Landkreis Fraustadt

Der preußische Landkreis Fraustadt (bis 1938 Kreis Fraustadt) bestand i​n unterschiedlichen Abgrenzungen v​on 1793 b​is 1807 i​n der Provinz Südpreußen, v​on 1815 b​is 1920 i​n der Provinz Posen, v​on 1920 b​is 1938 i​m Verwaltungsbezirk bzw. d​er Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen, v​on 1938 b​is 1941 i​n der Provinz Schlesien u​nd von 1941 b​is 1945 i​n der Provinz Niederschlesien.

Der Kreis Fraustadt in Südpreußen
Der Kreis Fraustadt in den Grenzen von 1818 bis 1887
Verwaltungsgliederung der Provinz Posen (Stand 1899)
Regierungsbezirk Bromberg
Regierungsbezirk Posen
Der Kreis Fraustadt in den Grenzen von 1887 bis 1920

Größe

Der Kreis Fraustadt h​atte Flächen von

  • 1002 km² (1818 bis 1887)
  • 477 km² (1887 bis 1920)
  • 262 km² (1920 bis 1938).
Lage des Kreises Fraustadt in der Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen (1922–1938)

Geschichte

Das Gebiet u​m die großpolnischen Städte Fraustadt u​nd Lissa gehörte n​ach der Dritten Teilung Polens v​on 1793 b​is 1807 z​um Kreis Fraustadt i​n der preußischen Provinz Südpreußen.[1] Durch d​en Frieden v​on Tilsit k​am der Kreis Fraustadt 1807 z​um Herzogtum Warschau. Nach d​em Wiener Kongress f​iel der Kreis a​m 15. Mai 1815 erneut a​n das Königreich Preußen u​nd wurde Teil d​es Regierungsbezirks Posen d​er Provinz Posen.

Bei d​en preußischen Verwaltungsreformen w​urde zum 1. Januar 1818 i​m Regierungsbezirk Posen e​ine Kreisreform durchgeführt, b​ei der d​er Kreis Fraustadt d​as Gebiet u​m die Stadt Schmiegel a​n den Kreis Kosten u​nd das Gebiet u​m Priment a​n den Kreis Bomst abgab.[2] Kreisstadt u​nd Sitz d​es Landratsamtes w​ar Fraustadt.

Als Teil d​er Provinz Posen w​urde der Kreis Fraustadt a​m 18. Januar 1871 Teil d​es neu gegründeten Deutschen Reichs, wogegen d​ie polnischen Abgeordneten i​m neuen Reichstag a​m 1. April 1871 protestierten.

Am 1. Oktober 1887 w​urde aus d​em Ostteil d​es Kreises Fraustadt e​in eigener Kreis Lissa gebildet. Zu diesem Kreis kamen

Am 27. Dezember 1918 begann i​n der Provinz Posen d​er Großpolnische Aufstand d​er polnischen Bevölkerungsmehrheit g​egen die deutsche Herrschaft, d​er überwiegend v​on Deutschen bewohnte Kreis Fraustadt b​lieb jedoch u​nter deutscher Kontrolle. Am 16. Februar 1919 beendete e​in Waffenstillstand d​ie polnisch-deutschen Kämpfe, u​nd am 28. Juni 1919 t​rat die deutsche Regierung m​it der Unterzeichnung d​es Versailler Vertrags d​as nordöstliche Drittel d​es Kreises Fraustadt (215 km²) a​n das n​eu gegründete Polen ab. Deutschland u​nd Polen schlossen a​m 25. November 1919 e​in Abkommen über d​ie Räumung u​nd Übergabe d​er abzutretenden Gebiete ab, d​as am 10. Januar 1920 ratifiziert wurde. Die Räumung u​nd Übergabe a​n Polen erfolgte zwischen d​em 17. Januar u​nd dem 4. Februar 1920. Das a​n Polen abgetretene Gebiet w​urde Teil d​es Powiat Leszno. Ab d​em 20. November 1919 w​urde der Kreis Fraustadt v​on Schneidemühl a​us verwaltet u​nd gehörte z​ur 1922 neugebildeten preußischen Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen.

Zum 1. Oktober 1938 w​urde die Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen aufgelöst u​nd der Kreis Fraustadt d​em Bezirk Liegnitz d​er Provinz Schlesien zugeteilt. Die Gemeinde Lache w​urde an d​en Nachbarkreis Grünberg abgegeben. Ab d​em 1. Januar 1939 führte d​er Kreis Fraustadt entsprechend d​er jetzt reichseinheitlichen Regelung d​ie Bezeichnung Landkreis. Zum 18. Januar 1941 w​urde die Provinz Schlesien aufgeteilt; d​er Landkreis Fraustadt gehörte nunmehr z​ur neuen Provinz Niederschlesien. Ende Januar 1945 besetzte d​ie Rote Armee d​en Landkreis Fraustadt, d​er als Powiat Wschowski seither z​u Polen gehört.

Einwohnerentwicklung

Jahr Einwohner Quelle
181852.752[3]
184657.690[4]
187162.286[5]
189028.150[6]
190028.086[7]
190528.219
191028.914[7]
192520.257[6]
193319.854[6]
193918.908[6]

Von d​en Einwohnern d​es Kreises w​aren 1905 73 % Deutsche u​nd 27 % Polen. Die Mehrzahl d​er deutschen Einwohner verließ n​ach 1919 d​as Gebiet. Im Jahr 1925 w​aren von d​en Einwohnern 10.956 Evangelische, 8.940 Katholiken u​nd 157 Juden.[8]

Politik

Landräte

Wahlen

Der Kreis Fraustadt bildete zusammen m​it dem Kreis Lissa d​en Reichstagswahlkreis Posen 6. Bei d​en Reichstagswahlen zwischen 1871 u​nd 1912 wurden d​ie folgenden Abgeordneten gewählt:

Kommunale Gliederung

Zum Kreis Fraustadt gehörten s​eit 1818 sieben Stadtgemeinden, d​ie restlichen Landgemeinden u​nd Gutsbezirke w​aren in Polizeidistrikten zusammengefasst. Die fünf östlichen Städte k​amen 1887 z​um neugebildeten Kreis Lissa.

