Perserkriege
Als Persische Kriege oder kurz Perserkriege bezeichnet man allgemein die im frühen 5. Jahrhundert v. Chr. von den persischen Großkönigen Dareios I. und Xerxes I. unternommenen Versuche, durch Gewalt Griechenland ihrem Reich anzugliedern. Diese Unternehmungen schlugen jedoch trotz gewaltiger persischer Übermacht fehl, als sich etwa 30 Poleis unter der Führung von Athen und Sparta zum Widerstand entschlossen. Von den siegreichen Griechen wurde die erfolg-, aber auch aufopferungsreiche Verteidigung ihres Mutterlandes sehr bald zum politischen Mythos erhoben, der sich auch in Theaterstücken wie Die Perser des Aischylos ausdrückte. Dieser Mythos hat teilweise bis ins 21. Jahrhundert überlebt und wurde historisch oft als Verteidigung der Freiheit des Abendlandes gegen „orientalische Despotie und Gewaltherrschaft“ gedeutet.
Lade – Marathon – Thermopylen – Artemision – Salamis – Plataiai – Mykale – Eurymedon
Ausgelöst wurden die Perserkriege durch den sogenannten Ionischen Aufstand (500/499 bis 494 v. Chr.). Als ihre Höhepunkte dürfen die Schlacht bei Marathon (490 v. Chr.) im ersten sowie die Seeschlacht von Salamis (480 v. Chr.) und die Schlacht von Plataiai (479 v. Chr.) im zweiten persischen Krieg gelten. Die Niederlage der Perser hatte weitreichende Auswirkungen auf die weitere persische, griechische und letztlich europäische Geschichte. Wichtigste zeitgenössische Quelle für die Geschehnisse ist der antike Geschichtsschreiber Herodot.
Ausgangssituation
Griechenland im 6. Jahrhundert v. Chr.
Nach dem Ende der mykenischen Palastzeit zu Beginn des 12. Jahrhunderts v. Chr. hatten Teile Griechenlands einen enormen Bevölkerungsrückgang und Niedergang der materiellen Kultur erlebt. Ein weiterer Niedergang erfolgte – auch in Regionen, die von den Umwälzungen um 1200 v. Chr. verschont blieben oder solchen, in denen es in SH III C mittel (zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts v. Chr.) eine gewisse Nachblüte der mykenischen Kultur gegeben hat – im Laufe des 11. Jahrhunderts v. Chr. Etwa ab dem 8. Jh. v. Chr. begann sich dieser Prozess umzukehren. Die Bevölkerungszahl stieg wieder an, während Einflüsse aus dem Orient neue Kunstformen und auch ein neues Schriftsystem hervorbrachten. Bereits zuvor hatten die verschiedenen griechischen Stämme die Inseln der Ägäis und die Westküste Kleinasiens besiedelt. Aufgrund des starken Bevölkerungswachstums und des daraus resultierenden Landmangels begann nun die griechische Kolonisation des restlichen Mittelmeerraums sowie des Schwarzmeergebietes. Gleichzeitig entstand im Mutterland und in den neuen Kolonien die politische Organisation auf Grundlage der Polis, des innen- wie außenpolitisch autonomen Stadtstaates. Dennoch blieben auch weiterhin Teile der griechischen Bevölkerung in Stammesverbänden gegliedert.[1]
Um die Wende zum 6. Jahrhundert v. Chr. kamen die griechischen Poleis Kleinasiens unter die Oberherrschaft des Lyderreiches, während die europäischen Griechen und die Bewohner der Kolonien weiterhin unabhängig blieben. Im Mutterland begannen bald einige größere Poleis eine überragende politische Rolle zu spielen. Besonders Sparta mit seinem überlegenen Heer und das wirtschaftlich dominierende Athen sind hier zu nennen. Sparta hatte sich bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. in zahlreichen Kriegen zur flächenmäßig größten griechischen Polis entwickelt und den größten Teil der Halbinsel Peloponnes entweder unterworfen oder in ein Bündnissystem, den sogenannten Peloponnesischen Bund, gezwungen. In Athen konnte der Adlige Peisistratos in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr., ähnlich wie es schon in anderen griechischen Städten geschehen war, eine Tyrannis errichten und diese sogar an seine Söhne Hippias und Hipparch weitervererben. Im Jahr 510 v. Chr. wurde die Tyrannenherrschaft durch den athenischen Aristokraten Kleisthenes aus der Familie der Alkmeoniden mit Hilfe des spartanischen Königs Kleomenes I. abgeschafft. Nachdem Kleomenes versucht hatte, mit Isagoras einen pro-spartanischen Politiker als Archon in Athen zu installieren, wurde dieser von Kleisthenes und seinen Anhängern gestürzt, die daraufhin die Demokratie in Athen einführten.[2] Das neue politische System war stark genug, eine spartanische Invasion, die Isagoras wieder an die Macht bringen sollte, genauso abzuwehren wie Angriffe aus Böotien, Ägina und Chalkis. Wie Sparta und Athen waren auch die anderen griechischen Poleis des Mutterlandes in ständige Konflikte miteinander verwickelt und schienen kaum zu gemeinsamem politischem Handeln fähig. Die Zerrissenheit der griechischen Welt ging sogar so weit, dass sich innerhalb der einzelnen Poleis verschiedene Gruppierungen um die Macht stritten.
Persien im 6. Jahrhundert v. Chr.
Mitte des 6. Jahrhunderts v. Chr. erlebte die Staatenwelt des vorderen Orients, die sich nach dem Ende des Neuassyrischen Reiches herausgebildet hatte, mit dem Aufstieg des persischen Achämenidenreichs eine tiefgreifende Umwandlung. Auslöser hierfür war die Expansionspolitik des persischen Königs Kyros II., der über ein kleines Reich im Südwesten des Iran herrschte. Um 550 v. Chr. begann er einen Krieg gegen das benachbarte iranische Mederreich, das er schließlich unterwerfen konnte, so dass er nun schlagartig über ein Gebiet gebot, das sich vom Iran bis zum Osten Kleinasiens ausdehnte. Nicht einmal ein Jahrzehnt später brachte Kyros mit seinem Sieg über Kroisos, den König des Lyderreiches, auch Kleinasien unter seine Herrschaft. Hier kamen die Perser zum ersten Mal mit den an der Westküste Kleinasiens siedelnden Griechen in Kontakt, die zuvor unter der Hoheit des Lyderkönigs gestanden hatten und sich nach kurzem Widerstand den Persern ergaben.
Nach einigen Kämpfen im Osten des Reiches wandte sich der Eroberer kurz darauf nach Süden gegen das Neubabylonische Reich, welches sich über Mesopotamien und die Levante erstreckte. Streitigkeiten zwischen dem dortigen Königshaus und der lokalen Priesterelite erleichterten die Eroberung. Nachdem Kyros im Kampf gegen zentralasiatische Nomaden gefallen war, gelang es seinem Sohn Kambyses II., in der Schlacht bei Pelusium um 525 v. Chr. Ägypten zu erobern und damit die große Phase der persischen Expansion zum Abschluss zu bringen, wenngleich auch noch später kleinere Gebietserwerbungen folgten.
Auf den Tod des Kambyses folgten innere Wirren, und seinem Nachfolger Dareios I., der vermutlich im Grunde ein Usurpator war, fiel es zu, das junge Imperium wieder zu konsolidieren. Er erreichte dies durch zahlreiche Reformen, wie die verwaltungs- und steuerrechtliche Aufteilung des Reichs in Satrapien, den Ausbau des Verkehrsnetzes oder die Schaffung neuer Residenzen in Susa und Persepolis. Zu seinen kriegerischen Unternehmungen gehörten die Eroberung von Teilen Indiens und Thrakiens. Letztere stand in Zusammenhang mit dem dauerhaften Kampf der Perser mit den Nomaden Zentralasiens und Südrusslands. Dareios überquerte 513/512 v. Chr. mit einer Schiffbrücke den Bosporus nach Europa, um gegen die Skythen nördlich der Donau vorzugehen. Auf dem Weg nach Norden gliederte er Thrakien in den Reichsverband ein und machte das Königreich Makedonien tributpflichtig. Der Kampf gegen die Nomaden blieb zwar erfolglos, doch hatte Dareios dem Perserreich mit seinem Feldzug zu seiner größten Ausdehnung verholfen und es zu einem direkten Nachbarn der europäischen Griechen gemacht. Diese standen nun dem größten Imperium gegenüber, das die Welt bis dahin gesehen hatte.
