Rydzyna

Rydzyna (deutsch Reisen) i​st eine Stadt i​m Powiat Leszczyński d​er Woiwodschaft Großpolen i​n Polen. Sie i​st Sitz d​er gleichnamigen Stadt-und-Land-Gemeinde m​it 9836 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2020).

Rydzyna
Rydzyna (Polen)
Rydzyna
Basisdaten
Staat: Polen
Woiwodschaft: Großpolen
Powiat: Leszczyński
Gmina: Rydzyna
Fläche: 2,17 km²
Geographische Lage: 51° 48′ N, 16° 40′ O
Einwohner: 2919 (31. Dezember 2020)
Postleitzahl: 64-130
Telefonvorwahl: (+48) 65
Wirtschaft und Verkehr
Eisenbahn: Breslau–Leszno



Geschichte

Schloss Reisen, 1742 bis 1745 von Baumeister Carl Martin Frantz im Rokoko-Stil umgestaltet
Marktplatz von Rydzyna

Die Ortschaft ist eine Gründung der böhmischen Grafen Werbna; sie erbauten Schloss und Kirche und hießen später nach dem Ort die Rydzyński.[1] In einer Urkunde von 1403 wurde als Gründer der Ortschaft der Adelige Jan Rydzyński genannt. Die Stiftungsurkunde der Stadt ist verbrannt, doch das Stadtsiegel enthält die Zahl 1422, und es galt deutsches Stadtrecht. Im Jahr 1458 hatte die Stadt vier ausgerüstete Krieger zu stellen. Die Bewohner waren mehrheitlich Deutsche.[1]

Die Stadt hat von ihrem Besitzer das Wappen Wierzbno übernommen, das eine Festungsbastei mit einer Vierfelder-Tafel auf der zwei Tafeln mit Pfeilen und zwei mit Lilien zu sehen sind, darstellt. In dem Besitz der Familie Rydzyński war Rydzyna bis Ende des 17. Jahrhunderts. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts gehörte die Stadt der Adelsfamilie Leszczyński und war zu Beginn des 18. Jahrhunderts auch häufiger Aufenthaltsort des polnischen Königs Stanislaus I. Leszczyński. Als die Leszczyńskis aus Polen weichen mussten, verkauften sie die Grafschaft Leszno sowie die Herrschaft Rydzyna im Jahr 1738 an den polnischen Magnaten Aleksander Józef Sułkowski, dessen Familie sie noch im 19. Jahrhundert in Besitz hatte.[1] Da Sułkowski auch die Herrschaft Bielitz im österreichischen Schlesien aufgekauft hatte, die 1752 von Kaiser Franz I. Stephan zum Fürstentum erhoben worden war, stand ihm seither der Titel deutscher Reichsfürst zu. August Anton Sułkowski (1820–1882) und Anton Sułkowski (1844–1909) waren Mitglieder des Preußischen Herrenhauses.

Seit i​hrer Zugehörigkeit z​um Deutschen Reich hieß d​ie Stadt Reisen. Bis 1887 gehörte Reisen z​um Kreis Fraustadt (poln. Wschowa), v​on 1887 b​is 1920 w​ar es Bestandteil d​es Kreises Lissa. Nach d​em Ersten Weltkrieg w​urde die preußische Provinz Posen d​urch den Versailler Vertrag aufgelöst, d​ie Stadt Reisen musste a​n die Zweite Polnische Republik abgetreten werden, z​u der s​ie von 1920 b​is 1939 u​nter dem Namen Rydzyna gehörte.

Beim deutschen Überfall a​uf Polen w​urde die Region 1939 v​on der Wehrmacht besetzt. Danach w​urde der Ort b​is zum Kriegsende 1945 v​om Deutschen Reich völkerrechtswidrig annektiert u​nd dem Landkreis Lissa (Wartheland) angegliedert. Gegen Ende d​es Zweiten Weltkriegs w​urde die Stadt i​m Frühjahr 1945 v​on der Roten Armee besetzt u​nd wieder polnisch.

Einwohnerentwicklung

Jahr Einwohner Anmerkungen
Ende 18. Jh. 1.615 195 Wohnhäuser, 1 katholische und 1 evangelische Kirche, 1 Hospital, 24 Mühlen, 171 Juden, >10 % Katholiken, hauptsächlich Leinweberei[1]
1816 1.290 [1]
1819 1.256 1 lutherische und 1 katholische Kirche, 191 Häuser, 276 Juden. "Man treibt hier Ackerbau und einige Tuch- und Leineweberei".[2]
1837 1.329 [1]
1843 1.377 [1]
1858 1.516 [1]
1861 1.493 [1]
1885 1.202 davon 742 Evangelische, 403 Katholiken und 57 Juden in 183 Wohngebäuden[3]
1905 1.123 davon 560 Katholiken, 549 Evangelische und 14 Juden in 190 Wohngebäuden (814 Deutsche, 309 Polen)[4]

