Edewecht
Edewecht (plattdeutsch Erwech, historisch Adewacht) ist eine Gemeinde im Landkreis Ammerland in Niedersachsen (Deutschland).
Wappen | Deutschlandkarte | |
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Basisdaten | ||
Bundesland: | Niedersachsen | |
Landkreis: | Ammerland | |
Höhe: | 10 m ü. NHN | |
Fläche: | 113,85 km2 | |
Einwohner: | 22.556 (31. Dez. 2020)[1] | |
Bevölkerungsdichte: | 198 Einwohner je km2 | |
Postleitzahl: | 26188 | |
Vorwahlen: | 04405, 04486 | |
Kfz-Kennzeichen: | WST | |
Gemeindeschlüssel: | 03 4 51 004 | |
Gemeindegliederung: | 15 Ortsteile | |
Adresse der Gemeindeverwaltung: |
Rathausstraße 7 26188 Edewecht | |
Website: | ||
Bürgermeisterin: | Petra Lausch (parteilos) | |
Lage der Gemeinde Edewecht im Landkreis Ammerland | ||
Geographie
Geographische Lage
Der Hauptort liegt 18 km westlich der Stadt Oldenburg. Der geographische Mittelpunkt des Gemeindegebietes ist auf 7° 59' 32 Ost, 53° 06' 44 Nord und befindet sich in der heutigen Industriestraße in Edewecht.
Westlichster Punkt der Gemeinde ist Lohorst (O 7° 50'), der östlichste Punkt liegt im Wildenloh (O 8° 08'), der nördlichste Punkt im Fintlandsmoor (N 53° 10') und der südlichste Punkt in Hohendamm (N 53° 03').
Fließgewässer
Wichtige Fließgewässer sind die vom Zwischenahner Meer kommende Aue sowie die aus Süden kommende Vehne, die bei der Ortschaft Osterscheps in die Aue mündet. Ein kleinerer, für die Edewechter Ortsentwässerung wichtiger Vorfluter ist die Espergöhler Bäke, die von Portsloge kommend in Edewecht in die Aue mündet. Sie ist der einzige im Gemeindegebiet entspringende Geestbach und im Oberlauf in Portsloge noch relativ naturnah, im Ortsbereich Edewecht begradigt und technisch ausgebaut.
Durch die Aue entwässert die Gemeinde natürlicherweise in südwestlicher Richtung über die Jümme und Leda zur Ems. Mitte des 20. Jahrhunderts beendete der Bau des Leda-Sperrwerkes die bis dahin üblichen winterlichen Überflutungen der Aue- und Vehneniederung, die bis an die Ortsränder von Osterscheps, Edewecht und Jeddeloh heranreichten. Für die Gewässerunterhaltung ist die Ammerländer Wasseracht,[2] mit Sitz in Westerstede verantwortlich. Im Gemeindegebiet liegen die Fischereirechte an der Vehne sowie an der Aue bis Osterscheps beim Fischereiverein Edewecht e. V.[3] die Aue unterhalb Osterscheps wird vom Fischereiverein Scheps e. V. von 1931[4] betreut. Der Gemeindeabschnitt des Küstenkanals wird von beiden Fischereivereinen gemeinsam genutzt.
Ausdehnung des Gemeindegebiets und Landschaftsformen
Edewecht ist mit einer Fläche von 11.340 ha die viertgrößte und zugleich südlichste Gemeinde des Ammerlandes. Das Gemeindegebiet erstreckt sich 20 km auf der West-Ost-Achse und 12 km in Nord-Süd-Richtung. Die Geländehöhen liegen im westlichen Gemeindegebiet bei 3,5 m NN (Aueniederung) und steigen nach Osten auf 18 m NN (Wildenloh). Die Landschaft ist geprägt vom Wechsel der Geestrücken der oldenburgisch-ostfriesischen Grundmoräne mit den ehemaligen Hochmooren. Naturräumlich gehören der Westen und der Süden der Gemeinde (Bauerschaften Wittenberge, Süddorf, Husbäke, Jeddeloh I und II) zur moorreichen „Hunte-Leda-Moorniederung“, wohingegen die alten Ortschaften Edewecht und Scheps der höher gelegenen "Oldenburgen Geest" (Untereinheit „Edewechter Geest“) zugeordnet sind. Im Gemeindegebiet bestehen vier Geesthügel, auf denen Esche geschaffen wurden. Darunter gilt der Edewechter Esch mit einer Fläche von etwa 100 ha als der größte und längste des Ammerlands. In den Randlagen dieser höhergelegenen, trockeneren Esche begann in vorgeschichtlicher Zeit die locker gestreute Besiedelung. Diese alten Dorfkerne befinden sich in Westerscheps, Osterscheps, Edewecht und Jeddeloh I. Mit der Eingemeindung Friedrichsfehns (1934) kamen zu diesen ursprünglichen Eschflächen noch die zwei Geesthügel des Großen und kleinen Wildenlohs dazu.
Heute wird die kleinräumig durch offene Wiesen, Wallhecken und Waldflächen strukturierte Landschaft in der Tourismuswerbung mit dem Begriff Parklandschaft Ammerland plakativ beschrieben.
Naturschutzgebiete
Im Gemeindegebiet sind von den ehemals ausgedehnten Hochmooren fünf Restflächen mit einer Gesamtfläche von rund 350 ha als Naturschutzgebiet (NSG) ausgewiesen:
- Fintlandsmoor (NSG WE 88; 50 ha)
- Dänikhorster Moor (NSG WE 181; 20 ha)
- Moorkämpe Süddorf (NSG WE 199; 19 ha)
- Vehnemoor (NSG WE 270; Edewecht: 206 ha)
- Jeddeloher Moor (NSG WE 226; 50 ha)
Bei den NSG Fintlandsmoor, Dänikhorster Moor und Süddorfer Moorkämpe handelt es sich um Reste kleinräumig strukturierter, bäuerlicher Handtorfstiche. Diese entwässerten Bereiche haben sich durch natürliche Sukzession vielfach zu Moorbirken-Standorten entwickelt oder regenerieren sich nach Wiedervernässung als Lebensraum hochmoorgebundener Lebensgemeinschaften. In den unter Schutz gestellten Flächen des industriell abgetorften Vehnemoors leiten aktuell erste Vernässungsflächen eine großflächige Renaturierung ein. Langfristig soll hier über die verschiedenen Renaturierungsstadien der ehemalige Hochmoorcharakter wieder hergestellt werden.[5]
Gemeindegliederung
Die Gemeinde besteht aus 15 Bauerschaften. Nord Edewecht I und Nord Edewecht II bilden als Ortszentrum ein geschlossenes Siedlungsgebiet. Dort befinden sich die Gemeindeverwaltung und die Kirche. Mit 6331 Personen wohnen etwa 30 % der Gemeindebevölkerung im Ort Edewecht.
Zweitgrößter Ort der Gemeinde ist mit etwa 4700 Einwohnern Friedrichsfehn. Die Bauerschaften Husbäke, Jeddeloh I, Jeddeloh II, Klein Scharrel, Osterscheps und Portsloge haben jeweils unter 2000 Einwohner. Noch kleiner sind Kleefeld, Süddorf, Westerscheps, Wittenberge und Wildenloh.
(Stand der Einwohnerzahlen: 30. Juni 2015).
Nachbarkommunen
Die Gemeinde Edewecht grenzt an drei Städte und fünf Gemeinden. Das sind die Ammerländer Kommunen Apen, Westerstede und Bad Zwischenahn, die kreisfreie Stadt Oldenburg, die Gemeinde Wardenburg des Landkreises Oldenburg und die Kommunen Bösel, Friesoythe und Barßel des Landkreises Cloppenburg. Die Aufzählung beginnt im Nordwesten und setzt sich im Uhrzeigersinn fort.
Klima
Das Klima in Edewecht ist durch die Nähe zur Nordsee stark atlantisch geprägt mit moderat warmen Sommern und relativ milden Wintern. Klimadaten der nächstgelegenen Messstation des deutschen Wetterdienstes in Friesoythe-Altenoythe (N 53°04'; O 07°54') nennen für den Bezugszeitraum 1981–2010 ein langjähriges Temperaturmittel von 9,6 °C und eine durchschnittliche Regenmenge von 784 mm / Jahr. Allgemein sind Sommer und Herbst feuchter, Winter und Frühjahr dagegen etwas trockener (Maximum Juni: 78 mm; Minimum April: 45 mm).[6]
Geschichte
Frühzeit
Edewecht gehört zu den ältesten Ortschaften des Ammerlandes. Archäologisches Fundmaterial aus Osterscheps und Süddorf-Voßbarg belegt die Anwesenheit von Menschen seit der Altsteinzeit. In einer von einigen Findlingen umgebenen Bodenerhöhung am Portsloger Fischteich vermuten Archäologen ein zerstörtes Großsteingrab der jüngeren Steinzeit (sog. „Pastorengrab“). Wichtige Funde aus der römischen Kaiserzeit sind mehrere Moorleichen wie der Mann aus Hogenseth (Fundjahr: 1920) und die Männer von Husbäke (1931 und 1936, Todeszeitraum zwischen 75 und 215 n. Chr.),[7] ein Bohlenweg zwischen Edewecht und Jeddeloh I (datiert um Christi Geburt) und eine seltene römische Bronzekasserolle.
Um 500 n. Chr. sind Bauern aus dem Stamm der Chauken im Ammerland und damit vermutlich auch in Edewecht sesshaft, im späten 7. Jh. setzt die Besiedlung durch Sachsen ein. Nach dem Sieg Karls des Großen über die Sachsen (785 n. Chr.) erfolgt die Christianisierung und die Zehntpflicht wird eingeführt. Gleichzeitig bildet die neue Grafschaftsverfassung die Grundlage fester Verwaltungsstrukturen („pagus ammeri“). Eine bedeutende Entdeckung aus dem 13./14. Jh. ist eine knopfgroße, blauschillernde „Alsengemme“, als Glücksbringer vermutlich die Heiligen drei Könige darstellend (eine vergrößerte Nachbildung befindet sich heute vor der Süd-Edewechter „Alten Apotheke“).[8]
Mittelalter bis Dreißigjähriger Krieg (Erste Siedlungsphase)
Der Ortsname „Edewecht“ ist erstmals 1139 im Zusammenhang mit der Stiftung eines „decimam adewacht“ (= der Zehnte zu Edewecht) an das Bremer Dom- und St. Willhadistift fassbar. Adewacht bezieht sich vermutlich auf die durch Edewecht fließende Aue, wacht ist in dieser Deutung mit Wachstelle, Zollstelle zu übersetzen (s. u. „Tollhus up’n Wurnbarg“). Die Orte Scheps (1260: „Scepesen“, 1390: „Schephusen“) und Jeddeloh („Yedelo“) werden erstmals im Bruchhauser Lehnsregister um 1260/’70 erwähnt.
