhin den Sohn. Als Athich Odilia mit einem mächtigen Heiratsbewerber zu verheiraten suchte, floh sie, die ihr Leben Gott geweiht hatte, über den Rhein. Ein gewaltiger Felsen rettete sie, angeblich in der Nähe des heutigen Freiburg im Breisgau, vor ihren Verfolgern. Darauf hin soll ihr Athich als Zeichen seiner Reue die naheliegende Hohenburg geschenkt haben; hier gründete Odilia das Kloster auf dem Odilienberg (französisch Mont Sainte-Odile) an der Stelle eines mehr als 1.000 Jahre älteren keltischen Heiligtums, dessen Umfassungsmauer, die „Heidenmauer“ (französisch Mur Païen), sich noch heute mehr als 10 km um die Abhänge des Bergs hinzieht.
Hier hielten sich zeitweilig von der Familie der Staufer der Herzog Friedrich der Einäugige, Kaiser Heinrich VI. und Kaiser Friedrich II. auf.[1] Im Jahr 1262, als die Stadt noch nicht von einer Mauer umgeben gewesen sein soll, wurde die kaiserliche Burg von dem Straßburger Bischof Heinrich III. von Stahleck im Krieg gegen Friedrich II. zerstört und die Stadt dabei beträchtlich beschädigt.[2][3] Die Stadt erhielt eine doppelte, befestigte Stadtmauer.
Im Jahr 1242 war erstmals in Abgrenzung zu Niederehnheim der moderne Name Oberehnheim („Oberhehenheim“) erwähnt worden. Oberehnheim war von 1240 bis 1648 eine freie Reichsstadt. 1354 trat es dem Elsässer Zehnstädtebund bei. 1444 spielte die Stadt infolgedessen auch eine wichtige Rolle bei der Abwehr der Armagnacs und den Belagerungsversuchen Karls des Kühnen im 15. Jahrhundert. Ihre Blüte erlebte die Stadt im 16. Jahrhundert trotz der Unruhen infolge der Reformation, die dank der Familie Oberkirch in der Stadt Anhänger fand, aber nach 1587 zurückgedrängt wurde. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Oberehnheim durch Beschuss und Brände schwer beschädigt. 1679 annektierte Ludwig XIV. die Stadt. Die französisierte Namensform Obernai („Oberné“) wurde erstmals 1693 verwendet, setzte sich dann aber schnell bei der einheimischen Bevölkerung durch, so dass auch zwischen 1871 und 1918, in der Zeit der Zugehörigkeit zum Deutschen Reich, beide Namen gebräuchlich waren.
Während der deutschen Besetzung wurde im Jahr 1942 im Schloss Oberkirch für die Ausbildung des SS-Helferinnenkorps eine Reichsschule der SS durch Zwangsarbeiter aus dem KZ Natzweiler-Struthof eingerichtet, die auch andere beschlagnahmte Gebäude im Umkreis nutzte. Am 15. Dezember 1942 wurde dann das erste KZ-Außenlager von Natzweiler-Struthof offiziell in Oberehnheim eingerichtet und bestand bis 1945.[4]
Demographie
Jahr | Einwohner | Anmerkungen |
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1780 | – | ehemalige Reichsstadt mit über 900 Feuerstellen (Haushaltungen)[5] |
1821 | 4328 | fast nur katholische Einwohner, bis auf 160 Juden und einige nach Klingenthal eingepfarrte Lutheraner[3] |
1846 | 5356 | [6] |
1872 | 4864 | am 1. Dezember, in 890 Häusern[1] |
1880 | 4725 | am 1. Dezember, auf einer Fläche von 2542 ha, in 845 Häusern, davon 4280 Katholiken, 164 Evangelische und 271 Juden[7] |
1885 | 4512 | davon 4075 Katholiken, 162 Protestanten und 262 Juden[8] |
1890 | 4187 | [6] |
1905 | 3933 | meist katholische Einwohner,[9] nach anderen Angaben 3936 Einwohner[6] |
1910 | 3915 | auf einer Fläche von 2542 ha[10][11][6] |
Obernai ist eine schnell wachsende Stadt, deren Bevölkerung 1968 noch 6304 Einwohner, 2009 bereits 10.803 Einwohner zählte.[12] Der Großraum Obernai zählte 2009 12.369 Einwohner (1968 noch 7.293).[13]
Jahr | 1962 | 1968 | 1975 | 1982 | 1990 | 1999 | 2007 | 2009 | 2017 |
Einwohner | 4534 | 6304 | 7902 | 8907 | 9610 | 10.472 | 11.009 | 10.803 | 11.279 |
Wappen
Blasonierung: Über den in Rot und Schwarz gespaltenen Schild liegt ein gänzlicher goldener Adler.