Der Ionische Aufstand
Die Ionier bildeten eine der großen griechischen Sprachgruppen. Im Zuge der Völkerverschiebungen, die Griechenland während der Dunklen Jahrhunderte erlebte, hatten sie sich in Attika und über zahlreiche Inseln und Küstengebiete der Ägäis verbreitet. Unter anderem hatten sie sich auch am zentralen Teil der westkleinasiatischen Küste (in etwa vom heutigen İzmir im Norden bis nördlich von Halikarnassos im Süden) festgesetzt. Dieses Gebiet war seitdem unter dem Namen Ionien bekannt. Die hier entstandenen Städte bildeten Anfang des 8. Jh. v. Chr. den Ionischen Bund. Durch die Eroberungen des Kyros waren auch die ionischen Griechen in Kleinasien unter persische Oberherrschaft geraten. Die Perser waren zwar bemüht, den Unterworfenen eine gewisse innere Autonomie zu gewähren, doch versuchten sie ihre Herrschaft auch dadurch zu sichern, dass sie in den kleinasiatischen Poleis ihnen treu ergebene Tyrannenregime installierten. In der großen ionischen Metropole Milet übte ein gewisser Aristagoras diese Position aus. Um das Jahr 500 v. Chr. entschied sich dieser allerdings dafür, von seinen Herren abzufallen, seine Stellung als Tyrann aufzugeben und sich stattdessen an die Spitze eines anti-persischen Aufbegehrens zu stellen. Wieso er das tat, ist ziemlich unklar. Herodot berichtet, Aristagoras sei Anführer einer gescheiterten Expedition gegen die Insel Naxos gewesen und stellte sich daraufhin gegen die Perser, um nicht für den Misserfolg zur Verantwortung gezogen werden zu können.[3] Möglich ist aber auch, dass er sich einem sich bereits anbahnenden Aufstand anschloss, um nicht selbst durch diesen aus dem Amt befördert zu werden. Die Unzufriedenheit der reichen ionischen Handelsstädte mit der persischen Herrschaft scheint damals nämlich aufgrund wirtschaftlicher Probleme gestiegen zu sein.[4]
Aristagoras versuchte zunächst, im griechischen Mutterland um Unterstützung für seine Sache zu werben. Bei König Kleomenes I. in Sparta stieß er auf taube Ohren. Zu weit entfernt erschien den Spartanern der Kriegsschauplatz und zu wenig erfolgversprechend die Aussichten. Zudem war man in Sparta im Begriff, einen Krieg gegen den alten Erzfeind Argos zu beginnen. In Athen hatte Aristagoras mehr Glück. Die dortige Regierung ließ sich überzeugen, den Ioniern mit zwanzig Kriegsschiffen zur Seite zu stehen. Auch Eretria auf Euböa entsandte fünf Schiffe. Insgesamt war der Beitrag der europäischen Griechen zum Aufstand eher gering, aber dennoch sehr folgenreich, wie sich später zeigen sollte.
Der Aufstand verlief zunächst recht erfolgreich. Er traf das Perserreich offenbar unvorbereitet. 499 v. Chr. gelang es den Aufständischen Sardes, die alte lydische Königsstadt und wichtigstes persisches Zentrum im Westen, einzunehmen und in Brand zu setzen. Trotz einer Niederlage bei Ephesos weitete sich der Krieg bis zur Region am Hellespont und bis nach Karien und Lykien aus. Selbst auf Zypern erhoben sich nun die Griechen. Dann begann sich das Blatt jedoch zu Gunsten der Perser zu wenden. Zypern wurde zurückerobert, und auch aus Sardes mussten sich die Griechen zurückziehen. 494 v. Chr. wurde die Flotte der Griechen in der Seeschlacht von Lade zerstört, und der Aufstand brach zusammen. Die Schiffe Athens hatten sich bereits zuvor, nach einem Regierungswechsel in der Heimat, zurückgezogen. Auch Aristagoras hatte Kleinasien frühzeitig verlassen und war nach Thrakien geflohen, wo er 497 v. Chr. im Kampf gegen Einheimische starb.[5] Um ein Exempel zu statuieren, zerstörten die Perser Milet, das nie wieder eine so bedeutende Stellung wie vor dem Aufstand einnehmen sollte. Die meisten Städte kamen aber eher glimpflich davon. Man versuchte die Region vor allem mit friedlichen Mitteln wieder zu beruhigen. Das Land wurde neu vermessen und in Kataster eingetragen, ordentliche Gerichtsverhandlungen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Gemeinden wurden ermöglicht, und auch die Tyrannis wurde bei weitem nicht in allen Städten wieder eingeführt. Auch auf eine Erhöhung der Tribute verzichteten die Perser.
Marathon
Dareios I. hatte den persischen Herrschaftsbereich bereits am Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. nach Europa hin ausgedehnt. Die Beteiligung der europäischen Griechen am Ionischen Aufstand, so geringfügig sie auch gewesen war, lenkte seine Aufmerksamkeit erneut auf den Westen. Die unabhängigen griechischen Staaten jenseits der Ägäis bedeuteten eine Gefahr für die persische Herrschaft in Westkleinasien. Außerdem waren Athen und Eretria für die von ihnen geleistete Hilfe für die Aufständischen zu bestrafen. Hinzu kam noch, dass sich einige prominente politische Flüchtlinge aus Griechenland am persischen Hof aufhielten, wie etwa der von seinem Kollegen Kleomenes I. vertriebene spartanische Ex-König Demaratos oder Hippias, der ehemalige Tyrann von Athen.
Im Jahr 492 v. Chr. wurde der persische Feldherr Mardonios, ein Schwiegersohn des Dareios, mit einem aus Land- und Seestreitkräften bestehenden Heer nach Thrakien und Makedonien entsandt, um die persische Herrschaft in diesem Gebiet, die infolge des Ionischen Aufstandes ebenfalls gelitten hatte, zu restaurieren. Zusätzlich gelang ihm die Eroberung der Insel Thasos. Weitere Vorstöße nach Süden blieben ihm allerdings verwehrt, da die persische Flotte nahe dem Athosgebirge durch einen Sturm zerstört wurde.
490 v. Chr. folgte die Strafexpedition von Datis und Artaphernes, einem Neffen des Dareios. Bereits 491 v. Chr. hatten die Perser Gesandte ausgeschickt, die die Unterwerfung der griechischen Poleis in Form einer symbolischen Übergabe von Erde und Wasser forderten. Viele Staaten in Nord- und Mittelgriechenland gaben dem Druck nach. Nur einige wenige, allen voran Athen und auch Sparta mit seinen peloponnesischen Verbündeten, weigerten sich und töteten die Gesandtschaften.[6] Die beiden großen Poleis hatten von der persischen Herrschaft nichts Gutes zu erwarten. Die Athener mussten die Rückkehr zur Tyrannis befürchten, während die Spartaner ihre Vorrangstellung auf der Peloponnes gefährdet sahen. Als Antwort auf diesen Frevel – Gesandte galten als unantastbar – entsandte Persien eine Flotte in die Ägäis, um die griechische Unterwerfung mit Gewalt zu erzwingen. Die Kykladen ergaben sich. Eretria wurde erobert, für seine Beteiligung am Ionischen Aufstand niedergebrannt und seine Bevölkerung nach Medien verschleppt. Schließlich landete eine persische Expeditionsstreitmacht auch in Attika nahe Marathon. Begleitet wurde sie von Hippias, dessen Position in Athen wiederhergestellt werden sollte.
Das unmittelbar bedrohte Athen entsandte Eilboten nach Sparta, um von diesem militärische Unterstützung zu erhalten. Die Spartaner setzten ihre Truppen allerdings nicht sofort in Bewegung, mit der Begründung, dass es ihnen während der Dauer des gerade abgehaltenen Karneia-Festes verboten sei, in den Krieg zu ziehen.[7] Sie sollten nur zwei oder drei Tage zu spät eintreffen.[8] So standen den Athenern 490 v. Chr. nur die Truppen des verbündeten Plataiai in der Schlacht zur Seite.
Wichtigster militärischer Führer der griechischen Verbände war Miltiades, der Führer der konservativen Adelspartei Athens.[9] Er riet den Athenern, ihre Stadt zu verlassen, um den Persern in offener Feldschlacht gegenüberzutreten. So versperrte das griechische Heer den Weg nach Athen. Aufgrund unterschiedlicher Überlieferungen ist der Verlauf der Schlacht nicht genau zu rekonstruieren.[10] So ist etwa unbekannt, ob es die Perser oder die Griechen waren, die die Schlacht eröffneten. Sicher ist jedoch, dass es die in dichter Formation marschierenden, schwer gepanzerten griechischen Hopliten waren, die am Ende den Sieg davontrugen. Nur 192 athenische Vollbürger sollen in der Schlacht gefallen sein.[11] Die Griechen zogen sich daraufhin nach Athen zurück, um die Stadt gegen einen persischen Angriff abzuschirmen. Die persische Streitmacht war demnach also noch bei weitem nicht vernichtet und stellte weiterhin eine Bedrohung dar. Der erwartete Angriff blieb allerdings aus, die Perser zogen sich stattdessen in die Heimat zurück.
Der erste persische Angriff auf das griechische Mutterland war damit gescheitert. Die Ausmaße der Schlacht von Marathon sollten deshalb aber nicht überschätzt werden. Dareios hatte nur eine relativ kleine Expeditionsstreitmacht ausgeschickt, um einige wenige griechische Poleis zu bestrafen, und die Schlacht selbst scheint nicht viel mehr als ein Scharmützel gewesen zu sein. Für das Selbstbewusstsein Athens war dieser erste Abwehrkampf allerdings von enormer Bedeutung. Zudem waren zum ersten Mal in der Geschichte Ansätze einer panhellenischen Politik erkennbar geworden, wenngleich auch nur wenige griechische Staaten bereit waren, für diese Idee zu kämpfen.