Siedlungskerne der Gemeinde waren die vier ackerbaulich nutzbaren Eschfluren auf den Geestrücken. Urkundlich sind im Kirchspiel Edewecht aus dieser frühen Periode insgesamt 27 Hofstellen erwähnt. Wester- und Osterscheps (13 Vollbauern) wurde als Haufendorf besiedelt, während Jeddeloh eine Einzelhofsiedlung von zwei Vollbauern darstellte. In Edewecht bildeten 12 Bauernhöfe westlich des langgestreckten Esches (heute etwa Verlauf der Landesstraße 831) ein Reihendorf. Diese Vollbauern („Hausleute“) bildeten über die folgenden Jahrhunderte die gesellschaftlich bestimmende „Bauerschaft“, die das Gemeinwesen auf genossenschaftlicher Basis selbstverwaltete. Grundlage der Selbstverwaltung waren die 16 Paragraphen des „Edewechter Bauerbriefs“ (schriftlich um 1600), die vor allem die wirtschaftlich-sozialen Fragen der Dorfgemeinschaft regelten. Die Autonomie von Bauerschaft und Bauerbrief wurde von der Landesherrschaft geduldet, soweit sie im Einklang mit deren Rechtsvorgaben standen.
Mit der vollständigen Besiedlung der Esche im 13. Jh. war die erste Siedlungsperiode weitgehend abgeschlossen. In der folgenden Zeit wird in Nord-Edewecht 1305 mit einer Kapelle die Vorläuferin der heutigen St.-Nikolai-Kirche erwähnt.
Ab 1400 gehen Lehnsrechte zunehmend auf das oldenburgische Herrscherhaus über und seitdem gehörte Edewecht zum Kerngebiet des Oldenburger Landes, das bis zu seiner Auflösung 1946 den übergeordneten historischen Rahmen Edewechter Lokalgeschichte bildete.
Um ihre neue Macht zur Geltung zu bringen, siedelten die oldenburgischen Grafen in der Folgezeit in Edewecht neben den etablierten Hausleuten auch einen niederen Ritteradel auf sieben kleinen Gütern („Ick slah de Eier in de Pann“) an. Westerscheps als Kreuzungspunkt des alten Heerweges nach Apen, eines Fahrwegs ins münsterländische Harkebrügge und der schiffbaren Aue wurde militärisch befestigt. Zwei zeitlich getrennt angelegte Verteidigungsanlagen sollten das oldenburgische Ammerland vor feindlichen Einfällen schützen. Ab etwa 1500 sperrte ein Wall mit vorgelagerten Grabensystem am natürlichen Engpass zwischen Aueniederung und Fintlandsmoor den Weg nach Godensholt und damit Richtung Grafschaft Ostfriesland. Eine zweite, sternförmig angelegte Schanze bewachte ab etwa 1440–1460 westlich der Oellienbrücke den Aueübergang ins Münsterland und sicherte ebenfalls gegen ostfriesische Einfälle. Hier befand sich auch eine Zollstätte, die den Schiffs- und Wagenverkehr Richtung Münsterland kontrollierte (vgl. „Tollhus up’n Wurnbarg“).
Diese Schanze kam aber schnell ihrer Aufgabe nicht mehr nach, da bereits ab 1471 wegen Grenzstreitigkeiten an Aue und Vehne mehrfach kriegerische Einfälle aus dem benachbarten Niederstift Münster erfolgten. In diesen sog. „Münsterschen Fehden“ wurden Edewecht und auch umliegende Dörfer bis 1538 dreimal vollständig niedergebrannt. Nach Ende der Fehden sank die Bedeutung der gräflichen Ministerialen, die allmählich in den Bauernstand übertraten.
1450 raffte die Pest viele Einwohner dahin. Gleichzeitig belegen aber zu dieser Zeit mehrere Mühlen einen ertragreichen Ackerbau. So gestattete die „Bauerschaft“ ab Ende 16. Jh. eine begrenzte Zusiedlung kleinbäuerlicher Höfe, sog. Köter. Die Beziehungen zwischen alteingesessenen Vollbauern und diesem neuen, minderberechtigten Mittelstand waren nicht ohne Spannungen und wurden explizit im Bauerbrief geregelt. Zu dieser galt der Ort Edewecht als das volkreichste Dorf des Ammerlandes. Um 1530 setzte in Edewecht mit Wirken des ersten lutherisch predigenden Pastors die Reformation ein. Um 1568 wird erstmals der Schiffbau an der Edewechter Vehne urkundlich erwähnt.
Im Dreißigjährigen Krieg konnte die Neutralitätspolitik Graf Anton Günthers das durch seine Grenzlage gefährdete Edewecht aus Kriegshandlungen heraushalten, jedoch mussten Edewecht, Scheps und Jeddeloh 1627/’28 Einquartierungen kaiserlicher Söldner dulden. 1624 wurde Edewecht ein viertes Mal durch ein Großfeuer vernichtet.
Dänen- und Franzosenzeit
Von 1667 bis 1773 war Edewecht als Teil der Grafschaft Oldenburg dänisch verwaltet. Nach einem viertägigen Interregnum 1773, in dem auch Edewecht zum russischen Zarenreich gehörte, erlangte Oldenburg seine Souveränität wieder und wurde 1774 zum Herzogtum erhoben. 1803 erhielt Oldenburg für den Verzicht auf den Elsflether Weserzoll das angrenzende Niederstift Münster zugesprochen. Dadurch verlor Edewecht seine Funktion als Grenzort. Bemerkenswert sind in dieser Zeit (1730 bis nach 1800) bis zu acht Schiffszimmereien, die an der schiffbaren Vehne vor allem traditionelle Binnenschiffe für das damals entstehende norddeutsche Kanalsystem, z. T. aber auch hochseetaugliche Segelschiffe bauten. Heute erinnern an diese Edewechter Schifffahrtsära im Ortszentrum das Standbild des „Käpt’n Kuper“, eine Schiffsskulptur am Kleinbahnweg (Künstler: Dieter Sur und Klaus Groh) sowie in Oldenburg die ehemalige Heinrich Brand Schiffswerft.
1811 wurde Norddeutschland von napoleonischen Truppen besetzt und damit war Edewecht bis 1813 eine Mairie des Departement der Wesermündungen. Kurze Zeit galten die französische Verfassung und der Code Napoléon, wobei die Bevölkerung diesen politischen und administrativen Neuerungen reserviert begegnete. Mit Ende der sogenannten „Franzosenzeit“ strebte man die Rückkehr altgewohnter Strukturen an. Jedoch erfolgte 1814 mit der Neufassung der oldenburgischen Landesverfassung die schleichende Entmachtung der bäuerlich-genossenschaftlichen Selbstverwaltung und damit die Schaffung einer politischen Gemeinde Edewecht.
19. Jahrhundert – Gemeinheitsteilung und Moorkolonisierung (Zweite Siedlungsphase)
Zwischen Dreißigjährigem Krieg und der sogenannten „Franzosenzeit“ hatte sich die Edewechter Bevölkerung mehr als verdreifacht, was neben vergleichsweise guten Lebensumständen mit der Gemeinheitsteilung zusammenhing, die der ärmeren Bevölkerung soziale und wirtschaftliche Verbesserungen geben sollte. Bereits 1749 wurde die Edewechter Gemeinheit kartographiert und ab 1790 kamen in den Randlagen der Eschdörfer Edewecht, Jeddeloh und Wittenberge verödete Gemeinschaftsländereien in kleinbäuerlichen Besitz. 1782 erfolgte die erste feste Ansiedlung in Portsloge,[9] 1794 begann die Besiedlung des „Scharrelsberges“, aus dem sich die Bauerschaft Klein Scharrel entwickelte.
Größte siedlungs- und bevölkerungshistorische Bedeutung hatte für Edewecht die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzende Moorkolonisation. So entstand von 1827 bis 1844 am Langendamm im Vehnemoor die erste Moorkolonie der Gemeinde, das heutige Jeddeloh II. Dazu beigetragen hat auch die 1790 erfolgte Grenzfestlegung zwischen der Grafschaft Oldenburg und dem Niederstift Münster, die Teile des Vehnemoores mit den Jeddeloher Wiesen dem Land Oldenburg zuschlug. Weitere Kolonisierungen folgten in den Jahren 1846/'47 am Wildenlohsweg (heute Kleefeld) und 1851 mit der Kolonie hinter dem Wildenloh (heute Friedrichsfehn). Innerhalb eines halben Jahrhunderts verdoppelte sich die Anzahl Edewechter Bauerschaften.
In ursächlichem Zusammenhang mit dem Landesausbau stand die Erschließung der unwegsamen Moore durch verschiedene Verkehrswege (1822: „Scharreler Damm“ nach Wardenburg, 1830/'40: „Edewechter Damm“ nach Altenoythe). Die 1874–1895 gebaute befestigte Chaussee Edewecht – Oldenburg hatte für Edewecht die komfortable Folge, dass der bisherige Umweg über Zwischenahn wegfiel. Für den Bau von Klinkerstraßen und solider Siedlerhäuser produzierten zu dieser Zeit nicht weniger als sechs Ziegeleibetriebe in der Gemeinde.
Die Überwindung der naturräumlichen Begrenzungen intensivierte den Warenaustausch und beschleunigte die Kommunikation.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stagnierte die Bevölkerungszahl, da die Siedlungsreserven weitgehend erschöpft waren. Die allgemeine Erwerbssituation blieb schlecht. Die neuansiedelnden Heuerleute waren sich durchaus bewusst, dass die Moorkolonisierung hart und entbehrungsreich war und die kleinen Stellen auf nährstoffarmen Böden für den Lebensunterhalt der Siedlerfamilien nicht ausreichten („Den Ersten sien Dod, den Tweeten sien Not, den Dritten sien Brot“). Oft musste als Nebenerwerb bei den Hausleuten gearbeitet oder ein zusätzliches Handwerk ausgeübt werden.[10]
Daher wanderten damals rund 1700 Personen – fast jeder zweite Edewechter – in die gründerzeitlichen Industriegebiete ab oder verdingten sich auswärts als saisonale Wanderarbeiter (z. B. „Hollandgänger“). Entsprechend sank der Siedlungsdruck.
Die Wende zum 20. Jahrhundert – Der Weg in die Moderne
Gegen Ende des 19. Jh. stieg die landwirtschaftliche Produktivität durch die – noch bescheidene – Mechanisierung, Ablösung der Plaggenwirtschaft durch Kunstdünger sowie die Innovationsbereitschaft von Moorgütern und Neusiedlern spürbar. Zeugen dieses rasanten Aufschwungs waren sechs neue, zwischen 1865 und 1890 errichtete Korn-Windmühlen, die Gründung einer Molkerei-Genossenschaft im Jahr 1900 (Vorläufer der heutigen Zentral-Käserei) und das Entstehen der „Ammerländischen Fleischwarenfabrik“ im Jahr 1908 (heute: Meica). Anfang des 20. Jh. entstanden Elektrizitätswerke in Jeddeloh I und Edewecht, bis 1921 waren alle Bauerschaften elektrifiziert. Die steigende Mobilität durch Fahrrad und Automobil sowie die zunehmende Verbreitung öffentlicher Fernsprechstellen oder Rundfunkgeräte veränderten die Lebensverhältnisse.