Sehenswürdigkeiten

Das gotische Schloss Rydzyna d​er Adelsfamilie Rydzyński w​urde zu Beginn d​es 15. Jahrhunderts v​on Johannes v​on Czernina a​us Rydzyna errichtet. Es w​urde von d​er Familie Leszczyński übernommen u​nd auf seinen Mauern w​urde von 1682 b​is 1695 d​as barocke Schloss gebaut. Weitere Umbauten erfolgten u​m 1700 n​ach Plänen d​es italienischen Architekten Pompeo Ferrari. Zusammen m​it seinem Park u​nd den angrenzenden Flächen stellte e​s damals d​ie prachtvollste Magnatenresidenz i​n Großpolen dar. Von 1705 b​is 1709 w​ar es Residenz d​es polnischen Königs Stanislaus Leszczynski. 1709, während d​es Nordischen Krieges, w​urde das Schloss v​on Truppen d​es Zaren teilweise niedergebrannt.

Sein Schloss in Rydzyna hatte Stanislaus Leszczynski an Alexander Josef Sulkowski verkauft, der ihm seine vormalige Pracht wiedergab. Die Familie Sułkowski übernahm das Schloss, welches in den Jahren 1742 bis 1745 vom Baumeister Carl Martin Frantz, einem Sohn des aus Reval stammenden Architekten Martin Frantz, erneut umgebaut wurde. Das Schloss erhielt zu dieser Zeit neue Dächer, die Fassaden und der prachtvolle Haupteingang wurden im Rokokostil umgestaltet. Die Arbeiten am Schloss und seiner Umgebung wurden dann von Fürst August, Alexander Josef Sulkowskis Sohn, weitergeführt. Die Wirtschaftsgebäude des Schlosses wurden mit klassizistischen Fassaden versehen und auch der Ballsaal wurde im selben Stil ausgeschmückt. Neu errichtete man die Orangerie und die stilvollen Pavillons im Park. Die fürstliche Residenz der Familie Sulkowski war in den 1780er Jahren in ganz Großpolen als kulturelles Zentrum (Hoftheater der Familie Sulkowski) und Bildungszentrum (Gymnasium des Piaristenordens) berühmt. Der letzte Umbau erfolgte in den Jahren 1785 bis 1790 unter der Leitung von Ignacy Graff; die Pläne werden dem Architekten Domeniko Merlini (1730–1797) zugeschrieben. Neben Rogalin, Kórnik und Gołuchów zählt Schloss Rydzyna zu den bedeutendsten Palastbauten in Großpolen.

Die Nationalsozialisten richteten 1940 i​m Schloss d​ie Nationalpolitische Erziehungsanstalt Reisen ein. Die heutige Form k​ann nicht m​ehr als barockes Original gelten, d​a das Schloss 1945 v​on den sowjetischen Truppen niedergebrannt, u​nd erst 1970 b​is 1989 n​ach alten Plänen rekonstruiert wurde.

Die St.-Stanislaus-Kirche (Kościoł św. Stanisława) w​urde in d​en Jahren 1746 b​is 1751 i​m Stil d​es Barock gebaut.

Gemeinde

Zur Stadt-und-Land-Gemeinde (gmina miejsko-wiejska) Rydzyna gehören d​ie Stadt selbst u​nd eine Reihe v​on Dörfern. Sie h​at eine Fläche v​on 136 km².

Literatur

  • Heinrich Wuttke: Städtebuch des Landes Posen. Codex diplomaticus: Allgemeine Geschichte der Städte im Lande Posen. Geschichtliche Nachrichten von 149 einzelnen Städten. Leipzig 1864, S. 424–426.
Commons: Rydzyna – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Wuttke (1864), S. 424–426.
  2. F. W. Heidemann: Handbuch der Post-Geographie der Königl. Preußischen Staaten in Verbindung mit einer Post-Charte der K. Preuß. Monarchie, welche die Course der ordinären fahrenden und Extra-Posten enthält. Weimar 1819, S. 108.
  3. Gemeindelexikon für die Provinz Posen. Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1885 und anderer amtlicher Quellen bearbeitet vom Königlichen statistischen Bureau. In: Königliches statistisches Bureau (Hrsg.): Gemeindelexikon für das Königreich Preußen. Band V, 1888, ZDB-ID 1046036-6, S. 118 f. (Digitalisat).
  4. Gemeindelexikon für die Provinz Posen. Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1905 und anderer amtlicher Quellen bearbeitet vom Königlich Preußischen Statistischen Landesamte. In: Königliches Preußisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Gemeindelexikon für das Königreich Preußen. Heft V, 1908, DNB 365941719, ZDB-ID 1046036-6, S. 84 f. (Digitalisat).
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