Zwischen den Kriegen
Der Sieg von Marathon hatte Athen vorerst vor der Wiedererrichtung der Tyrannis bewahrt. Der Konflikt selbst, der heute als „erster Perserkrieg“ bezeichnet wird, hatte noch recht kleine Ausmaße gehabt. Sparta, die zweite griechische Vormacht, war noch überhaupt nicht beteiligt gewesen. Die Perser dürften der Niederlage keine große Bedeutung beigemessen haben. Ihre Herrschaft über große Teile der griechischen Welt war immer noch ungefährdet. Auf Dauer konnte der griechische Widerstand aber nicht geduldet werden. Es war an der Zeit, weiter ausgreifende Aktionen gegen das griechische Mutterland in Angriff zu nehmen.
Herodot beschreibt, wie Dareios eine großangelegte Rüstungsaktion des Imperiums einleitete:
„Sogleich schickte er Boten aus, um ein Heer zu sammeln; alle Provinzen und Städte mussten weit mehr Truppen stellen als früher, außerdem Kriegsschiffe, Pferde, Getreide und Lastschiffe. Nun war ganz Asien drei Jahre lang in Bewegung, und alle Tapferen sammelten und rüsteten sich gegen Hellas.“
Der König musste seine Pläne jedoch unterbrechen, da in Ägypten ein Aufstand ausgebrochen war. Als Dareios 486 v. Chr. starb, folgte ihm sein Sohn Xerxes I., ein Enkel des großen Kyros, auf den Thron nach. Er war bestrebt, die Feldzugspläne seines Vaters wiederaufzunehmen, und begann erneut mit der Mobilmachung des Perserreichs. Vor allem Mardonios, dem ein Kriegszug gegen die Griechen bereits einmal verwehrt worden war, scheint ihn darin bestärkt zu haben.[12]
In Griechenland schien sich die politische Situation nach Marathon kaum verändert zu haben. Auch der Sieg Athens änderte nichts daran, dass die meisten griechischen Staaten gegen einen Krieg mit Persien waren. Das Klima war vielmehr von der alten Rivalität zwischen den einzelnen Poleis geprägt. Argos z. B., das eine dauerhafte Feindschaft gegenüber Sparta pflegte, wäre ein persischer Sieg sehr gelegen gekommen. Auch andernorts gab es konservative Kreise, die sich von den Persern eine Schwächung der demokratischen Gruppierungen in ihren jeweiligen Städten erhofften. Das Orakel von Delphi, die wichtigste panhellenische Instanz, machte keinen Hehl daraus, dass es jeden Widerstand für sinnlos hielt.[13]
In Athen und Sparta wurden derweil innenpolitische Kämpfe ausgetragen. Der spartanische König Kleomenes I. wurde abgesetzt und nahm sich wenig später in Gefangenschaft das Leben. (Herodot VI, 75). Währenddessen betrieb man in Athen den Sturz des Marathonsiegers Miltiades. Dieser hatte den Kampf nach seinem großen Erfolg weiterführen wollen und 489 v. Chr. eine Flottenexpedition gegen die Insel Paros eingeleitet, die allerdings vollständig scheiterte. Seine Feinde aus dem Lager der Demokraten nutzten dies, um ihn vor Gericht zu stellen. Er entging zwar einem Todesurteil, starb aber kurz darauf an den Wunden, die er während des letzten Kriegszuges erlitten hatte. Der Ausbau der Demokratie wurde nun weiter vorangetrieben. So fällt etwa die Einführung des Ostrakismos in diese Zeit. Aber auch die Rüstung für den drohenden Perserkrieg war nicht vergessen. Hier tat sich ein Mann namens Themistokles besonders hervor. Bereits im Vorfeld des ersten Perserkrieges war er für eine Verstärkung der attischen Flotte eingetreten. Damals hatten es die Athener vorgezogen, die Pläne des Miltiades für eine Schlacht an Land umzusetzen. Nun schienen sich die Verhältnisse geändert zu haben. Selbst das Orakel von Delphi ließ sich für die neue Strategie einspannen. Nach anfänglichem Zögern rieten die Apollo-Priester den Athenern, sich hinter einer „hölzernen Mauer“ zu verstecken, welche Themistokles sofort als Flotte deutete.[14] Ab 483 v. Chr. wurde mit dem Bau der Kriegsschiffe begonnen. Finanziert wurde das Großprojekt durch den Abbau erst kürzlich erschlossener Silbervorkommen aus Laurion. Die neue Flottenpolitik wirkte sich wiederum förderlich auf die Entwicklung der attischen Demokratie aus. Für die Besatzungen der Schiffe wurden zahlreiche, auch ärmere attische Bürger (Theten) herangezogen, die so auch mehr politisches Gewicht erlangten, da im antiken Denken Wehr- und Staatsverfassung eng verbunden waren.
481 v. Chr. kamen nahe Korinth diejenigen griechischen Staaten zusammen, die bereit waren, den Persern die Stirn zu bieten. Es handelte sich nur um eine Minderheit von Poleis, da die Mehrzahl der Hellenen bereit war, die persische Oberhoheit anzuerkennen. Zu denen, die dies ablehnten, gehörten aber in Gestalt von Athen und Sparta die beiden mächtigsten Poleis. Sie schlossen sich zum Hellenenbund unter Führung Spartas zusammen. Selbst die Flotte der Verbündeten sollte von den eigentlich im Seekrieg unerfahrenen Spartanern befehligt werden. Neben Athen, Sparta und dessen peloponnesischen Verbündeten gehörten dem Bund noch einige Poleis aus Mittelgriechenland und den Kykladen sowie die Insel Ägina an, die kurz zuvor noch im Streit mit Athen gelegen war. Auch auf Hilfe aus den Kolonien Siziliens hatte man gehofft, die dortigen Griechen wurden allerdings zur selben Zeit durch eine Invasion der Karthager bedroht und konnten keinen Beitrag zum Kampf gegen die Perser leisten. Der mächtige Tyrann Gelon von Syrakus hatte seine Unterstützung zudem davon abhängig gemacht, dass er den Oberbefehl über die verbündeten Streitkräfte erhielt, was nicht mit dem Führungsanspruch Spartas zu vereinbaren war. So war es insgesamt auch diesmal wieder nur ein kleiner Teil der Griechen, der den Persern Widerstand leisten wollte.
Die Invasion des Xerxes
Der Beginn des Feldzuges
480 v. Chr. begann Xerxes seinen großangelegten Angriff auf Griechenland. Er plante ein kombiniertes Vorgehen von Landheer und Flotte. Herodots Angaben zur Stärke der Armee im Bereich von mehreren Millionen sind aber weit übertrieben.[15] Heutige Schätzungen bewegen sich dagegen im Bereich von 50.000 bis im höchsten Fall 200.000 Soldaten – für damalige Verhältnisse eine gewaltige Streitmacht.[16] Ihren Kern bildeten 10.000 medisch-persische Eliteinfanteristen, die sog. Unsterblichen, persische Bogenschützen sowie medische, baktrische und skythische Reiter. Ähnliche Vorbehalte bezüglich der Heeresstärke bei Herodot gelten hinsichtlich der Flottenstärke; moderne Schätzungen gehen statt von 1207 eher von 600 Schiffen aus.[17]
Am Hellespont sollten das Heer und der Tross nach Europa übersetzen. Xerxes überwand die bei Abydos immerhin noch mehr als eine Seemeile breite Meeresenge, indem er zwei Schwimmbrücken aus Hunderten von Schiffen errichten ließ. Herodot beschreibt den Bau der Schiffbrücken über den Hellespont recht präzise.[18] Die parallel zur Küste liegenden Schiffe wurden mit Tauen zusammengebunden und wegen der heftigen Winde durch große schwere Anker in Position gehalten. Sehr starke und schwere Taue aus Papyrus und Flachs wurden von Küste zu Küste quer über die Schiffe verlegt und mit Hilfe von Seilwinden gespannt. Auf ihnen wurden Bohlen verlegt, die sowohl mit den Schiffen als auch untereinander verbunden waren. Eine Schicht festgestampfter Erde über den Bohlen verwandelte die Brücke für Reiterei und Fußtruppen in eine normale Heerstraße. Zu beiden Seiten errichteten sie Sichtblenden aus Matten, weil sie befürchteten, die Pferde könnten angesichts des Meeres scheuen. Praktisch alle diese Details sind jedoch umstritten.