Entscheidende wirtschaftliche Impulse gingen von zwei großen Verkehrsprojekten aus. Von 1855 bis 1893 erfolgte der Bau des Hunte-Ems-Kanals (1925–1935 zum Küstenkanal erweitert), der durch Entwässerung die weiten Flächen des Vehnemoores im Süden Edewechts nutzbar machte (vgl. „NSG Vehnemoor“). Kanal- und Brückenbau bot notleidenden Familien willkommenes Einkommen. Das zweite Projekt war der Bau der Kleinbahn Zwischenahn – Edewecht, die 1920 bis Edewechterdamm verlängert wurde. Haupttreiber dieser Verlängerung war neben den dort befindlichen Torfwerken das staatliche Siedlungsamt, welches die Moorflächen am Küstenkanal für Siedlungsaktivitäten besser erschließen wollte (heute: Süddorf und Husbäke). Sowohl Küstenkanal als auch Kleinbahn waren Voraussetzung zur überregionalen Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte, Ziegelsteine und – dominierend – Torfprodukte. Letzteres begünstigte die Gründung zahlreicher Torfwerke, Torfstreufabriken und Moorgutgesellschaften. Die boomende Torfindustrie bot auch vielen niederländischen und polnischen Arbeitern Erwerb. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur führte aber auch zum Erlöschen des Schiffbaus an der Vehne, da dieser nun nicht mehr lukrativ war.
Nach Abtorfung und Entwässerung konnten die Moorflächen anschließend landwirtschaftlich genutzt werden. In der Folge lebte auch die Hochmoorkolonisierung nochmals auf: Jeddeloh II (1901) und Kleinscharrel (1905) wurden planmäßig erweitert und 1911 entstand die neue Hochmoorkolonie „Süd Edewechtermoor“ (seit 1920 die Bauerschaften Süddorf und Husbäke).[11] Mitte der 1920er entstand hier das weit über das Oldenburger Land beachtete reformpädagogische „Volkshochschulheim Edewecht“, in der 1927 auch der erste Kindergarten der Gemeinde entstand.
Erster Weltkrieg und Weimarer Republik
Der Erste Weltkrieg bedeutete auch für Edewecht Veränderungen. Die Landwirtschaft wurde zu Vieh- und Getreideabgaben verpflichtet, einberufene Soldaten fehlten in den Betrieben. Ersatz fand man ab 1915 in den zeitweilig bis zu 6000 Kriegsgefangenen, die in den Moorgütern „Jordanshof“ (Husbäke) und „Langenmoor“ (Heinfelde) als Erntehelfer und zur Moorkultivierung eingesetzt wurden.
1918 beklagte die Gemeinde Edewecht mindestens 149 Kriegstote und 10 vermisste Soldaten. Nach Ende des Ersten Weltkriegs agierte bis zur Stabilisierung der innenpolitischen Lage 1919 kurzzeitig ein von der ländlichen Führungsschicht initiierter Bauernrat, der die Ordnung wahren und radikalen Veränderungen der Besitzverhältnisse entgegenwirken sollte. Wirtschaftlich erfuhr die Edewechter Torfindustrie in der Krisenzeit der frühen Weimarer Republik weitere Wachstumsimpulse, da Heizkohle durch Reparationslieferungen und dem Wegfall oberschlesischer Zechen knapp war. Später stärkten die Autarkiebestrebungen der Nationalsozialisten den Einsatz heimischen Brenntorfs. In dieser Zeit entwickelte sich auch die Fleischwarenindustrie, bis heute ein prägendes Wirtschaftsstandbein Edewechts. Beide, Torf- und Fleischwarenindustrie liefen der bisher überwiegenden Agrarwirtschaft den Rang ab und förderten den wirtschaftlichen Aufschwung der Gemeinde stark.
Politisch zeigte sich in der späten Weimarer Republik ein wachsender Rechtstrend der Wähler. Ergaben die ersten Parlamentswahlen 1919 in Edewecht noch eine bürgerlich-sozialdemokratische Mehrheit, begann spätestens 1928 auch in Edewecht der Aufstieg der NSDAP zur Milieupartei des agrarisch geprägten Oldenburger Landes. Zeitgleich wurde in Edewecht die erste ammerländer Ortsgruppe der NSDAP gegründet. Bei der Landtagswahl 1932 erzielte die NSDAP in der Gemeinde Edewecht 84,6 % der Stimmen. Aus taktischen Gründen kam es bald auch zu Annäherungen an die Kirchengemeinde, deren Vorsteher seit 1930 den NS-Gliederungen zumindest nahe standen.[12]
Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945)
Individuell spürbaren Nachteilen der straffen NS-Zwangsorganisationen (Reichsnährstand, Deutsche Arbeitsfront, Jugendorganisationen u. a.) standen Preisanhebungen für landwirtschaftliche Produkte sowie die wirtschaftliche Belebung durch Notstandsarbeiten und der einsetzenden NS-Rüstungskonjunktur gegenüber, die die wirtschaftliche Situation besserte.
„Die Gleichzeitigkeit von grundsätzlicher Zustimmung zum NS-Regime und Kritik an oder Missachtung von einzelnen Maßnahmen war charakteristisch für die große Mehrheit der Edewechter, die trotz eindeutiger Voten für die NSDAP bei den Wahlen vor der Machtübernahme keineswegs überzeugte oder gar fanatische Nationalsozialisten waren. Auf die auch für sie neue Situation der praktischen Herrschaftsausübung des NS-Regimes reagierten sie zumeist entsprechend der im ländlichen Raum seit alters her immer wieder bestätigten Erfahrung, dass man sich mit der jeweiligen Obrigkeit am besten arrangiert, solange eine auskömmliche Lebensführung gewährleistet scheint.“[13]
Auch im sog. „Kirchenkampf“ verhielten sich die Vertreter der Edewechter Kirchengemeinde ruhig. Jedoch versuchte Pastor Georg Hanßmann[14] ab 1934, die Edewechter Kirchengemeinde durch Orientierung zur Bekennenden Kirche den zunehmenden nationalsozialistischen Einflussversuchen möglichst zu entziehen.[12]
1933 erfolgte eine Gebietsreform, wodurch Teile von Jeddeloh II an die Gemeinde Wardenburg fielen (heute: Harbern I). Kleinere Zugewinne hatte die Gemeinde Edewecht durch die Harkebrügger Mark westlich von Westerscheps und des Hansa-Gebietes südlich von Husbäke. Bedeutend war der Zugewinn des Bezirks Friedrichsfehn aus der aufgelösten Gemeinde Ofen.
Durch diese Eingemeindungen wuchs die Fläche von 9.412 ha auf 11.340 ha, verbunden mit einem Bevölkerungsanstieg. Das machte den Bau mehrerer „Zwergschulen“ nötig, die den Gemeindehaushalt nicht unbedeutend belasteten. Die „rote“ Volkshochschule Edewecht wurde 1937 in die „Reichsbräute- und Heimmütterschule Husbäke“ umgewandelt.
Zweiter Weltkrieg – Fünfte Zerstörung Edewechts
Seit 1940 gab es erneut Kriegsgefangenenlager in Edewecht, so u. a. im ehemaligen RAD-Lager „Hogenset“. Wie schon im Ersten Weltkrieg wurden die Kriegsgefangenen und ausländische Zwangsarbeiter (Schätzungen zwischen mehreren hundert bis weit über 1000 Personen) in Landwirtschaft und Torfwerken eingesetzt. Zwar blieb Edewecht bis Ende 1944 ohne größere Kriegsschäden, aber Auswirkungen des Krieges waren von Beginn direkt „erlebbar“. So mussten Edewechter Feuerwehreinheiten bei der Brandbekämpfung im bombardierten Bremen und Wilhelmshaven unterstützen und man konnte Überflüge der Bomberflotten und auch die Bombardierungen vom Militärflugplatz Rostrup beobachten. Das Kriegsende zeichnete sich 1944 mit Einziehung der verbliebenen Männer zu Volkssturm-Kompanien ab.
Mit Beginn des alliierten Vormarsches nach Nordwest-Deutschland Ende März 1945 wurde der das Gemeindegebiet begrenzende Küstenkanal militärisch zur Sicherungslinie „Seelöwenstellung“ ausgebaut. Soldaten wurden bei den Einwohnern der Gemeinde einquartiert. Mit Herannahen der Front sprengten die Deutschen am 15. April die Edewechterdammer Kanalbrücke, kurz später die Übergänge in Husbäke und Jeddeloh II und zuletzt die Brücke bei Klein Scharrel am 20. April. Am 16. April forderte Tieffliegerbeschuss erste Ziviltote, nachmittags begann das Einschießen der kanadischen Artillerie, das sich bis Mitternacht zum Trommelfeuer entwickelte.
Nach Bildung eines Brückenkopfes am 17. April kamen die kanadischen Truppen trotz massiver Artillerieunterstützung und laufendem Jagdbombereinsatz in dem unwegsamen Moorgelände und auf den verminten oder gesprengten Straßen nur schrittweise vorwärts. Erst am 25. April wurde Süd-Edewecht erreicht. Der Ort Edewecht war am 27. April vollständig in kanadischer Hand, Jeddeloh I und Portsloge am folgenden Tag. Wenig später wurde in Ekern die Nachbargemeinde Bad Zwischenahn erreicht.
Bei den erbitterten Kämpfen im Gemeindegebiet starben 412 Wehrmachtsangehörige[15] und etwa 300 alliierte Soldaten. Obwohl viele vor den Kämpfen in die für die eingesetzten Sherman-Panzer unpassierbaren Moorgebiete geflohen waren, fielen auch 104 unbeteiligte Zivilisten den Kämpfen zum Opfer. 45 % des Gebäudebestands – über 370 Wohnhäuser und mehr als 600 landwirtschaftliche Gebäude – waren Totalschäden.
Eine Woche vor Waffenruhe waren in Edewecht, Scheps und Portsloge jahrhundertelang gewachsene Ortsbilder mit reetgedeckten Bauernhöfen unwiederbringlich ausgelöscht.
Nachkriegszeit – Wiederaufbau (Dritte Siedlungsphase)
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehörte Edewecht zur Britischen Besatzungszone. Seit dem 1. November 1946 gehört die Gemeinde dem neugegründeten Land Niedersachsen an, welches 1949 Gliedstaat der Bundesrepublik Deutschland wurde. Unmittelbar nach Kriegsende waren in der Gemeinde etwa 3000 Menschen obdachlos, weitere 1000 Personen hausten in beschädigten Gebäuden. Notunterkünfte kennzeichneten die Dörfer, viele litten Hunger. Während die über 100 Ziviltoten unmittelbar nach Kriegsende auf dem Kirchenfriedhof begraben werden konnten, beschloss man im August 1945, die während der Kampfhandlungen notdürftig in Feldgräbern beigesetzten deutschen Soldaten auf einen neuen zentralen „Kriegerfriedhof“ umzubetten. Die bei den Kämpfen gefallenen kanadischen Soldaten wurden 1948 auf die zentrale kanadische Kriegsgräberstätte („Canadian War Cemetery“) im niederländischen Holten umgebettet, die britischen Toten wurden in ihre Heimat überführt.
