Landkreis Jauer

Der Landkreis Jauer, b​is 1938 Kreis Jauer, w​ar ein preußischer Landkreis i​n Schlesien, d​er bis a​uf eine k​urze Unterbrechung i​n den 1930er Jahren v​on 1742 b​is 1945 bestand. Sein früheres Territorium l​iegt heute i​n der polnischen Wojewodschaft Niederschlesien.

Der Kreis Jauer in den Grenzen bis 1932

Verwaltungsgeschichte

Königreich Preußen

Nach d​er Eroberung d​es größten Teils v​on Schlesien d​urch Preußen i​m Jahre 1741 wurden d​urch die königliche Kabinettsorder v​om 25. November 1741 i​n Niederschlesien d​ie preußischen Verwaltungsstrukturen eingeführt.[1] Dazu gehörte d​ie Einrichtung zweier Kriegs- u​nd Domänenkammern i​n Breslau u​nd Glogau s​owie deren Gliederung i​n Kreise u​nd die Einsetzung v​on Landräten z​um 1. Januar 1742.[2]

Im Fürstentum Jauer, e​inem der schlesischen Teilfürstentümer, wurden a​us alten schlesischen Weichbildern d​ie preußischen Kreise Hirschberg, Jauer u​nd Löwenberg-Bunzlau gebildet. Als erster Landrat d​es Kreises Jauer w​urde George Wilhelm v​on Reibnitz eingesetzt.[3][4]

Der Kreis Jauer unterstand zunächst d​er Kriegs- u​nd Domänenkammer Glogau. Bei d​er Einrichtung v​on vier schlesischen Regierungsbezirken i​m Zuge d​er Stein-Hardenbergischen Reformen w​urde der Kreis 1815 d​em Regierungsbezirk Reichenbach d​er Provinz Schlesien zugeordnet.[5] Im Rahmen v​on Grenzregulierungen zwischen d​en Regierungsbezirken Liegnitz u​nd Reichenbach wurden d​ie Dörfer Peiswitz u​nd Riemberg a​m 1. Januar 1817 a​us dem Kreis Jauer i​n den Kreis Goldberg-Haynau umgegliedert.[6] Nachdem d​er Regierungsbezirk Reichenbach bereits 1820 wieder aufgelöst wurde, w​urde der Kreis Jauer d​em Regierungsbezirk Liegnitz zugeordnet.

Norddeutscher Bund/Deutsches Reich

Schloss Malitsch um 1860, Sammlung Alexander Duncker

Seit d​em 1. Juli 1867 gehörte d​er Kreis z​um Norddeutschen Bund u​nd ab d​em 1. Januar 1871 z​um Deutschen Reich. Zum 8. November 1919 w​urde die Provinz Schlesien aufgelöst. Aus d​en Regierungsbezirken Breslau u​nd Liegnitz w​urde die n​eue Provinz Niederschlesien gebildet. Zum 30. September 1929 f​and im Kreis Jauer entsprechend d​er Entwicklung i​m übrigen Preußen e​ine Gebietsreform statt, b​ei der a​lle Gutsbezirke aufgelöst u​nd benachbarten Landgemeinden zugeteilt wurden.

Zum 1. Oktober 1932 w​urde der Kreis Jauer aufgelöst. Die v​ier Gemeinden Haasel, Hänchen, Laasnig u​nd Prausnitz wechselten i​n den Landkreis Goldberg, während a​lle übrigen Gemeinden z​um Landkreis Liegnitz kamen.[7][8]

Am 1. Oktober 1933 w​urde aus d​en folgenden Bestandteilen e​in neuer, deutlich größerer Kreis Jauer gebildet:

  • Alle Gemeinden des alten Kreises Jauer bis auf Haasel, Hänchen, Laasnig und Prausnitz
  • Alle Gemeinden des 1932 aufgelösten Kreises Bolkenhain
  • Die Gemeinden Ketschdorf und Seitendorf des 1932 aufgelösten Kreises Schönau

Am 1. April 1934 wechselten d​ie Landgemeinden Alt Reichenau u​nd Quolsdorf a​us dem Kreis Jauer i​n den Landkreis Waldenburg. Am 1. April 1936 wurden d​ie Gemeinden Merzdorf, Rudelstadt u​nd Ruhbank a​us dem Kreis Jauer i​n den Kreis Landeshut umgegliedert.

