Kampfgeschwader 100
Das Kampfgeschwader 100 war ein Verband der deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg. Aufgrund seines Wappens wurde es auch Wiking-Geschwader genannt.
Kampfgeschwader 100 | |
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Geschwaderabzeichen | |
Aktiv | 29. November 1941 bis 1945 |
Staat | Deutsches Reich |
Streitkräfte | Wehrmacht |
Teilstreitkraft | Luftwaffe |
Truppengattung | Fliegertruppe |
Typ | Kampfgeschwader |
Gliederung | Geschwaderstab und 4 Gruppen |
Spitzname | Wiking-Geschwader |
Ausrüstung | Heinkel He 111, Dornier Do 217, Heinkel He 177 |
Zweiter Weltkrieg | Überfall auf Polen Norwegenfeldzug Luftschlacht um England Deutsch-Sowjetischer Krieg Alliierte Invasion in Italien Unternehmen Steinbock Landung in der Normandie |
Geschwaderkommodore | |
Erster Kommodore | Oberstleutnant Heinz von Holleben |
Aufstellung
Der Geschwaderstab entstand am 15. Dezember 1941. Die I. Gruppe wurde aus der bisher selbstständigen Kampfgruppe 100 gebildet. Die II. Gruppe war die im Winter 1941/42 umbenannte III. Gruppe des Kampfgeschwaders 26. Als III. Gruppe übernahm das Geschwader im Winter 1941/1942 die Küstenfliegergruppe 126.[1] Eine IV. (Ergänzungs-)Gruppe entstand ebenfalls. Das Geschwader war anfangs mit der Heinkel He 111, später mit der Dornier Do 217 und der Heinkel He 177 ausgestattet. Die Geschwaderkennung war 6N.
Geschichte
Die selbständige Kampfgruppe 100 war mit drei Staffeln Heinkel He 111 H im Rahmen des X. Fliegerkorps, an der Besetzung Dänemark und Norwegens beteiligt. Die Liegeplätze in dieser Zeit wechselten häufig. So war sie nacheinander in Nordholz (Lage ), Schleswig (Lage ), Jonsvannetsee, Aalborg-West (Lage ), Trondheim-Vaernes (Lage ) und Stavanger Sola (Lage ) stationiert.[2] Während des Unternehmens versenkte sie am 4. Mai 1940 den polnischen Zerstörer Grom (Lage ), der gerade deutsche Landungstruppen in Narvik mit seiner Artillerie beschoss. Dabei starben 59 polnische Seeleute. Am 26. Mai versenkte sie vor Skaanland, unter Verlust von 9 britischen Seeleuten, den britischen Flak-Kreuzer HMS Curlew (Lage ).[3] Am 31. Mai 1940 verlegte die Kampfgruppe 100 zurück nach Lüneburg und war der 9. Fliegerdivision unterstellt, die zu dieser Zeit ihre Befehle direkt vom Oberkommando der Luftwaffe bekam.