Die Versorgung und Eingliederung von Flüchtlingen und Vertriebenen – fast ein Viertel der Gesamteinwohnerschaft (2000 Personen) – stellten fast unlösbare Aufgaben. Die jahrhundertealte protestantische Einheitlichkeit wurde durch den Zustrom katholischer Neubürger aufgehoben. Dem materiellen Mangel konnte nur durch Improvisieren und Organisieren auf dem Schwarzmarkt begegnet werden. Zusätzlich erfolgte bis Mitte 1949 die Entnazifizierung aller gesellschaftlichen und politischer Bereiche, was in Edewecht 533 Parteiangehörige der NSDAP, 76 SA- und vier SS-Mitglieder betraf. 1946 ergab die erste freie Wahl nach Ende der NS-Zeit eine liberal-sozialdemokratisch bestimmte Gemeindevertretung.
Erst nach der Währungsreform fasste die Wirtschaft wieder Tritt und im Rahmen eines Barackenräumprogramms und einer neuen Ortsplanung begann der geordnete Wiederaufbau. Beigetragen hat dazu auch, dass Edewecht neben Haren (Ems), Friesoythe und Cloppenburg vom Staatsministerium zu einer von vier niedersächsischen Notstandsgemeinden erklärt worden war, die bevorzugt beim Wiederaufbau zu berücksichtigen seien. In dieser Phase feierte Edewecht 1950 die 800-Jahr-Feier, wobei auch der bei den Kämpfen 1945 abgebrannte hölzerne Glockenturm der St.-Nikolai-Kirche als Wahrzeichen der Gemeinde wieder aufgebaut wurde. Der Seelsorge und Integration katholischer Gläubiger Edewechts diente 1953 der Bau einer Kapelle an der Holljestraße (heute: Jugendzentrum).
In den folgenden Jahren wandelte sich Edewecht in der Phase des „Wirtschaftswunders“ zur Wirtschaftsgemeinde und zum Dienstleistungszentrum. Dazu beigetragen hat die seit Ende der 1960er Jahre erfolgte Ausweisung mehrerer Industriegebiete, unter denen das Gewerbegebiet „Im Brannen“ die heute bedeutende ernährungswirtschaftliche Position Edewechts begründete(s. Heinz zu Jührden). Verbunden mit diesem wirtschaftlichen Strukturwandel war eine stetig abnehmende Bedeutung der Landwirtschaft als Arbeitgeber. Auch die Torfwirtschaft erreicht bis heute nicht mehr die ehemals erhebliche Bedeutung und ihre heutige Notwendigkeit wird kontrovers diskutiert. In der Folge musste 1991 auch die zuletzt nur noch im Güterverkehr tätige Kleinbahn eingestellt werden, deren Trasse 1995 als touristische Radwanderstrecke hergerichtet worden ist.
Dem Bedarf an Wohnraum für die bis heute zunehmende Einwohnerschaft begegnete die Gemeinde im Ort Edewecht mit der Ausweisung großer Siedlungen auf den bisher für Bebauung tabuisierten Eschflächen („Dichterviertel“, „Süderesch“, „Hoher Esch“, „Musikerviertel“, „Pastorensiedlung“) und auf nicht mehr bewirtschafteten oder ausgesiedelten Hofstellen. Die Edewechter Straßennamen „Dierkshof“, „Grubenhof“, „Bunjeshof“, „Holljehof“ und „Deyehof“ weisen auf diese ehemaligen Hofstellen hin. Durch die rege Bautätigkeit verschmolzen die Ortsteile Süd- und Nord-Edewecht und auch Portsloge folgt diesem Trend. Ein weiterer Siedlungsschwerpunkt wurde Friedrichsfehn durch seine attraktive Lage zu Oldenburg. Eine Moorkolonisierung erfolgte nach dem Krieg 1955 nur noch einmalig in Wittenriede (s. Fintlandsmoor).
Eine Episode des „Kalten Krieges“ war die Stationierung einer Einheit der US-Armee (51st USAAD) in Südedewecht.[16] Von März 1973–1988 bewachten sie in Westerscheps atomar bestückbare Flugabwehrraketen, bis diese 1988 durch das nicht atomare System Patriot ersetzt wurden.[17][18] 1993 wurde die Westerschepser Raketenstellung aufgegeben und ist heute ein Wind- und Solarpark.
Von 1986 bis 2006 bestand in Edewecht das Micro Hall Art Center (MHAC). Ursprünglich wurde es 1971 als „Five towers micro hall center“ in Augustfehn von Klaus Groh gegründet, weil es äußerlich dem deutschen Barcelona-Pavillon – allerdings mit fünf Lüftungsschächten – angelehnt war. 1986 wurde die Einrichtung in Augustfehn aufgelöst und in Edewecht in einem umgebauten Altbau erneut ins Leben gerufen, allerdings unter dem Namen Micro Hall Art Center. Bis 2006 fanden hier auf ca. 100 m² Ausstellungs- und ca. 400 m² Gartenfläche Ausstellungen, Performances, Theater und Kleinkunst statt. In einem Teil des Gebäudes war das Literaturium, ein privates Kulturzentrum, untergebracht. 2006 wurde die Einrichtung aus Altersgründen aufgelöst, da sich kein Betreiber als Nachfolger fand.
Im Jahr 2000 wurde das 850-jährige Ortsjubiläum begangen, in deren Zusammenhang im Ortszentrum ein funktionsfähiger Nachbau der ehemaligen Edewechter Kokerwindmühle errichtet wurde (Original im Museumsdorf Cloppenburg).
Einwohnerentwicklung
Die folgende Tabelle stellt die aus historischen und aktuellen Quellen ermittelten Einwohnerzahlen der im Text dargestellten Siedlungsepochen und -ereignisse dar.
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alaut Winkler[19] | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
blaut Winkler[20] | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
claut Homepage der Gemeinde Edewecht[21] | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
dAuswertungen der Gemeinde Edewecht für das statistische Landesamt laut Winkler[22] |
Der Altersdurchschnitt in der Gemeinde liegt mit 42,9 Jahren unter dem niedersächsischen Landeswert (44,3 Jahre) und dem anderer ammerländer Gemeinden (Stand 2018).
Religionen
Größte Religionsgemeinschaft ist die Evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Edewecht mit ca. 10.000 Mitgliedern (rund 44 % der Gesamtbevölkerung).[23] Daneben gibt es die katholische Kapellengemeinde St. Vinzenz Pallotti, die Evangelisch-methodistische Kirche und die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde (Baptisten) in Jeddeloh I. Seit Anfang der 1980er Jahre arbeiten diese vier Kirchengemeinden zusammen im Ökumenischen Arbeitskreis. Am 8. Januar 2006 wurde dieser Zusammenarbeit durch die Gründung einer lokalen ACK (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Edewecht, ACKE) zudem eine verbindliche durch Satzung geregelte Struktur gegeben.
Politik
Gemeinderat
Der Rat der Gemeinde Edewecht besteht aus 34 Mitgliedern. Das ist die festgelegte Anzahl für eine Gemeinde mit einer Einwohnerzahl zwischen 20.001 und 25.000.[24] Die 34 Ratsmitglieder werden durch eine Kommunalwahl für jeweils fünf Jahre gewählt. Die aktuelle Amtszeit begann am 1. November 2016 und endet am 31. Oktober 2021.
Stimmberechtigt im Gemeinderat ist außerdem die hauptamtliche Bürgermeisterin Petra Lausch.
Die letzte Kommunalwahl am 11. September 2016 ergab das folgende Ergebnis:[25]
Partei | 11. Sept. 2016 | 11. Sept. 2011 | 10. Sept. 2006 | 9. Sept. 2001 | |||||||||||
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Stimmen | in % | Sitze | Stimmen | in % | Sitze | Stimmen | in % | Sitze | |||||||
CDU | 12.237 | 41,16 % | 14 Sitze | 9.511 | 38,6 % | 13 Sitze | 10.598 | 42,8 % | 14 Sitze | 12.544 | 47,8 % | 16 Sitze | |||
SPD | 9.843 | 33,11 % | 11 Sitze | 9.053 | 36,7 % | 13 Sitze | 9.280 | 37,5 % | 12 Sitze | 10.067 | 38,4 % | 12 Sitze | |||
Grüne | 2.776 | 9,33 % | 3 Sitze | 3.669 | 14,9 % | 5 Sitze | 1.427 | 5,8 % | 2 Sitze | 1.678 | 6,4 % | 2 Sitze | |||
FDP | 1.816 | 6,10 % | 2 Sitze | 1.043 | 4,2 % | 1 Sitz | 2.083 | 8,4 % | 2 Sitze | 1.957 | 7,5 % | 2 Sitze | |||
UWG | 1.644 | 5,53 % | 2 Sitze | 1.357 | 5,5 % | 2 Sitze | 1.374 | 5,5 % | 2 Sitze | – | – | – | |||
Die Linke | 804 | 2,70 % | 1 Sitz | – | – | – | – | – | – | – | – | – | |||
NPD | 604 | 2,03 % | 1 Sitz | – | – | – | – | – | – | – | – | – | |||
Wahlbeteiligung | 10.218 von 18.050 | 8.472 von 17.008 | 8.630 von 16.414 | 9.012 von 15.031 | |||||||||||
56,6 % | 49,8 % | 52,6 % | 60,0 % |
Bürgermeister
Bei der letzten Bürgermeisterwahl am 12. September 2021 wurde die parteilose Petra Knetemann bei zwei Gegenkandidaten mit 51,6 Prozent gewählt. Die Wahlbeteiligung lag bei 60,7 Prozent. Für Knetemann ist es die erste Amtszeit.
Wappen und Flagge
Das Wappen der Gemeinde Edewecht zeigt auf grünem Hügel in Silber eine blaue Bockwindmühle mit schwarzen Segelscheiten. Die Gemeinde Edewecht führt seit 1934 in Erinnerung an die 1456 errichtete erste Bockwindmühle diese in Wappen und Siegel.
Die Flagge der Gemeinde ist in der oberen Hälfte weiß (silber), in der unteren Hälfte blau und belegt mit dem Gemeindewappen.[26]
Kultur und Sehenswürdigkeiten
Theater
„De Plattsnackers“ sind ein niederdeutsches Theaterensemble aus Jeddeloh I. Die Stücke des Ensemble wurden im ehemaligen Gasthof Witte in Jeddeloh I aufgeführt. Die „Speelkoppel Friedrichsfehn“[28] nutzt einmal im Jahr die Turnhalle Friedrichsfehn für drei Wochen als niederdeutsche Theaterbühne. Seit 2001 führt das Laienensemble des „Theater Pur“ aus Edewecht selbstgeschriebene Theaterstücke vom Krimi bis zum Lustspiel in der Diele der Gaststätte „Hempen Fied“ in Ekern auf.