Wirtschaft
- Das Kronenbourg-Bier wird heute in Obernai gebraut. Die Brauerei, die über einen eigenen Bahnanschluss verfügt, liegt im Nordwesten der Gemeinde unmittelbar an der D 500
- Seit 1959 ist auch die Hager Group mit einem Hauptstandort in Obernai.
Verkehr
Der Bahnhof Obernai liegt an der Bahnstrecke Sélestat–Saverne und wird von TER-Zügen von und nach Strasbourg und Sélestat bedient.
Sehenswürdigkeiten und Denkmäler
- Obernai verfügt über einen für das Elsass typischen Renaissance-Sechs-Eimer-Brunnen von 1579.
- Am Marktplatz steht das zum Restaurant umgebaute ehemalige Kornhaus (Halle aux blés) von 1554.
- Nachdem die gotische Kirche 1873 abgebrochen worden war, blieb der 60 m hohe Turm neben dem Rathaus aus dem 16. Jahrhundert (Hôtel de ville) als Kappelturm (Tour de la chapelle) übrig. Über dem fünften Stockwerk erhielt er eine Maßwerkbrüstung und einen schiefergedeckten Helm, so dass er der Stadt fortan als Belfried diente.
- Obernais neugotische Kirche Saints-Pierre-et-Paul wurde 1867–1872 errichtet und ist eines der größten neugotischen Gotteshäuser im gesamten Elsass. Im aufwändig gestalteten und reich verzierten Innenraum befinden sich unter anderem mittelalterliche Altäre aus der Vorgängerkirche und eine bedeutende Orgel von Joseph Merklin. Östlich des Chors befindet sich die Jungfrauenkapelle mit einer Ölberggruppe von 1517.
- Die Stadt verfügte einst über 20 Türme im inneren Stadtmauerring, der noch weitgehend erhalten ist.
- Vom Kapuzinerkloster Obernai überdauerte lediglich die Kapuzinerkirche
- Oberhalb der Stadt steht das Monument für die Malgré-nous – die im Zweiten Weltkrieg zwangsweise in die deutsche Wehrmacht verpflichteten Elsässer aus dem Kanton Obernai.
- Marktplatz
- Kappelturm
- Kirche St. Peter und Paul
- Place de l’Étoile
- Sehenswerte Dächer im Zentrum von Obernai
- Denkmal für die Malgré-nous
- Schloss Oberkirch und Kirchenruine Saint-Jean-Baptiste
Städtepartnerschaften
Seit 1958 unterhält Obernai eine Partnerschaft mit der deutschen Stadt Gengenbach in Baden-Württemberg. Seit 1986 ist die Stadt auch mit Pully im schweizerischen Kanton Waadt am Genfersee partnerschaftlich verbunden. Ein Lycée in Obernai hat eine Partnerschaft mit dem Auguste-Pattberg-Gymnasium in Mosbach-Neckarelz und dem Anne-Frank-Gymnasium in Erding.
