Kampfgeschwader 1 „Hindenburg“
Das Kampfgeschwader 1 „Hindenburg“ war ein Verband der Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg. Es war nach Paul von Hindenburg benannt, einem Generalfeldmarschall des Ersten Weltkrieges und letztem Reichspräsidenten der Weimarer Republik.
Kampfgeschwader 1 | |
---|---|
Geschwaderabzeichen | |
Aktiv | 1. Mai 1939 bis 25. August 1944 |
Staat | Deutsches Reich |
Streitkräfte | Wehrmacht |
Teilstreitkraft | Luftwaffe |
Truppengattung | Fliegertruppe |
Typ | Kampfgeschwader |
Gliederung | Geschwaderstab und 4 Gruppen |
Standort | Stab Kolberg I. Gruppe Kolberg II. Gruppe Pinnow-Plathe III. Gruppe Burg IV. (Ergänzungs-)Gruppe Münster-Handorf |
Spitzname | Hindenburg-Geschwader |
Ausrüstung | Heinkel He 111, Junkers Ju 88, Heinkel He 177 |
Zweiter Weltkrieg | Überfall auf Polen Westfeldzug Luftschlacht um England Deutsch-Sowjetischer Krieg Alliierte Invasion in Italien |
Geschwaderkommodore | |
Erster Kommodore | Oberst Ulrich Kessler |
Aufstellung
Das Kampfgeschwader 1 entstand am 1. Mai 1939 aus dem am 1. April 1936 in Greifswald aufgestellten Kampfgeschwader 152 „Hindenburg“. Aus dem Geschwaderstab und der IV./KG 157 entstanden am 1. Mai 1939 in Kolberg (Lage ) der Stab und die I./KG 1. Aus der I. Gruppe des Lehrgeschwaders 3 bildete sich am 18. September 1939 in Pinnow-Plathe die II./KG 1. Die III./KG 1 entstand am 15. Dezember 1939 in Burg (Lage ) aus Personalabgaben der beiden anderen Gruppen. Im August 1940 entstand die IV. (Ergänzungs-)Gruppe in Münster-Handorf (Lage ). Das Geschwader war von 1939 bis März 1941 mit der Heinkel He 111 ausgestattet. Danach rüsteten die I. und II. Gruppe als letzte auf die Junkers Ju 88 um. Ab Dezember 1943 erreichten die ersten Heinkel He 177 die I. und II. Gruppe. Die III. Gruppe konnte erst im Juni 1944 ihre He 177 übernehmen. Die Geschwaderkennung war V4.[1]
Geschichte
Der Stab, die I./Kampfgeschwader 1 und die I./KG 152 (ab 18. September die II./KG 1) nahmen, von ihren Heimatbasen Kolberg und Pinnow-Plathe aus, am Überfall auf Polen teil. Dazu waren sie der 1. Fliegerdivision der Luftflotte 1 im Nordabschnitt der Front unterstellt.[2]
Während des Westfeldzuges standen alle drei Gruppen unter dem Kommando des I. Fliegerkorps der Luftflotte 3.[3] Von den Plätzen in Gießen (Lage ), Kirtorf (Lage ) und Ettingshausen (Lage ) aus, erfolgten erste Luftangriffe auf Flugplätze zur Erringung der Luftherrschaft und taktische Einsätze zur Heeresunterstützung.[1]
In der anschließenden Luftschlacht um England blieb das gesamte Geschwader beim I. Fliegerkorps, nun aber unter dem Kommando der Luftflotte 2.[4] Anfangs flog es von den französischen Basen Montdidier (Lage ) und Rosières-en-Santerre (Lage ) Luftangriffe gegen südenglische Hafenanlagen. Ab August flog es so genannte Vergeltungsangriffe auf London und Coventry. Danach folgten bis Juni 1941 Nachtangriffe gegen England und Verminung wichtiger Flüsse (Themse, Humber, Bristolkanal).[1] Zu den genutzten Stützpunkten gehörten u. a. Bapaume (Lage ) und Roye-Amy (Lage ). Die I./KG 1 wurde umbenannt in III./KG 40 und schied damit aus dem Geschwader aus. Eine neue I. Gruppe entstand am 8. Juni 1942 als die III./KG 26 in I./KG 1 umbenannt wurde.
