Kampfgeschwader 77
Das Kampfgeschwader 77 war ein Verband der Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg.
Kampfgeschwader 77 | |
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Aktiv | 1. Mai 1939 bis 20. Juli 1944 |
Staat | Deutsches Reich |
Streitkräfte | Wehrmacht |
Teilstreitkraft | Luftwaffe |
Truppengattung | Fliegertruppe |
Typ | Kampfgeschwader |
Gliederung | Geschwaderstab und 4 Gruppen |
Standort | Stab Prag I. Gruppe Prag II. Gruppe Brünn III. Gruppe Königgrätz IV. (Ergänzungs-)Gruppe Laon-Couvron |
Ausrüstung | Dornier Do 17, Junkers Ju 88 |
Zweiter Weltkrieg | Überfall auf Polen Westfeldzug Luftschlacht um England Deutsch-Sowjetischer Krieg Kriegsschauplatz Mittelmeerraum |
Geschwaderkommodore | |
Erster Kommodore | Oberst Heinrich Seywald |
Aufstellung
Das Kampfgeschwader 77 entstand am 1. Mai 1939 aus dem am 1. April 1936 in Merseburg aufgestellten Kampfgeschwader 153. Aus dem Geschwaderstab und der I./KG 153 entstanden am 1. Mai 1939 in Prag (Lage ) der Stab und die I./KG 77. Aus der II. Gruppe des KG 158 bildete sich am 1. Mai 1939 in Brünn (Lage ) die II./KG 77. Die III./KG 77 entstand ebenfalls am 1. Mai 1939 in Königgrätz (Lage ) aus der II./KG 255. Im Oktober 1940 entstand die IV. (Ergänzungs-)Gruppe in Laon-Couvron (Lage ). Das Geschwader war ausgestattet von 1939 bis 1941 mit der Dornier Do 17. Im Februar 1941 rüstete der Geschwaderstab und die I. Gruppe als letztes auf die Junkers Ju 88 um. Die Geschwaderkennung war 3Z.[1]
Geschichte
Der Stab, die I., II. und III. /Kampfgeschwader 77 nahmen im Rahmen der 2. Fliegerdivision der Luftflotte 4 im Südabschnitt der Front am Überfall auf Polen teil. Das Geschwader blieb dabei auf seinen tschechischen Basen stationiert.[2] Am 25. September flog das gesamte Geschwader einen Luftangriff auf Warschau.
Während des Westfeldzuges stand das gesamte Geschwader unter dem Kommando des VIII. Fliegerkorps der Luftflotte 2.[3] Der Stab, die II. und III. Gruppe flogen von Düsseldorf (Lage ) und die I. Gruppe von Werl (Lage ) aus Luftangriffe auf Flugplätze zur Erringung der Luftherrschaft und taktische Einsätze zur Heeresunterstützung. Im Juni wechselten dann der Stab, die I. und III. Gruppe nach Laon-Couvron und die II. nach Asch (Lage ).[1]
In der anschließenden Luftschlacht um England wechselte das gesamte Geschwader zum I. Fliegerkorps, der Luftflotte 2.[4] Es blieb auf den französischen Basen Laon-Couvron und Reims-Champagne (Lage ) sowie der belgischen Basis Asch stationiert und flog Luftangriffe auf Großbritannien.[1] Im weiteren Verlauf lagen Teile auch in Juvincourt. Am 28. Mai 1941 versenkten Flugzeuge der I. Gruppe den britischen Zerstörer HMS Mashona (Lage ).[5]
Am Angriff auf die Sowjetunion, nahm das Geschwader ab 22. Juni 1941 teil. Dazu war es dem I. Fliegerkorps der Luftflotte 1 im Nordabschnitt der Ostfront unterstellt. Die I. Gruppe lag in Jesau (Lage ), die II. in Wormditt (Lage ) und die III. in Heiligenbeil (Lage ).[6] Im Juli/August 1941 wechselte das gesamte Geschwader auf den Fliegerhorst Dno (Lage ). Am 28. August war die 2. Staffel mit ihren Junkers Ju 88, zusammen mit der Küsten-Flieger-Gruppe 806 gegen auslaufende Schiffe vor Tallin eingesetzt. Bei der Evakuierung von Tallin machten sich 165 sowjetische Schiffe mit 28.000 Passagieren und 66.000 Tonnen Material auf den Weg nach Kronstadt. Am Nachmittag griffen die Bomber den Schiffsverband westlich der Minensperren an und versenkten den Eisbrecher Krisyanis Valdemars (2250 BRT) und die Transporter Skrunda (2414 BRT), Lake Lucerne (2317 BRT), Atis Kronvalds (1423 BRT). Am Folgetag erfolgt erneut ein Luftangriff durch dieselben Verbände bei dem die Transporter Vtoraya Pyatiletka (3974 BRT), Kalpaks (2190 BRT) und das Schulschiff Leningradsovet (1270 t) versenkt werden.[7]
