Landkreis Habelschwerdt
Der Landkreis Habelschwerdt war ein preußischer Landkreis in Schlesien, der von 1818 bis 1945 bestand. Seine Kreisstadt war die Stadt Habelschwerdt. Heute gehört das Territorium des ehemaligen Landkreises, das wie eine Halbinsel nach Böhmen hineinragt, zum polnischen Powiat Kłodzki in der südwestpolnischen Woiwodschaft Niederschlesien.
Geographie
Der Landkreis entsprach ungefähr der südöstlichen Hälfte der ehemaligen Grafschaft Glatz und hat etwa geografische Breite 50.1°- 50.3° sowie Länge 16½°- 17°. Er bildet mit dem nördlicher gelegenen ehemaligen Landkreis Glatz den Glatzer Kessel im Südwesten Schlesiens, der von Mittelgebirgen umgeben ist:
- Eulengebirge
- Reichensteiner Gebirge
- Glatzer Schneegebirge
- Bielengebirge
- Adlergebirge
- Habelschwerdter Gebirge
- Heuscheuergebirge
An der südlichen Grenze des Landkreises, am Eschenberg bei Thanndorf (Jodłow) im Glatzer Schneegebirge, einem Teil der Sudeten an der Grenze Polens zu Tschechien, entspringt die Glatzer Neiße. Sie durchfließt den Kreis in nördlicher Richtung auf die Stadt Glatz zu und mündet nahe bei Opole in die Oder (Odra).
Verwaltungsgeschichte
Am 24. Januar 1818 wurde im Regierungsbezirk Reichenbach der preußischen Provinz Schlesien aus den Distrikten Habelschwerdt und Landeck des Kreises Glatz der neue Kreis Habelschwerdt gebildet.[1] Mit der Auflösung des Regierungsbezirks Reichenbach trat der Kreis Habelschwerdt am 1. Mai 1820 zum Regierungsbezirk Breslau.
Seit dem 1. Juli 1867 gehörte der Kreis zum Norddeutschen Bund und ab dem 1. Januar 1871 zum Deutschen Reich. Zum 8. November 1919 wurde die Provinz Schlesien aufgelöst. Aus den Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz wurde die neue Provinz Niederschlesien gebildet. Zum 30. September 1929 wurden im Freistaat Preußen fast alle Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt.
Am 1. Oktober 1932 wurde die Landgemeinde Neu Wilmsdorf aus dem Kreis Habelschwerdt in den Kreis Glatz umgegliedert.
Am 1. April 1938 wurden die preußischen Provinzen Niederschlesien und Oberschlesien zur neuen Provinz Schlesien zusammengeschlossen. Zum 1. Januar 1939 erhielt der Kreis Habelschwerdt entsprechend der jetzt reichseinheitlichen Regelung die Bezeichnung Landkreis. Zum 18. Januar 1941 wurde die Provinz Schlesien aufgelöst. Aus den Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz wurde die neue Provinz Niederschlesien gebildet.
Im Frühjahr 1945 wurde das Kreisgebiet von der Roten Armee besetzt. Im Sommer 1945 wurde es von der sowjetischen Besatzungsmacht gemäß dem Potsdamer Abkommen unter polnische Verwaltung gestellt. Nachfolgend wurde die deutsche Bevölkerung, soweit sie nicht schon vorher geflohen war, größtenteils vertrieben. Die neu angesiedelten Migranten stammten teilweise aus Gebieten östlich der Curzon-Linie, die an die Sowjetunion gefallen waren.
Einwohnerentwicklung
Jahr | Einwohner | Quelle |
---|---|---|
1819 | 38.935 | [2] |
1846 | 49.007 | [3] |
1871 | 58.720 | [4] |
1885 | 60.954 | [5] |
1900 | 58.332 | [6] |
1910 | 56.939 | [6] |
1925 | 56.637 | [7] |
1939 | 55.672 | [7] |
Landräte
- 1818–1819 Sinnhold (kommissarisch)
- 1819– Ernst von Pannwitz
- –1850 Wilhelm Moritz von Prittwitz und Gaffron
- 1850Hermann von Hochberg (interimistisch)
- 1850–1853 Miketta
- 1853–1884 Hermann von Hochberg (II. Amtszeit)
- 1884–1918 Friedrich Finck von Finckenstein
- 1918–1922Achaz von Saldern
- 1922–1932 Paul Beyer
- 1932–1933 Alfred Poppe
- 1933–1944Richard Spreu
- 1944– Ernst Braeckow (kommissarisch)
Kommunalverfassung
Der Kreis Habelschwerdt gliederte sich zunächst in die Städte Habelschwerdt, Landeck und Mittelwalde, in Landgemeinden sowie in Gutsbezirke. Mit Einführung des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 gab es ab dem 1. Januar 1934 eine einheitliche Kommunalverfassung für alle preußischen Gemeinden. Mit Einführung der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 trat zum 1. April 1935 im Deutschen Reich eine einheitliche Kommunalverfassung in Kraft, wonach die bisherigen Landgemeinden nun als Gemeinden bezeichnet wurden. Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.