Am Angriff auf die Sowjetunion, ab 22. Juni 1941, nahm das Geschwader mit dem Stab und der II. Gruppe in Powunden (Lage ) und der III. Gruppe in Eichwalde (Lage ) teil. Dazu war es dem I. Fliegerkorps der Luftflotte 1 im Nordabschnitt der Ostfront unterstellt.[5] In vielen rein taktischen Einsätzen zur Heeresunterstützung war es oft an den Schwerpunkten im Norden der Ostfront eingesetzt. Ab 15. September erfolgten Luftangriffe auf den Hafen von Leningrad.[6]
Am 4. und 5. April 1942 nahmen Teile des Kampfgeschwaders 1, vom Fliegerhorst Dno[7] (Lage ) aus, am „Unternehmen Eisstoß“ teil. Zusammen mit Teilen der Sturzkampfgeschwader 1 und 2, des Kampfgeschwaders 4 und des Jagdgeschwaders 54 griffen sie Kriegsschiffe der Baltischen Flotte im Leningrader Hafen an. Dabei beschädigten sie, das Schlachtschiff Oktjabrskaja Rewoljuzija durch vier Bombentreffer, den Kreuzer Maksim Gorki durch sieben Treffer mittleren Kalibers, die Kreuzer Kirow und Petropawlowsk und der Zerstörer Silny durch je einen schweren Treffer, sowie der Zerstörer Grosjaschtschi, der Minenleger Marti und das Schulschiff Swir durch leichtere Treffer. Beschädigt wurden außerdem die Zerstörer Stoyki und Swirepy sowie die Unterseeboote M-79, P-2 und P-3.[8]
Ab Oktober 1942 verlegte das Geschwader nach Morosowskaja (Lage ) in den Südabschnitt der Ostfront um in die Schlacht um Stalingrad einzugreifen. Weiterhin erfolgten zusammengefasste Angriffe gegen die sowjetische Ölindustrie in Grosny.[6]
Im Jahre 1943 ging das Geschwader wieder in den Nord- und Mittelabschnitt der Ostfront zurück. Die III./KG 1 rüstete auf die Junkers Ju 88 P (mit einer 7,5-cm-Kanone) und wurde zur Panzerabwehr eingesetzt. Sie blieb als selbstständige Gruppe an der Ostfront, unter anderen in Orjol, (Lage ) von wo sie sie als Teil der 1. Fliegerdivision der Luftflotte 6 am Unternehmen Zitadelle teilnahm.[9]
Der Stab, die I. und II. Gruppe befanden sich ab Mai 1943 bereits in Italien. Von Piacenza (Lage ) und Grottaglie (Lage ) aus, griffen sie in die Abwehrkämpfe in Sizilien und Süditalien ein. Nachdem das Geschwader fast vollständig vernichtet war, wurde es in Oberitalien mit Besatzungs- und Verwaltungsaufgaben betraut.[6]
Ab November 1943 erfolgte die Rückverlegung auf die Flugplätze Burg und Brandis (Lage ). Dort begann die Umrüstung auf die Heinkel He 177. Im Juni 1944 kam die I./KG 100 als neue III. Gruppe nach Wittmundhafen. Die Umrüstung und die damit erforderlichen Umschulungen waren sehr zeitintensiv, so dass erst im Juni 1944 die Unterstellung unter das IV. Fliegerkorps an der Ostfront erfolgte. Aber schon im August verlegte es zurück in die Heimat. Dort wurde es aufgelöst. Das Personal wechselte in das neu aufgestellte Jagdgeschwader 7 „Hindenburg“.[10]
Kommandeure
Geschwaderkommodore
Dienstgrad | Name | Zeit |
---|---|---|
Oberst | Ulrich Kessler | 1. Mai 1939 bis 17. Dezember 1939 |
Oberstleutnant | Ernst Exss | 19. Dezember 1939 bis 12. Juli 1940 |
Oberst | Josef Kammhuber | 12. Juli 1940 bis 18. Juli 1940 |
Generalmajor | Karl Angerstein | 18. Juli 1940 bis 1. März 1942 |
Major | Herbert Loch | März 1942 bis Juni 1942 |
Oberstleutnant | Peter Schemmell | Juni 1942 bis 14. August 1942 |
Major | Hans Keppler | 15. August 1942 bis 3. September 1942 |
Major | Heinrich Lau | September 1942 bis 15. März 1943 |
Oberstleutnant | Horst von Riesen | 17. März 1943 bis August 1944 |
Gruppenkommandeure
- I. Gruppe
- Oberstleutnant Robert Krauß, 1. Mai 1939 bis 1. November 1939
- Major Ludwig Maier, 4. November 1939 bis 5. September 1940
- Oberstleutnant Hermann Crone, 13. September 1940 bis 20. Dezember 1940
- Major Walther Herbold, 20. Dezember 1940 bis 24. März 1941
- Oberstleutnant Hellmut Schalke, 8. Juni 1942 bis 8. Junli 1942
- Oberstleutnant Werner Dahlke, Juli 42 bis 26. Juni 1943
- Major Günther Hoffmann-Loerzer, 26. Juni 1943 bis 17. Februar 1944
- Major Manfred von Cossart, 17. Februar 1944 bis Juli 1944
- II. Gruppe
- Major Benno Kosch, 18. September 1939 bis 1941
- Hauptmann Otto Stams, 1941 bis 27. Juni 1941
- Hauptmann Emil Enderle, Juni 1941 bis 3. November 1941
- Hauptmann Karl-Heinz Lüdicke, November 1941 bis ?