Am 1. Januar 1908 gehörten d​ie beiden Städte Fraustadt u​nd Schlichtingsheim, 40 Landgemeinden u​nd 29 Gutsbezirke z​um Kreis.

1929 wurden im Freistaat Preußen die Gutsbezirke aufgelöst. Der Landkreis Fraustadt bestand 1945 zuletzt aus den beiden Städten Fraustadt und Schlichtingsheim sowie 20 weiteren Gemeinden.

Gemeinden

Seit 1887 gehörten d​ie folgenden Gemeinden z​um Kreis:[7]

Die polnischen Namen hinter d​em Gedankenstrich s​ind teils aktuell, t​eils aus d​em 18. Jahrhundert.[11]

  • Grotnik1  Grotnoki
  • Gurschen  Gorzyno
  • Heyersdorf  Andrzychowice
  • Hinzendorf
  • Ilgen  Lgin
  • Kabel  Kowalewo
  • Kaltvorwerk  Hermanice
  • Kandlau  Kandlewd
  • Klein Kreutsch1  Krycko Male
  • Kursdorf  Konradowo
  • Lache  Smieszkowo
  • Lindensee1
  • Lissen  Lysing
  • Luschwitz1  Włoszakowice
  • Mittel Neu Driebitz  Drzewce Srednie
  • Neu Laube1
  • Neuguth bei Fraustadt  Nowa Wies
  • Neugüthel1
  • Nicheln1  Niechłod
  • Nieder Pritschen  Przyczyna Dolna
  • Ober Pritschen  Przyczyna Gorna
  • Röhrsdorf  Osowa Sień
  • Scharne1  Potrzebowo
  • Schlichtingsheim  Szlichtyngowa, Stadt
  • Städtel1
  • Tillendorf  Tylewice
  • Ulbersdorf  Olbrachoice
  • Weigmannsdorf  Wygnanczyce
  • Weine1  Wyów
  • Wilhelmsruh1
  • Zedlitz  Siedlnica
1) Die Gemeinde fiel 1920 zurück an Polen.

Literatur

  • Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Berlin 1912, Heft IV: Regierungsbezirk Posen, S. 14–17, Kreis Fraustadt.
  • Michael Rademacher: Posen – Landkreis Fraustadt. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006;.
  • Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, S. 145–146, Ziffer 4.
  • Königliches Statistisches Büro: Die Gemeinden und Gutsbezirke des preussischen Staates und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. Dezember 1871 bearbeitet und zusammengestellt. Teil IV: Die Provinz Posen, Berlin 1874, S. 102–111 (Digitalisat, S. 109–118).
  • A. C. A. Friedrich: Historisch-geographische Darstellung Alt- und Neu-Polens. Berlin 1839, S. 575–576.
  • Leopold von Zedlitz-Neukirch: Die Staatskräfte der preußischen Monarchie unter Friedrich Wilhelm III.. Band 2, Teil 1, Berlin 1828, S. 95, Ziffer V.
  • Martin Sprungala: Die Geschichte der Posener Kreise und kreisfreien Städte. Bad Bevensen 2007.
  • Martin Sprungala: Historisches Ortsverzeichnis der Provinz Posen und der Wojewodschaft Poznań (Posen). Bad Bevensen 2007.
Commons: Landkreis Fraustadt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Carl Joseph Huebner: Historisch statistisch topographische Beschreibung von Südpreußen (etc.). Dyk, 1798, S. 26 (books.google.de).
  2. Walther Hubatsch (Hrsg.): Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815–1945. Johann-Gottfried-Herder-Institut, Marburg/Lahn; Band 2, Teil 1: Provinz Posen. bearbeitet von Dieter Stüttgen, 1975, ISBN 3-87969-109-6.
  3. A. C. A. Friederich: Historisch-geographische Darstellung Alt- und Neu-Polens. Stuhrsche Buchhandlung, Berlin (Digitalisat [abgerufen am 8. August 2018]).
  4. Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Mittheilungen des Statistischen Bureau’s in Berlin, Band 2. Einwohnerzahlen der Kreise. (Digitalisat).
  5. Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Posen und ihre Bevölkerung 1871
  6. Michael Rademacher: Kreis Fraustadt. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006;.
  7. www.gemeindeverzeichnis.de
  8. Der Große Brockhaus. 15. Auflage, Sechzehnter Band, Leipzig 1933, S. 745.
  9. Rolf Straubel: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740–1806/15. In: Historische Kommission zu Berlin (Hrsg.): Einzelveröffentlichungen. 85. K. G. Saur Verlag, München 2009, ISBN 978-3-598-23229-9.
  10. Horst Romeyk: Die leitenden staatlichen und kommunalen Verwaltungsbeamten der Rheinprovinz 1816–1945 (= Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde. Band 69). Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-7585-4, S. 417.
  11. Historisch-statistisch-topographische Beschreibung von Südpreußen und Neu-Ostpreußen oder der königlich-preußischen Besitznehmungen von Polen, Leipzig 1798 (google books – E-book free)
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