Persönlichkeiten
- Gösli von Ehnheim (1226–1250), Minnesänger
- Thomas Murner (1475–1537), Franziskaner (OFM), Dichter und Publizist
- Benignus Espiard von Colonge (1754–1837), bayerischer Generalleutnant
- Charles-Émile Freppel (1827–1891), französischer römisch-katholischer Bischof (Bistum Angers) und Kirchenhistoriker
- René Schickele (1883–1940), deutsch-französischer Schriftsteller, Essayist und Übersetzer
- Charles Pisot (1910–1984), Mathematiker
- André Neher (1914–1988), jüdischer Philosoph
Literatur
in der Reihenfolge des Erscheinens
- Sigmund Billings: Geschichte und Beschreibung des Elsasses und seiner Bewohner von den ältesten bis in die neuesten Zeiten, Basel 1782, S. 336–337.
- Johann Friedrich Aufschlager: Das Elsass. Neue historisch-topographische Beschreibung der beiden Rhein-Departemente, Zweiter Theil, Johann Heinrich Heitz, Straßburg 1825, S. 307–308.
- Joseph Meinrad Gyss: Urkundliche Geschichte der Stadt Oberehnheim und der Beziehungen derselben zu den übrigen ehemaligen Reichsstädten des Elsasses, Straßburg 1895.
- Oberehnheim, Landkreis Erstein, Elsaß-Lothringen, in: Meyers Gazetteer (mit Eintrag aus Meyers Orts- und Verkehrslexikon, Ausgabe 1912, sowie einer historischen Landkarte der Umgebung von Oberehnheim).
- Le Patrimoine des Communes du Bas-Rhin. Flohic Editions, Band 2, Charenton-le-Pont 1999, ISBN 2-84234-055-8, S. 920–934.
Weblinks
Einzelnachweise
- C. Stockert, Das Reichsland Elsaß-Lothringen. Geographischer Leitfaden für die Höheren Lehranstalten, Friedrich Bull, Straßburg 1873, S. 36 und S. 78.
- Martin Zeiller: Topographia Alsatiæ, Frankfurt am Main 1663, S. 15.
- Johann Friedrich Aufschlager: Das Elsass. Neue historisch-topographische Beschreibung der beiden Rhein-Departemente, Zweiter Theil, Johann Heinrich Heitz, Straßburg 1825, S. 307–308.
- Jutta Mühlenberg: Das SS-Helferinnenkorps: Ausbildung, Einsatz und Entnazifizierung der weiblichen Angehörigen der Waffen-SS 1942–1949, BoD – Books on Demand, 2011, ISBN 978-3-86854-239-4, S. 183 ff.
- Sigmund Billings: Geschichte und Beschreibung des Elsasses und seiner Bewohner von den ältesten bis in die neuesten Zeiten, Basel 1782, S. 336–337.
- Michael Rademacher: Landkreis Erstein, Elsaß-Lothringen. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Statistisches Büro des Kaiserlichen Ministeriums für Elsaß-Lothringen (Hrsg.): Ortschafts-Verzeichniß von Elsaß-Lothringen. Aufgestellt auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1880. Friedrich Bull, Straßburg 1884, S. 11, Ziffer 151.
- Anonymes Mitglied des Katholischen Volksvereins: Die konfessionellen Verhältnisse an den Höheren Schulen in Elsaß-Lothringen. Statistisch und historisch dargestellt.Straßburg 1894, S. 43.
- Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage, Band 14, Leipzig/Wien 1908, S. 859.
- Oberehnheim, Landkreis Erstein, Elsaß-Lothringen, in: Meyers Gazetteer (mit Eintrag aus Meyers Orts- und Verkehrslexikon, Ausgabe 1912, sowie einer historischen Landkarte der Umgebung von Oberehnheim).
- Kreis Erstein, Elsaß-Lothringen - gemeindeverzeichnis.de (U. Schubert, 2021)
- Commune : Obernai (67348) (Memento vom 29. April 2012 im Internet Archive), recensement.insee.fr, abgerufen am 25. November 2012.
- Unité urbaine 2010 : Obernai (67303). (Nicht mehr online verfügbar.) recensement.insee.fr, ehemals im Original; abgerufen am 25. November 2012. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)