Kampfgeschwader 76
Das Kampfgeschwader 76 war ein Bomberverband der Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg. Das Geschwader war von Ausbruch des Krieges bis zur Kapitulation der Wehrmacht an zahlreichen Operationen in Europa und Nordafrika beteiligt.
Kampfgeschwader 76 | |
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Geschwaderabzeichen | |
Aktiv | 1. Mai 1939 bis 8. Mai 1945 |
Staat | Deutsches Reich |
Streitkräfte | Wehrmacht |
Teilstreitkraft | Luftwaffe |
Truppengattung | Fliegertruppe |
Typ | Kampfgeschwader |
Gliederung | Geschwaderstab und 4 Gruppen |
Standort | Stab Wiener Neustadt I. Gruppe Wiener Neustadt II. Gruppe Brünn III. Gruppe Wels |
Ausrüstung | Dornier Do 17, Junkers Ju 88, Arado Ar 234 |
Zweiter Weltkrieg | Überfall auf Polen Westfeldzug Luftschlacht um England Deutsch-Sowjetischer Krieg Kriegsschauplatz Mittelmeerraum Alliierte Invasion in Italien Unternehmen Steinbock |
Geschwaderkommodore | |
Erster Kommodore | Oberst Paul Schultheiss |
Aufstellung
Das Geschwader entstand am 1. Mai 1939 aus dem umbenannten Kampfgeschwader 155, welches am 1. April 1935 an den Standorten Giebelstadt, Ansbach und Schwäbisch Hall aufgestellt worden war. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich bekam es die Flugplätze Wiener Neustadt und Wels zugewiesen. Die II. Gruppe verlegte später nach Brünn im Protektorat Böhmen und Mähren.[1] Eine IV. (Ergänzungs-)Gruppe entstand im März 1941.
Das Geschwader war anfangs mit der Dornier Do 17, später mit der Junkers Ju 88 und der Arado Ar 234 ausgestattet. Die Geschwaderkennung war F1. Die mit Junkers Ju 87B ausgestattete Gruppe II./KG 76 wurde im Juni 1940 ausgegliedert und diente dann als III./StG 77 weiter. An ihre Stelle trat eine neue II./KG 76.
Geschichte
Am Überfall auf Polen nahm das Geschwader im Rahmen der Luftflotte 4 im Südabschnitt der Front teil.[1]
Zu Beginn des Westfeldzugs bekämpfte das Geschwader französische Flugplätze im Raum um Laon und französische Heereseinheiten an der Maas und Maginot-Linie. Später unterstützte es das Heer auf dem Vormarsch in Richtung Atlantikküste.[1]
Nach Ende des Westfeldzugs nahm das Geschwader an der Luftschlacht um England teil, wobei Stab und III. Gruppe hauptsächlich in Cormeilles lagen, die übrigen Gruppen unter anderem in Beaumont-le-Roger. In verlustreichen Tagangriffen und ab 15. September 1940 hauptsächlich in Nachtangriffen, nahm es an den Bombardierungen von London bis Hull, Glasgow und Belfast teil. Es blieb bis zum 7. Juni 1941 im Westen stationiert.[2]
Vor dem Angriff auf die Sowjetunion bekam das Geschwader die Flugplätze in Gerdauen, Jürgenfelde und Schippenbeil in Ostpreußen zugewiesen. Dort war es der Luftflotte 1 unterstellt und kämpfte bis zum 27. September 1941 im Nordabschnitt der Ostfront. Danach wechselte es in den Mittelabschnitt, um an der Schlacht um Moskau teilzunehmen.[2]
In der ersten Jahreshälfte 1942 verlegte das Geschwader gruppenweise in die Heimat, um auf die Junkers Ju 88 umzurüsten. Ab Mai war es wieder komplett im Südabschnitt der Ostfront versammelt und unterstützte alle bedeutenden Kampfhandlungen des Heeres. So nahm es an der Rückeroberung der Halbinsel Kertsch und der Eroberung der Festung Sewastopol teil. Nach Beginn der deutschen Sommeroffensive ging es in Richtung Woronesch vor und verlegte dann weiter nach Süden in den Donbogen. Von dort aus flog es Luftangriffe auf Stalingrad und die Schifffahrt auf der Wolga. Danach verlegte das Geschwader vom 11. September bis 6. Oktober in den Nordabschnitt der Ostfront in den Bereich des Ladogasees. Von dort ging es wieder zurück nach Armawir an den Rand des Kaukasus.[3]
Ab 15. November 1942 wechselte das gesamte Geschwader nach Griechenland auf die Flugplätze Athen-Tatoi, Iraklion und Tymbakion. Von dort aus unterstützte es die deutsch-italienischen Truppen im Raum um das libysche Tobruk und Bengasi. Währenddessen nahm die IV. (Ergänzungs-)Gruppe an der Besetzung von Vichy-Frankreich teil.[4]
