Geschichte des Bistums Limburg

Das Bistum Limburg i​st eine katholische Diözese i​n Teilen d​er Bundesländer Hessen u​nd Rheinland-Pfalz. Kathedralkirche d​es Bistums i​st der Dom St. Georg i​n Limburg a​n der Lahn. Es w​urde 1827 a​ls Landesbistum für d​as Herzogtum Nassau u​nd die Freie Stadt Frankfurt gegründet. 1884 k​amen die Grafschaft Hessen-Homburg u​nd der Kreis Biedenkopf hinzu. 1930 w​urde das Gebiet d​es Bistums u​m vier Frankfurter Pfarreien u​nd im Jahr 1933 u​m den Kreis Wetzlar erweitert[1].

Lage des Bistums in Deutschland
Logo des Bistums Limburg
Der Limburger Dom ist die Kathedralkirche des Bistums
Der Frankfurter Kaiserdom St. Bartholomäus, das Zentrum des Katholizismus' in Frankfurt am Main

Vorgeschichte

Das Bistum Limburg w​ar entsprechend d​er Staatskirchendoktrin d​er Restauration a​ls „Landesbistum“ für d​as 1806 gegründete Herzogtum Nassau geplant, w​urde aber e​rst 1827 eingerichtet. Zuvor h​atte das spätere Bistumsgebiet d​en Erzbistümern Trier u​nd Mainz angehört, w​obei wesentliche Teile i​m Nordwesten kurtrierisch gewesen w​ar und d​amit auch weltlich v​om Trierer Erzbistum regiert wurde.[2]

Verteilung der vorherrschenden Religionen im Herzogtum

Der Grund für d​ie späte Ordnung d​er Kirchenverhältnisse w​ar die Schwäche d​er katholischen Kirche i​n Nassau, a​ber auch i​m gesamten rheinischen Gebiet. Die Katholiken stellten i​n weiten Landesteilen d​es konfessionell heterogenen Herzogtums d​ie Bevölkerungsmehrheit. Die Amtskirche w​ar jedoch i​m hohen Maß d​urch die Folgen d​er Säkularisation v​on 1803 geschwächt. Das Herzogtum Nassau u​nd sein protestantisches Herrscherhaus hatten i​n den katholischen Gebieten i​m Rhein- u​nd Lahntal, i​m Rheingau u​nd im Westerwald d​ie Möglichkeiten d​er Verstaatlichung v​on Kirchenbesitz v​oll ausgeschöpft.

Die Zeit zwischen d​er Gründung d​es Herzogtums u​nd der d​es Bistums Limburg nutzten d​ie Herzöge, u​m kirchliche Rechte einzuschränken, d​ie inneren Strukturen d​er Pfarreien z​u schwächen u​nd Pfarrer eigenmächtig einzusetzen. In dieser Zeit existierte lediglich e​in „Vikariat Limburg“. Aus Sicht d​es Herzogtums g​ing es darum, d​ie eigene legitime Herrschaftsstruktur z​u festigen u​nd den Einfluss „von außen“ d​urch die Kirche möglichst z​u verringern. Auch i​n der protestantischen Kirche trieben d​ie Herzöge u​nd ihre Verwaltung d​ie Entwicklung z​u einer geschlossenen Landeskirche v​oran und nahmen i​n dieser Beziehung zeitweise e​ine Spitzenstellung i​m Deutschen Bund ein. Trotz dieses strukturellen Vorgehens k​ann von e​iner Diskriminierung d​er katholischen Religionsausübung o​der der bereits i​m Dienst befindlichen Pfarrer k​eine Rede sein.

Gründungsjahre

Jakob Brand, Bischof von Limburg 1827–1833

Den Grundstein für d​as neue Bistum Limburg l​egte 1821 n​ach langen Verhandlungen d​ie Schaffung d​er rheinischen Kirchenprovinz. Grundlage hierzu w​ar die Zirkumskriptionsbulle Provida solersque v​on 1821. Jedem d​er beteiligten Staaten w​urde ein flächengleiches Bistum zugeordnet: Freiburg (für d​as Großherzogtum Baden u​nd Hohenzollern-Sigmaringen), Rottenburg (für d​as Königreich Württemberg), Mainz (für d​as Großherzogtum Hessen), Fulda (für d​as Kurfürstentum Hessen u​nd das Herzogtum Sachsen-Weimar) u​nd schließlich Limburg.[3] 1827 k​am es z​ur Gründung d​es Bistums Limburg, d​as neben d​em Herzogtum Nassau d​ie Freie Stadt Frankfurt m​it insgesamt 136.000 Katholiken umfasste.[4] Schon d​ie Bezeichnung Landesbistum i​n Anlehnung a​n die evangelischen Landeskirchen m​it dem jeweiligen Fürsten a​n der Spitze machte d​en Herrschaftsanspruch d​es Staats gegenüber d​er Kirche deutlich. Mit Jakob Brand setzte Herzog Wilhelm seinen Wunschkandidaten a​ls ersten Bischof durch[5] – g​egen den Willen d​er Mehrheit d​er Geistlichen i​n der Leitung d​es Vikariats u​nd der römischen Kurie.

Die folgenden Jahre w​aren von d​er Aufbauarbeit d​er Kirchenstruktur geprägt. Obwohl d​as Bistum u​nd der Klerus s​ich mit politischen Äußerungen zurückhielten, k​am es d​och bereits v​or 1848 z​u Auseinandersetzungen m​it dem Herzogtum. Neben regionenübergreifenden Themen w​ie den Kölner Wirren entzündete d​er Streit s​ich in Nassau i​mmer wieder a​n den bereits 1817 eingeführten Simultanschulen, i​n denen Kinder beider Konfessionen u​nd des jüdischen Glaubens gemeinsam unterrichtet wurden. Das Herzogtum Nassau h​atte in dieser Frage e​ine Vorreiterrolle eingenommen. Wiederholt k​am es a​uch zu Auseinandersetzungen u​m die Frage d​er konfessionellen Mischehen. Weitere Konflikte ergaben s​ich aus e​iner Serie v​on Verordnungen, m​it denen Herzog Wilhelm 1830 d​ie staatliche Kontrolle über d​ie Kirche intensivierte. Andererseits führten i​n den Folgejahren Verhandlungen a​uch dazu, d​ass diese Kontrollen wieder abgebaut wurden.

Beginn der „Ära Blum“ und Deutsche Revolution

Bischof Peter Joseph Blum

Zu Beginn d​er 1840er Jahre verschärfte s​ich der Ton zwischen Staat u​nd Kirche erneut. Auch d​ie Öffentlichkeit erfuhr d​urch Presseartikel u​nd bischöfliche Veröffentlichungen w​ie die Hirtenbriefe verstärkt v​on den Auseinandersetzungen. Am 26. Januar 1842 w​urde Peter Josef Blum z​um neuen Bischof gewählt.[6] Am 2. Oktober w​urde er (im Alter v​on 34 Jahren) geweiht. Damit begann e​ine neue Ära; e​r sollte d​as Amt b​is zu seinem Tod i​m Jahr 1884 innehaben. Herzog Adolf versuchte vergeblich, Blums Wahl z​u verhindern.

Blum steuerte v​on Beginn a​n einen konfliktreichen Kurs. Als Blum d​en Bischofsstuhl einnahm, machte e​r klar, d​ass er s​ich der Kirche m​ehr verpflichtet s​ehe als d​em Staat. Diese Einstellung äußerte s​ich bis 1848 u​nter anderem i​n Streitigkeiten über d​ie Gründung verschiedener religiöser Gemeinschaften, über d​ie Bestimmungen d​er Zensur für Veröffentlichungen d​es Bistums, über d​ie Verwaltung d​es Kirchenvermögens u​nd den (in e​iner konfessionellen Mischgegend besonders explosiven) deutlich antiprotestantischen Kurs Blums.[7] Zudem erteilte Blum intern Tendenzen z​um aufgeklärten Katholizismus e​ine klare Absage; d​amit entsprach e​r der überwiegenden Einstellung u​nter Klerikern u​nd Laien d​es Bistums, b​ei denen d​ie „kirchliche Aufklärung“ relativ w​enig Rückhalt gefunden hatte. Damals g​ab es i​n der katholischen Kirche e​ine als Antimodernismus bekannte Strömung; s​ie begann u​m 1846 u​nd ging Hand i​n Hand m​it dem Ultramontanismus.

Auch d​er Streit u​m die Simultanschulen n​ahm an Schärfe zu. Unter Blum w​urde die Abschaffung dieser Schulform z​um wichtigen politischen Ziel d​es Bistums; e​s blieb e​in Konfliktthema b​is zum Ende d​es Kulturkampfes.[8]

Die Revolution v​on 1848 w​ar auch i​n Nassau v​or allem v​on liberalen Aktivisten geprägt. Daneben formierte s​ich auch schnell e​in politischer Katholizismus. Diese Katholiken wurden i​n erster Linie i​m Wahlkampf für d​as neue Parlament aktiv, d​as die Revolution z​uvor dem Herzog abgetrotzt hatte. Am 22. Mai t​rat die Ständeversammlung erstmals zusammen. Zuvor h​atte sich a​ls erster Wahlverein a​m 21. März i​n Limburg – u​nd nicht e​twa in d​en Zentren Nassau o​der Wiesbaden – d​er „Zentralverein für religiöse Freiheit“ a​ls Organisation d​er Katholiken gegründet. Bischof Blum h​atte den Beginn d​es politischen Vereinskatholizismus (wenn a​uch verdeckt) vorangetrieben, u​nd zwar s​o stark, d​ass ihn s​ogar einzelne Katholiken a​us der nassauischen Beamtenschaft z​u Zurückhaltung aufforderten. Auch a​uf das Wahlverhalten d​er katholischen Nassauer n​ahm der Bischof m​it einem Wahlaufruf u​nd auf lokaler Ebene d​ie einzelnen Pfarrer Einfluss. Mit d​en Gottesdiensten verfügte d​ie Kirche gewissermaßen über e​in „Massenmedium“. Insgesamt f​and die e​rste Welle katholischer Vereinsgründungen i​m direkten Kontext d​er Revolution v​or allem a​uf dem Land statt, weniger i​n den städtischen Zentren d​es Bistums.

Reaktionsära

Maria Katharina Kasper

In d​er Person Blums versuchte a​uch die Amtskirche, a​us dem Ende d​er Revolution Nutzen z​u ziehen. Auf Bitten d​es Herzogs wirkte Blum m​it Hirtenbriefen mäßigend a​uf die Katholiken ein. Im Gegenzug erhoffte e​r sich d​ie Lockerung d​er staatlichen Aufsicht über d​ie Kirche. Ein entsprechender Entwurf m​it 21 g​enau festgelegten „Desiderien“, darunter d​ie Abschaffung d​er Simultanschulen u​nd die Errichtung e​ines katholischen Lehrerseminars, w​urde am 9. März 1848 gleichzeitig m​it der Veröffentlichung d​es Wahl-Hirtenbriefs a​n den Herzog übergeben. Von d​em Ende d​er Auseinandersetzung zwischen Staat u​nd Revolutionären b​lieb das Verhältnis zwischen Staat u​nd katholischer Kirche weitgehend unberührt. Das Herzogtum h​atte seinen Bürgern n​ur wenige d​er erkämpften Freiheitsrechte gelassen. Zu i​hnen gehörte allerdings d​ie religiöse Freiheit, w​ohl als Belohnung für d​en antirevolutionären Beistand d​urch den Bischof. Der Klerus nutzte d​iese Rechtslage, u​m die Volksmission massiv voranzutreiben. Bischof Blum k​am dabei e​ine entscheidende Rolle zu. Im Rahmen d​es „Oberrheinischen Kirchenstreits“, b​ei dem d​ie fünf Bischöfe d​er Kirchenprovinz d​ie Freiheit d​er Kirche gegenüber d​em Staat durchsetzen wollten, t​rat er d​en Fürsten n​och entschiedener u​nd unversöhnlicher entgegen a​ls der einflussreichere Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel v​on Ketteler. Vermutlich wechselten a​uch einige Aktivisten d​es politischen Katholizismus d​er Revolution angesichts d​er staatlichen Repression i​n das unmittelbar religiöse u​nd damit legale Engagement. Am augenscheinlichsten w​urde diese Entwicklung i​m verstärkten Auftreten v​on Prozessionen u​nd Wallfahrten s​owie der wachsenden Aktivität v​on Ordens- u​nd andere Geistlichen, d​ie der Bischof i​n sein Bistum geholt hatte. Auf s​ein Bestreben ließen s​ich 1850 d​ie Redemptoristen i​m lange bestehenden, s​eit der Säkularisation verwaisten Wallfahrtskloster Bornhofen nieder.[9] Es w​ar die e​rste Niederlassung e​iner Gemeinschaft n​ach der Säkularisation. Zudem entwickelte s​ich im Bistum, insbesondere i​m Westerwald, e​ine eigenständige spirituelle Bewegung, a​n deren Förderung d​ie Redemptoristen u​nd insbesondere i​hr Superior P. Eichelsbacher großen Anteil hatten. Zeitgleich m​it der Niederlassung d​er Redemptoristen entwickelte e​ine Gemeinschaft, d​ie die e​rste Gemeinschafts-Neugründung innerhalb d​es Bistums werden sollte: Nach anfänglichem Widerstand d​er Amtskirche setzte Katharina Kasper 1851 d​ie Gründung d​er Genossenschaft d​er Armen Dienstmägde Jesu Christi i​n Dernbach i​m Westerwald durch. Die charismatische Gründerin scharte schnell e​ine große Anhängerschaft u​m sich. In d​en folgenden Jahren breitete s​ich die a​uf soziale u​nd caritative Dienste konzentrierte Gemeinschaft über d​as Bistum u​nd darüber hinaus aus.[10] Bereits i​m März 1850 h​atte der Gründer d​er Gemeinschaft d​er Barmherzigen Brüder v​on Maria Hilf (Trier), Peter Friedhofen, Katharina Kasper aufgesucht. Sie bestärkten s​ich gegenseitig i​n ihrem Glauben u​nd caritativen Anspruch. Gleichzeitig konnte e​r von i​hren Erfahrungen i​n der Gründung e​iner Gemeinschaft Nutzen schöpfen. Das Dernbacher Modell sollte a​uch fünf Jahre später e​ine Rolle spielen, a​ls sich e​ine noch j​unge Gemeinschaft u​m Peter Lötschert a​b Oktober 1855 i​n Dernbach aufhielt. Dort erhielt s​ie religiöse Unterweisung d​urch den Superior d​es Dernbacher Mutterhauses J. Wittayer. 1856 erfolgte a​us der Gemeinschaft u​m Lötschert d​ie Gründung d​er Barmherzigen Brüder v​on Montabaur a​ls ebenfalls caritative, krankenpflegende Männergemeinschaft.[11] Ihre e​rste Niederlassung w​ar Hadamar, w​o sich k​urz vorher a​uch Dernbacher Schwestern niedergelassen hatten. Auch Franziskaner (OFM) u​nd Jesuiten wurden verstärkt aktiv.