Heilbäder
Das zum Landkreis gehörende Bad Landeck (Lądek Zdrój), dessen Quellen seit 700 Jahren bekannt sind, gehört zu den ältesten Kurorten Schlesiens. In dem 7 km südlich Habelschwerdt gelegenen Bad Langenau (Długopole Zdrój), das über drei kohlensäurehaltigen Quellen und Moorlager verfügt, begann der Kurbadebetrieb 1802. Zeitweise war auch Grafenort Kurort mit zwei Säuerlingen und einer Schwefelquelle.
Von Wölfelsgrund aus, das als Luftkurort bekannt ist, ist ein Aufstieg zum Glatzer Schneeberg möglich. Auch die Wallfahrtskirche Maria Schnee auf dem 850 m hohen Spitzigen Berg kann von Wölfelsgrund aus erreicht werden.
Gemeinden
Der Landkreis Habelschwerdt umfasste zuletzt drei Städte und 87 Landgemeinden:[8][7]
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* Kamnitz (Kamienica)
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Im Landkreis lagen außerdem die Forstgutsbezirke Reinerz und Schneeberg-Bielengebirge.
Ehemalige Gemeinden
- Nieder Thalheim, am 6. Juni 1922 zu Bad Landeck
- Grenzendorf, am 1. April 1929 zu Freiwalde
- Alt Neißbach und Neu Neißbach, am 1. April 1929 zur Gemeinde Neißbach zusammengeschlossen
- Herrnsdorf und Petersdorf, am 1. April 1938 zur Gemeinde Herrnpetersdorf zusammengeschlossen
Ortsnamen
Es kam zu folgenden Änderungen von amtlichen Ortsnamen:
- Landeck → Bad Landeck i. Schl.
- Mittelwalde → Mittelwalde (Schles.)
Persönlichkeiten
- Erwin Josef Ender (* 1937); emeritierter Apostolischer Nuntius
- Paul Hoecker (1854–1910); Kunstmaler, Professor an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in München und Gründungsmitglied der Münchner Sezession
- Michael Klahr d. Ä. (1693–1742); Bildhauer des Barock
- Michael Klahr d. J. (1727–1807); Bildhauer des Barock
- Joseph Knauer (1764–1844); Großdechant der Grafschaft Glatz und ab 1843 Fürstbischof des Erzbistums Breslau
- Elias von Löwen (1602–1661); Arzt, Mathematiker und Astronom
- Aloys Schmidt (1855–1939); Holzbildhauer
- Wolfgang Vogel (1925–2008); Rechtsanwalt
- Franz Volkmer (1846–1930), Seminardirektor und Heimatforscher
- Franz Joseph Wagner (1886–1972), Maler und Grafiker
Literatur
- Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, S. 210, Ziffer 24.
- Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Schlesien und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. Dezember 1871. Berlin 1874, S. 156–163 (Faksimile in der Google-Buchsuche).
- M. Rademacher: Deutsche Verwaltungsgeschichte von der Reichseinigung 1871 bis zur Wiedervereinigung 1990. (Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006)
Weblinks
- germanvideo.com (Reisen nach Schlesien [erstes Viertel des Files])
- kreis-habelschwerdt.de (Bilder aus dem Kreis Habelschwerdt)
- Gemeinden und Gutsbezirke des Kreises Habelschwerdt 1910
- Habelschwerdter Kreisversammlung
- Genealogie: Familien aus dem Kreis Habelschwerdt ca. 11.000 Personen
Einzelnachweise
- Klaus Hübner: Die Grafschaft Glatzer Kreise – Zur Verwaltungsgeschichte des Glatzer Landes. In: Arbeitsgemeinschaft Grafschaft Glatz (Hrsg.): AGG-MITTEILUNGEN. Nr. 15, Oktober 2016, ISSN 1610-1308 (spata-bonn.de [PDF]).
- Statistisches Bureau zu Berlin (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des preußischen Staats. Duncker & Humblot, Berlin 1821, Schlesien, S. 89 (books.google.de).
- Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Mittheilungen des Statistischen Bureau’s in Berlin, Band 2. Einwohnerzahlen der Kreise. (books.google.de).
- Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staates und ihre Bevölkerung 1871
- Gemeindelexikon für die Provinz Schlesien 1885
- gemeindeverzeichnis.de
- Michael Rademacher: Habelschwerdt. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006 .
- Landkreis Habelschwerdt Verwaltungsgeschichte und Landratsliste auf territorial.de (Rolf Jehke), Stand 26. Juli 2013.