Székesfehérvár
Székesfehérvár [ˈseːkɛʃfɛheːrvaːr], (abgekürzt auch Fehérvár, deutsch Stuhlweißenburg) ist eine Stadt in Ungarn mit Komitatsrecht und der Komitatssitz des Komitats Fejér. Sie hat 96.940 Einwohner (2019)[2] und wird in Ungarn auch „Stadt der Könige“ genannt, da sie im Mittelalter neben Buda die Krönungsstadt der ungarischen Könige war.
Székesfehérvár | |||||
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Basisdaten | |||||
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Staat: | Ungarn | ||||
Region: | Mitteltransdanubien | ||||
Komitat: | Fejér | ||||
Kleingebiet bis 31.12.2012: | Székesfehérvár | ||||
Kreis seit 1.1.2013: | Székesfehérvár | ||||
Koordinaten: | 47° 12′ N, 18° 25′ O | ||||
Höhe: | 118 m | ||||
Fläche: | 170,89 km² | ||||
Einwohner: | 101.943 (1. Jan. 2011) | ||||
Bevölkerungsdichte: | 597 Einwohner je km² | ||||
Telefonvorwahl: | (+36) 022 | ||||
Postleitzahl: | 8000 | ||||
KSH-kód: | 14827 | ||||
Struktur und Verwaltung (Stand: 2020) | |||||
Gemeindeart: | Stadt | ||||
Bürgermeister: | András Cser-Palkovics[1] (Fidesz) | ||||
Postanschrift: | Városház tér 1 8000 Székesfehérvár | ||||
Website: | |||||
(Quelle: A Magyar Köztársaság helységnévkönyve 2011. január 1. bei Központi statisztikai hivatal) |
Geschichte
Name
Der ungarische Name Székesfehérvár ist zusammengesetzt aus Szék „Stuhl“ und Fehérvár („weiße Burg“) und wird in der Alltagssprache häufig verkürzt zu Fehérvár. Stuhl bezeichnet den Herrschersitz. Der Name der Stadt in anderen Sprachen wird häufig durch wörtliche oder teilweise Übersetzung des ungarischen Namens gebildet (deutsch: Stuhlweißenburg, lateinisch Alba Regalis oder Alba Regia, slowakisch Stoličný Belehrad, serbisch-kyrillisch Столни Београд und Stolni Beograd, kroatisch Stolni Biograd, slowenisch Stolni Belograd, tschechisch Stoličný Bělehrad, polnisch Białogród Stołeczny oder Białogród Królewski, türkisch İstolni Belgrad usw.).
Frühgeschichte
Im Gebiet der Stadt finden sich schon seit der Neusteinzeit (5. Jahrtausend v. Chr.) Spuren menschlicher Besiedlung. Gräberfelder datieren auch aus der Awarenzeit (9. Jahrhundert n. Chr.).
Die Siedlung und spätere Stadt, zwischen Platten- und Velencer See gelegen, war seit je ein Knotenpunkt wichtiger Handelswege. In diesem Gebiet führten Handelswege durch das Tal des Gebiets Mór und das Gebiet um Veszprém nach Südosten auf die Balkanhalbinsel, nach Nordosten zu einer Donauüberfahrtstelle (dem heutigen Budapest) und schließlich am Ufer des Plattensees entlang in Richtung Italien.
Székesfehérvár ist auch heute ein Knotenpunkt Transdanubiens sowohl für den Eisenbahn- als auch den Straßenverkehr.
Mittelalter
Der Vorläufer der heutigen Stadt wurde von den Magyaren zur Zeit der Landnahme gegründet. Im Jahre 970 wurde die Stadt von Fürst Géza zur ersten ungarischen Hauptstadt erhoben. Nach 972 erbauten sie eine winzige Burg aus Stein, innerhalb dieser den Fürstenpalast und eine Kirche. Sein Sohn Stephan I. (erster König von Ungarn, 1083 heiliggesprochen) erhob die Siedlung zur Stadt und zum weltlichen Sitz seines Königtums, es entwickelte sich die frühe Stadt mit einer großen Basilika (1003–1038). Hier wurden die Schatzkammer, das Landesarchiv und die Hoheitszeichen des Landes aufbewahrt. Die Stadt gehörte zu den zeitweise wechselnden Orten, in die der ungarische Landtag einberufen wurde. Bis 1526 wurden 43 ungarische Könige in der königlichen Basilika gekrönt und bis 1540 fünfzehn von ihnen hier bestattet, darunter auch Stephan I. Geistliches Zentrum des Landes aber war der Sitz des Erzbischofs zu Gran (Esztergom).