Museen
Das Tollhus up’n Wurnbarg ist ein Heimat- und Freilichtmuseum in Wittenberge. Das Ensemble besteht aus mehreren alten Gebäuden, die idyllisch am Flusslauf der Aue um ein ehemaliges Zollhaus (plattdeutsch: Tollhus) gelegen sind. Das „Tollhus“ war ein Zollhaus der Grafschaft Oldenburg zum Niederstift Münster, dessen Grenze in Edewecht etwa dem Lauf der Flüsse Vehne und Aue folgte. Der ursprüngliche Standort des 1758 erbauten Rauchhauses war am Schlagbaum vor den Schanzen und Wehren der Oellienbrücke (Auebrücke Kortenmoorstraße in Westerscheps). Seit 1428 mussten an dieser Zollstation die Benutzer der Heerstraße Ammerland – Münsterland und der Aue an den Vogt Zoll entrichten. Im Jahre 1961 wurde das „Tollhus“ abgetragen und 1962 originalgetreu auf dem Wurnbarggelände wieder aufgebaut. Heute dient es als Heimatmuseum und präsentiert zahlreiche Gegenstände aus der Geschichte der Ammerländer Landwirtschaft. Daneben stehen noch eine Remise, eine Bleicherhütte und ein Backhaus. Führungen finden auf Anfrage statt. Das Tollhus up’n Wurnbarg kann seit Ende 2014 als Außenstelle des Edewechter Standesamtes für Eheschließungen genutzt werden.
Kunst
Der 1996 gegründete Kunstpfad Ammerland e. V. ist eine Interessengemeinschaft Ammerländer Kulturveranstalter. Darin zusammengeschlossen sind Der Kunst- und Kulturkreis Rastede, die Vortragsgesellschaft Westerstede, der Bahnhofsverein Westerstede, das LITERATURIUM Klein Scharrel/Edewecht, das Heimatmuseum Wiefelstede und die Studio Galerie Rastede. Ein ständiger Kulturaustausch besteht zwischen dem Landkreis Ammerland und dem polnischen Landkreis Pleszew.
Die Edewechter Kunstfreunde bieten ein Kulturprogramm aus den verschiedensten Sparten: Konzerte von Klassik über Jazz bis zu populärer Unterhaltungsmusik, Lesungen, Vorträge und Kunstausstellungen.[29]
Bauwerke
Die evangelische Sankt-Nikolai-Kirche ist das älteste Gebäude des Ortes. Die Kirche mit dem freistehenden hölzernen Glockenturm wurde um 1305 erstmals urkundlich erwähnt. Im Original erhalten sind in der Kirche bemerkenswerte Gewölbemalereien des späten 15. Jahrhunderts sowie die mit zahlreichen Schnitzereien verzierte Kanzel von 1653 und der Taufschalenträger von 1656. 2002 wurde mit der Replik des 1520 in der Werkstatt des „Meisters von Osnabrück“ hergestellten dreiflügeligen Kreuzigungsaltars ein hochrangiges spätgotisches Kunstwerk oldenburgischer Sakralkunst wieder gewonnen.[14] Einzigartig für das Ammerland ist der freistehende, hölzerne Glockenturm der Kirche. Er ist das Wahrzeichen der evangelischen Kirchengemeinde.
In Edewecht existieren mehrere Bergfriede, die im 15. und 16. Jahrhundert im Rahmen der damaligen Grenzkonflikte mit dem Hochstift Münster ("münstersche Fehden") als Verteidigungsbauten der Bauernhöfe gebaut wurden. Zumeist dienten sie jedoch lediglich als Speicher. Der besterhaltene ist der Heinje Bergfried von 1476. Neben ihm wächst die größte Traueredeltanne Deutschlands. Ein weiterer kleiner, unterkellerter Bergfried in Fachwerkbauweise befindet sich beim Oellien-Hof (Baujahr nach 1582).
Seit 1934 führt die Gemeinde Edewecht eine Bockwindmühle in ihrem Wappen. Noch heute gibt es im Gemeindegebiet zwei funktionsfähige Mühlen: in Westerscheps befindet sich eine Galerieholländer-Mühle, die 1799 erbaut und 1998 saniert wurde. Sie kann nach Absprache besucht werden. Die Wallholländer-Windmühle in Osterscheps wurde im Jahre 1888 auf einem Erdwall errichtet. Diese Mühle ist noch voll funktionsfähig und wurde ebenfalls im Jahre 1998 saniert. Im Erdgeschoss findet sich eine Dokumentation zur Mühlenkunde sowie zu Geschichte und Renovierung der Mühle. Eine getreidemahlende Kokerwindmühle aus Edewecht wurde 1956 vom Museumsdorf Cloppenburg erworben und dort neu aufgebaut. Heute steht eine Replik dieser Mühle im Edewechter Ortszentrum. Als Außenstelle des Edewechter Standesamtes dient sie u. a. für Trauzeremonien.[30]
Parks
Der Bauerngarten Anke zu Jeddeloh in Jeddeloh I ist ein 5000 m² großer Garten hinter einem Gulfhaus und besteht aus verschiedenen Bepflanzungen für den Sonnenbereich, den Halbschatten und Schattenbereich. Unter einem alten Baumbestand und eingebettet in großzügige Rasenflächen können bei einer Führung Rhododendron mit Begleitpflanzen, abwechslungsreiche Staudenrabatten, wertvolle Koniferen entdeckt oder optional auch die angeschlossenen Baumschule besucht werden.
Naturdenkmäler
Im Norden von Edewecht steht im denkmalgeschützten Gartenpark der Baumschule Lehei – Heinje als botanische Rarität Deutschlands größte Traueredeltanne (Abies alba ‚Pendula‘), eine merkwürdig anmutende Hängeform der Weißtanne mit anfangs aufstrebenden Stamm und stark herabhängender Seitenbeastung. Unmittelbar daneben befindet sich einer der erhaltenen Bergfriede Edewechts.
Sport
Edewecht bietet seinen Bürgerinnen und Bürgern ein vielfältiges Vereinssportangebot. Über die Grenzen Edewechts hinaus bekannt ist der VfL Edewecht, dessen 1. Herren-Handballmannschaft 2009 in die 2. Bundesliga aufstieg. Bekannt ist auch die Fußballmannschaft des SSV Jeddeloh, die von 2012 bis 2017 in der Oberliga Niedersachsen spielte und der 2017 der Aufstieg in die Regionalliga Nord gelang.
Edewecht hat vier Sporthallen (Heinz-zu-Jührden-Halle, Göhlenweghalle am Gymnasium und die Sporthallen an der Edewechter Grundschule und an der Astrid-Lindgren-Schule). In Edewecht finden sich neben dem zentralen Sportplatz Zum Stadion weitere Sportplätze an der Heinz-zu-Jührden-Halle und bei der Astrid-Lindgren-Schule. Auch in den Bauerschaften finden sich Sportplätze und weitere Sporthallen.
Das moderne Stadionbad ist ein kombiniertes Hallen- und Freibad mit angeschlossener Sauna- und Wellnesslandschaft und wird für die vielfältigen Angebote des Edewechter Schwimmvereins genutzt. Eine den neuesten Ansprüchen genügende Schießsportanlage wird von den Edewechter Schützenvereinen genutzt. Daneben gibt es weitere sieben Schießanlagen in den Bauerschaften.
Wohnortnaher Reitsport ist in der Reitanlage Portsloge[31] möglich, Freunde von Modellsports sind beim Modellflugplatz in Jeddeloh I willkommen. Der Schiffsmodellclub Bad Zwischenahn-Edewecht e. V.[32] hat wöchentliche Modellschiffausfahrten auf seinem Vereinsgewässer „Espergöhler Teich“ im Portsloger Busch. Tennisfreunden steht durch den Tennisclub Edewecht[33] eine Anlage mit 5 Sandplätzen sowie ein 2010 renovierter Hallenplatz mit Teppichbelag zur Verfügung.
Eine regionale Besonderheit ist das Straßenboßeln, das vereinsmäßig in den Bauerschaften Portsloge[34] und Westerscheps praktiziert wird.
Vereine
Der Heimatverein „Vergnögde Goodheit“ e. V.[35] in Westerscheps besteht seit 1919 und hat sich zum Ziel gesetzt, die plattdeutsche Sprache zu erhalten, heimatliche Sitten und Gebräuche zu bewahren und die alten Trachten zu pflegen. Auf der Bühne im „Tollhus up’n Wurnbarg“ (s. o.) finden auch Theateraufführungen statt. Jährlicher Programmhöhepunkt ist die Ausrichtung der „Grooden ammerschen Arntefier“ mit großem Festumzug in Westerscheps. Sitz des Vereins ist das Tollhus up’n Wurnbarg.
Die „De Afrümers e. V.“[36] aus Süddorf wurden 1982 von Jugendlichen ins Leben gerufen, um ein Angebot sinnvoller Freizeitaktivitäten auf dem Dorf zu schaffen. Bekannt geworden ist der Verein durch die jährlich in Süddorf stattfindende Freiluftfete und das Treckerkino, das 2017 letztmals stattfand.
Der 1987 gegründete „Trecker Treck Edewecht e. V.“[37] richtet seit 1988 offizielle Wettkampfziehen für Standardschlepper auf einem präparierten Wiesengelände im Edewechter Göhlengebiet aus, die seit 1992 auch Wertungsläufe der Deutschen Meisterschaft im Tractor Pulling sind. Heute ist der Verein mit den in Edewecht gebauten, vereinseigenen Bremswagen „Red Shadow“ und „Red Shadow SE“ auf Traktor-Pulling Veranstaltungen in ganz Deutschland und Europa vertreten. Der 2013 erstmals eingesetzte „Red Shadow TE (Third Edition)“ gehört zur neuesten Bremswagengeneration und gilt als der derzeit modernste in Europa. Er wurde mit der Goldmedaille des European Tractor Pulling Commitee prämiert.
Auf Initiative von Bürgern, Unternehmern und der Gemeindeverwaltung besteht seit 2013 das Veranstaltungsforum Edewecht.[38] Ziele des Vereins sind die Stärkung des Kulturangebots und Organisation von bürgernahen Veranstaltungen (u. a. Weihnachtsmarkt, Marktpartie). Gleichzeitig bietet er eine niedrigschwellige Plattform für eine breite Beteiligung an Veranstaltungen und zur Interessenvertretung.
Regelmäßige Veranstaltungen
Marktpartie im Frühling, Osterfeuer, Maibaumsetzen, Tractor Pulling, Weihnachtsmarkt, „Groode Ammersche Arntefier“, Freiluftfete der „Afrümers“ Süddorf.
Kulinarische Spezialitäten
Der Ammerländer Räucherschinken ist eine weitbekannte Delikatesse, die mindestens sechs Monate gereift ist. Beliebt ist er zum Spargel serviert. Auch sonst gehört zu einer echten Ammerländer Brotzeit mit Schwarzbrot dazu.
