Kampfgeschwader 27 „Boelcke“

Das Kampfgeschwader 27 „Boelcke“ war ein Verband der Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg. Es war nach Oswald Boelcke benannt, einem Jagdflieger des Ersten Weltkrieges.

Kampfgeschwader 27

Aktiv 1. Mai 1939 bis 8. April 1945
Staat Deutsches Reich NS Deutsches Reich
Streitkräfte Wehrmacht
Teilstreitkraft Luftwaffe
Truppengattung Fliegertruppe
Typ Kampfgeschwader
Gliederung Geschwaderstab und 4 Gruppen
Standort Stab Hannover-Langenhagen
I. Gruppe Hannover-Langenhagen
II. Gruppe Wunstorf
III. Gruppe Delmenhorst
IV. (Ergänzungs-)Gruppe Bourges
Ausrüstung Heinkel He 111, Messerschmitt Bf 109, Focke-Wulf Fw 190
Zweiter Weltkrieg Überfall auf Polen
Westfeldzug
Luftschlacht um England
Deutsch-Sowjetischer Krieg
Geschwaderkommodore
Erster Kommodore Oberst Hans Behrendt

Aufstellung

Das Kampfgeschwader 27 entstand am 1. Mai 1939 aus dem am 1. April 1937 in Hannover-Langenhagen (Lage) aufgestellten Kampfgeschwader 157 „Boelcke“. Aus dem Geschwaderstab und der I./KG 157 entstanden am 1. Mai 1939 der Stab und die I./KG 27. Aus der II. Gruppe des KG 157 bildete sich in Wunstorf (Lage) die II./KG 27. Die III./KG 27 entstand in Delmenhorst-Adelheide (Lage) aus der III./KG 157. Im Juni 1940 entstand die IV. (Ergänzungs-)Gruppe in Bourges/Frankreich (Lage). Das Geschwader war von 1939 bis Ende 1944 mit der Heinkel He 111 ausgestattet. Erst in den letzten Kriegsmonaten rüstete es auf Jagdflugzeuge vom Typ Messerschmitt Bf 109 und Focke-Wulf Fw 190 um. Die Geschwaderkennung war 1G.[1]

Geschichte

Der Stab, die I., II. und III./Kampfgeschwader 27 nahmen im Rahmen der 1. Fliegerdivision der Luftflotte 1 im Nordabschnitt der Front am Überfall auf Polen teil.[2] Der Stab und die I. Gruppe lagen in Werneuchen (Lage), die II. Gruppe in Neuhardenberg (Lage) und die III. Gruppe griff von Königsberg-Neumark (Lage) aus an. Im Oktober verlegte das gesamte Geschwader zurück zu seinen Heimatbasen.

Während des Westfeldzuges standen alle drei Gruppen unter dem Kommando des IV. Fliegerkorps der Luftflotte 2.[3] Sie griffen von ihren Heimatplätzen in das Geschehen an der Front ein. Luftangriffe auf Flugplätze zur Erringung der Luftherrschaft in Lille, Antwerpen, Brüssel und Namur folgten viele taktische Einsätze zur Heeresunterstützung. Es folgten weitere Luftangriffe auf Dünkirchen und im Großraum Paris und der zweiten Phase des Krieges weitere Einsätze zur Heeresunterstützung an der Somme, Seine und Loire bis in die Normandie und Bretagne hinein.[4]

Heinkel He 111 des Kampfgeschwaders 27

In der anschließenden Luftschlacht um England blieb das gesamte Geschwader beim IV. Fliegerkorps, nun aber unter dem Kommando der Luftflotte 3.[5] Der Stab und die I. Gruppe startete von Tours (Lage), die II. von Bourges (Lage) und die III. Gruppe von Rennes (Lage) aus über den Ärmelkanal. Anfangs flogen sie Luftangriffe gegen südenglische Hafenanlagen und bekämpften Geleitzüge im Ärmelkanal. Danach lag das Hauptaugenmerk auf der britischen Luftwaffe mit ihren Flugplätzen und Bodenorganisationen im Großraum London. Ab 30. August bis zum 17. Oktober flog es so genannte Vergeltungsangriffe auf London, Liverpool, Birkenhead, Birmingham, Coventry und Manchester. Danach bis Juni 1941 nur noch Angriffe auf große Häfen im Süden und Westen Englands.[4] Dabei wurde am 1. März 1941 im St.-Georgs-Kanal, aus dem Geleitzug SC 22 der Motortanker Rotula (Lage), am 3. März die Port Townsville (Lage), am 8. März die niederländische Prins Frederik Henrik (Lage) und am 13. März die tags zuvor beschädigte Empire Frost (Lage) durch Bomben versenkt. Weitere Versenkungen erfolgten im Bristol-Kanal (2. März, Castlehill), im Ärmelkanal (8. März Nurgis), in der Cardigan Bay (11. März Trawler Aberdeen), in der Irischen See (13. März Perseus, 14. März Stanleigh, 20. März Trawler Bianca, 29. März Trawler Exeter) und nördlich von Irland (16. März Marinetrawler Lady Lillian).[6] Weitere Schiffe wurden in diesen Seegebieten beschädigt. Im März verlegte die II. Gruppe nach Dinard (Lage) und im April die III. Gruppe nach Orleans-Bricy (Lage). Der Stab und die I. Gruppe lagen weiterhin in Tours. Im Juni 1941 verlegte das gesamte Geschwader nach Rumänien.