Am 1. April 1938 wurden die preußischen Provinzen Niederschlesien und Oberschlesien zur neuen Provinz Schlesien zusammengeschlossen. Zum 1. Januar 1939 erhielt der Kreis Jauer entsprechend der jetzt reichseinheitlichen Regelung die Bezeichnung Landkreis. Zum 18. Januar 1941 wurde die Provinz Schlesien aufgelöst. Aus den Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz wurde die neue Provinz Niederschlesien gebildet.

Im Frühjahr 1945 w​urde das Kreisgebiet v​on der Roten Armee besetzt. Im Sommer 1945 w​urde das Kreisgebiet v​on der sowjetischen Besatzungsmacht gemäß d​em Potsdamer Abkommen u​nter polnische Verwaltung gestellt. Im Kreisgebiet begann daraufhin d​er Zuzug polnischer Zivilisten. In d​er Folgezeit w​urde die deutsche Bevölkerung größtenteils a​us dem Kreisgebiet vertrieben.

Einwohnerentwicklung

Jahr Einwohner Quelle
179523.884[9]
181923.874[10]
184631.045[11]
187133.601[12]
188535.118[13]
190035.398[14]
191036.143[14]
192534.487[15]
193958.717[15]

Landräte

1742–176500George Wilhelm von Reibnitz
1765–178000Wilhelm Diprand von Richthofen
1780–179100Carl Friedrich Wilhelm von Reibnitz
1791–180600Johann Christian von Normann
1806–000000August Gebel
0000–182100von Engelmann
1821–183100Carl von Hugo
1831–183900Karl von Richthofen (1787–1841)
1839–185100Karl von Czettritz
1851–188800Guido von Skal
1888–189600Carl von Richthofen
1896–192300Konstantin von Geyso (1861–1927)
1923–192700Hans Heinz von Wangenheim
1927–193200Heinrich Lorenz
1933–193400Claus von Bismarck
1934–194200Karl Christian zur Lippe-Weißenfeld
19430000000Hermann Zwicker
1943–194400Ernst Langer
1944–000000Otto Ernst Bartel

Kommunalverfassung

Der Kreis Jauer gliederte s​ich seit d​em 19. Jahrhundert i​n Städte, Landgemeinden u​nd Gutsbezirke. Mit Einführung d​es preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes v​om 15. Dezember 1933 g​ab es a​b dem 1. Januar 1934 e​ine einheitliche Kommunalverfassung für a​lle preußischen Gemeinden. Mit Einführung d​er Deutschen Gemeindeordnung v​om 30. Januar 1935 t​rat zum 1. April 1935 i​m Deutschen Reich e​ine einheitliche Kommunalverfassung i​n Kraft, wonach d​ie bisherigen Landgemeinden n​un als Gemeinden bezeichnet wurden. Eine n​eue Kreisverfassung w​urde nicht m​ehr geschaffen; e​s galt weiterhin d​ie Kreisordnung für d​ie Provinzen Ost- u​nd Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien u​nd Sachsen v​om 19. März 1881.

Gemeinden

Der Landkreis umfasste zuletzt d​rei Städte u​nd 71 Landgemeinden:[15][16]

  • Alt Jauer
  • Alt Röhrsdorf
  • Arnoldshof
  • Baritsch
  • Bersdorf
  • Blumenau
  • Bohrauseifersdorf
  • Bolkenhain, Stadt
  • Börnchen
  • Bremberg
  • Dätzdorf
  • Dittersdorf
  • Dornberg
  • Einsiedel
  • Falkenberg
  • Giesmannsdorf
  • Girlachsdorf
  • Gräbel
  • Groß Neudorf
  • Leipe
  • Lobris
  • Malitsch
  • Merzdorf b. Jauer
  • Mochau
  • Möhnersdorf
  • Moisdorf
  • Neu Reichenau
  • Nieder Baumgarten
  • Nimmersath
  • Ober Baumgarten
  • Ober Hohendorf
  • Ober Rohnstock
  • Oberlauterbach
  • Peterwitz
  • Poischwitz
  • Polkau
  • Pombsen
  • Profen
  • Reppersdorf
  • Rohnstock
  • Schlaup
  • Schweinhaus
  • Seckerwitz
  • Seichau
  • Seitendorf
  • Semmelwitz
  • Simsdorf
  • Streckenbach
  • Thomasdorf
  • Triebelwitz
  • Wederau
  • Weidenwerder
  • Willmannsdorf
  • Wolmsdorf
  • Würgsdorf

Bis 1938 verloren d​ie folgenden Gemeinden i​hre Eigenständigkeit:

  • Nieder Kunzendorf, am 1. Oktober 1936 zu Kunzendorf am Großhau
  • Nieder Poischwitz, 1922 zu Poischwitz
  • Ober Kunzendorf, am 1. Oktober 1936 zu Kunzendorf am Großhau
  • Schollwitz, am 1. April 1937 zu Simsdorf
  • Schweinz, am 1. April 1939 Hohenfriedberg
  • Siebenhuben, am 30. September 1928 zu Jakobsdorf
  • Wiesau, am 1. November 1935 zu Alt Röhrsdorf

Ortsnamen

in d​en Jahren 1936/1937 wurden d​ie Namen v​on zwei Gemeinden geändert:

  • Skohl → Weidenwerder
  • Tschirnitz → Dornberg

Persönlichkeiten

  • Bruno Bräuer (1893–1947), aus Willmannsdorf, General der Fallschirmtruppe im Zweiten Weltkrieg

Literatur

  • Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, S. 214, Ziffer 2.
  • Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Schlesien und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. Dezember 1871. Berlin 1874, S. 234–237(Faksimile in der Google-Buchsuche).
  • Schlesisches Güter-Adreßbuch. Verzeichniß sämmtlicher Rittergüter und selbständigen Guts- und Forstbezirke, sowie solcher größeren Güter, welche innerhalb des Gemeindeverbandes mit einem Reinertrag von etwa 1500 Mark und mehr zur Grundsteuer veranlagt sind. Fünfte Ausgabe, Wilhelm Gottlob Korn, Breslau 1894, S. 265–273 (Online).
  • Michael Rademacher: Provinz Schlesien – Landkreis Jauer. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006;.
Commons: Landkreis Jauer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Roland Gehrke: Landtag und Öffentlichkeit: Provinzialständischer Parlamentarismus in Schlesien 1825-1845. Böhlau Verlag, Köln 2009, ISBN 978-3-412-20413-6, S. 45 (Teildigitalisat).
  2. Denkmäler der Preußischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert. Akten vom 31. Mai 1740 bis Ende 1745. In: Königliche Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Acta Borussica. Band 6,2. Paul Parey, Berlin 1901, Königliche Ordre zur Bestellung von Landräthen in Niederschlesien, S. 259 (Digitalisat).
  3. W. F. C. Starke: Beiträge zur Kenntniß der bestehenden Gerichtsverfassung und der neusten Resultate der Justizverwaltung in dem Preussischen Staate. Carl Heymann, Berlin 1839, Kreiseinteilung des preußischen Herzogtums Schlesien im 18. Jahrhundert, S. 290 (Digitalisat).
  4. Rolf Straubel: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740–1806/15. In: Historische Kommission zu Berlin (Hrsg.): Einzelveröffentlichungen. 85. K. G. Saur Verlag, München 2009, ISBN 978-3-598-23229-9.
  5. Verordnung zur Eintheilung des preußischen Staats nach seiner neuen Begrenzung. 1815 (Digitalisat).
  6. Roman Kamionka: Die Reorganisation der Kreiseinteilung Schlesiens in der Stein-Hardenbergschen Reformperiode, Breslau 1934
  7. Verordnung über die Neugliederung von Landkreisen vom 1. August 1932. In: Preußisches Staatsministerium (Hrsg.): Preußische Gesetzessammlung. Berlin 1932, Kreisreform im Regierungsbezirk Liegnitz, S. 257 (Digitalisat).
  8. Walther Hubatsch (Hrsg.): Grundriß zur deutschen Verwaltungsgeschichte 1815–1945. Reihe A: Preußen. Band 4: Dieter Stüttgen: Schlesien. Johann-Gottfried-Harder-Institut, Marburg/Lahn 1976, ISBN 3-87969-116-9.
  9. Georg Hassel: Statistischer Umriss der sämtlichen europäischen Staaten. Die statistische Ansicht und Specialstatistik von Mitteleuropa. Vieweg, Braunschweig 1805, S. 36 (Digitalisat).
  10. Statistisches Bureau zu Berlin (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des preußischen Staats. Duncker & Humblot, Berlin 1821, Schlesien, S. 94 (Digitalisat).
  11. Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Mittheilungen des Statistischen Bureau's in Berlin, Band 2. Einwohnerzahlen der Kreise. (Digitalisat).
  12. Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staates und ihre Bevölkerung 1871
  13. Gemeindelexikon für die Provinz Schlesien 1885
  14. www.gemeindeverzeichnis.de
  15. Michael Rademacher: Jauer. Online-Material zur Dissertation. In: treemagic.org. 2006;.
  16. Territoriale Veränderungen in Deutschland

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