Zum Jahreswechsel 1941/42 verlegten der Stab, die II. und III./KG 77 in den Mittelmeerraum zur Luftflotte 2. Bis Mai 1942 war das italienische Comiso (Lage ) die Ausgangsbasis für Luftangriffe auf Malta. Die I./KG 77 blieb dagegen an der Ostfront, von Februar bis Mai in Orscha (Lage ) und im Mai/Juni 1942 in Charkow (Lage ) und Kursk (Lage ). Im Mai wechselten der Stab, die II. und III. Gruppe zur Luftflotte 3 nach Frankreich. Von Creil (Lage )/Rennes (Lage ) und Beauvais (Lage )/Vannes (Lage ) aus führte es Luftangriffe auf England durch. Ab Juli kam auch die I./KG 77 von der Ostfront nach Creil/Rennes. Diese wurde am 31. August umbenannt in I. Gruppe/Kampfgeschwader 6. Währenddessen verlegten der Geschwaderstab und die II. Gruppe in das griechische Iraklion (Lage ) und die III. Gruppe in das italienische Comiso. Am 10. September entstand aus der Küstenfliegergruppe 606, die neue I./KG 77.[8] Im Oktober wurde das gesamte Geschwader auf Sizilien in Gerbini (Lage ) und Catania (Lage ) unter dem Kommando des II. Fliegerkorps der Luftflotte 2 zusammengeführt.[9]
Nachdem das Geschwader gegen die im November 1942 in Nordwestafrika gelandeten alliierten Truppen (Operation Torch) eingesetzt war, zogen sich zum Jahresende die II. und III. Gruppe zur Wiederaufstellung nach Piacenza (Lage ) zurück. Ab Februar 1943 kam die I. Gruppe nach. Bis in die zweite Jahreshälfte hinein blieb Piacenza der Ausgangspunkt für alle Einsätze des Geschwaders.
Ab Juli/August schulten alle drei Gruppen in der Heimat auf Lufttorpedo um.[8] Anfang 1944 war die Ausbildung noch nicht abgeschlossen. Das Geschwader lag in Königsberg-Devau (Lage ), Prowehren (Lage ), Barth (Lage ) und Wormditt (Lage ).
Am 10. März wechselten der Stab, die I. und III. Gruppe zur 2. Fliegerdivision der Luftflotte 3 nach Frankreich, wo sie bis in den Juni ausschließlich in Orange (Lage ) lagen. In der Nacht zum 21. April 1944 griffen etwa 60 Torpedo-Flugzeuge der III./KG 26 und der I. und III./KG 77 den alliierten Geleitzug UGS 38 mit 87 Schiffen an. Dabei versenkten sie den Zerstörer USS Lansdale und die Frachter Royal Star und Paul Hamilton (Lage ). An Bord der Paul Hamilton befanden sich, zusätzlich zur Besatzung, 504 Soldaten des 831st Bombardment Squadron und der 32nd Photo Reconnaissance Squadron der Royal Air Force. Außerdem hatte sie noch etwa 1600 t Munition und Bomben geladen. Nach einem Torpedotreffer explodierte das Schiff mit einer 400 m hohen Stichflamme und Trümmer wurden zwei Kilometer weit geschleudert. Dabei wurden alle 580 Menschen an Bord getötet.[10] Am 11. Mai wurde erneut ein UGS-Konvoi erfasst. Insgesamt 62 Flugzeuge der I. und III./KG 26 sowie der I./ und III./KG 77 griffen den Geleitzug UGS 40 in vier Angriffswellen an. Ein Teil der Angreifer wurde von landgestützten alliierten Jagdflugzeugen vom Typ Beaufighter abgefangen, die 19 Torpedoflugzeuge abschossen. Der Geleitzug erlitt keine Verluste.[11] Bei einem neuen Einsatz, am 30. Mai, gegen den Geleitzug UGS 42 wurde ein Schiff (Frachter Nordeflinge) unter Verlust von fünf Flugzeugen versenkt.[11]
Stab und I. Gruppe verlegten dann Ende Juni nach Salon (Lage ).[12] Die II. Gruppe blieb im Osten.[8]
Am 20. Juli lösten sich der Stab, die II. und III. Gruppe auf, während die I. Gruppe umbenannt wurde in I. Gruppe/Kampfgeschwader 26.[8]
Kommandeure
Geschwaderkommodore
Dienstgrad | Name | Zeit |
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Oberst | Heinrich Seywald | 1. Mai 1939 bis 13. September 1939 |
Generalmajor | Wolff von Stutterheim | 14. September 1939 bis 21. März 1940 |
Oberst | Johann-Volkmar Fisser | 21. März 1940 bis 31. Mai 1940 |
Generalmajor | Wolff von Stutterheim | 31. Mai 1940 bis 15. Juni 1940 |
Generalmajor | Heinz-Hellmuth von Wühlisch | 21. Juni 1940 bis 1. August 1940 |
Oberstleutnant | Johann Raithel | 1. August 1940 bis 13. März 1942 |
Major | Arved Crüger | 13. März 1942 bis 22. März 1942 |