Ein Sturm, der die Brücken zerstörte, brachte den persischen Vormarsch allerdings vorläufig zum Halten. Neue Brücken mussten gebaut werden, angeblich nachdem Xerxes die widerspenstige Meerenge mit dreihundert Rutenschlägen habe bestrafen lassen. Danach wurde der Zug durch Nordgriechenland ungehindert fortgesetzt. Um der entlang der Küste folgenden Kriegsflotte ein Scheitern am Athosgebirge, wie es sich beim ersten Invasionsversuch des Mardonios zugetragen hatte, zu ersparen, wurde sogar die östliche Halbinsel der Chalkidike durch den sogenannten Xerxes-Kanal durchschnitten.
Erste Erfolge der Perser
Die verbündeten Griechen waren uneins darüber, wo sie den Persern am besten entgegentreten sollten. Die Peloponnesier schlugen vor, den Isthmos von Korinth zu befestigen und den Feind dort zu erwarten, wodurch ganz Nord- und Mittelgriechenland schutzlos zurückgelassen worden wäre. Die Bewohner dieser Gebiete, allen voran Athen waren damit nicht einverstanden und plädierten für eine weiter nördlich gelegene Verteidigungslinie. Schließlich einigte man sich darauf, den Persern im Tempetal in Nordgriechenland den Weg nach Süden zu blockieren. Die Stellung dort stellte sich allerdings als leicht zu umgehen heraus, so dass sich die Griechen unter Preisgabe Thessaliens weiter im Süden postierten. Als Schlachtfeld wurde der Engpass der Thermopylen zwischen Kallidromosgebirge und Malischem Golf gewählt. Das griechische Heer bestand aus Kontingenten von der Peloponnes, aus Thespiai, vom Stamm der Phoker, dessen Siedlungsgebiet direkt hinter dem Pass anschloss, und laut Herodot[19] auch aus dem eigentlich pro-persischen Theben und stand unter dem Oberbefehl des spartanischen Königs Leonidas I., des Bruders des gestürzten Kleomenes I. Insgesamt waren wohl etwa siebentausend Mann zusammengekommen. Der Hellenenbund sandte also nur einen kleinen Teil seiner insgesamt verfügbaren Streitkräfte nach Norden, zumal Truppen wichtiger Bündnispartner wie Athen vollständig fehlten.
Die genauen Zahlenverhältnisse sind unsicher, doch lässt sich wohl festhalten, dass die Griechen gegenüber den Persern über das weitaus kleinere Heer verfügten, als es schließlich zum Zusammenstoß kam. Ihre strategisch günstige Position konnte dies allerdings mehr als wettmachen, da die Perser in dem engen Pass weder ihre zahlenmäßige Überlegenheit noch ihre Reiterei ausspielen konnten. Überdies waren die Griechen überwiegend schwer gepanzerte Hopliten, während die meisten persischen Soldaten nur leicht bewaffnet waren und keine Rüstung trugen. Mehrere Tage lang rannten sie erfolglos gegen die griechischen Stellungen an. Auch die Leibgarde des persischen Königs, die Unsterblichen, konnten nichts ausrichten. Schließlich versuchte es Xerxes mit einer Umgehungstaktik. Herodot zufolge hatte ein Grieche namens Ephialtes den Persern einen Pfad gezeigt, der direkt hinter die feindlichen Linien führte.[20] Nachdem die etwa tausend Phoker, die Leonidas zur Bewachung des Pfades abgestellt hatte, überwunden waren, war die Position der Griechen unhaltbar geworden. Der spartanische König ordnete den Rückzug der griechischen Truppen an. Er selbst blieb mit einer Streitmacht aus etwa dreihundert Spartanern und siebenhundert Thespiern zurück und fiel in der Schlacht.
Etwa zeitgleich fand weiter östlich am Kap Artemision der Insel Euböa eine Seeschlacht zwischen der persischen und der griechischen Flotte statt. Der Ausgang war lange ungewiss, doch als die Griechen von der Niederlage des Leonidas erfuhren, zogen sie sich auch an dieser Front zurück, so dass die Perser hier ebenfalls siegreich blieben. Nach diesen beiden Erfolgen war für Xerxes der Weg nach Zentralgriechenland frei.
Salamis
Das persische Heer zog weiter nach Süden, ohne dabei auf Widerstand zu treffen. Delphi, das Symbol für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Hellenen, fiel in persische Hände. Xerxes beging indes nicht den Fehler, das Heiligtum plündern zu lassen. Was für die Griechen im Nachhinein nur durch göttliches Eingreifen ermöglicht worden schien, war wohl eher dem Bestreben des Großkönigs geschuldet, den griechischen Widerstand nicht unnötig zu stärken. Dieser wurde in der Tat eher geringer. Die Stadt Theben ging nun offen zur persischen Seite über. Bei den Städten und Stämmen, die dem Hellenenbund angehörten, legten die Perser weniger Zurückhaltung an den Tag als in Delphi. So auch in Attika. Die Bevölkerung Athens war bereits gemäß dem Plan des Themistokles evakuiert worden. Von der nahegelegenen Insel Salamis aus wurden einige von ihnen Zeugen der Zerstörung ihrer Heimatstadt. Nicht nur Athen, von dessen Schicksal der sogenannte Perserschutt auf der Akropolis noch heute Auskunft gibt, sondern auch die umliegenden Heiligtümer wurden verwüstet und die Beute nach Persien abtransportiert. Xerxes muss sich der demoralisierenden Wirkung auf die Athener bewusst gewesen sein. Angeblich kam bei diesen sogar der Plan auf, geschlossen nach Italien überzusiedeln.[21] Mittlerweile war die Flotte, die sich bei Kap Artemision zurückgezogen hatte, vor der Insel Salamis eingetroffen und hatte sich mit den restlichen griechischen Flottenverbänden vereinigt. Der spartanische Oberbefehlshaber Eurybiades hatte vor, sich den Persern beim Isthmos von Korinth zur Seeschlacht zu stellen, wo das Landheer bereits den Zugang zur Peloponnes blockierte. Die Athener unter Themistokles, die den Großteil der Schiffe stellten, wollten allerdings an Ort und Stelle für ihre verlorene Heimat kämpfen und konnten sich schließlich durchsetzen.
Ob die bald darauf eintreffenden Perser auch zur See eine deutliche zahlenmäßige Überlegenheit besessen haben, wie die von Herodot genannten, allerdings sehr inflationär wirkenden[22] Zahlen suggerieren, ist nicht mehr feststellbar. Ein Sturm scheint die Flotte zumindest im Vorfeld der Schlacht dezimiert zu haben. Sie setzte sich wohl vor allem aus Schiffen der Phönizier, Ägypter und der kleinasiatischen und ägäischen Griechen zusammen. Um einen Umfassungsangriff von Seiten der Perser zu verhindern, zogen sich die Schiffe des Hellenenbundes in die Meerenge zwischen Salamis und dem attischen Festland zurück, wo ihnen ihre bessere Ortskenntnis einen Vorteil verschaffte. Und tatsächlich wurden die in den engen Raum eingekeilten persischen Schiffe nach mehrstündigem Kampf von den griechischen Verbänden besiegt. Das Ergebnis der Schlacht stellte die Wende im zweiten Perserkrieg dar. Das Invasionsheer war erstmals entscheidend geschlagen worden. Xerxes, der die Niederlage vom Land aus beobachtet hatte, zog seine Truppen daraufhin vorläufig zurück, das Landheer nach Thessalien, wo es überwintern sollte, und die Flotte zur Insel Samos. Er selbst begab sich wieder zurück in sein Reich, versuchte dem Geschehen von Sardes aus aber weiterhin nahe zu sein. Aufstände, die in Ionien und Babylonien ausbrachen, sollten seine Aufmerksamkeit allerdings von Griechenland ablenken. Die Landstreitkräfte, die er unter Mardonios zurückließ, waren weiterhin ungeschlagen und noch immer eine Bedrohung für die verbündeten Griechen. Die Athener aber konnten vorerst in ihre zerstörte Stadt zurückkehren.
Das Ende der Invasion
Im Frühjahr 479 v. Chr. wurde die Auseinandersetzung fortgesetzt. Mardonios versuchte, die Athener nun aus dem Block der verbündeten Griechen herauszulösen, indem er ihnen umfangreiche Zugeständnisse machte. Dafür wurde der Makedonenkönig Alexander I. als Unterhändler nach Athen geschickt. Die Athener sollten Vergebung vom Großkönig erfahren, ihr Land und ihre Autonomie bewahren und sogar die Erlaubnis erhalten, sich das Land anderer griechischer Poleis anzueignen. Ein derartiges Abkommen hätte allerdings die faktische Anerkennung der Oberhoheit Persiens bedeutet. Athen lehnte das Angebot ab und so begannen die Kampfhandlungen von neuem. Mardonios zog mit seinen Streitkräften erneut nach Süden gegen Attika und zerstörte wieder einmal ein evakuiertes Athen. Die mittelgriechischen Mitglieder des Hellenenbundes richteten dringende Hilfegesuche an die Peloponnesier.