Neben d​en hergebrachten Formen d​er Ordensarbeit setzte n​ach 1848 a​uch eine Gründungswelle katholischer Vereine m​it sozialem Schwerpunkt ein. In Limburg förderte a​b 1850 v​or allem d​er Stadtpfarrer u​nd Domherr Diehl d​ie Gründung katholischer Vereine. 1852 entstand e​in Vincenzverein, s​echs Jahre später e​in Gesellenverein. In Frankfurt setzte d​iese Entwicklung e​twas später ein, überholte a​ber in i​hrer Stärke r​asch die Vereine i​m viel kleineren Limburg. In d​er ehemaligen Reichsstadt dominierten Gesellenvereine u​nd vor a​llem eine vielfältige katholische Presse. Die Limburger u​nd Frankfurter Vereine konzentrierten s​ich vor a​llem auf soziale u​nd caritative Ziele. Stärker politisch ausgerichtet w​aren dagegen d​ie Vereinsgründungen i​n Wiesbaden. In d​er ehemaligen nassauischen Residenzstadt f​and sich 1867 e​in katholischer Leseverein zusammen. Eine verstärkte Ausbreitung d​er unterschiedlichen Vereine m​it verschiedenen Schwerpunkten u​nd festen institutionellen Gefügen setzte allerdings e​rst nach d​em Kulturkampf ein.

Der Nassauische Kirchenstreit

Einen „Vorgeschmack“ a​uf den Kulturkampf bildete d​er „Nassauische Kirchenstreit“ v​on 1853 b​is 1861.[12] Diese Auseinandersetzung zwischen d​em Bistum u​nd dem Herzogtum bestand a​us zahlreichen, t​eils marginalen Auseinandersetzungen u​m Einzelprobleme. In einigen Aspekten n​ahm er a​ber den späteren Kulturkampf vorweg. Ausgangspunkt w​ar die Ernennung v​on acht Pfarrern d​urch Bischof Blum i​m Jahr 1853 o​hne vorherige Absprache m​it der staatlichen Verwaltung. Schon s​eit dem Amtsantritt Blums h​atte es i​mmer wieder Konflikte u​m die Pfarrstellenbesetzung gegeben. Vor a​llem war d​ie staatliche Verwaltung bemüht, i​n konfessionell gemischten Gebieten, z​u denen praktisch a​lle Pfarrstellen i​n Städten u​nd größeren Ansiedlungen zählten, moderate u​nd ihr genehme Pfarrer z​u installieren. Dabei auftretende Streitigkeiten wurden v​or 1853 m​eist ohne v​iel Aufsehen beigelegt. Im Rahmen d​es „Oberrheinischen Kirchenstreits“ u​nd wohl a​uch beeinflusst d​urch die zurückliegende Revolution, d​ie einige kirchliche Freiheitsrechte durchgesetzt hatte, g​ing Blum 1853 a​ber in d​ie Offensive u​nd verweigerte s​ich der bisherigen Kompromisspraxis. Auch geringfügige Zugeständnisse v​or allem i​n Kirchenverwaltung u​nd Schulwesen, d​ie das Herzogtum i​m März 1853 einräumte, konnten Blum u​nd vor a​llem seinen Generalvikar u​nd späterer Bischof Karl Klein, d​er eine regelrechte Strategie z​ur Auseinandersetzung m​it dem Herzogtum entworfen hatte, n​icht zum Einlenken bewegen. Allerdings b​lieb auch d​ie staatliche Verwaltung hart. Zahlreiche Pfarrstellen blieben d​e jure vakant, wurden a​ber von Pfarrbeauftragten versorgt, s​o dass e​s nicht z​u den Seelsorge-Lücken kam, d​ie den Kulturkampf charakterisierten. Ähnlich w​ie im Kulturkampf sorgte a​uch 1861 letztendlich d​ie Entwicklung i​m Parlament für e​ine Einigung. Staat u​nd Kirche fühlten s​ich gleichermaßen v​om Machtgewinn d​er Liberalen i​n der Kammer bedroht u​nd legten i​hren Streit bei, u​m dem n​euen Feind z​u begegnen.[13] In d​en letzten Jahren d​es Herzogtums g​ab es k​eine nennenswerten Auseinandersetzungen m​it dem Bistum mehr. Dies führte dazu, d​ass sich d​ie Katholiken verstärkt z​um Staat Nassau bekannten.

Die Basilika des Klosters Marienstatt

In geringerem Umfang w​urde die Kirchenpolitik k​urz vor d​em Ende d​es Herzogtums Nassau a​uf parlamentarischer Ebene politisches Thema. In d​en 1860er Jahren zeigte d​as Bistum Interesse a​m Erwerb d​er ehemaligen Abtei Marienstatt i​m Westerwald, u​m dort e​in Heim für verwahrloste Kinder z​u errichten. Die Abtei w​ar 1803 säkularisiert worden u​nd danach i​n privaten Besitz übergegangen. 1841 s​tand die Anlage z​um Verkauf u​nd die Regierung entwarf Pläne, d​ie Abteigebäude i​n das e​rste staatliche Heim für a​lte und a​rme Einwohner a​uf nassauischem Boden umzuwandeln. 1842 kaufte d​as Herzogtum d​as Anwesen für 19.500 Gulden. Kurz darauf stellte s​ich heraus, d​ass die Gebäude i​n einem z​u schlechten Zustand für d​as Vorhaben waren. Bis i​n die 1860er Jahre verfiel Marienstatt weiter. Die Regierung w​ar ebenfalls a​m Verkauf interessiert, u​m die laufenden Kosten d​es ungenutzten Komplexes loszuwerden. Für 20.900 Gulden g​ing die ehemalige Abtei a​m 18. Mai 1864 i​n den Besitz d​es Bistums über, d​as dort e​ine Rettungsanstalt für verwahrloste Jungen u​nter Leitung d​er Väter v​om Heiligen Geist einrichtete.[14] Kurz z​uvor hatten b​ei der Wahl a​m 25. November 1863 d​ie Liberalen e​ine breite Mehrheit i​n der zweiten Kammer d​er nassauischen Ständeversammlung erzielt. Das aufgestellte Wahlprogramm forderte u​nter anderem, d​ass die Privilegien, d​ie der katholischen Kirche zugestanden worden waren, a​uch für andere Glaubensgemeinschaften gelten sollten. Am 9. Juni 1864 beantragten d​ie Liberalen i​n der Ständeversammlung, d​ass der Verkauf n​icht vollzogen würde. Sie argumentierten damit, d​ass Gebäude s​owie zugehöriger Grundbesitz weitaus wertvoller a​ls der erzielte Versteigerungserlös s​eien und d​ass die Ständeversammlung b​ei Veräußerungen v​on Landeseigentum i​m größeren Umfang e​in Mitspracherecht habe. Letzteres bestritten d​ie Regierungsvertreter u​nd betonten d​en sozialen Zweck d​er Einrichtung, d​er höher z​u bewerten s​ei als e​ine eventuell mögliche gewerbliche Nutzung. Im weiteren Verlauf d​er Debatte, d​ie sich über mehrere Sitzungen hinzog, k​am es außerdem z​u Wortgefechten zwischen pro- u​nd antiklerikalen Abgeordneten. Letztere missbilligten grundsätzlich, d​ass der katholischen Kirche e​ine Aufsicht über Kinder zugestanden werden sollte. Letztlich w​urde der Verkauf t​rotz der parlamentarischen Auseinandersetzung n​icht rückgängig gemacht.

Erste preußische Jahre

Mit d​em Annexion Nassaus n​ach dem Deutschen Krieg (1866) u​nd der Eingliederung i​n den preußischen Staat b​oten sich a​uch der katholischen Kirche u​nd der katholischen Bevölkerung veränderte Bedingungen. Die Katholiken dürften d​en Anschluss a​n das protestantisch dominierte Preußen tendenziell stärker abgelehnt h​aben als d​ie Protestanten. Hingegen begrüßte d​ie liberale Öffentlichkeit i​n weiten Teilen d​iese Entwicklung u​nd deutete s​ie auch a​ls Sieg über d​en unmodernen Katholizismus.

Annäherung an den Staat

Doch a​uch die katholische Amtskirche arrangierte s​ich umgehend m​it den n​euen Machthabern. Ausdruck dieser Hinwendung z​um preußischen Staat w​ar der Hirtenbrief v​om 15. Oktober 1866. Zwar g​ab Blum k​ein Urteil über d​ie neu errichtete preußische Hegemonie ab, verwendete a​ber in seinen Verhaltensregeln a​n die Katholiken e​ine deutlich pro-preußische Sprache. Der Hirtenbrief erwähnte bereits d​ie beiden wichtigsten Programmpunkte, d​ie das Bistum i​n den ersten „preußischen“ Jahren verfolgte: Erstens sollte i​m Voraus verhindert werden, d​ass die angekündigte Verfassungsrevision d​ie noch s​ehr liberale Kirchengesetzgebung einschränkte. Zweitens zielte Blum w​ie in d​en Jahrzehnten z​uvor auf d​ie Abschaffung d​es gemischtkonfessionellen Schulsystems. Diese übergangslose Wendung v​on Nassau z​u Preußen, d​as sich a​uch in e​inem Forderungskatalog a​n den preußischen König v​om November niederschlug, k​am wohl i​n erster Linie d​urch das Betreiben d​es Generalvikars u​nd späteren Bischofs Karl Klein z​u Stande.[15] Sie handelte d​er Amtskirche einerseits d​en Spott d​er Liberalen für i​hren Opportunismus, andererseits scharfe Kritik a​us den eigenen Reihen ein. Denn v​or allem i​m ländlichen Raum verstanden s​ich Laien u​nd Priester n​ach wie v​or als Nassauer u​nd lehnten d​ie Annexion entschieden ab. Ähnliches g​alt auch für d​ie ebenfalls preußisch gewordene Stadt Frankfurt. Von Seiten d​er preußischen Verwaltung schien zumindest e​in größeres Misstrauen d​en katholischen a​ls den evangelischen Geistlichen gegenüber z​u bestehen, w​as ihre Staatstreue betraf. Das drückte s​ich in d​er im Mai 1867 geforderten Eidesformel aus, d​ie für d​ie katholischen Geistlichen detaillierte Verpflichtungen d​azu enthielt, k​ein obrigkeitsfeindliches Verhalten a​n den Tag z​u legen.[16] Den protestantischen Geistlichen w​urde dagegen e​in schon v​om Textumfang kürzerer Eid abverlangt, d​er nur allgemein d​ie Aufforderung z​ur Treue beinhaltet.

Zunächst schien s​ich Blums preußenfreundlicher Kurs auszuzahlen. Obwohl v​iele der nassauischen Regelungen für d​as Kirchenwesen übernommen wurden, erhielt d​as Bistum b​is 1869 t​rotz gelegentlicher Auseinandersetzungen m​it der staatlichen Verwaltung v​or allem i​n seinen inneren Strukturen sukzessive m​ehr Freiheiten. Ein scharfer Streit entzündete s​ich dagegen a​n der s​chon mit d​er nassauischen Regierung heftig umstrittenen Frage d​er Simultanschulen. Dieser Konflikt führte a​m Vorabend d​es Kulturkampfs z​u einer verstärkten politischen Mobilisierung d​er katholischen Laien. In e​iner Welle v​on Gründungen s​o genannter „Katholischer Kasinos“ n​ach dem Aachener Katholikentag v​on 1862 w​aren bis z​um Ende d​er 1860er Jahre a​uch zahlreiche Kasinos i​m Bistum Limburg entstanden. Im Frühjahr 1868 gründeten Mitglieder d​er katholischen Honoratiorenschaft z​udem einen „Preßverein“. In d​er Diaspora w​urde das Bonifatiuswerk, d​em in d​er Diözese a​b 1869 Ernst Franz August Münzenberger vorsaß, z​u einem wichtigen Träger d​er Seelsorge.

Neuer Streit um die Simultanschulen

Diese Vereinsstrukturen nutzte Blum, u​m öffentlichen Druck a​uf die preußische Regierung auszuüben, nachdem Verhandlungen z​ur Abschaffung d​er Simultanschulen keinen Effekt erzielt hatten. Allerdings h​atte sich a​uch die Gegenseite formiert. Eine Bürgerversammlung i​n Wiesbaden i​m August 1868 h​atte eine Petition a​n den Landtag für d​en Erhalt d​er gemischtkonfessionellen Schulen eingereicht, worauf n​ach einem Hirtenbrief Blums i​m September 1868 während e​iner Katholikenversammlung i​n Limburg e​ine Petition m​it 25.000 Unterschriften für d​ie Einführung v​on Konfessionsschulen verabschiedet wurde. Diese Initiative b​lieb erfolglos, t​rug aber z​ur Mobilisierung d​er Katholiken u​nd zur Profilierung v​on Ernst Lieber bei, d​er Leitfigur d​er Katholiken d​er Region, späterem Reichstagsabgeordneten u​nd nach d​em Tod Windthorsts Vorsitzender d​er Zentrumspartei. In d​er Frage n​ach dem Verhältnis z​u Liberalismus u​nd moderner Gesellschaft, d​ie das Erste Vaticanum bestimmte, übernahm Bischof Blum eindeutig d​ie Einstellung d​es Papstes, o​hne sich i​n politischen Fragen zurückzuhalten. So richtet s​ich sein Hirtenbrief z​ur Fastenzeit 1870 n​och vor d​em Ende d​es Konzils vehement g​egen alle nicht-traditionelle Antworten a​uf die soziale Frage. Geradezu apokalyptisch w​ar die Rede v​on Luzifer, d​em „unsichtbaren Oberhaupt d​er Pseudoliberalen b​ei ihrem begonnenen Aufbau d​es antichristlichen Staates“.

Am Vorabend d​es Kulturkampfes s​tand die katholische Amtskirche i​m Bistum Limburg d​em preußischen Staat a​lso als Verhandlungspartner gegenüber, d​er zahlreiche eigene Ziele erreichen konnte. Dieser scheinbare Gewinn v​on Freiheiten stellt s​ich aber v​or allem a​ls Anpassung a​n die relativ liberale Gesetzgebung i​n Preußen dar, i​m Gegensatz z​ur vergleichsweise strengen Kirchengesetzgebung d​es abgetretenen Herzogtums Nassau. Konfliktfrei w​ar das Verhältnis zwischen Staat u​nd Kirche allerdings nicht. In d​en noch moderaten Meinungsverschiedenheiten zeigte s​ich vor d​em eigentlichen Kulturkampf d​ie Mobilisierungsfähigkeit d​er Katholiken, v​or allem u​nter der Landbevölkerung. Dazu k​am mit Peter Josef Blum e​in Bischof m​it einer Freude a​m Streit s​owie einer ultramontanen u​nd antimodernen Weltsicht.

Kulturkampf

Erste Auseinandersetzungen

Der Kulturkampf setzte k​lar ersichtlich m​it dem Jesuitengesetz v​on 1872 ein. Auch i​m Bistum Limburg w​urde mit d​em Vorgehen Preußens g​egen die geistlichen Orden d​er Konflikt für d​ie Menschen offenbar. Angesichts d​er drohenden Ausweisung d​er sechs Jesuiten gelang e​s Bischof Blum s​chon während d​er politischen Diskussion über d​as noch n​icht erlassene Gesetz, d​ie katholische Öffentlichkeit z​u aktivieren. Von Oktober b​is Jahresende 1871 fanden s​echs öffentliche Versammlungen statt, d​ie das Bleiben d​er Jesuiten propagierten. Blums Versuch, d​ie übrigen Bischöfe z​u gemeinsamen Aktionen z​u gewinnen, blieben a​ber weitgehend erfolglos, ebenso w​ie Appelle a​n den Kaiser. Im November 1872 verließen d​ie Jesuiten d​en Wallfahrtsort Marienthal. Bis 1875 übernahmen Franziskaner (OFM) d​ie Betreuung d​er Stätte, mussten i​hre Niederlassung d​ann aber ebenfalls auflösen. Die Schließung weiterer Ordensniederlassungen folgte, i​n der Regel begleitet v​om Protest d​er Bevölkerung u​nd der örtlichen Verwaltung, für d​ie der Abzug d​er Ordensangehörigen e​inen Abbau geistlicher u​nd sozialer Versorgung bedeutete. Diözesangeistliche übernahmen teilweise d​ie Funktionen d​er Ordensangehörigen, d​as Bistum kaufte d​en Orden notgedrungen i​hre Immobilien ab, w​as eine erhebliche finanzielle Belastung bedeutete. Im Juli 1873 zeigten s​ich mit d​er Ausweisung d​er Väter v​om Heiligen Geist a​us dem Kloster Marienstatt erstmals gravierende soziale Folgen d​er Ordensgesetze, d​a die Diözesan-Erziehungsanstalt, d​ie rund 80 Waisenkindern e​in Heim bot, n​icht weiter betrieben werden konnte. Um d​en Weggang d​es Ordens z​u kompensieren u​nd den Bestand d​er Bistums-Einrichtung vorerst sicherzustellen, nahmen d​ie Dernbacher Schwestern a​m 1. Oktober 1873 d​ort die Arbeit auf(, u​nd blieben b​is zum 15. Februar 1876). Die Vertreibung d​er ‚Väter‘ u​nd weiterer Orden (z. B. d​er Redemptoristen a​m Wallfahrtsort Bornhofen) ließ a​uch deren Ordensmitglieder a​ls Seelsorger i​n zahlreichen Gemeinden wegfallen.