Eine lokale, deftige Spezialität ist Grünkohl mit Pinkel (eine Grützwurst). Grünkohl ist ein typisches Wintergemüse und in anderen Regionen auch unter dem Namen Braun-, Blatt-, Pflück- oder Winterkohl bekannt. Traditionell besteht eine Grünkohlmahlzeit aus Grünkohl mit Kartoffeln, Pinkel, Kochwurst (sog. Rauchenden) und Bauchfleisch (Kasseler oder Kasselernacken). Die Grünkohlsaison beginnt im Herbst nach dem ersten Frost. Viele Gastwirtschaften bieten daher ab Herbst bis Gründonnerstag spezielle Termine für dieses Traditionsessen an. Häufig gehen dem Kohlessen gesellige Kohlfahrten mit Freunden, Nachbarn, Kollegen oder Vereinen in der freien Natur voraus.
Bookweeten Janhinnerk ist eine deftige Spezialität aus dem Moor. Buchweizen wurde als Getreideersatz früher viel auf Moorflächen angebaut, da er auf ärmeren Böden gut gedeiht. Sein grobes Mehl schmeckt aromatisch-nussig. Zubereitet als Pfannkuchen mit untergemischtem gerösteten Speck, wird er traditionell mit Rübensirup serviert. Eine weitere Buchweizenspezialität ist Buchweizen-Torte.
Bückelsbraten ist eine weitere kulinarische Besonderheit für gesellige Runden. Die sogenannten „Bückel“ sind fettarme, drei Tage lang gewässerte Salzheringe, die aufgespießt im offenen Kaminfeuer geräuchert werden. Dazu gibt es kerniges Schwarzbrot und „Heet un Sööt“ — heißes Bier mit Zucker!
Löffeltrunk – beim traditionellen Löffeltrunk wird Korn aus einem Zinnlöffel getrunken, der in der linken Faust gehalten wird. Die Trinkzeremonie wird von einem plattdeutschen Wechselspruch zwischen Gastgeber und Gästen begleitet:
Ick seh di – Dat freit mi
Ick sup di to – Dat do
Prost! – Prost!
Ick heb di tosapen – Hest den Rechten drapen
So hebt wi dat immer doh’n – So schallt ok wieder goh’n.
Nach dem Prost müssen die Zinnlöffel mit der Zunge so abgeleckt werden, dass sie beim Ablegen keine feuchten Ränder auf dem Tischtuch hinterlassen.
Wirtschaft und Infrastruktur
In der Gemeinde Edewecht hat sich insbesondere die Nahrungsmittelindustrie angesiedelt. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Metallbau.
Ansässige Unternehmen
Edewecht ist ein Zentrum der Nahrungsmittelindustrie. Zahlreiche bundesweit bekannte Produkte werden vor Ort hergestellt. Etablierte mittelständische Hersteller sind:
- Meica: Die Ammerländische Fleischwarenfabrik Fritz Meinen GmbH & Co hat ihren Unternehmensstammsitz in Edewecht.[39]
- Deutsches Milchkontor (früher Nordmilch): Im Werk Edewecht sind über 550 Mitarbeiter beschäftigt, die u. a. Schnittkäse, Butter und Süßmolkenpulver herstellen. Die Käserei gilt als die modernste in Europa.[40] Die Produkte finden sich unter anderem unter den Markennamen Milram und Oldenburger im Handel.[41]
- Abraham: 1998 übernahm die Abraham-Gruppe die Ammerländer Schinkenräucherei Sandstede aus dem Edewechter Ortsteil Osterscheps. Dort wird nach wie vor der inzwischen namentlich geschützte Ammerländer Schinken produziert. Seit September 2012 gehört Abraham als Marke zu Bell Deutschland in Seevetal.[42]
- Bley Fleisch und Wurstwaren: Der Familienbetrieb produziert seit 1988 im Edewechter Industriegebiet als Spezialität handgesalzenen Ammerländer Bauernschinken und weiter regionale Nahrungsprodukte wie luftgetrocknete Rohwurst, Grünkohl, Kochmettwurst und Pinkel für den norddeutschen Absatzmarkt sowie Dänemark und Niederlande.[43]
Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche weitere kleinere fleischverarbeitende Betriebe. Die wichtigsten Betriebe außerhalb der Nahrungsmittelindustrie sind der Metall- und Elementebauer Haskamp mit 200 Beschäftigten,[44] der Maschinen- und Anlagenbauer BACKHUS Eggersmann Group[45] als Weltmarktführer von Umsetztechnik für Kompostierung, Abfallaufbereitung und Bodensanierung, die Firma Sommerfeld im Baugewerbe sowie mehrere international renommierte Baumschulen. Vom ehemals bedeutenden Porotonhersteller Oltmanns ist nach der Fusion mit Wienerberger nurmehr ein kleiner Standort in Jeddeloh I geblieben.
Medien
Neben der Tageszeitung Nordwest-Zeitung werden in Edewecht der Hunte Report und die Ammerländer Sonntagszeitung verteilt.
Öffentliche Einrichtungen
- Bad am Stadion: Kombiniertes Hallen- und Freibad mit angeschlossener Sauna- und Wellnesslandschaft.
- Bücherkeller: Öffentliche Bücherei in gemeinsamer Trägerschaft von Gemeinde und evangelischer Kirchengemeinde.
- Katholische Bücherei im Gemeindezentrum St. Vinzenz-Palotti.
- Jugendzentren: „Kirche“ (Edewecht) und Friedrichsfehn
Bildung
In der Gemeinde gibt es vier Grundschulen, inklusive einer Ganztagsschule, eine Oberschule und ein Gymnasium (Sekundarstufe I) sowie eine Förderschule mit den Schwerpunkten Lernen und geistige Entwicklung (Astrid-Lindgren-Schule).
Die bisherige Haupt- und Realschule Edewecht ist 2013 zur Edewechter Oberschule zusammengefasst worden. Sie wird als teilweise gebundene Ganztagsschule geführt. An drei Wochentagen (Di–Do) können Schüler an Nachmittagsangeboten teilnehmen, zwei Tage sind verpflichtend. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hier auf der Hausaufgabenbetreuung, der Vorbereitung für Abschlussprüfungen und der sportlichen (sozial-affektiven) Bildung. Als einzige Oberschule in Niedersachsen trägt sie seit 2016 das Prädikat „Plattdüütsche School“ für ihre vielfältigen Aktivitäten ums Niederdeutsche.
Aufgrund rückgängiger Anmeldezahlen wurde die Hauptschule in Osterscheps geschlossen.
Rund 96 Prozent der Kinder zwischen drei und sechs Jahren können eine Vormittagsgruppe der Kindergärten besuchen, ergänzt wird das Angebot durch Nachmittagsgruppen und Ganztagsgruppen. In fast allen Standorten gibt es auch integrative Angebote. Die Kindergärten befinden sich teils in kommunaler, teils in kirchlicher Trägerschaft.
In den 2010er Jahren wurden auch Einrichtungen im Krippenbereich (Vormittags- sowie Ganztagsgruppen) geschaffen. Alle Krippen (zwei Gruppen in Edewecht/Stadion) sind in kommunaler Trägerschaft. In Planung ist ein Neubau einer Kinderkrippe (zwei Gruppen) in Edewecht-Friedrichsfehn. Mit Angeboten der Edewechter Tagesmütter wird die Gemeinde Edewecht die gesetzlich vorgeschriebenen Betreuungsplätze für unter 3-jährige Kinder erreichen.
Verkehr
Von den Bundesautobahnen A 28 und A 29 sowie der Bundesstraße B 401 lässt sich die Gemeinde über ein gut ausgebautes Straßennetz schnell erreichen. Das Gemeindegebiet wird von folgenden Buslinien des Verkehrsverbundes Bremen/Niedersachsen angefahren:
- 375 Süddorf – Edewecht – Bad Zwischenahn
- 380 Barßel – Osterscheps – Edewecht – Friedrichsfehn – Oldenburg
- 910 Friesoythe – Süddorf – Edewecht – Oldenburg
Eine direkte Busanbindung zur Kreisstadt Westerstede existiert nicht.
Die Bürgerbuslinie 393 ergänzt werktags das ÖPNV-Angebot mit regelmäßigen Rundtouren durch die Bauerschaften des Gemeindegebietes und bietet auch Anschluss nach Bad Zwischenahn (ZOB):
- Edewecht – Klein Scharrel – Friedrichsfehn – Jeddeloh II – Husbäke – Edewecht – Bad Zwischenahn
- Bad Zwischenahn – Husbäke – Jeddeloh II – Klein Scharrel – Friedrichsfehn – Jeddeloh I – Edewecht[46]
In der Nachbargemeinde Bad Zwischenahn befindet sich der nächstgelegene Bahnhof (Bahnstrecke Bremen – Oldenburg – Emden mit Halt von Intercity-Zügen, Regionalexpress, Regio-S-Bahn). Die Gemeinde war von 1912 bis 1991 Eigentümerin einer eigenen Eisenbahn, der Kleinbahn Bad Zwischenahn–Edewechterdamm.
Neben einem im Jahre 2006 eröffneten Radwanderweg Rund um Edewecht durchqueren Teile größerer Radwanderrouten (Ammerland-Route,[47] Reiherweg) die Gemeinde. Zudem besteht ein Radwegenetz.
Als Binnenschifffahrtsweg führt ein Teil des Küstenkanals durch Edewecht. Mehrere Anlegestellen befinden sich im Gemeindegebiet.
Der nächstgelegene Verkehrsflughafen ist Bremen (ca. 60 km Entfernung).
Persönlichkeiten
Söhne und Töchter der Gemeinde
- Hermann Kruse (vor 1560 – † 1599), erster lutherischer Geistlicher am Doberaner Münster
- August Heidkämper (* 1889 in Jeddeloh I; † 31. Mai 1975 in Edewecht): Bauunternehmer und Baustoffhändler. 1946–1966 Bürgermeister von Edewecht, 1946–1967 Kreistagsabgeordneter. Träger des Bundesverdienstkreuzes (1962), Ehrenbürgermeister in Anerkennung seiner Leistungen beim Wiederaufbau des kriegszerstörten Edewechts (1966).
- Johann Bünting (* 20. Mai 1782 in Edewecht; † 6. Februar 1853 in Leer): Gründer der Fa. „Joh. Bünting & Co.“ (u. a. „Bünting Tee“)
- Hein ten Hoff (* 19. November 1919 in Süddorf; † 13. Juni 2003 in Hamburg): Profi-Boxer und mehrfacher deutscher und Europa-Meister im Schwergewicht; langjähriger Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer
- Johann-Dietrich zu Jeddeloh (* 25. Februar 1914; † August 1999 in Jeddeloh): Baumschulist und Züchter; international renommierter Koniferen-Spezialist und -züchter, Stifter des „Pinetums“ im Gartenkulturzentrum Rostrup
- Heinz zu Jührden (* 1. Oktober 1920 in Edewecht; † 3. Juli 2008 in Edewecht): 1966 bis 2001 Bürgermeister Edewecht (Ehrenbürgermeister), 1968 bis 1991 Landrat Ammerland (Ehrenlandrat); Träger des Großen Verdienstkreuzes des Niedersächsischen Verdienstordens (1990); erhielt als Landrat bei der Kreisreform in den 1960er und 1970er Jahren die Selbstständigkeit des Ammerlandes und ist als Bürgermeister Edewechts Initiator des Industriegebietes „Im Brannen“.