Am Angriff auf die Sowjetunion, ab 22. Juni 1941, nahm das Geschwader mit dem Stab und der I. bis III. Gruppe teil. Dazu war es dem IV. Fliegerkorps der Luftflotte 4 im Südabschnitt der Ostfront unterstellt.[7] Der Stab, die I. und II. Gruppe lagen auf dem rumänischen Flugplatz Focșani/Süd[8] (Lage) während die III. Gruppe vom rumänischen Ziliştea[9] (Lage) aus startete. In vielen taktischen Einsätzen zur Heeresunterstützung war es oft an den Schwerpunkten im Süden der Ostfront eingesetzt. So nahm es 1941 an der Kesselschlacht bei Uman und der Schlacht um Kiew teil.[10]

Im Jahre 1942 war es an der Rückeroberung der Halbinsel Kertsch, der Schlacht um Charkow beteiligt.[11] Zu Beginn der deutschen Sommeroffensive im Süden der Ostfront lag das Geschwader, ausgestattet mit der Heinkel He 111H-6, auf dem Fliegerhorst Kursk Ost[12] (Lage). Bis August beteiligte es sich von dort aus am deutschen Vormarsch zum Don und nach Stalingrad. Anschließend verlegte das gesamte Geschwader nach Millerowo[13] (Lage) und nahm an der Schlacht von Stalingrad teil.

Im Jahre 1943 stemmte es sich gegen die sowjetische Winteroffensive im Süden der Ostfront und nahm vom 5. bis 22. Juni an den Luftangriffen auf Gorki und Jaroslawl teil. In Nachtangriffen, zusammen mit anderen Kampfgeschwadern, sollten das Panzerwagenwerk „Molotow“ und das Kunstkautschukwerk Jaroslawl angegriffen werden.[14] Dabei kamen in Gorki 282 Menschen ums Leben, bei 527 Verletzten und 52 Gebäude des Werkes wurden zerstört. In Jaroslawl wurden über 120 Menschen getötet, rund 150 weitere verletzt und über 200 Gebäude (darunter einige Werkshallen des Kautschukwerkes) vollständig zerstört.[15] Anschließend nahm es am Unternehmen Zitadelle teil.[16] Dazu war es dem VIII. Fliegerkorps der Luftflotte 4 zugeteilt und startete mit seinen Heinkel He 111H-6 und H-16 von den Plätzen in Charkow-Rogan/Nord III (Lage) und Charkow-Woitschenko (Lage)[17]

Auch 1944 war das Geschwader an der Ostfront eingesetzt und nahm an vielen Einsätzen zur Heeresunterstützung teil.[18] In der Nacht vom 22. zum 23. Juni griff es, mit Bombern vom Typ Heinkel He 111H-20, von Krosno[19] (Lage) und Mielec-Smoczka[20] (Lage) aus, den im Rahmen der Operation Frantic von US-amerikanischen Flugzeugen benutzten Flugplatz Poltawa (Lage) an. Dabei wurden 43 US-amerikanische B-17-Bomber am Boden zerstört und weitere 26 beschädigt. Außerdem wurden ein Munitionsdepot und 900.000 Liter Flugbenzin vernichtet.[21]

Im Herbst 1944 verlegte das gesamte Geschwader nach Raffelding (Lage), Hörsching (Lage) und Wels (Lage) in Österreich. Dort rüstete es auf Jagdflugzeuge vom Typ Messerschmitt Bf 109K-4 und Focke-Wulf Fw 190A-9 um. Als Kampfgeschwader (J) 27 (das J stand für Jagd) nahm es im März 1945 den Kampf gegen einfliegende US-Bomber auf. Am 8. April 1945 löste sich das Geschwader auf.[18]

Kommandeure

Geschwaderkommodore

DienstgradNameZeit
OberstHans Behrendt1. Mai 1939 bis November 1939
GeneralmajorRichard PutzierNovember 1939 bis Dezember 1939
OberstHans BehrendtJanuar 1940 bis 22. Juni 1940
OberstleutnantBernhard Georgi22. Juni 1940 bis 25. Juli 1940
OberstGerhard Conrad26. Juli 1940 bis 6. Oktober 1940
MajorGerhard UlbrichtNovember 1940 bis 1941
OberstHans-Henning Freiherr von BeustJanuar 1942 bis November 1943
MajorRudi KielDezember 1943 bis 8. April 1945