- Hauptmann Heinz Laube, ? bis 8. Dezember 1942
- Major Herbert Lorch, Dezember 1942 bis Januar 1943
- Major Horst von Riesen, Januar 1943 bis 17. März 1943
- Hauptmann Günther Dörffel, 1. April 1943 bis 1. Juli 1943
- Hauptmann Klaus Mohr, 1. Juli 1943 bis 24. September 1943
- Hauptmann Martin Rohrdantz, September 1943 bis 25. August 1944
- III. Gruppe
- Major Otto Schnelle, 15. Dezember 1939 bis 22. Juni 1940
- Major Willibald Fanelsa, 22. Juni 1940 bis 27. August 1940
- Hauptmann Heinz Fischer, 10. September 1940 bis 11. April 1941
- Major Walter Lehweß-Litzmann, April 1941 bis ?
- Hauptmann Hans Keppler, ? bis 15. August 1942
- Hauptmann Werner Kanther, August 1942 bis 24. März 1944
- Hauptmann Kurt Maier, Mai 1944 bis August 1944
- IV. Gruppe
- Hauptmann Herbert Lorch, 16. August 1940 bis 5. Mai 1941
- Major Werner Dahlke, 6. Mai 1941 bis 20. Juli 1942
- Hauptmann Günther Hoffmann-Loerzer, 1. August 1942 bis 23. November 1942
- Major Manfred von Cossart, 24. November 1942 bis 4. Februar 1944
- Major Siegfried von Cramm, 5. Februar 1944 bis 31. August 1944
Bekannte Geschwaderangehörige
- Siegfried Barth (1916–1997), war 1973, als Oberst der Luftwaffe der Bundeswehr, im Luftflottenkommando tätig
- Hans-Wolrad Dölling (* 1916), Brigadegeneral der Luftwaffe der Bundeswehr
- Fritz Dörner (1908–1976), war von 1959 bis 1967 erster Generalarzt der Luftwaffe der Bundeswehr
- Josef Kammhuber (1896–1986), war von 1957 bis 1962, als General der Luftwaffe der Bundeswehr, erster Inspekteur der Luftwaffe
- Lambert Konschegg (1912–1977), war von 1945 bis 1962 ÖVP-Abgeordneter im Nationalrat, Vorstandsvorsitzender der Fluggesellschaft Austrian Airlines (AUA) und Präsident des Weltverbandes der Fluggesellschaften IATA
- Walter Lehweß-Litzmann (1907–1986), war von 1952 bis 1959 Chef der fliegerischen Ausbildung der KVP und NVA-Luftstreitkräfte und von 1959 bis 1970 Direktor des Flugbetriebs der Interflug in der DDR
Literatur
- Wolfgang Dierich: Die Verbände der Luftwaffe 1935–1945. Gliederungen und Kurzchroniken ein Dokument. Hrsg.: Wolfgang Dierich. Verlag Heinz Nickel, Zweibrücken 1993, ISBN 3-925480-15-3 (703 S.).
Weblinks
Einzelnachweise
- Dierich, S. 98.
- Bernhard R. Kroener: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 5/1, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1988, ISBN 3-421-06232-3, S. 718–719.
- Leo Niehorster: Battle for France, German Order of Battle, 3rd Air Force, I Air Corps, 10 May 1940. 12. Dezember 2001, abgerufen am 4. Januar 2017 (englisch).
- Ulf Balke: Der Luftkrieg in Europa 1939–1941. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1998, ISBN 3-86047-591-6, S. 408 (1057 S.).
- Leo Niehorster: German Air Force, Order of Battle, 1st Air Fleet, I Air Corps, 22 June 1941, abgerufen am 2. Mai 2015.
- Dierich, S. 99.
- Henry L. deZeng IV: Luftwaffe Airfields 1935–45, Russia (incl. Ukraine, Belarus & Bessarabia) S. 154–156, abgerufen am 14. März 2020.
- Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, April 1942, abgerufen am 14. Juli 2013.
- Karl-Heinz Frieser, Klaus Schmider und Klaus Schönherr: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 8: „Die Ostfront 1943/44 – Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten.“ Hrsg.: Militärgeschichtliches Forschungsamt, DVA 2007, ISBN 978-3-421-06235-2, S. 90–92.
- Dierich, S. 100.