Mitte des Jahres verließ ein griechisches Heer, angeführt vom spartanischen Prinzregenten Pausanias, einem Halbbruder des bei den Thermopylen gefallenen Leonidas I., die Peloponnes und vereinigte sich mit den Truppen der Verbündeten aus Zentralgriechenland. Insgesamt dürfte die Streitmacht 30.000 bis 40.000 Vollbürger gezählt haben.[23] Die Griechen folgten Mardonios, der sich in das perserfreundliche Böotien zurückgezogen hatte. In der Nähe der von den Persern zerstörten Stadt Plataiai kam es zur Schlacht. Auch hier ist der Ablauf der Ereignisse nur schwer rekonstruierbar. Mardonios hatte den Gegner bereits erwartet und seine Truppen sorgfältig postiert. In dem offenen Gelände konnte er nun auch endlich eine der Stärken seines Heeres ausspielen: die Reiterei, die von ihm persönlich befehligt wurde. Die Griechen dagegen setzten vor allem auf ihre traditionelle schwere Infanterie, die Hopliten. Zum Nachteil für sie wurde allerdings, dass sich ihre Armee aus den Kontingenten zahlreicher verschiedener Poleis zusammensetzte und dass die Kommunikation zwischen diesen offenbar alles andere als perfekt funktionierte. Die persischen Bogenschützen konnten erste Erfolge erzielen, wurden dann aber zurückgeschlagen. Als Pausanias einen taktischen Rückzug befahl, kam das griechische Heer in Unordnung. Mardonios versuchte, seine Chance zu nutzen, und führte seine Reiterei zum Angriff. Die disziplinierten spartanischen Truppen unter dem direkten Befehl des Pausanias konnten dennoch standhalten und sogar zum Gegenangriff übergehen. Im darauf folgenden Nahkampf fiel Mardonios. Nach dem Verlust ihres Anführers gaben die Perser den Kampf verloren und zogen sich zurück. Trotz der teilweise chaotischen Zustände innerhalb seines Heeres hatte Pausanias die Griechen zum Sieg geführt. Nach etwa zwanzig Tagen kapitulierte auch die Stadt Theben, Persiens wichtigster Verbündeter in Mittelgriechenland. Das griechische Festland war von der Bedrohung durch die Perser befreit.[24] In Delphi wurden später kostbare Weihegeschenke zum Angedenken an den Sieg gestiftet und in Plataiai erinnerten regelmäßig abgehaltene Wettkämpfe an den Triumph.
Die griechische Flotte hatte währenddessen den Auftrag gehabt, das Festland vor einem Flottenangriff der Perser abzuschirmen. Kommandiert wurde sie von Leotychidas II., dem einzigen spartanischen König, der je persönlich ein Unternehmen zur See befehligte. Als dieser einen Hilferuf von den Bewohnern der Insel Samos erhielt, wo noch immer die persischen Schiffe lagen, gab er trotz der vorangeschrittenen Jahreszeit den Befehl, auszulaufen. Die Perser zogen sich daraufhin zur Halbinsel Mykale zurück und schafften ihre Schiffe an Land. Leotychidas befahl die Verfolgung. An der anschließenden Schlacht beteiligten sich auch Samier und Ionier auf Seiten der griechischen Streitkräfte. Am Ende ging die persische Flotte in Flammen auf. Mit dem nun folgenden erneuten Aufstand der ionischen Griechen hatte der Krieg wieder seinen Ursprungsort erreicht. Die Invasion des Xerxes war endgültig gescheitert, während die Griechen im Begriff waren, zum Gegenangriff überzugehen.
Der griechische Gegenangriff
Mit den griechischen Siegen bei Salamis, Plataiai und Mykale war der Abwehrkampf der europäischen Griechen beendet. Kein persisches Heer setzte je wieder nach Europa über. Durch die erneute Erhebung der ionischen Griechen sah sich der Hellenenbund allerdings vor eine neue Aufgabe gestellt. Die Ionier mussten vor der Rache der Perser geschützt werden. Der utopische Vorschlag der Spartaner, die bedrohte Bevölkerung einfach nach Europa zu evakuieren und ihnen das Land perserfreundlicher Poleis zuzuweisen, zeigt, wie wenig man in Sparta noch immer an einem Krieg in Kleinasien interessiert war.[25] Stattdessen wurden die Griechen einiger Kleinasien vorgelagerter Inseln wie Samos, Chios und Lesbos in den Hellenenbund aufgenommen. Gemeinsam mit den neuen Streitkräften brach Leotychidas in Richtung Hellespont auf. Er zog sich allerdings schon bald mit seinen peloponnesischen Truppen zurück und überließ den Athenern unter ihrem Anführer Xanthippos die Einnahme der thrakischen Chersones, der heutigen Halbinsel Gallipoli am Hellespont. Damit hatte zum ersten Mal Athen die Leitung über ein gesamthellenisches Unternehmen.
Sparta blieb indessen weiter die führende Kraft des Hellenenbundes. Unter dem Befehl des Pausanias stießen die Griechen 478 v. Chr. bis nach Zypern und nach Byzantion am Bosporus vor. Im eroberten Byzantion kam es allerdings zu Streitigkeiten zwischen den Verbündeten. Laut Thukydides fühlten sich vor allem die kleinasiatischen Griechen abgestoßen vom arroganten Auftreten des Pausanias.[26] Sparta zog daraufhin seinen Heerführer ab und schickte einen Mann namens Dorkis als Ablösung. Dieser konnte sich allerdings nicht durchsetzen und musste mitsamt der peloponnesischen Kontingente wieder abziehen. Der Kampf gegen die Perser in Übersee war für die Landmacht Sparta ohnehin kaum noch von Interesse. Die führende Position nahm nun Athen ein, das von allen griechischen Staaten über die weitaus größte Flotte verfügte. Der gesamte Vorfall wird teilweise auch als Symmachiewechsel vor Byzanz (Symmachie: Bezeichnung für einen Bündnisvertrag im antiken Griechenland) bezeichnet.
Im Jahr 478/477 v. Chr. wurde unter der Hegemonie Athens ein neues Bündnis geschlossen, an dem sich zahlreiche kleinasiatische und ägäische Poleis beteiligten, um vor Angriffen durch die Perser geschützt zu sein. Da der Unterhalt einer Flotte ungleich teurer war als der eines Landheeres, musste jeder Bündnispartner einen bestimmten Geldbetrag entrichten, wenn er keine eigenen Schiffe stellen konnte. Tagungsort für das neue Bündnis wurde die Insel Delos. Dies war die Geburtsstunde des Delisch-Attischen Seebundes. Der Bund sollte sich immer mehr zu einem Machtinstrument Athens entwickeln, welches es den anderen Partnern unmöglich machte, wieder auszutreten.
Die dringlichste Aufgabe blieb aber weiterhin der Kampf gegen Persien. Alexander I. von Makedonien hatte sich mittlerweile von der persischen Herrschaft freigemacht und begann sein eigenes Territorium zu vergrößern. Er legte damit den Grundstein für den Aufstieg Makedoniens im 4. Jh. v. Chr. Gleichzeitig gingen die Athener unter Führung Kimons, eines Sohnes des Miltiades, der als führender Politiker die Nachfolge des Themistokles angetreten hatte, gegen die persischen Stellungen in Thrakien vor. Die persische Herrschaft in Europa begann zusammenzubrechen.
Erst Anfang der 460er Jahre ergriffen die Perser wieder die Initiative. Eine große phönikische Flotte wurde im Süden Kleinasiens stationiert. Doch Athens Schiffe unter der Leitung des Kimon kamen dem Angriff zuvor. An der Mündung des Flusses Eurymedon kam es 465 v. Chr. zu einer großen Doppelschlacht zu Land und zu See, aus der die Griechen siegreich hervorgingen. Mit der Schlacht am Eurymedon hatte der Delisch-Attische-Seebund seine erste große Bewährungsprobe bestanden. Athen war nun zu einer bedeutenden Macht im östlichen Mittelmeerraum aufgestiegen. Weitere Militäraktionen in Thrakien und auf Zypern folgten. Etwa 460 v. Chr. entsandte Athen sogar 200 Schiffe zur Unterstützung eines Aufstandes nach Ägypten, der allerdings dennoch von den Persern niedergeschlagen werden konnte.
Um 449/448 v. Chr. wurde mit Unterstützung des athenischen Staatsmannes Perikles der sogenannte Kalliasfrieden zwischen den Griechen und den Persern unter ihrem Großkönig Artaxerxes I. geschlossen, der 465 v. Chr. seinem ermordeten Vater Xerxes auf den Thron gefolgt war. Dieser Friede ist allerdings in der Forschung umstritten – vielleicht kam es nie zu einem regelrechten Vertrag. Während die genaue Natur des Friedensschlusses daher rechtlich unklar bleibt, brachte das Ergebnis die vorläufige Unabhängigkeit der ionischen Griechen von Persien, für Zypern hingegen die persische Herrschaft und die Schließung der Ägäis für persische Kriegsschiffe.