Persönlichkeiten, die mit der Gemeinde in Verbindung stehen
- Graf Anton Günther (* 10. November 1583 in Oldenburg; † 19. Juni 1667 in Rastede): Reichsgraf von Oldenburg; besaß um 1650/1660 an der heutigen Straße „Grubenhof“ ein gräfliches Jagdhaus in Edewecht
- Joseph Beuys (* 12. Mai 1921 in Krefeld; † 23. Januar 1986 in Düsseldorf): Aktionskünstler und Kunsttheoretiker; als Soldat am 27. April 1945 in Edewecht schwer verwundet
- Heinrich Christian Brand (* 27. September 1821 in Hundsmühlen; † 1891): Schiffsbauer, lernte auf einer Werft in Edewecht und gründete 1850 hier eine eigene Werft, die 1853 nach Oldenburg verlegt wurde und 1997 wegen eines Versicherungsschadens in Konkurs ging[48]
- Alfred Bruns (* 11. Juni 1907 in Oldenburg; † 21. Februar 1974 in Husbäke): Maler; 1960/1961 1. Vorsitzender des Bundes Bildender Künstler
- Uwe Gräbe (* 1965 in Korbach): Mai 2006 – Mai 2012 Propst von Jerusalem und Repräsentant der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) in Israel, Palästina und Jordanien; zuvor 1999–2006 Pastor der Martin-Luther-Kirche Süddorf
- Ludwig Wilhelm Martin Morisse (* 16. Oktober 1870 in Brake; † 22. September 1936 in Oldenburg): Kirchenrestaurator und Maler; restaurierte 1906 vorreformatorische Deckenmalereien in der Edewechter St. Nikolai-Kirche
- Johann Ludwig Mosle (* 2. Januar 1794 in Varel; † 24. Oktober 1877 in Oldenburg): Oldenburgischer Minister; propagierte 1844 den Edewecht prägenden Hunte-Ems-Kanal als Schifffahrtsweg und zur Moorkolonisierung (vgl. Ortschaft „Mosleshöhe“)
- Bertha Ramsauer (* 14. November 1884 in Oldenburg; † 12. Juli 1947 ebd.): Erwachsenenpädagogin; 1923–1935 Leiterin des Volkshochschulheims Edewecht in Husbäke
- Heinrich Seidel (* 25. Juni 1842 in Perlin, Mecklenburg-Schwerin; † 7. November 1906 in Groß-Lichterfelde bei Berlin): Schriftsteller und Ingenieur. Schrieb 1889 das Gedicht „Brun Jeddeloh“ (in: Glockenspiel – Band VII der Gesammelten Schriften)
- Wolfgang Späte (* 8. September 1911 in Podersam; † 30. April 1997 in Edewecht): 1942 in der Erprobungsstelle der Luftwaffe Rechlin verantwortlich für die Entwicklung des Raketenflugzeugs Me 163 und Testpilot von ihm; Träger des Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub und der französischen Goldmedaille für Verdienste um die Luftfahrt
- Klaus Groh (* 1936 in Neisse, Oberschlesien): Künstler und Buchautor; Gründer und Leiter der International Artists`Cooperation (1969–1990), Gründer des Dada Research Centers, Gründer und Leiter des Klein-Scharreler Micro Hall Art Centers und der Kleinkunstbühne LITERATURIUM (1971–2006); Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Biennale in Florenz (Italien), Kurator verschiedener Kunstprojekte (u. a. „Kunstpfad Ammerland“)
- Wilfried Grunau (* 1958), Ingenieur und Geodät, Präsident des Verbandes Deutscher Vermessungsingenieure (VDV) und des Zentralverbandes der Ingenieurvereine (ZBI), Träger des Bundesverdienstkreuzes. Lebt seit 1995 in Friedrichsfehn
- Thomas Kossendey (* 4. März 1948 in Berlin): Politiker (CDU), 2006–2013 parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium
Volkssagen
Wie der Teufel Oldenburg vernichten wollte
Nach einer Oldenburgischen Sage ist das Zwischenahner Meer ein Teufelswerk – „Düwelswark“.
Und das kam so: Als die Oldenburger ihre erste Kirche bauten, verdross das Luzifer sehr, und er gedachte, diesen Plan zu verhindern. In seinem Jähzorn riss er um die Mitternachtsstunde einen großen Klumpen mit Bäumen und Sträuchern aus der Erde und flog damit über das Moor, um ihn auf die Kirche zu werfen. Als er eine Strecke weit gekommen war, krähte ein weißer Hahn. Da erschrak der Gehörnte, da er wusste, dass er beim dritten „Kikeriki“ alle Macht verlieren würde und er rief:
„Witte Hahn witt, ich acht’ di een Schitt und wiek die kein Schritt!“.
Der Teufel setzte seinen Weg fort. Nach einer Weile krähte ein roter Hahn. Da sprach der Teufel:
„Rode Hahn rot, du trettst mi up den Fot, wat makst du mi för Not!“
Um rascher voranzukommen, ließ er einen Teil seiner schweren Last fallen, woraus der kleine Wildenloh entstand. Weiter dämmerte der Morgen und ein schwarzer Hahn krähte. Der Teufel hatte sein Spiel verloren und rief voller Zorn:
„Swarte Hahn swart, du dreppst mi in’t Hart. O, wo mi dat smart!“
und ließ über dem Moor den Rest des Waldes fallen, den heutigen großen Wildenloh. Dort aber, wo er die Bäume herausgerissen hatte, war eine weite Kuhle entstanden, die sich mit Wasser füllte. Sie heißt das Zwischenahner Meer. Die Stadt Oldenburg aber blieb seither vom Teufel unbehelligt.
Die Gespenster vom Wildenloh
Wer spät abends durch den Wildenloh wandert, kann dort öfter drei Gespenster sehen. Das erste Gespenst ist Rode Jan Harm, ein rothaariger Fährmann aus Elsfleth, der beim Übersetzen über die Weser einen reichen Kaufmann ins Wasser gestoßen und seine Geldkiste geraubt hatte. Nach einem Leben in Saus und Braus musste er aber im Tode als Geist umgehen und beunruhigte die Elsflether. Schließlich glückte es dem Pastoren, ihn in den Wildenloh zu verbannen, wo er bis heute Bickbeerenblätter zählen muss. Das zweite Gespenst ist der Kaufmann Muhle aus Oldenburg. Dieser betrog einen Arbeiter um eine große Erbschaft und daher musste er nach seinem Tode im Haus umgehen. Als die Hausbewohner das nicht mehr ertrugen, riefen sie zwei Patres aus Vechta, die Muhle in den Wildenloh verbannten, wo sie ihm befahlen, alle Heideblüten zu zählen. Das dritte Gespenst ist Bürgermeister Rottmann aus Oldenburg. Dieser gewann durch Meineid einen Prozess zu Unrecht. Auch er musste nach seinem Tod zur Strafe als Geist im Wildenloh spuken und die Quelle im Wildenloh mit einem Eimer ohne Boden ausschöpfen.
Die mutige Magd vom Wildenloh
Mitten im Wildenloh stand einst ein großes Bauernhaus. Eines Tages fuhren die Bauern zu einer Hochzeit nach Jeddeloh. Davon erhielt eine Räuberbande von sieben Brüdern aus dem Vehnemoor Kenntnis und sie beschlossen, in den Hof einzubrechen.
Als es dunkel wurde, schlichen die Räuberbrüder um das Bauernhaus, fanden aber alles wohl verriegelt. Da beschlossen sie, unter der Hauswand ein Loch zu wühlen und so in die Diele einzudringen. Nun hütete dort aber eine wachsame Magd das Haus und bemerkte die drohende Gefahr. Sie bewaffnete sich mit einem Torfspaten und lauschte, wo die Räuber am Werk waren. Als nun der erste Räuber aus dem Loch schaute, stach die Magd ihm den Kopf ab und zog den Rumpf in das Haus hinein. Die draußen wartenden Brüder riefen leise: „Bist du drin?“ und die Magd antwortete mit verstellter Stimme „Ja!“. So kroch einer nach dem anderen hinein und einem nach dem anderen wurde der Garaus gemacht. Als der letzte Räuber sich anschickte, durch das Loch zu kriechen, spürte er Blut an seinen Händen und zog den Kopf schnell wieder zurück. Die Magd hatte ihm aber schon ein Stück der Kopfhaut abgeschabt.
Der Räuber verband den Kopf und ging nach Jeddeloh zur Hochzeit. Dort tanzte er wie toll und rief übermütig: „Hallo, hallo, hallo! De Magd van‘n Wildenloh, har se den säwten man darto! Hoho, hoho, hoho!“. Erst viel später bekamen die Gäste heraus, was es damit auf sich hatte.
Etliche Jahre danach sprach auf dem Bauernhof ein feingekleideter Herr vor und hielt um die Hand der Magd an. Diese wollte ihm wohl folgen. Ein paar Tage später kam der Herr mit einer Kutsche vorgefahren und fuhr mit seiner Braut durch das Vehnemoor. Unterwegs legte er seinen Kopf an ihre Brust und bat sie, ihm ein wenig die Locken zu kraulen. Als die Braut das tat, erkannte sie den Räuber, den sie lange zuvor verwundet hatte. Dieser sprach nun: „Ich habe dich entführt, um den Tod meiner Brüder zu rächen.“
Am Haus des Räubers angekommen, zerrte er die Magd in die Diele, wo ein großer Holzblock stand, vor dem ein scharfes Beil blinkte. Da wusste die Braut, welches Schicksal ihr gedacht war. Da griff sie zu einer List und bat, das kostbare Brautkleid vorher ablegen zu dürfen. Der Räuber war einsichtig und wollte ihr dabei behilflich sein. Als er vor ihr in die Knie ging, griff sie geschwind das Beil und schlug so zu, dass er tot zu Boden fiel.
Nun sprang die Magd auf die Kutsche und trieb die Pferde gen Wildenloh zurück. Vor dem Bauernhaus stand ihr Dienstherr, dem sie nun zurief: „Hallo, hallo, hallo! De Magd van’n Wildenloh hätt nu den säwten noch darto! Hoho, hoho, hoho!“
Ick slah de Eier in de Pann
In alter Zeit hatte der Oldenburger Graf sieben Ritter in Edewecht angesetzt, die das Ammerland gegen Angriffe des Bischofs von Münster schützen sollten.