Gruppenkommandeure

I. Gruppe
  • Oberstleutnant Fritz Graumnitz, 1. Mai 1939 bis 1. Oktober 1939
  • Major Sigismund von Falkenstein, 1. Oktober 1939 bis 31. Mai 1940
  • Major Gerhard Ulbricht, 3. Juni 1940 bis 21. Oktober 1940
  • Hauptmann Fritz Reinhard, 22. Oktober 1940 bis 8. Juli 1941
  • Major Hubertus Lessmann, 11. Juli 1941 bis 29. Dezember 1941
  • Hauptmann Joachim Petzold, 1. Dezember 1942 bis Mai 1944
II. Gruppe
  • Major Arno de Salengre Drabbe, 1. Mai 1939 bis 28. März 1940
  • Major Reinhold Tamm, 29. März 1940 bis 18. Mai 1940
  • Major Friedrich-Kurt Schlichting, 7. Juni 1940 bis 10. August 1940
  • Hauptmann Reinhard Günzel, 16. November 1940 bis 4. Januar 1943
  • Major Karl-August Petersen, 5. Januar 1943 bis 14. Dezember 1943
III. Gruppe
  • Oberst Otto Sommer, 1. Mai 1939 bis 26. Juni 1939
  • Major Andreas Nielsen, 26. Juni 1939 bis 24. Februar 1940
  • Hauptmann Ulrich Schirmer, 24. Februar 1940 bis 22. Mai 1940
  • Major Manfred Speck von Sternberg, 27. Mai 1940 bis 22. Oktober 1940
  • Hauptmann Hans-Henning Frhr. von Beust, 23. Oktober 1940 bis 28. Januar 1942
  • Major Erich Thiel, 1. März 1942 bis 22. April 1943
  • Hauptmann Karl Mayer, 23. April 1943 bis 7. August 1943
  • Major Karl Mayer, 29. Juli 1944 bis 12. November 1944
IV. Gruppe
  • Oberleutnant Bernhard Schlafke, 24. November 1940 bis März 1941
  • Hauptmann Johannes Lorenz, 13. März 1941 bis 24. September 1941
  • Hauptmann Hellmann, 25. September 1941 bis Oktober 1941
  • Hauptmann Gerhard Braunschweig, 30. Oktober 1941 bis 30. November 1942
  • Major Walter Engel, 1. Dezember 1942 bis 23. November 1944

Bekannte Geschwaderangehörige

Literatur

  • Wolfgang Dierich: Die Verbände der Luftwaffe 1935–1945. Gliederungen und Kurzchroniken ein Dokument. Hrsg.: Wolfgang Dierich. Verlag Heinz Nickel, Zweibrücken 1993, ISBN 3-925480-15-3 (703 S.).

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Dierich, S. 113.
  2. Bernhard R. Kroener: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 5/1, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1988, ISBN 3-421-06232-3, S. 718–719.
  3. Leo Niehorster: German Order of Battle, 2nd Air Force, IV Air Corps 10 May 1940. 12. Dezember 2001, abgerufen am 6. Januar 2017 (englisch).
  4. Wolfgang Dierich, S. 114.
  5. Ulf Balke: Der Luftkrieg in Europa 1939–1941. Bechtermünz Verlag, Augsburg 1998, ISBN 3-86047-591-6, S. 408 (1057 S.).
  6. Jürgen Rohwer, Gerhard Hümmelchen: Chronik des Seekrieges 1939–1945, März 1941. Abgerufen am 14. Februar 2019.
  7. Leo Niehorster: German Air Force, Order of Battle, 4th Air Fleet, IV Air Corps 22 June 1941. 28. Oktober 1999, abgerufen am 6. Januar 2017 (englisch).
  8. Henry L. deZeng IV: Luftwaffe Airfields 1935–45, Romania S. 26–27, abgerufen am 28. März 2020.
  9. Henry L. deZeng IV: Luftwaffe Airfields 1935–45, Romania S. 53–54, abgerufen am 28. März 2020.
  10. Wolfgang Dierich, S. 115.
  11. Wolfgang Dierich, S. 116.
  12. Henry L. deZeng IV: Luftwaffe Airfields 1935–45, Russia (incl. Ukraine, Belarus & Bessarabia) S. 345–347, abgerufen am 17. März 2020.
  13. Henry L. deZeng IV: Luftwaffe Airfields 1935–45, Russia (incl. Ukraine, Belarus & Bessarabia) S. 404–405, abgerufen am 17. März 2020.
  14. Horst Boog: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Das Deutsche Reich in der Defensive, Band 7, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2001, ISBN 3-421-05507-6, S. 347.
  15. A. V. Fedorčuk: Jaroslavlʹ. Istorija tvoego goroda, Akademija Razvitij, ISBN 5-7797-0630-1, S. 79
  16. Wolfgang Dierich, S. 117.
  17. Karl-Heinz Frieser, Klaus Schmider, Klaus Schönherr: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 8: Die Ostfront 1943/44 – Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten. Hrsg.: Militärgeschichtliches Forschungsamt. DVA, München 2007, ISBN 978-3-421-06235-2, S. 90–92
  18. Wolfgang Dierich, S. 118.
  19. Henry L. deZeng IV: Luftwaffe Airfields 1935-45, Poland S. 23–24, abgerufen am 18. März 2020.
  20. Henry L. deZeng IV: Luftwaffe Airfields 1935-45, Poland S. 33, abgerufen am 18. März 2020.
  21. Horst Boog: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 7. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2001, S. 364.
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