Griechisch-Persische Beziehungen nach dem Krieg
Der Versuch, Griechenland zu unterwerfen, war nicht nur fehlgeschlagen, er hatte das Perserreich letzten Endes auch seine Herrschaft über Makedonien, Thrakien sowie die kleinasiatischen und ägäischen Griechen gekostet. Außer den Nomaden Zentralasiens war es bis dahin niemandem gelungen, die persischen Armeen abzuwehren. Eine ernstzunehmende Bedrohung für den Fortbestand des persischen Imperiums war dieser Rückschlag jedoch keineswegs. Es sollte noch mehr als 100 Jahre als intakte Großmacht fortbestehen und auch weiterhin eine bedeutende Rolle in der griechischen Politik spielen. In der zweiten Hälfte des 5. Jh. v. Chr. trat in Griechenland nämlich der hellenisch-persische Gegensatz, der die erste Hälfte des Jahrhunderts dominiert hatte, immer mehr gegenüber dem sich anbahnenden spartanisch-athenischen Konflikt zurück. 431 v. Chr. kam es schließlich zum großen Krieg der beiden griechischen Vormächte und ihrer Verbündeten, der heute als Peloponnesischer Krieg bezeichnet wird. Persien unterstützte Sparta finanziell und sollte dafür erneut die Oberherrschaft über die kleinasiatischen Griechen erhalten. Nach Athens endgültiger Niederlage im Jahr 404 v. Chr. wollte man in Sparta davon aber nichts mehr wissen, woraufhin es zum Krieg kam.
401 v. Chr. erhob sich der persische Prinz Kyros der Jüngere gegen seinen Bruder, den Großkönig Artaxerxes II., und versuchte, selbst die Macht an sich zu reißen. Zu diesem Zweck warb er ein Heer aus mehreren tausend griechischen Söldnern an und bat auch um die Unterstützung Spartas. Der Aufstand scheiterte allerdings und Kyros fiel in der Schlacht von Kunaxa in Babylonien. Über den nachfolgenden Rückzug der griechischen Kontingente, dem sogenannten „Zug der Zehntausend“, berichtet Xenophon, der an dem Feldzug teilgenommen hatte, in seiner Anabasis.
Zwischen 396 und 394 v. Chr. führte der spartanische König Agesilaos II. in Kleinasien einen erfolgreichen Feldzug gegen die Perser, der, ähnlich wie der unbeschadete Rückzug von Xenophons Zehntausend, die militärische Schwäche des Perserreichs bloßstellte. Wieder war es jedoch die Zerstrittenheit der griechischen Staaten untereinander, die sich vorteilhaft für den Großkönig auswirkte: Sparta sah sich von anderen griechischen Poleis bedroht, daraufhin kehrte Agesilaos 394 v. Chr. nach Griechenland zurück.[27] In dem 395 v. Chr. ausbrechenden Korinthischen Krieg, der Agesilaos zum Rückzug zwang, stellte sich Persien auf die Seite der gegen Sparta verbündeten Städte Argos, Korinth, Athen und Theben. 387 v. Chr. wurde der Krieg durch den sogenannten Königsfrieden beendet. Von diesem profitierte neben Sparta, das sich zum Bewahrer der Unabhängigkeit der europäischen Poleis aufschwang, vor allem der Großkönig Artaxerxes II., der die Oberhoheit über Kleinasiens Griechen wiedererlangte.
Mitte des 4. Jh. v. Chr. zeigte das Perserreich an seinen Rändern in Indien, Zentralasien und auch in Kleinasien einige Auflösungserscheinungen, war in seinem Bestand aber insgesamt weiterhin ungefährdet. Dies änderte sich erst mit dem Feldzug Alexanders des Großen. Bereits sein Vater Philipp II. hatte das Königreich Makedonien zur führenden Macht auf dem Balkan gemacht und die griechischen Poleis weitgehend zu einem Bündnis unter seiner Führung geeint. Ziel dieses Bündnisses war ein Angriff auf Persien. Alexander übernahm diese Feldzugspläne nach dem Tod seines Vaters. In der Schlacht von Gaugamela 331 v. Chr. unterlag das Achämenidenreich schließlich endgültig dem Eroberer.
Quellen
Die mit Abstand wichtigste Quelle zu den Perserkriegen stellen im 5. Jahrhundert v. Chr. die um 430 v. Chr. veröffentlichten Historien des Griechen Herodot aus Halikarnassos in Kleinasien dar.[28] Unter Einbeziehung zahlreicher ethnologischer und historischer Exkurse wird in den ersten vier Büchern die Entstehung des persischen Weltreichs beschrieben. Ab Buch fünf befasst sich das Werk dann mit den Perserkriegen selbst, beginnend mit dem Ionischen Aufstandes im Jahr 500 v. Chr. Herodots historische Darstellung endet im neunten Buch mit der Belagerung der Stadt Sestos am Hellespont durch die Athener im Jahr 479 v. Chr. An dieser Stelle setzt der Athener Thukydides (5. Jh. v. Chr.) mit seinem Werk über den Peloponnesischen Krieg an. In dessen erstem Buch wird mit der Darstellung der Situation vor dem Kriegsausbruch zwischen Athen und Sparta auch ein Bild von der Spätphase der Perserkriege entworfen, auf die Herodot nicht mehr eingeht.
Neben diesen beiden zeitgenössischen Autoren sind auch eine Reihe von Werken späterer Autoren erhalten, die sich mit dem Thema befassen, unter anderem Ktesias von Knidos in seinen (nur fragmentarisch erhaltenen) Persika. Ktesias wollte offenbar Herodot „korrigieren“, doch ist seine Schilderung weitgehend wertlos, wenngleich er (bedingt zuverlässige) Einblicke in die Verhältnisse am persischen Hof erlaubt. Teilweise lassen sich Informationen über die Perserkriege aus Biographien der an ihnen beteiligten Personen gewinnen. Der Römer Cornelius Nepos (1. Jh. v. Chr.) liefert beispielsweise die Lebensbeschreibungen einiger berühmter griechischer Feldherren, unter anderem Miltiades, Themistokles oder Pausanias, und damit auch Beschreibungen der Schlachten, an denen diese teilnahmen. Diodor ging in seiner Universalgeschichte ebenfalls auf die Perserkriege ein. Der Grieche Plutarch (1./2. Jh. n. Chr.) überliefert uns außerdem eine Sammlung von Parallelbiographien berühmter Griechen und Römer. Der griechische Reiseschriftsteller Pausanias (2. Jh. n. Chr.) (nicht zu verwechseln mit dem spartanischen Feldherren) liefert in seiner Reisebeschreibung Griechenlands auch immer wieder Hinweise zu Orten oder Sehenswürdigkeiten, die mit den Perserkriegen in Verbindung stehen. Von späteren Geschichtsschreibern wurde der Konflikt mit Persien teils als Folie für zeitgenössische Auseinandersetzungen zwischen Rom und dem neupersischen Sassanidenreich herangezogen, wie im Fall des Publius Herennius Dexippus.
Jenseits der antiken Überlieferung zu den Perserkriegen erwähnenswert ist die Suda, ein byzantinisches Lexikon aus dem 10. Jh. n. Chr., das seine Informationen vorwiegend aus älteren, überwiegend verlorengegangenen antiken Lexika bezieht und beispielsweise Informationen zur Schlacht von Marathon liefert.
Rezeption
Was für die klassische Epoche des antiken Griechenlands allgemein gilt, eine von athenischen Schriftzeugnissen unter anderem zur Geschichtsschreibung und zur politischen Theorie dominierte Überlieferung und Perspektive, zeigt sich auch in der Nachbetrachtung der Perserkriege. Sowohl die antike als auch die moderne Rezeption haben den Fokus auf das Schicksal der attischen Polis als kriegsbeteiligte und vom Kriegsausgang begünstigte gespiegelt und weitgehend erhalten.[29]
In der Antike
Als erfolgreicher gemeinsamer Verteidigungs- und Abwehrkampf der Griechen bewirkten die Perserkriege, dass erst Freiheit (ελευθερία) und hernach Autonomie (αὐτονομία) Vorrang im griechischen politischen Wertehorizont erlangten, auch im Sinne der Freiheit von innerer Bedrückung durch Tyrannen. Begünstigt wurde so zudem die Entwicklung freiheitlicher innerer Ordnungen in klassischer Zeit und laut Sebastian Schmidt-Hofner der geistige Aufbruch mit neuen Sichtweisen auf die Welt und neuen Erkenntnismethoden. Die Perserkriege bedeuteten für die Griechen eine Zäsur in ihrer Wahrnehmung der Vergangenheit. Sie forderten und veränderten Lebenswelt und Geschichtsbild nahezu aller Hellenen und speziell der Athener, bei denen die Kriege von 490 und 480/79 v. Chr. tiefgreifende politische, soziale und kulturelle Folgen zeitigten.[30]
Vor allem der Sieg des Hoplitenheeres in der Schlacht bei Marathon 490 v. Chr., den die Athener ohne die verspätet eintreffenden Spartaner errungen hatten, wurde zu einem Markstein der Erinnerungskultur in Athen. Zum ersten Mal hatte eine griechische Armee eine persische in offener Feldschlacht besiegt. Für die gefallenen Athener wurde vor Ort ein zehn Meter hoher Grabhügel von 50 Metern Durchmesser errichtet. Für Miltiades schuf man ein Denkmal; außerdem wurde ein marmornes Siegeszeichen aufgestellt. Etwa 30 Jahre nach der Schlacht ließ Miltiades Sohn Kimon in der Stoa Poikile am Nordrand der Athener Agora ein großes Gemälde der Schlacht bei Marathon anbringen.[31] Die Erinnerungen an Marathon dürften den Athenern laut Wolfgang Will als Ausdruck des Zusammenhalts der vielfältig gegliederten und teils weit auseinanderliegenden Gruppierungen des attischen Polisverbands dauerhaft wichtig gewesen sein, indem die Bürger sich über gemeinsame Kulte, Feste und Totengedenken miteinander identifizierten und so die kleisthenischen Grundlagen der Demokratie festigten.[32]
Für Spartas Nachruhm in den Perserkriegen steht hauptsächlich die Schlacht bei den Thermopylen 480 v. Chr., letztlich eine Niederlage, bei der die Spartiaten in deutlicher Unterzahl aber standhielten, bis auch ihr letzter Mann gefallen war, und mit ihnen ihr König Leonidas. Zu seinen und zu Ehren seiner Mitgefallenen wurden danach in Sparta jährlich feierliche Spiele abgehalten. Am Ort der Schlacht forderte das Thermopylen-Epigramm des Simonides von Keos die Passanten auf, in Sparta zu bezeugen, dass die hier Ruhenden ihren Auftrag erfüllt hätten:
- Ὦ ξεῖν’, ἀγγέλλειν Λακεδαιμονίοις ὅτι τῇδε κείμεθα τοῖς κείνων ῥήμασι πειθόμενοι.