Im 11. Jahrhundert war die Stadt eine wichtige Station bei Wallfahrten ins Heilige Land. Im Laufe des Mittelalters entwickelte sich die Stadt immer weiter; auf den sich aus den Sümpfen hervorhebenden Hügeln entstanden die Vorstädte. Dort siedelten sich Mönchsorden, Handwerker und Händler an. 1222 war die Stadt Schauplatz eines Ereignisses von besonderer Bedeutung. König Andreas II. erließ die sogenannte Goldene Bulle, die erste Verfassung des Landes, die die Privilegien aller Adligen und die Pflichten des Königs ihnen gegenüber bestimmte.
Im Frühling 1242 wurde die Stadt von den Mongolen angegriffen, die in ganz Ungarn eingefallen waren. Die plötzliche Schneeschmelze schützte die von einem Sumpfgebiet umgebene Stadt vor dem Einfall der mongolischen Reiter, da diese nicht bis zu den Mauern der Stadt vordringen konnten.
Nachdem der ungarische Landtag zum ersten Mal 1298 nach Buda zusammengerufen worden war, wurde dieses ab 1361 zur ungarischen Hauptstadt. Székesfehérvár blühte aber zunächst weiter. In den Urkunden aus dem 13. bis 15. Jahrhundert ist eine Reihe von Palastbauten erwähnt. Das Gesicht der Stadt, die im Mittelalter eine Blütezeit erlebte, wurde ab etwa 1490 in zahlreichen Stichen verewigt.
16./17. Jahrhundert
1526 wurde Ungarn durch die Eroberungsbestrebungen des Osmanischen Reiches in seiner Existenz bedroht. Bei der Schlacht bei Mohács fielen 20.000 Angehörige des Adels und des Klerus. Auch König Ludwig II. fand auf dem Schlachtfeld den Tod. 1541 wurde Buda von den Türken erobert, 1543 fiel auch Székesfehérvár. Mit dem Tode Ludwigs kamen die ungarische Krone und damit die nördlichen und westlichen Restgebiete des Reiches an die Habsburger. Hauptstadt des habsburgischen Rest-Ungarn war Pozsony (Pressburg, Bratislava).
Székesfehérvár war nun bis 1688 eine türkische Grenzfestung, mit Ausnahme eines einzigen Jahres, als die Stadt 1601 vorübergehend zurückerobert wurde. Der größte Teil der Stadtbevölkerung flüchtete, viele Gebäude wurden zerstört, das städtische Leben kam weitgehend zum Erliegen. Die türkische Besatzungsmacht ließ nur wenige Gebäude errichten. Die königliche Basilika, die von den Osmanen samt den königlichen Gräbern geplündert worden war und danach als Lager für Schießpulver verwendet wurde, explodierte in den Wirren des Jahres 1601.
18./19. Jahrhundert
1688 wurden die Türken endgültig aus Székesfehérvár vertrieben. Ab dem Anfang des 18. Jahrhunderts erlebte die Stadt eine neue Blüte. Zu den örtlichen ungarischen und serbischen Einwohnern kamen deutsche und mährische Siedler. 1703 erhielt die Stadt den Rang einer königlichen Freistadt zurück; sie war aber nicht mehr Hauptstadt des Landes. Die Landtage fanden bis ins 19. Jahrhundert weiterhin in Pressburg statt, wo auch die habsburgischen Könige gekrönt wurden, die ihren Sitz für alle ihre Länder in Wien hatten. Mitte des 18. Jahrhunderts begannen größere Bautätigkeiten: z. B. das Ordenshaus und die Kirche der Franziskaner (OFM), die kirchlichen Bauten der Jesuiten. Öffentliche Gebäude, Barockpaläste und Bürgerhäuser wurden errichtet. Der Entwicklung der Stadt ist auf den Bildern aus den Jahren 1720 bis 1870 gut zu verfolgen. 1777 entstand das katholische Bistum Stuhlweißenburg.