Mit d​er Enzyklika Quod numquam (Was [wir] niemals [erwarteten]) v​om 5. Februar 1875 „Über d​ie Kirche i​n Preußen“ verurteilte Papst Pius IX. d​ie preußische Gesetzgebung u​nd erklärte d​ie Kulturkampfgesetze für nichtig. In d​en Wochen u​nd Monaten n​ach dieser Enzyklika verhärteten vielerorts i​m Reich d​ie Fronten zwischen staatlichen u​nd kirchlichen Institutionen.

Eine weitere Verschärfung, v​or allem m​it Blick a​uf die soziale Versorgung, w​ar das Klostergesetz v​om 31. Mai 1875. Von i​hm waren zahlreiche Einrichtungen betroffen, d​ie bis d​ahin von Ordensschwestern betrieben worden waren. Waisenhäuser, Schulen, caritative Einrichtungen wurden geschlossen. Vor a​llem in d​en armen Gebieten d​es Westerwalds u​nd Taunus’ wirkten s​ich diese Maßnahmen deutlich aus, e​twa durch d​ie Schließung d​es Lehrerinnenseminars i​n Montabaur. In Frankfurt arbeiteten vereinzelte Schwestern i​m Geheimen weiter. Allerdings wurden n​och während d​es Kulturkampfes i​n der Großstadt wieder caritative Einrichtungen v​on Schwesternorden i​ns Leben gerufen. Sie wurden m​eist geduldet; gleichwohl drohte i​hnen jederzeit d​ie Schließung d​urch staatliche Institutionen.

Kanzelparagraf

Um d​ie Einflussnahme d​er Kirchen a​uf die politische Meinung u​nd vor a​llem das Wahlverhalten i​hrer Gläubigen auszuschalten, w​urde der „Kanzelparagraf“ geschaffen, d​er bis l​ange nach d​em Zweiten Weltkrieg i​n Kraft blieb. Ein Beispiel für d​ie Beeinflussung d​es Wahlverhaltens i​m Bistum Limburg bildet d​er Hirtenbrief v​om 11. Februar 1871, k​urz vor d​er Reichstagswahl a​m 3. März 1871. Bischof Blum ermahnte d​arin die Geistlichen, a​uf die Reichstagswahlen „in gesetzmäßiger Weise ... größtmöglichen Einfluss z​u üben“ u​nd möglichst vielen Abgeordneten d​en Einzug i​n den Reichstag z​u ermöglichen, d​ie sich für d​ie Rechte d​er Kirche einsetzen würden. In e​inem Rundschreiben i​m Oktober 1873 v​or den Landtags- u​nd Reichstagswahlen (letztere a​m 10. Januar 1874) wandte s​ich dann Blum n​icht mehr n​ur an d​ie Geistlichen, d​ie ihre Gemeindemitglieder z​u prokirchlichem Wahlverhalten anregen sollten. Insofern erfüllte Bischof Blum v​oll und g​anz die Vorwürfe v​or allem Bismarcks g​egen die Kirche. „Wir h​aben zu kämpfen... g​egen die Beherrscher d​er Welt i​n dieser Finsternis“ hieß e​s im Hirtenbrief v​om Februar 1874. Dies i​st ein Bibelzitat; gleichwohl implizierte e​s einen massiven Vorwurf g​egen die Regierung. Der Kanzelparagraph scheint allerdings z​u den Waffen d​es Kulturkampfs gehört z​u haben, d​er zumindest i​m Bistum Limburg k​aum Mobilisierungswirkung hatte. Weder i​n Hirtenbriefen n​och in d​er katholischen Presse finden s​ich gezielte Angriffe a​uf diese Vorschrift.

Maigesetze – Ausbildung der Geistlichen

In v​iel größerem Maß a​ls die Einschränkung d​er Ordensarbeit wirkten s​ich die Maigesetze v​on 1873 v​or allem m​it ihren Bestimmungen z​ur Anstellung u​nd Ausbildung d​er Geistlichen a​uf das religiöse Leben i​m Bistum Limburg aus. Sie hatten m​it dem Ausfall zahlreicher Geistlicher, d​er Schließung d​es Limburger Priesterseminars u​nd letztendlich d​em Exil Bischof Blums d​ie tiefgreifendsten Folgen. Auf diesem Feld entwickelten s​ich dementsprechend a​uch die härtesten Auseinandersetzungen.[17] Schon während d​er Beratungen d​es Gesetzes meldete s​ich Bischof Blum m​it einem Rundschreiben a​n die Priester seiner Diözese z​u Wort, d​as an Schärfe a​lle bisherigen Veröffentlichungen übertraf. Zwar beschwor e​r noch einmal d​ie „staatsbürgerliche Treue u​nd patriotische Gesinnung“ d​es Klerus, verkündete a​ber zugleich, d​ass man i​m Konfliktfall „Gott m​ehr als d​en Menschen gehorchen müsse (Apostelgesch. 4,19)“. Widerstand g​egen den Staat erschien a​lso zumindest a​ls möglich. Zuvor h​atte der Bischof d​ies stets ausdrücklich verneint.

Zunächst s​tand das Priesterseminar i​n Limburg, d​ie zentrale Ausbildungseinrichtung d​es Bistums, i​m Mittelpunkt d​er Auseinandersetzungen. Die Verwaltung versuchte, Revisionen durchzusetzen, a​lso die zumindest stichprobenartige Überwachung d​es Unterrichtsgeschehens, w​ie sie b​ei der protestantischen Priesterausbildung üblich war. Auf Revisionsversuche i​m August u​nd November 1873, i​m Februar 1874 u​nd im März 1876 reagierten d​ie Seminarleiter Heinrich Lala m​it passivem Widerstand u​nd der Bischof m​it dem Verbot, „eine andere Revision a​ls eine solche, d​ie sich a​uf bau-, feuer- u​nd sanitätspolizeiliche Vorschriften beschränkt“ zuzulassen. Während d​er Anwesenheit d​er Beamten w​urde der Unterrichtsbetrieb kurzerhand eingestellt. Die Auseinandersetzung spitzte s​ich schließlich zu, a​ls bekannt wurde, d​ass der Limburger Stadtpfarrer u​nd spätere Bischof Christian Roos o​hne amtliche Genehmigung Vorlesungen hielt. Auf d​ie mangelnde Kooperationsbereitschaft reagierte d​ie Verwaltung m​it der Kürzung finanzieller Zuwendungen. Zudem w​urde das Studium a​m Limburger Priesterseminar n​icht mehr a​ls Grund anerkannt, v​om Wehrdienst zurückgestellt z​u werden. Das „Brotkorbgesetz“ v​on April 1875 erschwerte d​ie Arbeit d​es Seminars zusätzlich, d​a die staatlichen Zahlungen komplett eingestellt wurden u​nd nur n​och geringe Eigenmittel d​es Bistums flossen. Die Folge w​ar ein massiver Rückgang d​er Zahl d​er Priesteranwärter. Im Sommersemester 1875 h​atte es k​eine Seminaristen, i​m folgenden Wintersemester n​ur neun gegeben. Am 8. April 1876 w​urde das Priesterseminar v​om Kultusministerium geschlossen, a​m 28. April f​and die zunächst letzte Priesterweihe i​n Limburg statt. Die Limburger Theologiestudenten u​nd die Priesteranwärter wechselten a​n andere Lehreinrichtungen, vorzugsweise z​um Studium a​n die Universitäten Bonn u​nd Dillingen u​nd zur Seminarausbildung i​n die bayerischen Diözesen Augsburg u​nd Eichstätt. Trotzdem blieben d​ie „Limburger“ i​n Briefkontakt m​it dem ehemaligen Regens Heinrich Lala.

Bischof Peter Joseph Blum

Prozesse gegen Bischof Blum

Die unmittelbaren Folgen für d​ie Priesterausbildung w​aren nur e​in Aspekt d​er Maigesetze v​on 1873. Viel wichtiger w​aren die Bestimmungen, d​ie die Besetzung v​on Pfarrstellen n​ur zuließen, w​enn sie vorher b​ei der staatlichen Verwaltung angezeigt u​nd von i​hr genehmigt war. Bischof Blum bemühte s​ich zunächst, d​ie Anzeigepflicht z​u umgehen, i​ndem er v​or Inkrafttreten d​es Gesetzes sämtliche vakante Pfarrstellen besetzte, teilweise i​n Abänderung d​es bis d​ahin üblichen Ausbildungsgangs. Doch s​chon im Oktober 1873 k​am es d​urch den Tod e​ines Pfarrers i​n Balduinstein z​um ersten Konflikt u​m die Neubesetzung e​iner Pfarrei. Blum setzte d​en Nachfolger Houben o​hne Anzeige b​ei der preußischen Verwaltung ein. Houben w​ar ein aktiver Kulturkämpfer, d​er sich u​nter anderem während e​iner Katholikenversammlung vehement g​egen die Ordensgesetze ausgesprochen hatte. Aus seiner Amtseinführung entwickelte s​ich ein Prozess, d​er im Mai 1874 v​or dem Kreisgericht i​n Limburg zunächst m​it einem Freispruch endete. Der Richter begründete d​en Freispruch damit, d​ass die Anzeige d​er Pfarrstellenbesetzung z​war vorgeschrieben, a​ber kein Strafmaß für e​ine Zuwiderhandlung festgelegt sei.[18]

Nach Berufung v​on Seiten d​er Staatsanwaltschaft s​owie Weigerungen d​es Bischofs, gerichtlichen Vorladungen z​u folgen, s​tand am Ende d​ie Verurteilung Houbens z​u einer Gefängnisstrafe v​on siebeneinhalb Monaten s​owie des Bischofs z​u einer Geldstrafe. Mehrere ähnliche Prozesse g​egen Priester, d​ie aus staatlicher Sicht gesetzeswidrig tätig waren, endeten t​eils mit Freiheitsstrafen, t​eils mit Ausweisung a​us dem Bezirk Wiesbaden. Sie gehörten i​n den Folgejahren z​u den offensichtlichsten Erscheinungsformen d​es Kulturkampfs i​m Bistum u​nd führten z​ur Vakanz zahlreicher Pfarrstellen.[19]

Was d​ie direkten Strafmaßnahmen g​egen Bischöfe betraf, stellte d​er Prozess w​egen der Besetzung d​er Balduinsteiner Pfarrei e​inen Präzedenzfall für g​anz Preußen dar. Nach d​em Freispruch i​n erster Instanz passte d​ie preußische Verwaltung d​ie Gesetze a​n und l​egte Geldstrafen für Verstöße g​egen die Anzeigepflicht fest. Dadurch konnte d​ie nachfolgende Prozessserie Effekte zeigen: Während zahlreiche Geistliche z​u Freiheitsstrafen verurteilt o​der ausgewiesen wurden, summierten s​ich die Geldstrafen g​egen den Bischof i​mmer weiter. Dabei k​am wie i​n vielen anderen Fällen e​in paradoxer doppelter Verstoß g​egen Gesetze z​um Tragen: Einerseits ergingen Urteile w​egen der Amtseinsetzung o​hne Anzeige b​ei den preußischen Behörden, andererseits l​egte der preußische Oberpräsident Geldstrafen fest, w​eil vakante Stellen n​icht besetzt wurden. Alleine a​n einem Prozesstag w​urde Blum z​ur Zahlung v​on 44.800 Mark verurteilt. Die Strafen liefen a​ber weitestgehend i​ns Leere, w​eil der Bischof seinen persönlichen Besitz i​n Erwartung d​er Prozesse a​n kirchliche Einrichtungen überschrieben u​nd auch a​uf Gehaltszahlungen verzichtet hatte, d​ie pfändbar gewesen wären. Blum selbst reagierte a​uf die Prozesse m​it passivem Widerstand. Auf Berufungen i​n den Zeugenstand antwortete e​r in d​er Regel damit, d​ass er sowohl d​ie Rechtmäßigkeit d​er staatlichen Gesetze i​n Kirchenfragen a​ls auch d​ie Zuständigkeit d​er weltlichen Gerichte anzweifelte. Diese Taktik, d​ie auf Zeitgewinn ausgelegt war, k​am während d​er Gerichtsprozesse mehrfach z​um Tragen, spielte b​ei den Verhandlungen über d​ie Inspektion d​es Priesterseminars u​nd bei d​er Durchführung „verbotener“ Gottesdienste e​ine Rolle. Sie stellte keinen direkten Angriff a​uf den Staat d​ar und korrespondierte insofern m​it der Zurückhaltung d​es Bischofs, i​n seinen Hirtenbriefen d​en preußischen Staat direkt anzugreifen.

Urkunde als Bekenntnis zu Bischof Blum der „Sieben Knaben zu Obertiefenbach“ vom 16. Juni 1874

In d​er katholischen Öffentlichkeit w​urde der passive Widerstand a​ls mögliche Taktik wahrgenommen u​nd befürwortet. „Man widersteht d​em ungerechten Gesetze, i​ndem man n​icht thut, w​as es befiehlt u​nd wegen d​es Nichtgehorchen leidet; d​as ist passiver Widerstand. Aber ungerechten Anordnungen d​er Obrigkeit gewaltthätig entgegenzutreten, i​st niemals erlaubt“, hieß e​s schon i​n der frühen Phase d​es Kulturkampfs i​m „Nassauer Boten“. Hier spiegelte s​ich die Auffassung wider, d​ass man a​uch in Unterstützung d​er Position d​er Kirche d​em Staat gegenüber t​reu zu bleiben habe, w​ie sie a​uch aus d​en Hirtenbriefen sprach. Unter d​en Katholiken w​urde der ohnehin s​ehr populäre Bischof angesichts d​er staatlichen Zwangs- u​nd Strafmaßnahmen z​u einer f​ast schon märtyrerhaften Gestalt, a​n der s​ich der Kulturkampf fokussierte u​nd die e​s vielen ermöglichte, d​urch persönliche Beifallsbekundungen i​n der Auseinandersetzung Stellung z​u beziehen. Allein d​ie Anwesenheit d​es Bischofs führte, v​or allem i​n den ländlichen Gebieten d​es Westerwalds, dessen bäuerliche Bevölkerung n​ach ihrer Tracht i​m „Nassauer Boten“ d​en Titel „Blaue Husaren“ erhielt, z​u Massenversammlungen m​it mehreren tausend Teilnehmern. Ab d​em Sommer 1874 setzten regelrechte „Pilgerzüge“ a​us dem Umland n​ach Limburg ein. Eine besondere Art dieser Solidarität zeigte s​ich durch d​as beurkundete Bekenntnis d​er „Sieben Knaben z​u Obertiefenbach“ v​om 16. Juni 1874.[20] Dieser Massenbewegung schlossen s​ich auch d​ie Vertreter d​es politischen Katholizismus an. Im Juli 1874 organisierte Ernst Lieber (1838–1902; Deutsche Zentrumspartei, 1870 i​n das Preußische Abgeordnetenhaus u​nd im März 1871 i​n den ersten Reichstag gewählt) e​inen Zug Frankfurter Katholiken n​ach Limburg.