In der lateinischen Übertragung des Römers Cicero war dann von heiligen Gesetzen die Rede, denen man gehorcht habe:
- Dic, hospes, Spartae nos te hic vidisse iacentes, dum sanctis patriae legibus obsequimur.
Friedrich Schiller dichtete in Der Spaziergang diesbezüglich:
- Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest / Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl.[33]
Das Ereignis der Perserkriege, mit dem sich die meisten griechischen Poleis über Athen und Sparta hinaus identifizierten, war die Schlacht von Plataiai. Unabhängig von je eigenen Erinnerungsformen feierte man diesen Erfolg auch gemeinsam: So wurden alle vier Jahre Freiheitsspiele (Eleutherien) abgehalten; und alljährlich richteten die Plataier für alle auf ihrem Boden bestatteten Griechen eine Totenfeier aus.[34] Die gemeinsame Abwehr der Persergefahr trug wesentlich bei zur Konsolidierung einer die Bürger der griechischen Poleis als Hellenen einenden Identität, die sich bis dahin hauptsächlich auf Mythen und Erzählungen vom Trojanischen Krieg sowie auf gemeinsame Kultorte wie Delphi oder Olympia gegründet hatte. Das imponierende Bild des sich der Perser siegreich erwehrenden Hellenenbunds war so wirkmächtig, dass auch Poleis, die die Schlacht von Plataiai nicht mitbestritten hatten, die eine oder andere eigene Form der Beteiligung in Umlauf brachten, um am Nachruhm der Sieger teilzuhaben.[35]
In jüngerer Zeit
Die Griechenbegeisterung des 18. Jahrhunderts, die in Deutschland die neuhumanistische Strömung speiste, führte dazu, dass der Kultur der Alten Griechen im 19. Jahrhundert eine zeitlos verpflichtende Bedeutung zugeschrieben wurde. Damit verbunden war die Vorstellung, dass es bei den griechischen Abwehrkriegen gegen das persische Großreich auch um die geistige Zukunft Europas gegangen war. John Stuart Mill brachte das auf die griffige Formel, dass die Schlacht bei Marathon als Ereignis der englischen Geschichte wichtiger gewesen sei als die Schlacht bei Hastings.[36] Georg Friedrich Hegel sah eine Gunst des Schicksals darin, dass Namen wie Marathon und Salamis für immer im Andenken der Menschen fortleben würden. „Es lag hier das Interesse des Weltgeistes auf der Waagschale; alle anderen Interessen, die mit irgendeinem Vaterlande zusammenhingen, sind beschränkter gewesen.“[37]
Die Schlacht von Marathon erwies sich in der Neuzeit als ein heroisches Muster, das sich zu vielfältiger Identifikation und Verwendung anbot. Schillers in Schul- und Geschichtsbüchern präsente, eingängige Übersetzung des Thermopylen-Epigramms eignete sich dazu, aus verschiedensten Anlässen den sinnvollen Tod fürs Vaterland zu propagieren.[38] Selbst für Angriffskriege wurde dieses Mittel agitatorisch eingesetzt. 1943 lagen die Thermopylen in Stalingrad, heißt es bei Will. Am 10. Jahrestag der NS-Machtergreifung äußerte sich Hermann Göring im Volksempfänger-Rundfunk über den „größten Heroenkampf“ der deutschen Geschichte: „Und es wird auch einmal heißen: Kommst du nach Deutschland, so berichte, du habest uns in Stalingrad liegen sehen, wie das Gesetz, das heißt, das Gesetz der Sicherheit unseres Volkes, es befohlen hat.“[39]
Die Thermopylenschlacht hat auch in den bildenden Künsten der Neuzeit gelegentlich Widerhall gefunden. In der Renaissance malte Perugino für das Collegio del Cambio in Perugia einen Freskenzyklus, in dem der bei den Thermopylen gefallene Spartanerkönig Leonidas I. als Sinnbild der Tapferkeit neben Perikles, dem Vertreter der Redekunst, erscheint. Jacques Louis David, Historienmaler im Zeitalter der Französischen Revolution, präsentierte den König vor der Schlacht bei den Thermopylen in seinem Gemälde Leonidas an den Thermopylen als jugendlichen Helden mit Idealkörper, nach Davids eigenem Bekunden eine Versinnbildlichung der Vaterlandsliebe. Nach dem Zweiten Weltkrieg schuf Oskar Kokoschka 1954 das Triptychon Thermopylae. Der linke Flügel zeigt Leonidas bei seinem Abschied in Sparta; in der Mitte wird das Schlachtgeschehen abgebildet; auf dem rechten Flügel ist die Zerstörung Athens durch die Perser zu sehen. Kokoschkas Werktitel lautet vollständig: Thermopylae oder Der Kampf um die Errettung des Abendlandes.[40]
Der Althistoriker Christian Meier legt höchstes Gewicht auf die Bedeutung der bei Salamis ausgetragenen Seeschlacht. Selten in der Geschichte habe so viel auf dem Spiel gestanden. „Die Enge von Salamis bildete gleichsam ein Nadelöhr, durch das die Weltgeschichte hindurch mußte, wenn in ihr statt großer, monarchisch regierter Reiche jenes eigenartige, vom Osten her exotisch anmutende Volk eine entscheidende Rolle spielen sollte, das in lauter kleinen selbständigen Städten, fast überall schon ohne Monarchen und vielfach schon bei weitgehender politischer Mitsprache breiter Schichten lebte.“[41] Zumindest fürs sportinteressierte Publikum im 21. Jahrhundert ist freilich der Marathonlauf und sein triumphal-tragisches Ende die bekannteste Begebenheit der Perserkriege, obwohl er aus Sicht der historischen Forschung wahrscheinlich nur Legende ist.[42]
Literatur
- Jack Martin Balcer: The Persian conquest of the Greeks 545–450 B. C. (= Xenia. H. 38) Universitäts-Verlag, Konstanz 1995, ISBN 3-87940-489-5.
- Pierre Briant: From Cyrus to Alexander. A History of the Persian Empire. Eisenbrauns, Winona Lake IN 2002, ISBN 1-57506-031-0 (Standardwerk zum Achämenidenreich).
- Andrew R. Burn: Persia and the Greeks. The Defence of the West, c. 546–478 B. C. 2. Auflage. Duckworth, London 1984, ISBN 0-7156-1711-7 (Standardwerk).
- George Cawkwell: The Greek Wars. The Failure of Persia. Oxford University Press, Oxford 2005, ISBN 0-19-929983-8 (kritische Darstellung, in der teils explizit gegen die vorherrschende Forschungsmeinung argumentiert wird).
- Werner Ekschmitt: Der Aufstieg Athens. Die Zeit der Perserkriege. Bertelsmann, München 1978, ISBN 3-570-02431-8.
- Josef Fischer: Die Perserkriege. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2013, ISBN 978-3-534-23973-3 (kritische Fachbesprechung bei sehepunkte)
- Peter Green: The Greco-Persian wars. Revised edition. University of California Press, Berkeley CA u. a. 1996, ISBN 0-520-20573-1.
- Charles Hignett: Xerxes' invasion of Greece. Clarendon Press, Oxford 1963.
- Tom Holland: Persisches Feuer. Das erste Weltreich und der Kampf um den Westen. Klett-Cotta, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-608-94463-1 (populärwissenschaftliche, aber gut lesbare Darstellung).