Nach der Befreiung von der osmanischen Herrschaft waren überwiegend Zuwanderer aus Süddeutschland in die weitgehend entvölkerte Stadt gezogen. Unter dem Einfluss der Reformbestrebungen Anfang des 19. Jahrhunderts magyarisierten die Bürger sich allmählich. Am 15. März 1848 schlossen sich die Bürgerschaft und die Jugend der Revolution an. Nach der Niederschlagung der Revolution und des darauffolgenden Freiheitskrieges wurde Székesfehérvár im Schatten des mittlerweile stark wachsenden Budapest eine kaum industrialisierte Agrarstadt.
20. Jahrhundert
Nach dem Friedensvertrag von Trianon 1920 erlebte die Stadt in der Zwischenkriegszeit eine Periode des Aufschwungs.
1922 wurde in Székesfehérvár eine Großfunkstelle errichtet, die über zwei je 152 Meter hohe abgespannte Stahlfachwerkmaste verfügte und den Lang- und Kurzwellenfunk diente. Die großen Masten wurden 2009 abgerissen.
Die 1945 noch 35.000 Einwohner zählende Stadt wuchs bis zum Ende der 1970er Jahre auf 100.000 an. Es entstanden neue Wohnsiedlungen; aber die Innenstadt bewahrte ihren Barockcharakter, und die Gebäude blieben als Kunstdenkmäler erhalten. Die bedeutendsten Barockbauten sind der Dom, das bischöfliche Palais und das Rathaus. Ein bekanntes neueres Bauwerk am Rande der Stadt ist die „Bory-Burg“ (Bory-vár), ein vom Künstler Jenő Bory (1879–1959) in jahrzehntelanger Arbeit errichtetes siebentürmiges Privatschloss, das heute als Museum fungiert.
Am 18. August 1951 ereignete sich bei Székesfehérvár ein schwerer Eisenbahnunfall, bei dem mehr als 150 Menschen starben.
Sehenswert
Im Laufe der archäologischen Forschungen der vergangenen Jahrzehnte wurden die mittelalterlichen Überreste freigelegt, die fortdauernd restauriert und ausgestellt werden. Im „Ruinengarten“ finden sich unter anderem die Reste der romanischen Basilika und des Mausoleums von König Stephan I. aus dem 11. Jahrhundert und die Reste der spätgotischen Annakapelle aus der Zeit um 1470. Sehenswert ist die Kathedrale von Székesfehérvár, welche die 1601 zerstörte Basilika von Székesfehérvár ersetzte.
Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt 2023
Die Stadt bewarb sich Ende 2017 gemeinsam mit sieben anderen ungarischen Städten als europäische Kulturhauptstadt 2023.[3] Bei der Vorausscheidung im Februar 2018 wurde Székesfehérvár angeblich aufgrund eines Werbefilms über die Stadt, auf dem nach Meinung des EU-Kulturausschusses „zu viele fröhliche weiße Menschen“, „zu viele Kreuze und Kirchen“ und „zu wenige Arme und Migranten“ zu sehen gewesen seien, aus dem Bewerb entfernt.[4][5][6] Diese Begründung der Entscheidung sorgte in Ungarn für große Empörung und der Bürgermeister von Székesfehérvár verlangte, dass die Details der Anhörung und Entscheidung veröffentlicht werden sollten.[7]
Wirtschaft
Ab Mitte des 20. Jahrhunderts setzte sich die aggressive Industrialisierung fort. Unter anderem wurden ein Aluminiumwalzwerk und eine Motorradfabrik errichtet. Der Computerhersteller IBM gründete hier ein Festplattenwerk, welches gegen Ende 2002 stillgelegt wurde. Auf dem Areal ist heute Denso, ein Automobilzulieferer, ansässig.