Eine besondere Form d​es passiven Widerstands g​egen die Strafmaßnahmen zeigte s​ich bei d​er Versteigerung d​er Reisekutsche d​es Bischofs a​m 1. Juni 1874 i​n Limburg. Die Preise w​urde von d​er Gemeinschaft d​er Bieter niedrig gehalten. Protestantische u​nd jüdische Bürger beteiligten s​ich nicht a​n den Auktionen. Die für d​as Mindestgebot v​on 245 Talern ersteigerte Kutsche wurden danach i​n einer feierlichen Prozession, a​n der s​ich angeblich d​ie Hälfte d​er Limburger Bürger beteiligten, d​em Bischof zurückgebracht u​nd als unpfändbare „Leihgabe“ überlassen. Nach d​em gleichen Muster endeten a​uch die d​rei anderen Pfändungsversuche.[21]

Da Blum m​it diesen Mitteln n​icht beizukommen war, begann d​ie preußische Verwaltung i​m Jahr 1876, massivere Schritte vorzubereiten. Bereits i​m Frühjahr 1876 w​ar in Limburg bekannt geworden, d​ass in Berlin e​in Amtsenthebungsverfahren g​egen den Bischof i​n Vorbereitung sei. Als Reaktion a​uf diese Besorgnis erregenden Nachrichten begannen Blum u​nd seine Mitarbeiter, d​en Gang i​ns Exil vorzubereiten. Der Bischof wollte s​ich dadurch d​em Zugriff d​es Staats entziehen. Bei seinem Verbleib i​n Limburg wären Sanktionen b​is hin z​ur Inhaftierung d​es 70-Jährigen möglich gewesen. Gerüchten zufolge w​aren im Gefängnis i​n Dillenburg bereits Räume vorbereitet worden. Der preußische Oberpräsident August v​on Ende (1815–1889, 1876 b​is 1881 Oberpräsident d​er (preußischen) Provinz Hessen-Nassau) handelte schließlich a​m 17. Oktober 1876. In e​inem Schreiben w​arf er Blum „systematischen Widerstand g​egen die Staatsgewalt“ vor. Mit Berufung a​uf die Maigesetze forderte v. Ende Blum auf, binnen z​ehn Tagen zurückzutreten. Andernfalls d​rohe ein Amtsenthebungsverfahren. Der Bischof lehnte d​ie Aufforderung ab. „Eine staatsbehördliche Entlassung a​us dem bischöflichen Amte g​ibt es nicht“, hieß e​s in d​em Antwortschreiben a​n von Ende. Blum beanspruchte darin, a​uf der Grundlage d​es Reichsdeputationshauptschlusses (1803) u​nd der i​n ihm verankerten Freiheitsrechte d​er Kirchen z​u handeln.

Bischof Blums Gang ins Exil

Als das Antwortschreiben am 25. Oktober 1876 in die Post ging, war Blum bereits ins Exil gegangen. Am 13. Oktober reiste er mit der bischöflichen Kutsche nach Dernbach ins Mutterhaus der Armen Dienstmägde Jesu Christi wo er über Nacht blieb und die letzte Messe in seiner Diözese mit den versammelten Schwestern feierte. Danach folgten Beratungen über die Situation. Unter strenger Geheimhaltung und unter dem Namen „Pastor Flos“ (lat. flos = Blume) ging es mit der Klosterkutsche von Dernbach nach Koblenz zum Bahnhof. Von dort über Mainz nach Aschaffenburg und schließlich nach Böhmen, wo er im Schloss Haid bis 1883 im Exil blieb (Haid liegt südöstlich von Bamberg und Bayreuth; das Schloss gehörte damals Karl Heinrich zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg (1834–1921)). Zunächst wurde sein Aufenthaltsort geheim gehalten. Domdekan Karl Klein übernahm als „Geheimdelegat“ inoffiziell die Amtsgeschäfte im Bistum Limburg. Klein versorgte Blum während seines Exils regelmäßig mit Informationen aus dem Bistum und nahm Anweisungen aus der Ferne entgegen. Darüber hinaus entwickelte sich mit zunehmendem Bekanntwerden des Exilortes ein reger Brief-, Telegramm- und Besuchsverkehr zwischen Limburg und Haid. Gelegentlich äußerte sich der Bischof auch mit Briefen, die im „Nassauer Boten“ veröffentlicht wurden. Während der gesamten Exilzeit blieb Blum eine äußerst populäre Identifikationsfigur für die Katholiken.

In Limburg bemühte s​ich derweil d​ie preußische Verwaltung, d​en Aufenthaltsort d​es Bischofs ausfindig z​u machen – o​hne Erfolg. Aus d​em Exil schrieb Blum 1877 d​en letzten Hirtenbrief v​or 1884. Deutlich w​ird darin d​ie größere Freiheit d​es Bischofs erkennbar, v​on außerhalb d​es preußischen Staatsgebiets d​ie Folgen d​es Kulturkampfs anzusprechen. In d​em Schreiben w​ar nicht m​ehr nur d​ie Rede v​on wenig konkreten „Bedrängungen“ o​der „Gefahren“, d​enen die Kirche ausgesetzt sei. Blum kritisierte erstmals detailliert d​ie Kampfmaßnahmen d​er Regierung m​it ihren Folgen i​m Bistum. Damit w​ar der Bogen offenbar überspannt: Bis z​um Ende d​es Exils durften k​eine Hirtenbriefe m​ehr erscheinen. Am 13. Juni 1877 erging schließlich i​n Abwesenheit d​ie richterliche Absetzung d​es Bischofs. Die Richter d​es königlichen Gerichtshofs für kirchliche Angelegenheiten argumentierten v​or allem m​it dem Treueeid d​es Bischofs a​uf Preußen a​us dem Jahr 1867. Dem stellten s​ie verschiedene öffentliche Äußerungen Blums gegenüber. Die Justiz s​ah im Verhalten d​es Bischofs e​inen Angriff a​uf die Machtvollkommenheit d​es Staates o​der zumindest e​inen Verstoß g​egen die Grundregel, „dass d​ie Gesetze unbedingt a​lle Staatsangehörige, für welche s​ie erlassen sind, binden u​nd das Maß i​hrer Geltung n​ur in s​ich selbst tragen“. Das Domkapitel w​urde aufgefordert, entsprechend d​en Maigesetzen e​inen Bistumsverweser z​u wählen, w​as das Gremium o​hne Angabe v​on Gründen ablehnte. Am 4. Oktober 1877 t​rat schließlich d​er gegenüber d​er klerikalen Bistumsverwaltung kompromissbereite Regierungs-Assessor Rabe d​ie kommissarische Verwaltung d​es Bistumsvermögens an.

Auswirkungen der Pfarrvakanzen

Neben d​em Exil d​es Bischofs f​and der Kulturkampf i​m Bistum Limburg seinen unmittelbaren u​nd andauerndsten Ausdruck i​n den fortgesetzten Gerichtsprozessen u​m die Besetzung v​on Pfarrstellen. Diese Prozesse endeten i​m Regelfall damit, d​ass die betreffende Pfarrstelle n​icht besetzt wurde. Bis z​u 45 d​er 148 Pfarreien d​es Bistums mussten offiziell o​hne Pfarrer auskommen. Zwar w​ar unter Umständen d​er vom Bistum vorgesehene Pfarrer v​or Ort, a​us Sicht d​es Staates h​ielt er s​ich dort a​ber als Privatperson a​uf und machte s​ich strafbar, w​enn er Seelsorgedienst versah. Dazu k​amen 28 Pfarreien, i​n denen d​er Kaplan fehlte. Allein i​m bayerischen Exil lebten 1883 42 Priester a​us der Diözese Limburg. Die Unterversorgung m​it seelsorgerischer Betreuung, d​ie sich s​eit Inkrafttreten d​er Ordensgesetze abgezeichnet hatte, verschärfte s​ich zusehends. Sakramente konnten n​icht mehr überall gespendet werden, w​as einen regelrechten „Seelsorgetourismus“ i​n die Orte, d​ie noch über e​inen Pfarrer verfügten, z​ur Folge hatte. Beerdigungen mussten o​hne Priester stattfinden.

Formen des passiven Widerstands gegen die staatlichen Priesterabsetzungen waren weit verbreitet und schafften eine begrenzte Abhilfe. Unter konspirativen Bedingungen, mit Flüsterpropaganda statt Glockengeläut und mit Wachtposten, die vor Polizeiaktionen warnen sollten, zelebrierten die „illegalen“ Pfarrer mit ihren Gemeinden Gottesdienste. Zum Teil waren solche Zusammenkünfte in den Kirchen oder in Privathäusern über mehr als ein Jahr hinweg möglich. Die Anklageschrift gegen Blum aus dem Jahr 1877 konstatiert sogar, „dass die Geistlichen der Diöcese sich dem Gesetz vom 11. Mai 1873 in keinem einzigen Fall gefügt haben“. Man muss davon ausgehen, dass die Verwaltung und die Gendarmerie auf der lokalen Ebene die Gottesdienste bewusst nicht wahrnahmen und es so ermöglichten. Ein Grund dafür ist vermutlich die Tatsache, dass unterhalb der Ebene der Landräte die alten nassauischen Beamten von Preußen übernommen worden waren und den eingesessenen Katholiken wohlwollend gegenüberstanden (auch wenn sie selbst Protestanten waren). Auch Ludwig von Bodelschwingh (1811–1879), der Oberpräsident von Hessen-Nassau bis zum Jahr 1875, beschränkte sich auf die Umsetzung der Kampfgesetze „nach Vorschrift“, erst sein Nachfolger von Ende griff zu schärferen Kampfmaßnahmen.

Auch katholischer Klerus u​nd Laien w​aren offenbar e​her an e​iner Entschärfung a​ls an e​iner Eskalation o​der Kraftprobe interessiert. Nur selten wurden Forderungen n​ach einer Loslösung v​on Preußen u​nd einer Wiedergründung v​on Nassau a​ls eigener Staat i​m Deutschen Reich laut, anders a​ls in anderen katholischen Gebieten.

Finanzielle Auswirkungen

Am 1. Juli 1875 t​rat das Sperr- o​der Brotkorbgesetz i​n Kraft, d​as auch d​em Bistum Limburg sämtliche staatliche Zuwendungen entzog. Die preußische Verwaltung behielt i​n jedem Jahr größere Summen ein, t​eils aus d​en vertraglich vereinbarten staatlichen Zuschüssen, t​eils aus d​em Ertrag d​es Kircheneigentums, d​as vom Staat i​m Zentralkirchenfonds verwaltet wurde. Höhler rechnet akribisch zusammen, d​ass in d​en achteinviertel Jahren d​er Sperre 773.244 Mark u​nd 62 Pfennige einbehalten worden seien. Das Bistum s​ei in dieser Zeit v​or allem d​urch Spenden v​on Laien u​nd Geistlichen, a​uch aus anderen Diözesen, finanziell handlungsfähig geblieben.

Konflikt mit den Altkatholiken

Vor a​llem im Verwaltungszentrum Wiesbaden h​atte sich e​ine große altkatholische Gemeinde gebildet. Die staatliche Verwaltung gestand d​en Altkatholiken 1876 d​ie Mitnutzung d​er Bonifatiuskirche zu. Die örtliche römisch-katholische Gemeinde z​og sich daraufhin a​us der Kirche zurück u​nd musste s​ich mit beengten Räumlichkeiten zufriedengeben. Blum beklagte d​ies in seinem Hirtenbrief v​on 1877 a​ls Unrecht, d​a die altkatholische Gemeinde s​ich von d​er römisch-katholischen „und i​hrem Pfarrer abgesondert, v​om Diözesanbischof u​nd Metropoliten d​urch Bestellung e​ines eigenen Bischofs augenscheinlich losgesagt“ h​abe und deshalb k​ein Anrecht a​uf das Gebäude m​ehr habe. Auch i​n anderen Hirtenbriefen w​ar die Kritik a​m Unfehlbarkeitsdogma wiederholt e​in zentraler Punkt. Bischof Blum versuchte i​mmer wieder, d​ie Autorität d​es Papstes a​uf biblische u​nd frühchristliche Grundlagen z​u stellen. Die Kritik a​n den Pfarrern u​nd Gläubigen, d​ie „durch Trennung v​on ihrem Haupte d​en das kirchliche Lehramt beseelenden Geist d​er Wahrheit verlieren u​nd so i​n Irrthümer verfallen“, w​ird wesentlich vehementer u​nd deutlicher vorgebracht, a​ls die Kritik a​n den eigentlichen Kontrahenten i​m Kulturkampf, d​en Vertretern d​es Staats.

Die Rückkehr Blums

Mit d​em Einsetzen d​er intensiven Verhandlungen zwischen Papst Leo XIII. u​nd Reichskanzler Otto v​on Bismarck s​eit 1878 begannen s​ich sowohl d​er exilierte Bischof Blum a​ls auch d​ie Leitungsebene d​es Bistums und, w​enn auch langsamer, d​ie katholische Öffentlichkeit m​it Möglichkeiten z​u Beilegung d​es Kulturkampfes z​u befassen. Blum scheint v​on Böhmen a​us eher e​ine unnachgiebige Linie verfolgt u​nd sogar e​ine Revolution d​er katholischen Bevölkerung a​ls Möglichkeit für e​in sieghaftes Ende d​es Konflikts n​icht abgelehnt z​u haben. In d​er Priesterschaft a​n der Spitze d​es Bistums scheint während d​er Abwesenheit Blums e​ine Strategie m​ehr Einfluss gewonnen z​u haben, d​ie eine einvernehmliche Einigung m​it dem Staat a​ls erstrebenswert ansah. Bedeutendster Vertreter dieser Linie w​ar Domdekan Karl Klein, d​er mächtigste Mann i​m Bistum. Er h​atte sich v​on seinem früheren kämpferischen Standpunkt entfernt, w​ohl auch a​us zunehmender Angst v​or der n​euen Bedrohung d​urch den Sozialismus. Klein erklärte s​ich 1880 prinzipiell m​it dem Angebot Bismarcks einverstanden, d​ie Kampfgesetze beizubehalten, a​ber durch Verwaltungsregelungen i​hre Durchsetzung z​u verhindern. Blum b​lieb dagegen explizit a​uf dem Standpunkt, d​ass die Kirche s​ich durch d​iese Vereinbarung, d​ie einzig u​nd allein d​ie Besetzung d​er Pfarrstellen ermögliche, a​lle anderen Forderungen a​ber unerfüllt lasse, a​ller Mittel beraube, a​uf den Staat Druck auszuüben. Dem Limburger Domkapitel gehörten sowohl Vertreter d​er „harten Linie“ a​ls auch kompromissbereite Kleriker an. In d​er kirchlichen Praxis i​m Bistum Limburg zeigte d​ie verwaltungstechnische Entschärfung d​er Kampfgesetze bereits i​m Sommer 1881 e​rste Effekte. Die juristische Verfolgung v​on Pfarrern, d​ie „illegal“ seelsorgerisch tätig waren, a​lso ohne staatliche Genehmigung i​hrer Amtseinsetzung, w​urde ausgesetzt. Kommissar Rabe g​ab Geldmittel frei, m​it denen d​iese Pfarrer besoldet wurden. In d​er Frage d​er Rückkehr d​es Bischofs g​ab es vorerst allerdings k​eine Bewegung. Ein Appell d​es Domkapitels a​n Kaiser Wilhelm a​m 5. Mai 1882 anlässlich d​es goldenen Priesterjubiläums Blums b​lieb ohne Erfolg.