Zum 9. August 1940 wechselte die Kampfgruppe 100 nach Frankreich auf den Flugplatz Vannes-Meucon. Dort war sie der 9. Fliegerdivision der Luftflotte 2 unterstellt.[4]
In der am 13. August beginnenden Luftschlacht um England übernahmen die Besatzungen der Kampfgruppe 100 mit ihren Heinkel He 111 die Aufgabe eines Zielfinders/Zielmarkierers (Pfadfinderaufgaben).[5] Dabei wendete sie das X-Verfahren des deutschen Physikers Johannes Plendl an, mit dem es möglich war, auf 350 km Entfernung ein Quadrat von 300 Metern Breite zu treffen. In dieser Funktion waren sie bei allen großen Luftangriffen auf London, Glasgow, Birmingham, Liverpool, Manchester und anderen beteiligt. Auch beim Luftangriff auf Coventry (Lage ) am 14. November 1940 übernahm die Kampfgruppe die Zielfindung/Zielmarkierung für die nachfolgenden Kampfflugzeuge. Insgesamt starben in dieser Nacht in Coventry mindestens 568 Menschen.[6]
Bei Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 befand sich die Kampfgruppe 100 noch in Frankreich und war dem IX. Fliegerkorps der Luftflotte 3 zugeteilt. Erst am 19. Juli wechselte sie zum II. Fliegerkorps der Luftflotte 2 in den Mittelabschnitt der Ostfront. Für die Luftangriffe auf Moskau übernahm sie wiederum Zielfinder/Zielmarkierungsaufgaben.[7] Am 15. Dezember erfolgte die Umbenennung in I. Gruppe des Kampfgeschwaders 100, da sich inzwischen ein Geschwaderstab gebildet hatte. Am 2. Juli 1942 führte sie einen Angriff auf die sowjetische Hafenstadt Noworossijsk durch. Dabei zerstörte sie den schon beschädigten Flottillenführer Taschkent, versenkte den Zerstörer Bditelny, die Transporter Ukraina (4727 BRT) und Proletari (1123 BRT) und beschädigte den Schulkreuzer Komintern, die Zerstörer Soobrazitelny und Nezamozhnik, die Wachboote Shtorm und Shkval, das Unterseeboot L-24 sowie die Transporter Voroshilov (3908 BRT) und Kursk (5801 BRT).[8] Im Jahre 1943 nahm sie vom 5. bis 22. Juni an den Luftangriffen auf Gorki und Jaroslawl teil. In Nachtangriffen, zusammen mit anderen Kampfgeschwadern, sollten das Panzerwagenwerk „Molotow“ und das Kunstkautschukwerk Jaroslawl angegriffen werden.[9] Dabei kamen in Gorki 282 Menschen ums Leben, bei 527 Verletzten und 52 Gebäude des Werkes wurden zerstört. In Jaroslawl wurden über 120 Menschen getötet, rund 150 weitere verletzt und über 200 Gebäude (darunter einige Werkshallen des Kautschukwerkes) vollständig zerstört.[10] Anschließend nahm sie mit ihren Heinkel He 111 am Unternehmen Zitadelle teil. Unter der Luftflotte 4 dem VIII. Fliegerkorps zugeteilt, unterstützte sie den südlichen Angriffskeil beim letztendlich gescheiterten Angriff in Richtung Kursk.[11]
Am 15. Dezember 1941 entstand aus der ehemaligen III. Gruppe des Kampfgeschwaders 26 die II. Gruppe des Kampfgeschwaders 100. Im August 1943 verlegte sie mit ihren Dornier Do 217 nach Nordfrankreich um den feindlichen Schiffsverkehr im Ärmelkanal und der Biskaya anzugreifen. Dabei setzte sie erstmals die Gleitbombe Henschel Hs 293 ein. Am 28. August attackierten sie mit 18 Do 217 in der Biskaya die britische 1st Support Group mit den Sloops Pelican und Egret den Fregatten Jed, Rother, Spey und Evenlode und den Zerstörern Athabaskan und Grenville an, und versenkte die Egret (Lage ) mit einer Gleitbombe. Dabei starben 197 Besatzungsangehörige.