Verkehr
Söhne und Töchter der Stadt
- Miklós Ybl (1814–1891), Architekt
- Ignaz Goldziher (1850–1921), Orientalist
- Jenő Bory (1879–1959), Bildhauer, Architekt und Hochschullehrer; Errichter der Bory-vár
- Cornelius Lanczos (1893–1974), Physiker
- Anna Rothziegel (1894–1979), Kunsthandwerkerin und Textilkünstlerin
- József Szendi (1921–2017), Alterzbischof von Veszprém
- István Deák (* 1926), Historiker
- József Ács (* 1931), Bildhauer und Medailleur
- Martha Eibl (* 1931), Medizinerin
- Denis Farkasfalvy (1936–2020), römisch-katholischer Geistlicher, Zisterzienser, Abt, Theologe, Autor und Übersetzer
- Lajos Kü (* 1948), Fußballspieler
- Lajos Rácz (* 1952), Ringer
- Viktor Orbán (* 1963), Politiker
- Viktor Horváth (* 1978), Moderner Fünfkämpfer, Welt- und Europameister
- Lazlo Nagy (* 1981), Handballspieler
- Gábor Borsos (* 1991), Tennisspieler
- Bence Venyercsán (* 1996), Geher
- Bendegúz Bolla (* 1999), Fußballspieler
Ehrenbürger
- Reinhard Kuhnert (* 1939), deutscher Sprachdidaktiker, Professor, ehemaliger Rektor der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd sowie Hochschulpolitiker und Kommunalpolitiker
- Richard Arnold (* 1959), deutscher Politiker, Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd[8]
Sport
- Alba Volán Székesfehérvár, Eishockeyverein, der an der österreichischen Liga teilnimmt
- Fehérvár FC, Fußballverein der 1. ungarischen Liga, der 2011 erstmals ungarischer Meister wurde
Galerie
- Neue Stephans-Kathedrale
- Ruinen der alten Stephansbasilika
- Verwaltung des Komitats Fejér
- Nordöstliche Vorstädte
- Csalapuszta-Palast
Partnerstädte
- Alba Iulia, Rumänien
- Birmingham, Alabama, USA
- Blagoewgrad, Bulgarien
- Bratislava, Slowakei
- Cento, Italien
- Chorley (Lancashire), Großbritannien (seit 1991)
- Erdenet, Mongolei[9]
- Kocaeli, Türkei
- Kemi, Finnland
- Luhansk, Ukraine
- Opole, Polen (seit 1978)
- Schwäbisch Gmünd, Deutschland (seit 1991)
- Weißenburg in Bayern, Deutschland
- Zadar, Kroatien
Weblinks
Einzelnachweise
- Helyi önkormányzati választások 2019 - Székesfehérvár (Fejér megye). Nemzeti Választási Iroda, 13. Oktober 2019, abgerufen am 28. April 2020 (ungarisch).
- http://www.ksh.hu/apps/hntr.telepules?p_lang=EN&p_id=14827
- Sieben ungarische Städte bewerben sich um die Kulturhauptstadt Europas (Hét hazai város pályázik az Európa Kulturális Fővárosa címre). 27. Dezember 2017, abgerufen am 11. Mai 2018 (ungarisch).
- Herczeg Márk: A fideszes polgármester arról, hogy nem az ő városa lesz 2023-ban Európa Kulturális Fővárosa: MIGRÁNSOK - 444. In: 444. 15. Februar 2018 (ungarisch, 444.hu [abgerufen am 11. Mai 2018]).
- Nem akarnak migránsokat. In: Lokál. 5. April 2018 (ungarisch, lokal.hu [abgerufen am 11. Mai 2018]).
- Zu viele „weiße glückliche Christen“? Ungarns Stadt vom EU-Kulturwettbewerb ausgeschlossen. In: RT Deutsch. 22. Februar 2018 (rt.com [abgerufen am 11. Mai 2018]).
- A sok kereszt és a kevés migráns miatt bukta Fehérvár az EKF-pályázatot? In: Dunaújváros Online. 16. Februar 2018 (ungarisch, dunaujvaros.com [abgerufen am 11. Mai 2018]).
- Städtepartnerschaft: Ungarische Ehrenbürgerschaft für OB Richard Arnold vom 22. August 2021 auf remszeitung.de
- szekesfehervar.hu (Memento des Originals vom 15. April 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Die Mongolische Stadt Erdenet ist die neue Partnerstadt von Székesfehérvár