Oberstleutnant | Hermann Schlüter | 23. März 1942 bis 12. Februar 1943 |
Major | Wilhelm Stemmler | 12. Februar 1943 bis 20. Juli 1944 |
Gruppenkommandeure
- I. Gruppe
- Major Balcke, 1. Mai 1939 bis 1940
- Hauptmann Joachim Pötter, ? bis 25. Oktober 1941
- Major Ernst-Günther von Scheliha, 7. Mai 1942 bis 1. September 1942
- Major Willi Sölter, ? bis Juli 1944
- II. Gruppe
- Oberstleutnant Augustin, 1. Mai 1939 bis 2. November 1939
- Oberstleutnant Karl Angerstein, 3. November 1939 bis 8. Januar 1940
- Major Behrendt, 1940
- Hauptmann Dietrich Peltz, 13. August 1941 bis 30. September 1941
- Hauptmann Heinrich Paepcke, Oktober 1941 bis 17. Oktober 1942
- Hauptmann Eberhard Stüwe, ? bis Juli 1944
- III. Gruppe
- Oberstleutnant Wolf von Stutterheim, 1. Mai 1939 bis 13. September 1939
- Major Walther Wadehn, 13. September 1939 bis 15. Dezember 1939
- Major Max Kless, Januar 1940 bis 18. September 1940
- Major Handke, September 1940 bis ?
- Major Egbert von Frankenberg und Proschlitz, 1941
- Hauptmann Heinz Richter, ? bis 2. Juni 1943
- IV. Gruppe
- Major Hans-Jörg Leutze, 30. Oktober 1941 bis 11. Juni 1943
- Major Peter Schnoor, 12. Juni 1943 bis 6. September 1944
Bekannte Geschwaderangehörige
- Herbert Büchs (1913–1996), war von 1967 bis 1971, als Generalleutnant der Luftwaffe der Bundeswehr, Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr
- Arved Crüger (1911–1942), fiel 1942 als Geschwaderkommodore im Mittelmeerraum und war Ehemann der Schauspielerin Carola Höhn
- Ernst Ebeling (1919–1991), war von 1972 bis 1980 Generalarzt der Luftwaffe
- Egbert von Frankenberg und Proschlitz (1909–2000), war ab 1950 für die NDPD Mitglied des Thüringer Landtags und dort Vizepräsident
- Carl-Heinz Antonius Greve (1920–1998), war 1957 der erste Kommodore des Jagdbombergeschwaders 34, von 1970 bis 1974 Kommandeur der 1. Luftwaffendivision und ab 1974, als Generalleutnant der Luftwaffe der Bundeswehr, Commander der 4. Allied Tactical Air Force (ATAF)
Literatur
- Wolfgang Dierich: Die Verbände der Luftwaffe 1935–1945. Gliederungen und Kurzchroniken ein Dokument. Hrsg.: Wolfgang Dierich. Verlag Heinz Nickel, Zweibrücken 1993, ISBN 3-925480-15-3 (703 S.).
- H. L. de Zeng, D. G. Stankey, E. J. Creek: Bomber Units of the Luftwaffe 1933–1945. A Reference Source, Volume 1. Ian Allan Publishing, 2007, ISBN 978-1-85780-279-5 (englisch).
Weblinks
Einzelnachweise
- Wolfgang Dierich, S. 137.
- Bernhard R. Kroener: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 5/1, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1988, ISBN 3-421-06232-3, S. 718–719.
- Leo Niehorster: Battle for France, German Order of Battle, 2nd Air Force, VIII Air Corps, 10 May 1940. 4. November 2010, abgerufen am 8. Januar 2017 (englisch).
- Ulf Balke: Der Luftkrieg in Europa 1939–1941. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1998, ISBN 3-86047-591-6, S. 408 (1057 S.).
- Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, Manfred Pawlak VerlagsGmbH (Herrsching 1968), ISBN 3-88199-009-7, S. 126.
- Leo Niehorster: German Air Force, Order of Battle, 1st Air Fleet, I Air Corps, 22 June 1941. 1. Oktober 2010, abgerufen am 8. Januar 2017 (englisch).
- Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, August 1941. Abgerufen am 13. November 2021.
- Wolfgang Dierich, S. 138.
- Leo Niehorster: Campaign for North Africa, Order of Battle German 2nd Air Fleet, IInd Air Corps, 23 October 1942. 21. November 2010, abgerufen am 8. Januar 2017 (englisch).
- Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, April 1944. Abgerufen am 16. Januar 2017.
- Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, Mai 1944. Abgerufen am 16. Januar 2017.
- Leo Niehorster: German Air Force, Order of Battle 3rd Air Fleet, 2nd Air Force Division, 6 June 1944. 4. November 2008, abgerufen am 8. Januar 2017 (englisch).