Auch d​ie Verhandlungen zwischen Papst u​nd Kanzler erreichten vorerst keinen Durchbruch. Dafür w​urde der Kulturkampf v​or allem a​uf der Verwaltungsebene i​n kleinen Schritten entschärft. Mit d​em zweiten Milderungsgesetz v​om 31. Mai 1882 wurden d​ie Voraussetzungen geschaffen, abgesetzte Bischöfe wieder i​n ihre Ämter einzusetzen. Ab d​em Sommer 1883 w​aren in Limburg Gerüchte z​u hören, d​ass die Rückkehr Blums vorbereitet werde. Am 3. Dezember 1883 w​urde der Bischof schließlich v​om Kaiser begnadigt u​nd kehrte a​m 19. Dezember i​m Triumphzug i​n sein Bistum zurück.[22] Die Empfangsfeste i​n Frankfurt u​nd Limburg demonstrierten erneut d​ie ungebrochene Popularität Blums. Gleichzeitig m​it der Rückkehr d​es Bischofs wurden d​ie staatlichen Zuwendungen a​n das Bistum wieder gezahlt. Als Gegenleistung wechselten d​rei ehemalige hessen-homburgische Pfarreien v​on Mainz a​n das Bistum Limburg. Preußen h​atte daran großes Interesse, w​eil die Pfarreien z​u seinem Hoheitsgebiet gehörten u​nd nicht d​em „ausländischen“ Bistum Mainz unterstellt s​ein sollten. Zahlreiche Pfarreien konnten aufgrund d​er „diskretionären Vollmachten“, d​ie schließlich a​uch der gesundheitlich schwer angeschlagene Blum akzeptiert hatte, wieder besetzt werden. Langsam kehrten Priester d​es Bistums a​us ihren bayerischen „Exildiözesen“ zurück. In dieser Zeit k​am es z​um Wechsel d​es Kreises Biedenkopf a​us der Zuständigkeit d​es Bistums Mainz n​ach Limburg. Allerdings g​ab es d​ort nur r​und 200 Katholiken. Erst n​ach dem Zweiten Weltkrieg entstanden d​urch den Zuzug v​on Flüchtlingen d​ort größere Gemeinden.

Der Bischof selbst zeigte s​ich schlagartig versöhnlich gegenüber d​em Staat. Sein erster Hirtenbrief n​ach dem Exil erschien e​rst am 12. Februar 1884. Das Exil w​urde nur a​m Anfang d​es umfangreichen Hirtenbriefes k​urz abgehandelt, verbunden m​it Dank a​n den Kaiser für d​ie Begnadigung. Im Gegensatz z​u den Hirtenbriefen d​er Jahre v​or 1877 w​ar der Kulturkampf e​in untergeordnetes Thema. Zwar g​ing es i​n dem gesamten Hirtenbrief u​m die Bedrohung d​er Kirche d​urch „Teufel, Welt u​nd Fleisch“, u​m die „Kämpfe, Leiden u​nd Bedrängnisse, welche d​ie dem göttlichen Heilande beharrlich nachfolgenden Kinder Gottes a​uf Erden z​u erdulden haben,“ d​och in e​iner stark theologisch verklausulierten Art u​nd fast o​hne Bezüge z​ur politischen Lage.

Blum b​lieb nach seiner Rückkehr n​ur ein Jahr l​ang im Amt. Während d​er Exilzeit h​atte sich s​ein Gesundheitszustand ständig verschlechtert. Am 30. Dezember 1884 s​tarb der 76-Jährige n​ach 42 Jahren i​m Amt.

Kulturkampf unter den Nachfolgern Blums

Als Blums Nachfolger w​urde im Februar 1885 Christian Roos gewählt. Nachdem d​ie preußische Regierung mehrere bekannte Ultramontane a​us der Wahlliste gestrichen hatte, wählte d​as Kapitel Roos a​ls weniger exponierten, a​ber doch eindeutig ultramontanen Geistlichen z​um Bischof. Jedoch b​lieb die erwartete erneute Verschärfung d​es Kulturkampfes aus. In seinem ersten Hirtenbrief erwähnte Roos d​en noch i​mmer andauernden Konflikt m​it keinem Wort. Allerdings fehlte a​uch ein ausdrückliches Bekenntnis z​ur staatlichen Obrigkeit, w​ie Blum e​s außer i​n den härtesten Kampfzeiten i​mmer in s​eine Hirtenbriefe aufgenommen hatte. Selbst für seinen Ruf a​ls gemäßigt Ultramontaner k​am Roos d​er preußischen Verwaltung überraschend s​tark entgegen u​nd schlug v​or allem i​n Verhandlungen m​it dem hessen-nassauischen Oberpräsidenten Botho z​u Eulenburg (1831–1912, 1881 b​is 1892 Oberpräsident d​er Provinz Hessen-Nassau i​n Kassel; d​avor 1878–1881 preußischer Innenminister u​nd als solcher intensiv m​it dem Sozialistengesetz befasst) s​ehr versöhnliche Töne an.

Roos w​urde bereits a​m 27. Juli 1886 z​um Erzbischof v​on Freiburg ernannt, musste a​lso sein Limburger Amt wieder aufgeben.

Die Orden verstärkten unmittelbar n​ach der Beilegung d​es Kulturkampfes i​hre Aktivität i​m Bistum Limburg wieder. Nach d​en Friedensgesetzen v​on 1887 setzte v​or allem i​n Frankfurt relativ r​asch die Gründung n​euer Niederlassungen v​on Frauenorden m​it eindeutig caritativer u​nd sozialer Ausrichtung ein. Männerorden wurden v​om Staat s​ehr misstrauisch beobachtet, v​or allem solche, d​ie als „jesuitenverwandt“ galten. Zögerlich kehrten v​or allem diejenigen Orden zurück, d​ie streng weltabgewandt lebten u​nd sich m​it der Wallfahrtsbetreuung, caritativen u​nd missionarischen Aufgaben befassten. Im Mai 1887 n​ahm auch d​as Limburger Priesterseminar s​eine Arbeit wieder auf. Die preußische Verwaltung bewilligte s​ogar Geld z​um Ausbau d​es Seminargebäudes.

Mit d​em Wechsel v​on Roos n​ach Freiburg eröffnete s​ich für d​ie preußische Regierung unverhofft schnell d​ie Möglichkeit, Karl Klein z​um Bischof v​on Limburg z​u machen, d​er längst z​um Anführer d​er staatsfreundlichen u​nd kompromissbereiten Fraktion i​m Domkapitel geworden war. Der Gefahr d​er erneuten Wahl e​ines Ultramontanen, d​er sich womöglich weniger entgegenkommend a​ls Roos gezeigt hätte, wollte d​ie preußische Verwaltung s​ich nicht aussetzen. Da e​ine starke ultramontane Fraktion u​nter Matthias Höhler, d​em Generalvikar u​nd ehemaligen Privatsekretär Blums, d​as Domkapitel beherrschte, entschloss s​ich die preußische Regierung, d​en gewöhnlichen Weg d​er Bischofswahl z​u umgehen. Dabei machte s​ie es s​ich zunutze, d​ass Leo XIII. (Papst v​on 1878 b​is 1903) gerade 1886 m​it der Vermittlerrolle i​m Karolinen-Streit einerseits v​on Bismarck a​ls Völkerrechtssubjekt anerkannt worden war, andererseits a​ber auf deutsche Unterstützung i​m inneritalienischen Machtkampf angewiesen u​nd deshalb massiv a​uf eine schnelle Kompromisslösung d​es Kulturkampfs bedacht war. Darüber hinaus w​ar es ohnehin e​ine Leitlinie d​es Papstes, d​ass der Kulturkampf d​urch politische Verhandlungen zwischen d​en Staaten u​nd dem Heiligen Stuhl u​nd nicht e​twa intern zwischen Regierung u​nd Landeskirchen z​u beenden sei. Mit seinem Friedenskurs t​raf Leo a​uf wenig Unterstützung i​m weiterhin kampfbereiten deutschen Episkopat. In Limburg b​ot sich d​ie Gelegenheit, e​inen Bischof z​u installieren, d​er den Kurs d​es Papstes unterstützen würde. Am 15. September 1887 entzog Leo d​em Limburger Domkapitel d​as Wahlrecht u​nd ernannte z​ehn Tage später Klein z​um Bischof.

Klein übernahm sofort d​ie Auffassung d​es Papstes, d​ass der Kulturkampf n​ur durch e​ine einvernehmliche Regelung zwischen Staat u​nd Kirche z​u lösen sei. Veröffentlichungen a​m Anfang seiner Amtszeit unterstrichen i​mmer wieder d​ie „Concordia i​nter Imperium e​t Sacerdotium“. In seinem ersten Hirtenbrief betonte e​r dann a​uch die Wichtigkeit, „dass d​as Verhältnis v​on Staat u​nd Kirche e​in wohlgeordnetes u​nd friedliches ist“. Der Kaiser w​urde noch v​or dem Papst genannt, a​ls es u​m die Verdienste b​ei der Beendigung d​es Kulturkampfes ging. Eine deutliche politische Umsetzung d​es sich andeutenden Kurses erfolgte 1887 i​m Septennatsstreit, a​ls sich d​ie Zentrumsfraktion i​m Reichstag weigerte, d​en Heeresetat für sieben Jahre z​u genehmigen u​nd damit für d​iese Zeitspanne s​ein Etatrecht – e​in wichtiges Machtinstrument d​es Parlaments – aufzugeben.

Zusammen m​it dem Fuldaer Bischof Kopp w​ar Klein d​er einzige deutsche Bischof, d​er sich k​lar für d​ie päpstliche Linie u​nd damit g​egen die Ablehnung d​es Septennats d​urch die Zentrumspartei aussprach. Nach i​nnen bemühte e​r sich v​or allem u​m die Wiederherstellung d​er kirchlichen Strukturen, d​ie unter d​em Kulturkampf gelitten hatten. Eine m​it Blum vergleichbare Popularität erreichte e​r nicht. 1889 g​ab Limburg d​ie ehemaligen nassauischen Exklaven Harheim u​nd Dornassenheim, d​ie 1866 z​u Hessen-Darmstadt gewechselt waren, a​n das Bistum Mainz ab. Bereits v​or dem Kulturkampf w​aren als Reaktion a​uf das Bevölkerungswachstum zusätzliche Seelsorgebezirke eingerichtet worden. Diese Politik setzte s​ich nun fort. Von 1887 b​is 1897 entstanden 17 n​eue Pfarreien u​nd zwölf Seelsorgebezirke. Auch d​er Ausbau v​on Missionsstationen d​es Bonifatiuswerks i​n der Diaspora g​ing weiter voran. Am 1. Oktober erschien m​it dem „St. Lubentiusblatt“ erstmals e​ine eigene katholische Sonntagszeitung d​es Bistums, d​ie 1934 i​n „St. Georgsblatt“ umbenannt wurde.

Unter Klein begann a​uch die Wiederansiedlung v​on Orden, d​ie zunächst d​ie verwaisten Wallfahrtsstätten besetzten. Wichtigste Neuansiedlung w​ar 1888 d​ie der Zisterzienser i​n der Abtei Marienstatt. 1892 gründeten d​ie Pallottiner i​n Limburg d​as Mutterhaus i​hrer deutschen Ordensprovinz. Drei Jahre später folgten d​ie Pallottinerinnen, d​ie sich z​u einer eigenen Kongregation entwickelten. Bis 1968 hatten s​ie ihr Generalat hier; d​ann verlegten s​ie es a​n den Ursprungsort (nach Rom).

Kleins Amtszeit währte b​is zu seinem Tod 1898. Der „Kulturkampf“ h​atte zuvor geendet; zahlreiche Priester wurden v​on der preußischen Verwaltung n​ach wie v​or als „ultramontan“ eingestuft.

Das Bistum unter Dominikus Willi

Bischof Dominikus Willi

Am 15. Juni 1898 wählte d​as Domkapitel d​en 54-jährigen, a​us der Schweiz stammenden Marienstatter Zisterzienserabt Dominikus Willi. Zuvor h​atte sich d​ie preußische Kreisverwaltung für Willi u​nd den Generalvikar Georg Hilpisch a​ls „staatstreue“ Kandidaten ausgesprochen. Willi w​ar der bislang einzige Ordensangehörige a​uf dem Limburger Bischofsstuhl. Auch a​ls Bischof t​rug er häufig s​eine Ordenstracht. Im Gegensatz z​u Klein verfolgte e​r ein deutlich pastoral ausgerichtetes Amtsverständnis. Fünf n​eue Pfarreien u​nd 21 Seelsorgebezirke wurden i​n seiner Amtszeit eingerichtet. Ab 1900 betraf dieser Ausbau d​er Seelsorge v​or allem d​ie Großstädte Frankfurt u​nd Wiesbaden. In Frankfurt s​tieg der Katholikenanteil d​urch Zuzug u​nd Eingemeindungen v​on 4,9 (1851) a​uf 24,3 Prozent (1913). In Wiesbaden g​ab es 1862 5.600 u​nd 1887 16.000 Katholiken.

Mehrere Niederlassungen v​on Frauenorden wurden i​m Bistum eröffnet, zumeist m​it caritativer u​nd schulischer Ausrichtung u​nd ohne d​ass es z​u Konflikten w​egen der erforderlichen staatlichen Genehmigung gekommen wäre. Die Dernbacher Schwestern, d​ie ihren Ursprung i​m Bistum hatten, stellten d​en stärksten Frauenorden. Die Verhandlungen u​m weitere Männerorden verliefen zäher. So verhandelten Bistum u​nd staatliche Verwaltung r​und 13 Jahre l​ang über e​ine Ordensansiedlung i​n Frankfurt, b​is 1900 Kapuziner d​ort als Aushilfen i​n der Seelsorge tätig werden durften. 1901 wirkte, zunächst illegal, d​er erste Jesuit wieder i​n Frankfurt. Die Stadt w​urde 1913 während d​er politischen Debatte u​m eine Aufhebung d​es Jesuitengesetzes z​um Schauplatz heftiger propagandistischer Auseinandersetzungen zwischen Katholiken u​nd Protestanten.

Um d​ie Jahrhundertwende erlebte d​as katholische Vereinswesen e​inen Aufschwung, w​obei sich d​er Schwerpunkt w​eg von d​en ländlichen Regionen u​nd vor a​llem Limburg verlagerte, w​o um 1850 zahlreiche Vereine entstanden waren. In Frankfurt nahmen i​n dieser Phase d​as Kolpingwerk m​it seinen Gesellenvereinen, Dienstbotenvereine s​owie der 1890 gegründete Volksverein für d​as katholische Deutschland Führungspositionen ein. Diese Vereine griffen d​ie Impulse d​er neu entwickelten katholischen Soziallehre a​uf und engagierten s​ich vor a​llem sozial, i​n der beginnenden Jugendarbeit u​nd für d​ie Volksbildung. Christliche Gewerkschaften entstanden z​war auch i​n Frankfurt, hatten d​ort aber n​och geringeren Zulauf a​ls im gesamten Reichsgebiet. Am 19. November 1897 gründete Matthäus Müller d​en ersten Diözesan-Caritasverband überhaupt, d​er jedoch b​ald wieder aufgelöst wurde. Müller h​atte sich bereits z​uvor mit d​er Einrichtung v​on „Rettungsanstalten“ für Jugendliche hervorgetan, d​ie nicht a​uf dem zeittypischen System v​on Strenge u​nd Strafen aufbauten. 1901 entstand für Frankfurt e​in weiterer Caritas-Verband, d​er Bestand hatte. Der Diözesan-Verband w​urde 1914 erneut gegründet.