[12] Danach verlegte sie nach Istres, wo inzwischen auch die neu formierte III. Gruppe stationiert war und bekämpfte den alliierten Schiffsverkehr im Mittelmeer. Dabei gelang es, nach der italienischen Kapitulation, am 9. September das italienische Schlachtschiff Roma (Lage ) mit Fritz-X--Gleitbomben zu versenken.[13] Vom 11. bis 19. September griffen sie in der Bucht von Salerno in einer Serie von Angriffen alliierte Kriegsschiffe an. Dabei traf es den US-Kreuzer Savannah und den britischen Kreuzer Uganda mit jeweils einer Fritz-X-Gleitbombe. Weiterhin trafen drei Bomben das britische Schlachtschiff Warspite. Alle drei alliierten Kriegsschiffe wurden schwer beschädigt und fielen lange aus. Dazu kam am 13. September ein Treffer auf der als britisches Lazarettschiff genutzten Newfoundland (Lage ) dazu, die daraufhin Feuer fing und unter Verlust von 21 Toten selbstversenkt werden musste.[14]
Von Anfang 1944 bis Mai 1944 nahm die I./KG 100 am Unternehmen Steinbock teil.[15] Die II. und die III. Gruppe waren weiter im Mittelmeerraum tätig. Hier versenkten sie am 10. Januar 1944 vor Oran den Frachter Ocean Hunter (7178 BRT) und torpedierten die Daniel Webster (7176 BRT).[16] Am 29. Januar versenkte die III. Gruppe mit ihren Dornier Do 217 zusammen mit der I. Gruppe des Lehrgeschwaders 1 mit Gleitbomben vom Typ Hs 293 den britischen Leichten Kreuzer Spartan (Lage ) und den Transporter Samuel Huntington.[16] Beide Schiffe hatten an der alliierten Landung bei Anzio teilgenommen. Am 15. Februar wurde dann noch der britische Zerstörer Inglefield (Lage ) im gleichen Seegebiet getroffen. Dieser sank unter dem Verlust von 35 der 192 Besatzungsangehörigen.[17] Die III. Gruppe lag ab dem Frühjahr in Toulouse. Ab Juni 1944, nach der alliierten Landung in der Normandie, griff sie die Landungstruppen an. Hier kamen die I. und III. Gruppe hinzu, so dass das gesamte Geschwader an der Invasionsfront kämpfte. Dabei versenkten Dornier Do 217 der III. Gruppe am 8. Juni die britische Fregatte Lawford im Ärmelkanal vor der Normandieküste. (Lage ) Dabei kamen 37 Besatzungsangehörige ums Leben.[18] Das Geschwader erlitt bis September 1944 schwere Verluste, so dass es von der Front abgezogen werden musste.[13] Bis Anfang 1945 löste sich das Geschwader auf.
Kommandeure
Geschwaderkommodore
Dienstgrad | Name | Zeit |
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Oberstleutnant | Heinz von Holleben | 29. November 1941 bis 22. April 1943 |
Major | Fritz Auffhammer | 4. Mai 1943 bis 10. September 1943 |
Oberstleutnant | Bernhard Jope | 10. September 1943 bis 20. August 1944 |
Gruppenkommandeure
- I. Gruppe
- Major Helmut Küster, 15. Dezember 1941 bis 21. März 1942
- Major Werner Hoffmann, 21. März 1942 bis Oktober 1942
- Major Paul Claas, Oktober 1942 bis 20. Juni 1943
- Major Hansgeorg Bätcher, 28. Juli 1943 bis 21. Oktober 1943
- Hauptmann Hans-Gotthelf von Kalckreuth, 21. Oktober 1943 bis ?
- Oberleutnant Kurt Maier, ? bis ?