Anfang des Jahres 1943 verlegte der Stab die I. und die II. Gruppe nach Catania in Italien. Von dort griffen sie in die Kämpfe in Tunesien und Algerien ein. Unter anderem erfolgte am 4. März ein Luftangriff von 15 Junkers Ju 88 der I. und II. Gruppe auf Algier, der aber wirkungslos blieb.[5] Ab 16. Mai lag das gesamte Geschwader in Foggia und Grosseto und griff in die Kämpfe in Sizilien und Salerno ein. Dem allgemeinen Rückzug folgend, verlegte es ab September 1943 auf norditalienische und südfranzösische Flugplätze wie Istres und Saint-Martin-de-Crau.[4]
Von Anfang 1944 bis Februar 1944 nahm die I./KG 76 am Unternehmen Steinbock teil.[6] Danach wechselte sie zusammen mit dem restlichen Geschwader auf den Flugplatz Hörsching bei Linz. Dort schulte es ab 6. März auf die Arado Ar 234 um. Insgesamt übernahm das Geschwader ab 7. Juni 1944 132 Ar 234 und war damit das einzige Geschwader, das mit diesem Flugzeugmuster flog.[7]
In der ersten Jahreshälfte 1945 flog das Geschwader hauptsächlich Einsätze an der Westfront, bevor es am 8. Mai 1945 kapitulierte.[7]
Kommandeure
Geschwaderkommodore
Dienstgrad | Name | Zeit |
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Oberst | Paul Schultheiss | 1. Mai 1939 bis 15. November 1939 |
Oberst | Stefan Fröhlich | 17. November 1939 bis 26. Februar 1941 |
Oberst | Ernst Bormann | 26. Februar 1941 bis 7. Januar 1943 |
Major | Wilhelm von Friedburg | Januar 1943 |
Oberstleutnant | Rudolf Hallensleben | Januar 1943 bis 31. Mai 1944 |
Oberst | Walter Storp | 1. Juni 1944 bis 30. September 1944 |
Oberstleutnant | Robert Kowalewski | November 1944 bis 8. Mai 1945 |
Gruppenkommandeure
- I. Gruppe
- Oberst Stefan Fröhlich, 1. Mai 1939 bis 14. November 1939
- Major Ludwig Schulz, November 1939 bis 2. Juni 1940
- Hauptmann Lindeiner, Juni 1940 bis ?
- Hauptmann Robert von Sichart, 1941 bis 23. Juni 1941
- Hauptmann Hanns Heise, Februar 1942 bis 3. September 1942
- II. Gruppe
- Major Walter Hill, 1. Februar 1940 bis 25. Mai 1940
- Major Friedrich Möricke, 9. Juli 1940 bis 24. August 1940
- Major Walter Storp, 31. August 1940 bis 31. März 1941
- Hauptmann Volprecht Riedesel Freiherr zu Eisenbach, April 1941 bis 31. Januar 1943
- Major Siegfried Geisler, 1944 bis 30. März 1945
- III. Gruppe
- Oberstleutnant Werner Zech, 1. Mai 1939 bis August 1939
- Major Hans Hofmann, 26. August 1939 bis 25. Februar 1940
- Major Franz Reuss, 26. Februar 1940 bis 15. Oktober 1940
- Major Franz von Benda, 16. Oktober 1940 bis April 1942
- Hauptmann Heinrich Schweikhardt, ? bis 9. Januar 1943
- Hauptmann Anton Stadler, Januar 1943 bis 29. April 1943
- Major Hans-Georg Bätcher, 6. Dezember 1944 bis Mai 1945
- IV. Gruppe
- Hauptmann Gerhard Kröchel, 18. Juli 1940 bis März 1942
- Hauptmann Hanns Heise, März 1942 bis 8. Mai 1943
- Major Günter Beyer, 9. Mai 1943 bis Mai 1944
- Major Karl-Hermann Millahn, 24. Juni 1944 bis 31. Dezember 1944
Bekannte Geschwaderangehörige
- Hanns Horst Heise (1913–1992), war von 1962 bis 1968 als Inspizient für Flugsicherheit im Luftwaffenamt Köln-Wahn und ab Oktober 1968, als Brigadegeneral der Luftwaffe der Bundeswehr, Kommandeur des Deutschen Luftwaffenkommandos USA/Kanada
- Otto Sommer (1891–1940), war von 1932 bis 1933 Abgeordneter der NSDAP im Württembergischen Landtag und 1933 bis 1936 Abgeordneter für den Wahlkreis 31 (Württemberg) im nationalsozialistischen Reichstag
Literatur
- Wolfgang Dierich: Die Verbände der Luftwaffe 1935–1945. Gliederungen und Kurzchroniken ein Dokument. Hrsg.: Wolfgang Dierich. Verlag Heinz Nickel, Zweibrücken 1993, ISBN 3-925480-15-3 (703 S.).
- Ulf Balke: Der Luftkrieg in Europa 1939–1941. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1998, ISBN 3-86047-591-6 (1057 S.).
Weblinks
Einzelnachweise
- Wolfgang Dierich, S. 132.
- Wolfgang Dierich, S. 133.
- Wolfgang Dierich, S. 134.
- Wolfgang Dierich, S. 135.
- Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, März 1943. Abgerufen am 15. September 2021.
- Ulf Balke, S. 390.
- Wolfgang Dierich, S. 136.