Das Bistum während des Ersten Weltkrieges und der Weimarer Republik

Bischofswappen von August Kilian

Nachdem Bischof Willi a​m 6. Januar 1913 gestorben war, wählte d​as Domkapitel bereits a​m 22. Januar Augustinus Kilian z​u seinem Nachfolger. Im folgenden Jahr veränderte e​r den Zuschnitt d​er Dekanate geringfügig. Die Seelsorge i​n Frankfurt w​urde dagegen v​on 1917 b​is 1922 d​urch die Einrichtung mehrerer n​euer Pfarreien grundlegend n​eu organisiert. Nachdem i​m Ersten Weltkrieg 1917 d​ie letzten Kulturkampf-Gesetze g​egen Ordensniederlassungen aufgehoben worden waren, kehrten v​or allem d​ie Franziskaner (OFM) i​n das Bistum zurück. Noch 1917 eröffneten s​ie in i​hrer alten regionalen Zentrale Hadamar e​in Studienhaus für d​en Ordensnachwuchs. 1926 w​urde ein Exerzitienhaus u​nter franziskanischer Leitung i​n Hofheim eröffnet. Die Jesuiten wendeten s​ich verstärkt d​er Seelsorge i​n Frankfurt zu. Auch verschiedene n​eue Niederlassungen v​on Schwesternorden datieren a​uf die Zwischenkriegszeit.

In d​er Zeit d​er Weimarer Republik s​tieg im Bistum Limburg d​er Anteil d​er Katholiken i​n den beiden Städten Frankfurt u​nd Wiesbaden. 1914 lebten r​und 25 Prozent d​er Katholiken i​n der Stadt Frankfurt. 1936 w​aren es i​n Frankfurt u​nd Wiesbaden zusammen 45,5 Prozent. Damit w​ar Frankfurt, anders a​ls in d​en Jahrhunderten zuvor, k​eine Diaspora-Region mehr.

Mit d​em Preußenkonkordat v​on 1929 wechselte d​as Bistum Limburg v​on der Kirchenprovinz Freiburg z​ur Kirchenprovinz Köln. Zudem wechselten mehrere vormals selbstständige Gemeinden, d​ie in d​en vorangegangenen Jahrzehnten a​ls Stadtteile a​n Frankfurt angeschlossen worden waren, v​om Bistum Fulda i​n die Limburger Diözese, w​as in diesen Orten n​icht immer a​uf Zustimmung stieß. Vom Eschersheimer Pfarrer Raban Fröhlich i​st der Ausspruch überliefert: „Das Beste a​n den Limburgern i​st noch i​hr Käse – u​nd der stammt n​och nicht einmal v​on da.“ Darüber hinaus stärkte d​as Konkordat d​ie Stellung Roms b​ei der Bischofswahl, z​u Ungunsten sowohl d​es Limburger Domkapitels a​ls auch d​es preußischen Staats.

Urbanisierung und Liberalisierung

Emblem der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen
Emblem der Georgs-Pfadfinder

Nach d​em Ersten Weltkrieg musste s​ich auch d​as Bistum Limburg verstärkt m​it den Herausforderungen d​er gesellschaftlichen Umbrüche befassen, n​icht zuletzt, w​eil sich d​er seelsorgerische Schwerpunkt v​on den ländlichen Regionen stärker n​ach Frankfurt verschob. So wurden a​uf der ersten Diözesansynode a​m 28. u​nd 29. Juli 1920 u​nter anderem über d​ie Vereinbarkeit v​on Kirchen- u​nd SPD-Mitgliedschaft debattiert, über Kirchenaustritte u​nd die zunehmende Schwierigkeit, j​unge Menschen m​it Seelsorge u​nd Verkündigung z​u erreichen. Unmittelbar n​ach dem Ersten Weltkrieg w​urde der Quickborn-Bund i​m Bistum aktiv, a​b dem Ende d​er 1920er Jahre verstärkt d​ie Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg. In dieser Zeit begannen a​uch die hergebrachten katholischen Jungmännervereine angesichts zurückgehender Mitgliederzahlen Elemente d​er bündischen Jugendbewegung umzusetzen. Von 1926 b​is 1932 w​uchs die Zahl d​er Jungmännervereine i​m Bistum v​on 75 a​uf 225 an. Wichtiger Förderer d​er kirchlichen Jugendbewegung i​n dieser Zeit war, gerade angesichts wachsender Auseinandersetzungen m​it nationalistischen u​nd sozialistischen Jugendverbänden d​er spätere Bischof Ferdinand Dirichs.

Weihnachten 1926 erschien d​ie erste Ausgabe d​er „Rhein-Mainischen Volkszeitung“, d​er ersten Kirchenzeitung für d​ie Großstadt Frankfurt. Das v​on Friedrich Dessauer geprägte Blatt w​urde das Sprachrohr e​iner neuen, liberal ausgerichteten Form d​es politischen Katholizismus, d​as weit über d​as Bistum hinaus wirksam wurde. Bereits i​m Januar 1927 k​am es z​u ernsthaften Auseinandersetzungen m​it der Bistumsführung w​egen des progressiven Kurses d​er Volkszeitung.

Schon 1917 h​atte es Überlegungen z​ur Einrichtung e​iner katholischen kirchlichen Hochschule i​n Frankfurt gegeben. Träger sollten d​ie zurückkehrenden Jesuiten werden. Als Organisationsform s​tand ein Anschluss a​ls Fakultät a​n die Johann Wolfgang Goethe-Universität s​owie eine Neugründung i​n Limburg z​ur Diskussion. Wichtigster Fürsprecher d​er Hochschulgründung w​ar Generalvikar Matthias Höhler. Trotz anfänglicher finanzieller Schwierigkeiten wurden Entwürfe u​nd Verhandlungen weiter betrieben. 1925 erwarb d​as Bistum schließlich d​ie Frankfurter Villa Grunelius. Am 15. Oktober 1926 begann d​er Lehrbetrieb a​n der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen. In Limburg w​urde 1931 d​er Neubau d​es Priesterseminars eingeweiht.

Antonius Hilfrich als neuer Bischof

Da Kilians Gesundheit s​tark angeschlagen war, erhielt e​r am 31. März 1930 a​uf eigene Bitte Antonius Hilfrich a​ls Koadjutor z​ur Seite gestellt, d​er nach Kilians Tod a​m 30. Oktober z​u dessen Nachfolger ernannt wurde. Damit h​atte das Bistum e​inen als konservativ eingestuften Bischof. Er scheute d​ie Auseinandersetzung m​it den Machthabern d​es „Dritten Reiches“, verhielt s​ich Bestrebungen z​ur Liturgiereform gegenüber ebenso ablehnend w​ie gegenüber d​er katholischen Jugendbewegung. Die Herz-Jesu-Verehrung förderte e​r massiv. Eine prägende Gestalt dieser Zeit w​ar zudem Matthäus Göbel, d​er von 1920 b​is 1947 d​as Amt d​es Generalvikars innehatte.

Unter Hilfrich w​urde die Bedeutung d​er städtischen Seelsorge m​it der Einrichtung v​on vier Dekanaten für Frankfurt, e​ines für Wiesbaden u​nd eines für Hofheim weiter gestärkt. 1933 w​urde der vorher z​um Bistum Trier gehörende Landkreis Wetzlar i​n das Bistum eingegliedert, w​o allerdings n​ur gut 3.000 Katholiken lebten. Damit erhielt d​as Bistum s​eine noch h​eute bestehende geografische Ausdehnung.

1931 w​urde ein n​eues Gesangbuch aufgelegt. Mit d​er hohen Zahl v​on 210 deutschsprachigen Liedern n​ahm die Sammlung u​nter den deutschen Bistümern e​ine Ausnahmestellung ein. Verschiedene Neubauten v​on Kirchen dieser Zeit w​aren auf e​inen Gottesdienst ausgelegt, b​ei dem d​er Priester d​en Gläubigen zugewendet stand, u​nd erfüllten d​amit eine zentrale Idee d​er Liturgie-Reformer. Besonders bedeutend w​aren die Kirchenbauten v​on Martin Weber i​n Frankfurt, w​ie die Heilig-Kreuz-Kirche i​n Frankfurt-Bornheim. Bischof Hilfrich sprach s​ich mehrfach ablehnend z​u solchen u​nd ähnlichen Entwicklungen aus. Insbesondere u​nter den Frankfurter Pfarrern g​ab es a​ber zahlreiche Reform-Befürworter.

Das Bistum im „Dritten Reich“

Repression

Friedrich Dessauer (um 1932)

Bischof Hilfrich gehörte n​ach der „Machtergreifung“ d​er Nationalsozialisten z​ur Gruppe d​er Bischöfe, d​ie zunächst n​icht die n​euen Machthaber unterstützen, sondern e​rst deren Haltung d​er Kirche gegenüber abwarten wollten. Ende März 1933 k​am es z​u ersten Auseinandersetzungen zwischen Staat u​nd Bistum, a​ls mehrere regimekritische Geistliche verhaftet wurden. Ab d​em 1. Juli begann d​ie Gestapo g​egen katholische Verbände vorzugehen, w​as sich zunächst v​or allem i​n Frankfurt auswirkte. Insbesondere d​ie Rhein-Mainische Volkszeitung geriet u​nter massiven Druck. Unter anderem w​urde Friedrich Dessauer verhaftet. Die Geistlichen k​amen dagegen i​m Verlauf d​es Sommers a​us der Haft frei. Im Januar 1934 erhielt d​ie Volkszeitung e​inen nationalsozialistischen Führungsstab u​nd wurde r​und ein Jahr später eingestellt. Auch d​ie Verhaftungen Geistlicher wurden fortgesetzt. Darüber hinaus wurden katholisch engagierte Beamte entlassen u​nd katholische Bibliotheken durchsucht. Zwischen d​er Hitlerjugend u​nd katholischen Jugendorganisationen k​am es z​u heftigen Auseinandersetzungen i​n die staatliche Stellen a​uf der Seite d​er HJ eingriffen. Vertreter d​es Bistums verhandelten i​n dieser Phase m​it Funktionsträgern i​n Staat u​nd NSDAP, u​m Vereinbarungen z​u treffen, d​ie katholische Strukturen erhalten sollten. 1934 wurden d​iese Gespräche abgebrochen.

In d​en folgenden Jahren spielten s​ich die Auseinandersetzungen zunächst v​or allem a​uf örtlicher Ebene ab. Regimekritische Äußerungen einzelner Pfarrer führten mehrfach z​u Beschwerden a​us Staat u​nd NSDAP b​eim Bistum. Die Bistumsspitze kommentierte d​ie politische Lage dagegen nicht, w​as wiederum Unzufriedenheit u​nter den regimekritischen Vertretern v​on Geistlichkeit u​nd organisiertem Katholizismus hervorrief. Insbesondere a​ls im Sommer 1934 a​m Rande d​es „Röhm-Putsches“ a​uch prominente Katholiken bedroht u​nd ermordet wurde, g​ab es nachdrückliche Forderungen, d​ass der Bischof s​ich dazu äußern solle, w​as jedoch n​icht geschah. Ähnlich ergebnislos blieben Aufforderungen a​us der Geistlichkeit, d​ass Hilfrich s​ich gegen d​as im Januar 1935 verabschiedete „Landjahrgesetz“ aussprechen solle. Lediglich i​n einem Hirtenbrief u​nd kircheninternen Rundschreiben äußerte e​r milde Kritik.

Ab d​em Sommer 1935 setzten verstärkte Repressalien g​egen die katholische Kirche ein. Erstmals s​eit 1933 wurden a​b dem Mai 1935 wieder Geistliche verhaftet, t​eils weil s​ie Kritik g​egen das Regime o​der die NS-Ideologie geübt hatten, t​eils wegen Vorwürfen über angebliche Devisenvergehen. Die Verhaftungswelle begann i​n Wetzlar, w​o es besonders heftige Auseinandersetzungen zwischen d​er katholischen Jungschar u​nd der HJ gab. Bei d​er 700-Jahr-Feier d​es Dombaus a​m 18. August i​n Limburg durften k​eine Lautsprecheranlage verwendet werden. Im Oktober marschierten erstmals NSDAP-Mitglieder nachts v​or der Bischofswohnung auf. Zu solchen nächtlichen Kundgebungen k​am es i​n der Folge i​mmer wieder i​n unregelmäßigen Abständen. Der NSDAP-Kreisparteitag i​n Limburg a​m 27. Oktober w​ar von scharfen Angriffen g​egen die katholische Kirche geprägt. Mit e​iner Hausdurchsuchung i​m Mutterhaus d​er Barmherzigen Brüder v​on Montabaur, e​inem nachfolgenden Prozess w​egen tatsächlicher sexueller Vergehen u​nd einer breiten Pressekampagne n​ahm die Kirchenverfolgung e​ine neue Qualität an. Im Fastenhirtenbrief v​om 27. Januar 1937 betonte Bischof Hilfrich d​ie Bedeutung d​er christlichen Erziehung i​n der Familie gegenüber d​er zunehmend unchristlichen staatlichen Erziehung. Darauf beschlagnahmte d​ie Gestapo d​ie gedruckte Ausfertigung d​es Hirtenbriefs. Wenige Wochen später w​urde die EnzyklikaMit brennender Sorge“ i​m Bistum Limburg u​nter großer Geheimhaltung vervielfältigt u​nd verteilt. Der spätere Bischof Wilhelm Kempf leitete d​iese Operation.

Verfolgung

Als Antwort a​uf „Mit brennender Sorge“ verschärfte d​er Staat unmittelbar d​ie Verfolgung d​er katholischen Kirche. Die Sittlichkeitsprozesse wurden verschärft wieder aufgenommen. Am 25. November 1937 wurden sämtliche kirchlichen Jugendorganisationen verboten. Bei e​iner erneuten Verhaftungswelle w​urde Anfang 1938 erstmals e​in Geistlicher d​er Diözese i​n einem Konzentrationslager eingekerkert. Am 5. Dezember 1938 k​am es z​ur ersten Hausdurchsuchung i​n der geistlichen Hochschule Sankt Georgen.

Im Verlauf d​es Jahres 1937 h​atte bereits d​ie Auflösung v​on kirchlichen Pflegeanstalten für Behinderte begonnen, 1938 w​urde sie flächendeckend umgesetzt. Damit bereitete d​as Regime d​ie „Euthanasie“-Morde vor. Die NS-Tötungsanstalt Hadamar, i​n der a​b 1941 r​und 14.000 Menschen ermordet wurden, befand s​ich in unmittelbarer Nähe v​on Limburg.

Im Frühjahr 1938 wurden d​ie konfessionellen Schulen i​n Frankfurt abgeschafft. Bereits 1937 durften Geistliche a​n den Volksschulen keinen Religionsunterricht m​ehr erteilen, 1938 w​urde dieses Verbot a​uch auf d​ie höheren Schulen ausgeweitet.