- II. Gruppe
- Major Horst Röbling, 15. Dezember 1941 bis 15. Oktober 1942
- Major Hermann Diekötter, 15. Oktober 1942 bis 30. Oktober 1942
- Major Fritz Auffhammer, 30. Oktober 1942 bis 4. Mai 1943
- Major Franz Hollweg, 7. Mai 1943 bis 10. September 1943
- Hauptmann Heinz Molinnus, 10. September 1943 bis 4. Oktober 1943
- Hauptmann Heinz-Emil Middermann, 4. Oktober 1943 bis 16. Februar 1944
- Major Bodo Meyerhofer, 5. Mai 1944 bis 14. Mai 1944
- Hauptmann Hans Molly, 11. Juni 1944 bis 2. Februar 1945
- III. Gruppe
- Major Schulz, 20. September 1942 bis 31. Januar 1943
- Oberstleutnant Hermann Busch, 31. Januar 1943 bis Februar 1943
- Hauptmann Ernst Hetzel, 4. Mai 1943 bis 28. Juli 1943
- Hauptmann Bernhard Jope, 28. Juli 1943 bis 10. September 1943
- Hauptmann Gerhard Döhler, 10. September 1943 bis Dezember 1943
- Hauptmann Herbert Pfeffer, Dezember 1943 bis 30. April 1944
- Hauptmann Wolfgang Vorpahl, 12. Juni 1944 bis August 1944
- Hauptmann Heinrich Schmetz, August 1944 bis 7. September 1944
- IV. Gruppe
- Hauptmann Enno Russell, 24. August 1940 bis 14. Februar 1942
- Major Paul Claas, 15. Februar 1942 bis Oktober 1942
- Major Eduard Zimmer, Oktober 1942 bis 12. Juni 1943
- Hauptmann Bernhard Jope, 12. Juni 1943 bis 28. Juli 1943
- Hauptmann Gerhard Döhler, 28. Juli 1943 bis 10. September 1943
- Hauptmann Willi Silbersiepe, 10. September 1943 bis 20. August 1944
Bekannte Geschwaderangehörige
- Hermann Busch (1902–?), war von 1958 bis 1961, als Brigadegeneral der Luftwaffe der Bundeswehr, erster Amtschef des Luftwaffenamtes
- Roderich Cescotti (1919–2015), war ein deutscher Generalmajor der Luftwaffe der Bundeswehr und Buchautor
- Kurt John (1923–1988) war von 1955 bis 1970 für die Demokratische Partei Saar (DPS) Mitglied des Landtages des Saarlandes
Literatur
- Wolfgang Dierich: Die Verbände der Luftwaffe 1935–1945. Gliederungen und Kurzchroniken ein Dokument. Hrsg.: Wolfgang Dierich. Verlag Heinz Nickel, Zweibrücken 1993, ISBN 3-925480-15-3 (703 S.).
- Ulf Balke: Der Luftkrieg in Europa 1939–1941. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1998, ISBN 3-86047-591-6 (1057 S.).
Weblinks
Einzelnachweise
- Wolfgang Dierich, S. 139.
- Leo Niehorster: Scandinavian Campaign X Air Corps, German Air Force, Unternehmen Weserübung 9 April 1940. 11. November 2010, abgerufen am 3. Februar 2017 (englisch).
- Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, Mai 1940. Abgerufen am 10. Januar 2017.
- Ulf Balke: Der Luftkrieg in Europa 1939–1941, Bechtermünz Verlag, ISBN 3-86047-591-6, S. 408–413.
- Wolfgang Dierich, S. 140.
- BBC: 1940: Germans bomb Coventry to destruction (= On this day, 15 November) Online, abgerufen am 6. Februar 2017.
- Horst Boog: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Der Angriff auf die Sowjetunion. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1983, ISBN 3-421-06098-3, S. 692 (1172 S.).
- Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, Juli 1942. Abgerufen am 8. Januar 2017.
- Horst Boog: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Das Deutsche Reich in der Defensive, Band 7, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2001, ISBN 3-421-05507-6, S. 347.
- A. V. Fedorčuk: Jaroslavlʹ. Istorija tvoego goroda, Akademija Razvitij, ISBN 5-7797-0630-1, S. 79
- Karl-Heinz Frieser: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 8, Die Ostfront 1943/44, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007, ISBN 978-3-421-06235-2, S. 91.
- Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, August 1943. Abgerufen am 15. Februar 2018.
- Wolfgang Dierich, S. 141.
- Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, September 1943. Abgerufen am 8. Januar 2017.
- Ulf Balke, S. 390.
- Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, Januar 1944. Abgerufen am 8. Januar 2017.
- Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, Februar 1944. Abgerufen am 17. Januar 2019.
- Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, Juni 1944. Abgerufen am 26. September 2020.