- Michael Jung: Marathon und Plataiai. Zwei Perserschlachten als „lieux de mémoire“ im antiken Griechenland. (= Hypomnemata. Bd. 164) Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-25263-3 (Zugleich: Münster, Univ., Diss., 2004/2005).
- Karl-Wilhelm Welwei: Das klassische Athen. Demokratie und Machtpolitik im 5. und 4. Jahrhundert. Primus-Verlag, Darmstadt 1999, ISBN 3-89678-117-0, S. 27 ff.
- Karl-Wilhelm Welwei: Sparta. Aufstieg und Niedergang einer antiken Großmacht. Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-608-94016-2, S. 106 ff.
- Josef Wiesehöfer: „Griechenland wäre unter persische Herrschaft geraten …“ Die Perserkriege als Zeitenwende? In: Sven Sellmer, Horst Brinkhaus (Hrsg.): Zeitenwenden. Historische Brüche in asiatischen und afrikanischen Gesellschaften. (= Asien und Afrika. Bd. 4) EB-Verlag, Hamburg 2002, ISBN 3-930826-64-X, S. 209–232.
- Wolfgang Will: Die Perserkriege. 2. aktualisierte Auflage. C. H. Beck, München 2019, ISBN 978-3-406-73610-0.
Weblinks
- Perserkriege bei Iranchamber (englisch)
Anmerkungen
- Diese kleineren Stämme sollten allerdings nicht verwechselt werden mit den großen Sprachgruppen der Dorer, Ionier, Aioler und Arkader-Kyprioten, in die sich die antiken Griechen aufteilten.
- Für die von Kleisthenes geschaffene Staatsform wird häufig auch der Begriff der Isonomie verwendet, um Verwechslungen mit dem, was heute allgemein unter Demokratie verstanden wird, definitiv auszuschließen.
- Herodot V, 30–35
- Pedro Barceló: Kleine Griechische Geschichte. Primus Verlag, 2004, S. 66.
- Herodot V, 126
- Sowohl das Erscheinen persischer Gesandter in den meisten Poleis Griechenlands als auch deren Ermordung durch die Athener und Spartaner kann angezweifelt werden. Zum damaligen Zeitpunkt plante Dareios wohl kaum die Unterwerfung des griechischen Mutterlandes, sondern nur eine Strafexpedition gegen die Unterstützer des Ionischen Aufstandes. Karl-Wilhelm Welwei etwa schreibt Herodots Schilderung der angeblichen völkerrechtswidrigen Behandlung der Gesandten „eher einer nach der Abwehr der Perser lancierten Legende [zu], die beweisen sollte, wie früh die Spartaner zum Widerstand gegen den Perserkönig entschlossen waren.“ s. Sparta. Aufstieg und Niedergang einer antiken Großmacht. (S. 118 f. und 133).
- Karl-Wilhelm Welwei bewertet dies in Sparta. Aufstieg und Niedergang einer antiken Großmacht (S. 122) als Ausflucht, da religiöse Skrupel „sicherlich kein unüberwindliches Hindernis für einen Marschbefehl, der eine rechtzeitige Intervention der Spartaner garantiert hätte“ dargestellt hätten.
- Zur Chronologie siehe Burn, Persia and the Greeks, S. 257.
- Miltiades war einer von zehn Strategen, die das attische Heer während der Schlacht von Marathon befehligten. Der eigentliche Oberbefehlshaber war der damalige Archon Polemarchos Kallimachos. Das Verdienst für den griechischen Sieg wurde allerdings hauptsächlich Miltiades zugesprochen.
- Literarische Quellen zur Schlacht sind überliefert bei Herodot, in der Biographie des Miltiades von Cornelius Nepos, sowie in der Suda, einem byzantinischen Lexikon aus dem 10. Jh. siehe hierzu auch den Abschnitt Quellen.
- Herodot VI, 117. Herodot stützt sich hier wohl auf inschriftlich erhaltene Gefallenenlisten. Die Zahl der toten Plataier und Sklaven, die auch an der Schlacht teilnahmen, ist nicht überliefert. Die Angabe, auf persischer Seite seien 6400 Tote zu verzeichnen gewesen, erscheint eher unglaubwürdig, zumal es sich bei der Zahl ziemlich genau um die 33,33-fache Menge der athenischen Gefallenen handelt.
- Herodot VII, 5
- Der erste Orakelspruch, den die Athener in Delphi im Zuge der Kriegsvorbereitungen erhielten, war für delphische Verhältnisse ungewöhnlich unverschlüsselt und in der Tat nicht geeignet, ihnen Mut zu machen, weissagte er doch die unabwendbare Zerstörung ihrer Heimatstadt. siehe: Herodot VII, 140
- Herodot VII, 141–143
- Herodot VII, 184–186
- Karl-Wilhelm Welwei geht beispielsweise in Das klassische Athen (S. 52) von knapp 100.000 Kombattanten aus Asien sowie einigen Hilfstruppen aus dem europäischen Reichsteil aus. Charles Hignett hält eine Truppenstärke von 180.000 Soldaten für wahrscheinlich. siehe: Xerxes’ invasion of Greece S. 345–355. Burn geht aus logistischen Gründen von einer Höchstzahl von 200.000 Mann aus (Persia and the Greeks, S. 326 ff.). Der Militärhistoriker Hans Delbrück, dessen Arbeiten eine methodische Grundlage für die Schätzung antiker Truppenstärken schufen, geht von nur 50.000 Kombattanten aus, was aber zu gering veranschlagt sein dürfte: Delbrück, Geschichte der Kriegskunst, 1. Teil, 1. Kapitel.
- Briant, From Cyrus to Alexander, S. 527.
- Herodot VII, 34–36
- Herodot VII, 202
- Herodot VII, 213
- Herodot VIII, 62
- Herodot VII, 89–97
- siehe auch hierzu: Karl-Wilhelm Welwei, Das klassische Athen. S. 70.
- Cawkwell, The Greek Wars, S. 103, betrachtet denn sogar (wohl nicht ganz zu Unrecht) den Sieg bei Plataiai und nicht den von Salamis als entscheidend.
- Herodot IX, 106
- Thukydides I, 95
- Zu den Feldzügen des Agesilaos siehe Briant: From Cyrus to Alexander. S. 637 ff.
- Einen immer noch nützlichen, nur teils durch neue Funde überholten und recht detaillierten Quellenüberblick bietet etwa Georg Busolt: Griechische Geschichte. Bd. 2, 2. Auflage. Gotha 1895, S. 450 ff. Knappe Überblicke bieten auch Briant, Burn und Cawkwell.
- Sebastian Schmidt-Hofner: Das klassische Griechenland. Der Krieg und die Freiheit. München 2016, S. 13; Will, 2. aktualisierte Auflage. München 2019, S. 152.
- Sebastian Schmidt-Hofner: Das klassische Griechenland. Der Krieg und die Freiheit. München 2016, S. 9 und 11.
- Christian Meier: Athen. Ein Neubeginn der Weltgeschichte. Erweiterte Taschenbuchausgabe, München 1995, S. 254 f.
- Will, 2. aktualisierte Auflage. München 2019, S. 152.
- Im Gedichtkontext heißt es: Eurer Thaten Verdienst meldet der rührende Stein: / „Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest /Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl.“ / Ruhet sanft ihr Geliebten! Von eurem Blute begossen / Grünet der Oelbaum, es keimt lustig die köstliche Saat. (Der Spaziergang)
- Will, 2. aktualisierte Auflage. München 2019, S. 154.
- Sebastian Schmidt-Hofner: Das klassische Griechenland. Der Krieg und die Freiheit. München 2016, S. 73.
- Werner Dahlheim: Die griechisch-römische Antike. Band 1: Herrschaft und Freiheit. Die Geschichte der griechischen Stadtstaaten. 2. Auflage, Paderborn 1994, S. 166.
- Zitiert nach Christian Meier: Athen. Ein Neubeginn der Weltgeschichte. Vom Autor durchgesehene und erweitere Taschenbuchausgabe. München 1995, S. 219.
- Will, 2. aktualisierte Auflage. München 2019, S. 157.
- Zitiert nach Will, 2. aktualisierte Auflage. München 2019, S. 158.
- Will, 2. aktualisierte Auflage. München 2019, S. 156 f. und 160 f.
- Christian Meier: Athen. Ein Neubeginn der Weltgeschichte. Vom Autor durchgesehene und erweitere Taschenbuchausgabe. München 1995, S. 33.
- Will weist darauf hin, dass weder Herodots anekdotengespickte, annähernd zeitgenössische Darstellung der Perserkriege den Marathonlauf erwähnt, noch die Athener Redner des 4. Jahrhunderts v. Chr. in ihren Elogen auf die Vergangenheit der Stadt einen Hinweis darauf hinterlassen haben. Die beiden erhaltenen Überlieferungen zum Marathonlauf, die einander inhaltlich teils widersprechen, datieren mehr als ein halbes Jahrtausend nach dem gemeinten Ereignis: die eine stammt von Plutarch, die andere von Lukian von Samosata. (Will, 2. aktualisierte Auflage. München 2019, S. 163–166)