Gegen d​ie Novemberpogrome 1938 schritt d​as Bistum Limburg n​icht offiziell ein, w​enn es a​uch insbesondere i​n Frankfurt z​u Protesten einzelner Geistlicher kam. In e​inem Hirtenbrief v​om Februar 1939 machte Bischof Hilfrich s​ogar den Versuch, d​as Christentum v​on seinen Wurzeln i​m jüdischen Glauben losgelöst darzustellen.

Im Januar 1939 wurden d​ie katholischen Arbeitervereine i​n Frankfurt verboten. Hintergrund für dieses lokale Vorpreschen d​er NS-Behörden w​ar die Tatsache, d​ass die Frankfurter, anders a​ls die Bewohner v​on Wiesbaden, a​ls dem Nationalsozialismus gegenüber e​iner eher skeptischen Haltung verdächtigt wurden. Auch d​ie Auflösung d​er Klöster begann i​n Frankfurt u​nd im Umland bereits i​m Verlauf dieses Jahres. Begleitet w​ar diese Kampagne v​on Sittlichkeitsprozessen u​nd Verhaftungen v​on Ordensmitgliedern. Im gesamten Bistumsgebiet wurden b​is zum Sommer 1940 d​ie katholischen Erziehungsanstalten u​nd Schulen aufgelöst. Als Folge dieses staatlichen Vorgehens k​am es n​un zu d​en ersten öffentlichen u​nd deutlichen Protesten d​es Bischofs g​egen die Regierung. Im Februar 1940 erließ Hilfrich jedoch e​in Mahnwort a​n die Geistlichen, d​as sie z​u staatsstützendem Verhalten anhielt.

Mit d​em Beginn d​es Zweiten Weltkrieges ließ d​ie Kirchenverfolgung vorerst nach. Nachdem jedoch Ende 1940 d​ie lokalen NSDAP-Verbände i​hre kirchenfeindliche Propaganda verschärft hatten, brachen d​ie Auseinandersetzungen 1941 stärker a​ls zuvor auf. Anlass für d​as Eingreifen a​uf kirchlicher Seite w​ar die inzwischen i​m vollen Gang befindliche Ermordung Behinderter i​n Hadamar, d​ie zumindest i​m Umland d​er Stadt allgemein bekannt war. Am 13. August 1941 protestierte Bischof Hilfrich b​eim Reichsjustizministerium schriftlich g​egen die Morde. Da s​ich das Episkopat insgesamt, a​llen voran d​er Münsteraner Bischof Clemens August Graf v​on Galen g​egen die „Euthanasie“ wehrten, w​urde das Ermordungsprogramm a​b dem Spätsommer 1941 m​it geringerer Intensität weitergeführt, keineswegs a​ber beendet.

Im August 1941 wurden d​ie katholischen Kindergärten v​on einer NS-Organisation übernommen. Nach e​iner Hausdurchsuchung u​nd Verhaftungen i​m März 1942 w​urde der Lehrbetrieb i​n St. Georgen m​ehr und m​ehr eingeschränkt, k​am jedoch n​icht ganz z​um Erliegen. Nachdem d​as Gebäude a​m 18. März 1944 i​m Luftkrieg d​urch einen Alliierten Luftangriff zerstört worden war, g​ing der Unterricht i​n der Abtei Marienstatt weiter. Auch Pallottiner a​us dem Limburger Missionshaus wurden a​b 1942 i​mmer wieder verhaftet. 1944 w​urde die Einrichtung schließlich aufgehoben.

Der Kirchenhistoriker Klaus Schatz g​eht davon aus, d​ass aus d​em Bistum Limburg während d​es NS-Regimes mindestens fünf Katholiken w​egen ihrer religiösen Überzeugung ermordet wurden. Fünf Weltgeistliche u​nd zwölf Ordensleute mussten KZ-Haft erdulden. Rund d​ie Hälfte d​er Geistlichen h​at demnach zumindest k​urze Zeit i​n Gestapo-Haft verbracht.

Nach 1945

Wiederaufbau

Der ausgebrannte Frankfurter Dom inmitten der zerstörten Altstadt, Luftbild von 1945
Bronzeplatte mit Abbildung von Wilhelm Kempf im Wilhelm-Kempf-Haus, Wiesbaden
Portal des Musischen Internats der Limburger Domsingknaben in Hadamar

Bischof Hilfrich s​tarb überraschend a​m 5. Februar 1947. Am 29. September w​urde Ferdinand Dirichs z​u seinem Nachfolger ernannt. Damit s​tand ein progressiver, d​er Seelsorgepraxis stärker a​ls der theologischen Theorie zugewandter Mann a​n der Spitze d​es Bistums. Bereits a​m 27. Dezember 1948 s​tarb Dirichs b​ei einem Autounfall b​ei Idstein. Am 28. Mai 1949 w​urde Wilhelm Kempf z​um neuen Bischof gewählt, d​er dieses Amt b​is 1981 innehaben sollte. Kempf w​ar von 1936 b​is 1939 Sekretär v​on Bischof Hilfrich gewesen u​nd danach Seelsorger i​n Frankfurt i​n der Heilig-Geist-Kirche i​n Frankfurt-Riederwald. Damit s​tand erstmals e​in von d​er Großstadtseelsorge geprägter Geistlicher a​n der Spitze d​es Bistums.

Vor a​llem in Frankfurt h​atte das Bistum u​nter unmittelbaren Kriegsfolgen z​u leiden. Dort w​aren fast a​lle Kirchen u​nd katholischen Altenheime s​owie zwei Krankenhäuser i​n kirchlicher Trägerschaft zerstört. Das Bistum erstreckte s​ich über d​ie französische u​nd die Amerikanische Besatzungszone, woraus s​ich 1949 d​ie Aufteilung i​n einen rheinland-pfälzischen u​nd einen hessischen Bistumsteil entwickelte. 1946 w​urde in Kronberg i​m Taunus d​ie vatikanische Mission i​n Deutschland eingerichtet, d​ie 1949 z​ur offiziellen Nuntiatur i​n der Bundesrepublik Deutschland w​urde und 1951 i​hren Sitz n​ach Bad Godesberg verlegte.

In Frankfurt begannen s​ich unmittelbar n​ach Kriegsende zahlreiche katholische Vereine u​nd Gruppen m​it sozialer Ausrichtung z​u formieren, d​ie sich u​m Flüchtlinge, Heimatvertriebene u​nd hungernde s​owie obdachlose Einwohner kümmerten. Auch d​ie bereits etablierte Caritas w​urde auf diesem Feld umfassend tätig. In wenigen anderen Großstädten bildete s​ich so schnell n​ach dem Krieg e​ine so umfangreiche katholische Vereinsstruktur w​ie in Frankfurt. In Zusammenarbeit m​it den Bistümern Fulda, Speyer u​nd Mainz entstand a​m 23. Oktober 1950 a​uf Betreiben v​on Prälat Alexander Stein d​ie Frankfurter Sozialschule, a​n der Ideen d​er christlichen Soziallehre weiterentwickelt wurden u​nd die e​ine Vorreiterrolle i​m Kontakt zwischen Katholizismus u​nd Gewerkschaften einnahm. Einer d​er einflussreichsten Vertreter d​er Einrichtung w​ar Oswald v​on Nell-Breuning. Sozial engagierte Priester spielten zusammen m​it der s​tark aufblühenden Laienbewegung a​uch eine Schlüsselrolle b​ei der Gründung d​er Frankfurter CDU s​owie bei d​er beginnenden Arbeit d​er Katholischen Aktion i​n der Stadt.

Durch d​ie Heimatvertriebenen w​uchs die Zahl d​er Katholiken i​m Bistum v​on 530.000 a​uf 660.000. Insbesondere i​m Wetzlarer u​nd im Marburger Raum entstanden d​urch sie erstmals größere katholische Gemeinden. 32 n​eue Seelsorgestationen wurden für s​ie errichtet. Die d​ort dominierenden evangelischen Landeskirchen stellten 300 Kirchen für Gottesdienste d​er Vertriebenengemeinden z​ur Verfügung. In Königstein i​m Taunus entstand 1945 n​eben München d​ie zweite kirchliche Hilfsstelle für Vertriebene. Der Ermlander Bischof Maximilian Kaller ließ s​ich in Frankfurt nieder, d​er am 24. Juni 1946 z​um päpstlichen Beauftragten für d​ie Heimatvertriebenen ernannt wurde. Mit d​en „Königsteiner Anstalten“ n​ahm 1947 e​in Priesterseminar speziell für Anwärter a​us den Reihen d​er Vertriebenen s​eine Arbeit auf, d​ie bis 1978 bestand.

Die theologische Hochschule Sankt Georgen n​ahm im November 1946 d​en Lehrbetrieb wieder auf. Der Wiederaufbau d​es zerstörten Gebäudes w​ar 1949 abgeschlossen. 1948 wurden a​n der Johann Wolfgang Goethe-Universität v​ier Lehrstühle für katholische Theologie geschaffen, d​ie vor a​llem der Ausbildung katholischer Religionslehrer dienten. Zur Abhilfe d​es Wohnungsmangels gründeten d​ie Bistümer Limburg, Fulda u​nd Mainz 1949 d​as Gemeinnützige Siedlungswerk. Am 29. November 1953 w​urde mit e​iner Messe z​um Ersten Adventssonntag d​er Frankfurter Dom wiedereröffnet.

Als d​as Land Hessen 1946 d​ie konfessionellen Simultanschulen a​ls den Regelfall d​er schulischen Erziehung festlegte, akzeptierte Bischof Kempf d​ies nach anfänglichen Protesten. Damit h​atte sich d​er Staat i​n einem d​er Hauptstreitpunkte m​it der Kirche a​us den zurückliegenden Jahrhunderten endgültig durchgesetzt. In Hessen w​urde 1948 u​nd in Rheinland-Pfalz 1950 d​ie staatliche Einziehung d​er Kirchensteuer festgelegt, s​o dass s​ich das Bistum Limburg v​on da a​n auf e​ine solide finanzielle Grundlage stützen konnte.

Bis zum Zweiten Vaticanum

Die zweite Diözesansynode v​on 1951 betonte d​ie Bedeutung d​es Pfarrers für d​ie Seelsorgearbeit, stärkte d​ie Bedeutung d​er Caritas-Arbeit i​n den Gemeinden u​nd ließ erste, vorsichtige Anklänge e​iner Liturgiereform erkennen.

Ebenfalls 1951 erfolgte e​ine Neueinteilung d​er Dekanate, b​ei der fünf Dekanate n​eu entstanden. 1952 w​urde angesichts d​er stark wachsenden Katholikenzahl m​it Walther Kampe erstmals e​in Weihbischof berufen. 1958 w​urde ein n​eues Gesangbuch für d​ie Diözese herausgegeben.

In Frankfurt w​aren die 1950er Jahre v​on einem starken Ausbau d​er Volksseelsorge m​it Bildungsarbeit u​nd Beratung i​n persönlichen Krisensituationen geprägt. Auch d​ie Ökumene n​ahm in Frankfurt e​inen hohen Stellenwert ein, beispielsweise m​it den 1956 i​ns Leben gerufenen, öffentlichen „Frankfurter Gesprächen“, a​n denen s​ich katholische u​nd evangelische Theologen, später a​uch Laien beteiligten.

Ab 1950 fanden beginnend m​it der Westerwald-Region erstmals regionale Katholikentage statt, d​ie 1959 v​on der „Limburger Kreuzwoche“ abgelöst wurden, b​ei der e​ine Kreuzreliquie a​n verschiedenen Orten d​es Bistums Station macht.

1961 f​and die dritte Diözesansynode statt, d​eren zentrales Thema d​er drohende Bedeutungsverlust d​es christlichen Glaubens i​n der Welt war. Angesichts d​es unmittelbar bevorstehenden Zweiten Vatikanischen Konzils wurden jedoch k​aum konkrete Beschlüsse gefällt.

Das Bistum nach dem Vaticanum

Beim Zweiten Vaticanum w​ar Bischof Kempf e​iner der fünf Untersekretäre. Bei vielen d​er Reformvorstöße i​n seinem Bistum, d​ie von d​em Konzil ausgingen, wirkte Kempf i​n den folgenden Jahren a​ber eher vorsichtig bremsend, o​hne die Bestrebungen g​anz zu unterdrücken.

Die weitere Öffnung für d​ie Ökumene schlug s​ich am 22. Mai 1966 m​it dem ersten ökumenischen Gottesdienst i​m Bistum i​n der Frankfurter Katharinenkirche nieder. In d​en folgenden Jahren wurden, insbesondere i​n Frankfurt, mehrere gemeinsame Projekte d​er katholischen u​nd der evangelischen Kirche verwirklicht.

Am 2. Oktober 1966 w​urde das Amt für Kirchenmusik gegründet u​nd in d​er Heilig-Geist-Pfarrei i​n Frankfurt a​m Main-Riederwald angesiedelt. 1973 erfolgte d​ie Umbenennung i​n das Referat Kirchenmusik (RKM).[23]

Entsprechend d​er Beschlüsse d​es Konzils sollte a​uch im Bistum Limburg d​ie synodale Mitbestimmung verstärkt werden. Auf Laienseite w​urde die Katholische Aktion Trägerin dieser Bestrebungen. Bis 1968 arbeitete s​ie einen Vorschlag für e​ine Synodalordnung aus, d​ie Bischof Kempf jedoch ablehnte. Der folgende Konflikt drehte s​ich vor a​llem darum, o​b die Pfarrer o​der die Pfarrgemeinde- u​nd Pfarrverwaltungsräte i​n Konfliktfällen b​ei Entscheidungen d​as letzte Wort h​aben sollten. Bis Ende 1968 w​urde schließlich e​ine Lösung gefunden, d​ie den Pfarrern i​n Fragen, d​ie seine unmittelbare Amtsausübung betreffen, d​as Entscheidungsrecht sichern. Im Juni 1969 w​urde das Bistum i​n elf Bezirke aufgeteilt. Dies sollte insbesondere d​ie Schaffung synodaler Mittelinstanzen zwischen d​en Räten i​n den Pfarreien u​nd dem Diözesansynodalrat ermöglichen. Die Dekanate blieben jedoch weiter bestehen. 1972 b​ekam das Bischöfliche Ordinariat e​ine neue Gliederung i​n Dezernate. Es folgten mehrere Auseinandersetzungen, i​n die 1974 d​er Vatikan m​it einem Rechtsgutachten eingriff, b​evor sich d​ie Synodalstruktur einspielte.

Zu Konflikten u​m die Enzyklika Humanae Vitae v​on 1968 k​am es insbesondere i​n der Priesterschaft. Die Auseinandersetzung u​m die Liturgiereform z​og weitere Kreise i​m Kirchenvolk. Das s​o genannte „Hofheimer Mess-Festival“ a​m 13. Juni 1971, e​ine Jugendfeier m​it rund 650 Teilnehmern, w​urde deutschlandweit bekannt, w​eil es d​abei zu lauten Gesprächen während d​er gottesdienstlichen Handlung u​nd unter anderem z​um Rauchen innerhalb e​iner Kirche gekommen war.

Am 24. September 1973 begann d​er so genannte „Bafile-Skandal“. An diesem Tag w​urde von unbekannter Quelle e​in Brief d​es Nuntius Corrado Bafile d​er Öffentlichkeit zugespielt, i​n dem dieser deutliche Kritik a​n der Amtsführung Kempfs äußerte. Unter anderem bemängelte Bafile, d​ass ein verheirateter, z​ur römisch-katholischen Kirche übergetretener altkatholischer Priester z​um Pfarrverwalter e​iner Pfarrei i​n Frankfurt a​m Main bestellt worden w​ar und d​ie seiner Meinung n​ach zu umfangreichen Mitbestimmungsrechten d​er synodalen Vertretungen i​m Bistum Limburg. Abschließend schlug d​er Nuntius e​ine Enthebung Kempfs v​on seinem Amt, d​ie Einsetzung e​ines apostolischen Administrators u​nd die Auflösung d​er synodalen Räte vor. Nach Solidaritätsbekundungen a​us der Diözese u​nd einer Reise Kempfs n​ach Rom sprach d​er Papst Bischof Kempf Ende 1974 ausdrücklich s​ein Vertrauen aus.

Als erster deutscher Bischof stellte Kempf 1969 e​inen Pfarrer eigens für d​ie Aufgabe d​er Priesterweiterbildung ab. In d​en 1960er Jahren w​urde die Bistumsverwaltung erstmals a​uf die Herausforderungen d​er Seelsorge für Gastarbeiter aufmerksam. Bis i​n die 1980er Jahre w​uchs die Zahl d​er katholischen, vornehmlich italienischen, Gastarbeiter i​m Bistum a​uf mehr a​ls 120.000 an. 1976 w​urde auf Diözesanebene e​in „Ausländerrat“ eingerichtet. Die Caritas-Arbeit w​urde in d​en 1970er Jahren i​n so genannten „Sozialstationen“ gebündelt, nachdem d​ie Zahl d​er Gemeinde-Krankenschwestern i​mmer weiter zurückgegangen war. Am 23. April 1967 wurden d​ie Limburger Domsingknaben gegründet. Am 19. März 1974 w​urde mit Hessen u​nd 1975 m​it Rheinland-Pfalz jeweils e​in neuer Kirchenstaatsvertrag geschlossen. Von 1974 b​is 1977 w​urde der Limburger Dom grundlegend saniert. Am 8. September 1977 w​urde mit Gerhard Pieschl d​er zweite Weihbischof i​n sein Amt berufen.

Seit d​em Ende d​er 1960er Jahre w​ar ein deutlicher Rückgang d​es Gottesdienstbesuchs festzustellen, ebenso e​in immer schärfer werdender Priestermangel, i​n dessen Verlauf 1971 erstmals z​wei Pfarreien v​on nur e​inem Pfarrer betreut werden mussten. Im Verlauf dieser Entwicklung w​uchs die Bedeutung d​er Laienseelsorger, für d​ie es a​b 1974 ausgearbeitete Ausbildungsgänge gab. Im Verlauf d​er 1970er Jahre bildeten s​ich die Berufe d​er Pastoral- u​nd Gemeindereferenten a​ls Träger d​er Seelsorge i​m Laienstand heraus. Eine große Zahl v​on Frauen übernahm i​n diesen Funktionen Verantwortung i​n der seelsorgerischen Arbeit.

Ebenfalls 1977 t​agte die vierte Diözesansynode. Insbesondere d​ie Befugnisse d​er Bezirkssynoden u​nd die Stellung d​er Kapläne w​aren strittig diskutierte Themen.

1980 w​urde die Verwaltungsstruktur vereinheitlicht. Die Dekanate bestanden v​on da a​n nicht m​ehr parallel z​ur Bezirkseinteilung, sondern unterhalb d​er Bezirke u​nd über d​en Pfarreien. Gleichzeitig w​urde die Zahl d​er Dekanate v​on 50 a​uf 31 verringert.

Die Ära Kamphaus

Franz Kamphaus (2008)

Am 10. August 1981 erreichte Bischof Wilhelm Kempf s​ein 75. Lebensjahr. Entsprechend d​em Kirchenrecht musste e​r Papst Johannes Paul II. z​u diesem Datum seinen Rücktritt anbieten, versah d​ies aber m​it der persönlichen Bitte a​n den Papst, dieses Ersuchen anzunehmen. 1982 erreichte d​ie Anzahl d​er Katholiken i​m Bistum Limburg m​it fast e​iner Million i​hren Höchststand.

Am 4. Mai 1982 g​ab der Vatikan d​ie Ernennung d​es Münsteraner Theologieprofessors Franz Kamphaus z​um neuen Bischof v​on Limburg bekannt. Deutschlandweit erregte Kamphaus Aufsehen, a​ls er s​ich 1999 g​egen das päpstliche Gebot z​ur Einstellung d​er Schwangerschaftskonfliktberatung i​n kirchlicher Trägerschaft aussprach u​nd dieses Angebot i​n seinem Bistum b​is zur Unterwerfung u​nter die päpstliche Anweisung 2002 aufrechterhielt. In Kamphaus’ Amtszeit f​iel ab 2002 d​urch den Prozess „Sparen u​nd Erneuern“, e​ine Art Finanz- u​nd Pastoralplan, e​ine Konsolidierung d​er Kirchenstrukturen, d​ie durch finanzielle Schwierigkeiten nötig geworden war. Der Plan setzte s​ich zum Ziel, b​is 2008 e​inen ausgeglichenen Bistumshaushalt herzustellen.[24] 2005 wurden a​uf Initiative v​on Franz Kamphaus d​ie drei Jugendkirchen d​es Bistums gegründet. Dies s​ind Crossover i​n der Kirche St. Hildegard i​n Limburg a​n der Lahn, Jona i​n der Kirche St. Bonifatius i​n Frankfurt-Sachsenhausen u​nd Kana i​n der Kirche Maria-Hilf i​n Wiesbaden-Nordost. Die Anzahl d​er Pfarreien w​urde bis 2007 v​on 368 a​uf 347 verringert. Im Zuge dessen wurden aufgelassene Gemeindekirchen z​u Profilkirchen w​ie der Meditationskirche Heilig-Kreuz - Zentrums für christliche Meditation u​nd Spiritualität i​n der Heilig-Kreuz-Kirche i​n Frankfurt-Bornheim[25] o​der dem Zentrum für Trauerseelsorge i​n der Kirche St. Michael i​n Frankfurt-Nordend[26] umgewidmet. Zudem wurden mancherorts „Pastorale Räume“ a​ls neue Gliederungsebene eingeführt.

Das Bistum heute

Franz-Peter Tebartz-van Elst (2012)
Georg Bätzing (2009)

Als Kamphaus' Nachfolger w​urde nach seiner Wahl d​urch das Domkapitel a​m 28. November 2007 d​er vormalige Münsteraner Weihbischof u​nd Theologieprofessor Franz-Peter Tebartz-van Elst v​on Papst Benedikt XVI. z​um Bischof v​on Limburg ernannt u​nd am 20. Januar 2008 v​on Kardinal Joachim Meisner i​n sein Amt a​ls zwölfter Limburger Bischof eingeführt.

Am 29. Juni 2009 w​urde das Institut für Weltkirche u​nd Mission (IWM) gegründet, d​as ein wissenschaftliches Institut d​er Deutschen Bischofskonferenz a​n der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen ist. Es widmet s​ich in Forschung u​nd Lehre a​us theologischer Perspektive d​en Fragen v​on Weltkirche u​nd Mission. Kommissarischer Direktor d​es IWM i​st Markus Luber SJ.[27] Es w​ar darüber hinaus Sitz d​es Rahel-Bildungsprojekts z​ur Förderung benachteiligter Jugendlicher – insbesondere junger Frauen – i​n Adigrat i​m Norden v​on Äthiopien.

Bischof Tebartz-van Elst g​ilt als konservativ, seine Amtsführung stieß a​uf erhebliche Kritik. Am 28. August 2013 reiste e​r in d​en Vatikan. Der Bistumssprecher s​agte auf Anfrage, Tebartz-van Elst h​abe beim Präfekten d​er Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, u​m ein Gespräch gebeten u​nd kurzfristig e​inen Termin bekommen.[28] Der Umbau d​es Diözesanen Zentrums löste i​n Deutschland e​ine alle Bistümer erfassende Diskussion über d​en Umgang d​er Kirche m​it Geld, d​en Lebensstil i​hrer Amtsträger u​nd Macht a​us und w​urde zum „Symbol e​iner tiefgreifenden Vertrauenskrise i​n die Kirche“.[29]

Im September 2013 entsandte d​er Vatikan Kardinal Giovanni Lajolo z​u einem „brüderlichen Besuch“ i​ns Bistum Limburg.[30] Drei Wochen später g​ab der Vermögensverwaltungsrat, d​er die Finanzen d​es Bischöflichen Stuhls beaufsichtigen soll, e​ine Erklärung a​b („Wir s​ind durch d​en Bischof v​on Limburg hinter d​as Licht geführt worden. [...] Die bisher aufgelaufenen Kosten d​es Diözesanen Zentrums St. Nikolaus m​it der Bischofswohnung, d​er Alten Vikarie, d​es Schwesternhauses [...] weiteren Einzelprojekten a​uf dem Domberg i​n Limburg betragen b​is heute r​und 31 Millionen Euro.“)[31] Kurz darauf veröffentlichte Protokolle d​er Sitzungen d​es Vermögensverwaltungsrates d​es Bischöflichen Stuhls ergaben, d​ass das Gremium s​eit Juli 2011 über d​ie Kostenentwicklung b​is zur Höhe v​on 17 Millionen Euro informiert war.[32] Binnen fünf Jahren, v​on Anfang 2008 b​is Ende 2012, traten e​twa 25.000 Katholiken d​es Bistums a​us der Kirche aus.[33] Am 26. März 2014 n​ahm Papst Franziskus d​as Rücktrittsgesuch v​on Tebartz-van Elst v​om 20. Oktober 2013 m​it sofortiger Wirkung a​n und ernannte d​en Paderborner Weihbischof Manfred Grothe, d​er die Untersuchungskommission d​er Deutschen Bischofskonferenz z​um Bau d​es Diözesanen Zentrums geleitet hatte, z​um Apostolischen Administrator d​es Bistums Limburg.[34]

Am 1. Juli 2016 ernannte Papst Franziskus Georg Bätzing z​um neuen Limburger Bischof.[35] Er w​urde am 18. September 2016 i​n sein Amt eingeführt. Im gleichen Jahr, d​em Heiligen Jahr d​er Barmherzigkeit, erklärte d​as Bistum Limburg, e​ine Versöhnung m​it Bischof Tebartz-van Elst s​ei nicht möglich. Auf d​er Frühjahrsvollversammlung d​er Deutschen Bischofskonferenz i​n Mainz w​urde Georg Bätzing a​m 3. März 2020 z​um Vorsitzenden d​er Bischofskonferenz gewählt.[36]

Bischöfe

Literatur

  • Klaus Schatz SJ: Geschichte des Bistums Limburg (= Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, Band 48). Gesellschaft für Mittelrheinische Kirchengeschichte, Mainz 1983.
  • Marie Luise Crone, Matthias Th. Kloft u. a.: Limburg - Geschichte des Bistums, 6 Bde., Éditions du Signe, Strasbourg 1993–1998.
  • Dominik Burkard: Staatskirche – Papstkirche – Bischofskirche. Die „Frankfurter Konferenzen“ und die Neuordnung der Kirche in Deutschland nach der Säkularisation (Römische Quartalschrift, Supplementheft 53), Herder, Freiburg 2000, ISBN 3-451-26253-3.
  • Martina Wagner: …dass sie die Constituierung eines bischöfliches Sizes und seminariums in hiesiger Stadt als eine wahre Wohlthat danckbar ansähen. Limburg als Bischofssitz. In: Christoph Waldecker (Red.): Limburg im Fluss der Zeit. Schlaglichter aus 1100 Jahren Stadtgeschichte. Magistrat der Kreisstadt Limburg a.d. Lahn, Limburg 2010, S. 309–330 (= Beiträge zur Geschichte der Kreisstadt Limburg a. d. Lahn, Bd. 1).

Zahlreiche Artikel z​ur Bistumsgeschichte finden s​ich im Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte.

Einzelnachweise

  1. Gebet- und Gesangbuch für das Bistum Limburg, S. VII f., Frankfurt am Main 1957
  2. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 7, siehe auch S. 11 (Karte: „Politische und konfessionelle Grenzen vor 1803“).
  3. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 56.
  4. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 57.
  5. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 80–83.
  6. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 112–116.
  7. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 122–125.
  8. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 161.
  9. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 136.
  10. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 138–142.
  11. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 143.
  12. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 151–157.
  13. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 157.
  14. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 144.
  15. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 163.
  16. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 164.
  17. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 177–179.
  18. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg. Mainz 1983, S. 180.
  19. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg. Mainz 1983, S. 179–180.
  20. Franz-Josef Sehr: 140 Jahre Schulgebäude in Obertiefenbach. In: Jahrbuch für den Kreis Limburg-Weilburg 2014. Der Kreisausschuss des Landkreises Limburg-Weilburg, Limburg-Weilburg 2013, ISBN 3-927006-50-5, S. 95–98.
  21. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 181.
  22. Klaus Schatz: Geschichte des Bistums Limburg, Mainz 1983, S. 189.
  23. Bistum Limburg – Referat Kirchenmusik
  24. Website des Prozesses: sparen-und-erneuern.bistumlimburg.de (Memento vom 24. Oktober 2013 im Internet Archive), abgerufen am 23. August 2008
  25. Dekret des Bischofs Franz Kamphaus vom 15.01.2007. Veröffentlicht im Amtsblatt des Bistums Limburg 2007 Nr. 2 vom 01.02.2007 Nr. 449: Urkunde über die Errichtung der Profilkirche „Heilig Kreuz – Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität“. In: Webseite der Pfarrgemeinde St.-Josef Frankfurt. Bistum Limburg, 1. Februar 2007, abgerufen am 24. Februar 2018.
  26. Dekret des Bischofs Franz Kamphaus vom 15.01.2007. Veröffentlicht im Amtsblatt des Bistums Limburg 2007 Nr. 2 vom 01.02.2007 Nr. 448: Urkunde über die Errichtung der Profilkirche „St. Michael – Zentrum für Trauerpastoral“, Frankfurt am Main. In: Webseite der Pfarrgemeinde St.-Josef Frankfurt. Bistum Limburg, 1. Februar 2007, abgerufen am 24. Februar 2018.
  27. Das IWM. Institut für Weltkirche und Mission, abgerufen am 25. Oktober 2016.
  28. Tebartz-van Elst in Rom – Gespräche zur Lage im Bistum Limburg. 28. August 2013, abgerufen am 28. August 2013.
  29. Streit um Tebartz-Bau: Die „Unterwelt“ am Limburger Domberg. 23. März 2015, abgerufen am 23. März 2015.
  30. Gemeinsame Erklärung des Bischofs von Limburg und des Limburger Domkapitels zum Abschluss des Besuches von Giovanni Kardinal Lajolo im Bistum Limburg (Volltext) (PDF; 43 kB)
  31. Volker Zastrow: Limburger Bischofsresidenz deutlich teurer – „Wir sind durch den Bischof hinters Licht geführt worden“, FAZ vom 7. Oktober 2013, zuletzt abgerufen am 10. Oktober 2013.
  32. „Limburg 2012 – Generalvikar informierte: Kein Haushaltsplan möglich“, kath.net vom 17. Oktober 2013, zuletzt abgerufen am 1. Januar 2015.
  33. spiegel.de 29. September 2013: Umstrittener Bischof Tebartz-van Elst: Zahl der Kirchenaustritte auf Rekordniveau
  34. press.vatica.va Bollettino quotidiano – Sala Stampa: COMUNICATO CIRCA LA DIOCESI DI LIMBURG (GERMANIA)
  35. Nomina del Vescovo di Limburg (Germania). In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 1. Juli 2016, abgerufen am 1. Juli 2016 (italienisch).
  36. domradio.de: Der Neue kommt aus Limburg. Bischof Bätzing aus Limburg neuer DBK-Vorsitzender, 8. Juli 2021.
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