Eines Tages war der Junker zu Jeddeloh mit seinen beiden Knappen nach Edewecht zur Kirche geritten und seine Frau war allein auf dem Hof geblieben. Plötzlich erschienen die Münsterländischen und umstellten das Haus. Die Frau erschrak, hieß die Eindringlinge aber freundlich willkommen und bot ihnen zu Essen an. Während es sich die ungebetenen Gäste schmecken ließen, schaffte die Frau die Gewehre der Münsterschen unauffällig beiseite und eilte in Windeseile nach Edewecht. Dort meldete sie den in der Kirche versammelten Junkern und Knappen, was sich zugetragen hatte. Diese schwangen sich auf ihre Pferde, ritten nach Jeddeloh und umzingelten den Hof. Die Münsterschen, die ihre Waffen nicht finden konnten, wurden im Handgemenge niedergemacht. Nur ein Knabe konnte entkommen und versteckte sich in der Vehne, wo ihn einer der Knappen entdeckte. In seiner Angst flehte der Junge, der Knappe möge ihm doch das Leben lassen, er wolle nie wieder einen Raubzug ins Ammerland machen.
Der Knappe aber war hartherzig und sagte bei sich
„Ick slah de Eier in de Pann, dann kamt da kiene Küken van“
und schlug auch den Jungen tot.
Zu dem Überfall der „Münsterschen“ schrieb Heinrich Seidel 1889 auch die Ballade „Brun Jeddeloh“.
Jümmer een Been vör‘t anner setten
Am Fußweg von Edewecht nach Osterscheps liegt eine Stelle, die heißt „De Schatt“, weil dort ein Schatz vergraben sein soll.
Einstmals wollten zwei Männer diesen Schatz heben und fingen an zu graben. Sie wussten, dass das Werk nur gelingen könne, wenn kein Wort gesprochen würde und gingen schweigend ans Werk. Als sie etwas Hartes unter den Spaten spürten, nahte ein sonderbares Gefährt. Vor einem Wagen ging ein Pferd mit einem Reiter, vor diesem war ein Hahn eingespannt. Der Reiter war ebenso viel auf der Erde wie auf dem Pferde. Er sprang auf und setzte dem Pferd den rechten Vorderfuß vor, saß wieder auf, und das Pferd zog den linken Hinterfuß nach. Dann saß der Reiter ab und setzte dem Pferd den linken Vorderlauf vor, und das Pferd zog den rechten Hinterfuß nach. So ging es fort, und man kann sich denken, dass es nicht rasch ging. Darum rief auch der eine der Schatzgräber: „Du dumme Kärl, wenn du doch dat Pärd een Been vör‘t anner setten musst, dann schustu ok man leever glieks unnen bliwen!“
Da verschwand die Erscheinung, aber auch der Schatz war verschwunden, und alles Graben half nichts mehr.
Vom Pastorengrab
Im Portsloger Busch ist eine Stelle als „Pastorengrab“ bekannt. Der Sage nach gab es vor einigen Jahrhunderten in Edewecht einen Pfarrer namens Greverus. Dieser war dem Trunk ergeben und frönte während der Sonntagsruhe der Jagd. Nach seinem Tode wurde er auf dem Edewechter Friedhof beigesetzt, kam aber wegen seiner Verfehlungen nicht zur Ruhe. In der Mitternachtsstunde begann er wieder zu gehen, es spukte auf dem Kirchhof. Darauf wurde die Leiche des Pastors exhumiert und weitab entfernt in Portsloge beim „Bremer Stehrt“ im sogenannten „Pastorengrab“ beigesetzt. Um das Wiedergehen des Pastors zu verhindern, wurde er in einer Steinkammer beigesetzt, auf die ein großer Stein gesetzt wurde. Trotzdem spukte es weiterhin an dieser Stelle. In jeder Nacht muss nun der Pastor auf der benachbarten Weide die Grashalme zählen. Ist ihm das ein Jahr über gelungen, rückt er in der Neujahrsnacht einen Hahnentritt näher an die Nikolaikirche heran. Hat er diese erreicht, ist er erlöst.
Weiterhin geht die Sage, dass man von der Weide, auf der das Pastorengrab liegt, nach Sonnenuntergang kein Fuder Heu mehr herunterbekommt, weil die Pferde scheu werden und nicht mehr ziehen wollen.
Zahlreiche Steinfunde und Geländemodellierungen lassen vermuten, dass es sich bei dem „Pastorengrab“ in Portsloge um ein zerstörtes Großsteingrab handeln könnte.[8] Bei dem Pastoren dürfte es sich entweder um den 1636–1676 tätigen Pfarrer Magister Gerhard Greverus oder um Pfarrer Herrmann Greverus (1676–1727) handeln.
Von der Edewechter Kirchenmühle
1456 kam es zwischen den Edewechter Kirchengeschworenen und den Oldenburger Grafenbrüdern Moritz und Gerd zu einem originellen Kaufvertrag. Die Grafenbrüder verkauften den Edewechtern für zwei Tonnen Hering jährlich „den windt, de in de lucht (= Luft) weyet, to ener windmolen to buwende ( = bauen)“. Falls die Mühle einem Feuer zum Opfer fallen sollte, durfte sie wieder aufgerichtet werden, auf dass die Edewechter den Wind auf ewige Zeiten behalten sollten. Das war die Geburtsstunde der Edewechter Kirchen-Bockmühle, die zu den ersten Bannmühlen des Ammerlands zählte. Ihr Standort befand sich zwischen Edewecht und Scheps [heute Straße „Am Möhlenbült“ (= Mühlenhügel) in der Siedlung Evenkamp]. Der Weg zur Mühle wurde „Wehwaters Weg“ genannt, was folgendermaßen zu deuten ist: Da die Uferwiesen der angrenzenden Aue und Vehne häufig unter Wasser standen, sollen die benachbarten Münsterländer den Ausspruch getan haben: „Oh, wat hebbt de Aerwachter doch veel Wehwater ( = Weihwasser)“. Bis heute ziert diese Bockwindmühle das Wappen der Gemeinde Edewecht.
Vom Edewechter Zehnten
Als Wiefelstede noch die einzige Kirche im Ammerland war, waren auch Osterschepser dorthin zehntpflichtig. Sie mussten einen sogenannten Zugzehnten und eine Lieferung Aale leisten, welcher der Prediger aus Wiefelstede in Osterscheps abholen ließ. Das verdross aber die Osterschepser sehr und so überfielen sie eines Tages den voll beladenen Wagen des Predigers am Hemeler-Weg und verbrannten alles darauf. Darauf kam es zu Unterhandlungen mit den Wiefelstedern und die Osterschepser mussten nun versprechen, Roggen und Aale an eine bestimmte Stelle in Wiefelstede zu bringen, wo der Prediger den Zehnten entgegennehmen sollte. Kam dieser nicht rechtzeitig, durften die Osterschepser ihre Abgaben in eine dort befindliche Grube werfen und umkehren. Das Loch, in das der Roggen geworfen wurde, heißt darum heute noch Roggenkuhle.
Außer Roggen und Aalen war auch ein Schwein abzuliefern. Als eines Tages der Prediger zu spät kam, fand er in der Roggenkuhle zwar das Schwein vor, aber dieses hatte sich am Roggen totgefressen. Darauf durften die Schepser dann ihren Zehnten bei einem Gristeder Bauern abgeben, der die Schepser bewirten und ihren Pferden Futter geben musste.
Sonstiges
- Ein überlieferter Aberglaube aus Edewecht nennt als Mittel gegen Gicht und Rheumatismus eine Mischung aus 13 Regenwürmern in Branntwein, die als Ganzes hinunterzuschlucken sind.[49]
- Ein auch in Berliner Zeitungen vermerktes Kuriosum war, dass in den 1930er Jahren unter den etwa 100 Schülern der Volksschule Jeddeloh I zeitgleich acht Zwillingspaare die Schulbänke drückten.[50]
- Im Jahre 1934 waren neben anderen ammerländer Motiven der Bahnhof und die Kleinbahn von Edewecht Schauplätze der volkstümlichen Kino-Komödie „Krach um Jolanthe“ nach Vorlage des Bühnenstück „De Swienskummödi“ von August Hinrichs (Regie: Carl Froelich, Schauspieler u. a. Marianne Hoppe, Albert Lieven, Carsta Löck, Fritz Hoopts, Jaspar von Oertzen).
- 1955 waren die damalige „Entenfarm Bölts“ in Westerscheps (heute: Fa. Wichmann Enten) und andere Orte der Gemeinde Drehorte des Kinofilms „Uns gefällt die Welt“ (Regisseur: R.A. Stemmle; mitwirkende Schauspieler u. a. Topsy Küppers, Kurt Heintel, Peer Schmidt, Inge Meysel u. v. a.).
Literatur
- Albrecht Eckhard: Klein Scharrel 1794–1994: Geschichte einer Ammerländer Bauerschaft in der Gemeinde Edewecht. Isensee, Oldenburg 1994, ISBN 3-89442-211-4
- Albrecht Eckhardt (Hrsg.): Geschichte der Gemeinde Edewecht im Ammerland. Isensee, Oldenburg 2005, ISBN 3-89995-226-X
- Helmut Harms: Vom „Heil“ zum Unheil. Das Ammerland 1945/46. Plois, Westerstede 1995, ISBN 3-9802558-2-4
- Hartmut Kahlen: Unser Portsloge – Dorfleben im Ammerland. Eigenverlag, 2003
- Heinrich Kruse, Klaus Kruse: Dorfchronik Jeddeloh I 800 Jahre. Eigenverlag, 1990. (Download)
- Thomas Kossendey, Gerd von Seggern (Hrsg.): Aus braunem Moor wird grünes Land – Kleefeld: ein Dorfbuch. Littmanndruck, Oldenburg 1982
- Herrmann Lübbing: Oldenburgische Sagen. 2. Auflage. Heinz Holzberg, Oldenburg 1968, ISBN 3-87358-017-9
- Ortsverein Süddorf (Hrsg.): Chronik der Bauerschaft Süddorf – Eine Chronik zum 100-jährigen Bestehen. Eigenverlag Süddorf 2020
- Fritz Warnke: Der Brückenkopf Edewechterdamm. Die Kämpfe im Raum Edewecht, April 1945. Eigenverlag, Edewecht 2000
- Günter Wegmann: Das Kriegsende zwischen Weser und Ems 1945. Bültmann & Gerriets, Oldenburg 2000, ISBN 3-928076-13-2
- Friedrich Winkler: Chronik der Gemeinde Edewecht. Eigenverlag, Edewecht 1974. (1. Nachdruck 1985)
- Friedrich Winkler: Die Gemeinde Edewecht in alten Bildern. Plois, Westerstede 1982, ISBN 3-9802558-0-8
- Dieter Zoller: Beiträge zur archäologischen Landesaufnahme für den Landkreis Ammerland Gemeinde Edewecht III. In: Oldenburger Jahrbuch 80 (Hrsg.: Oldenburger Landesverein für Geschichte, Natur- und Heimatkunde e. V.). 271–300. Prull Druck, Oldenburg 1980, ISSN 0340-4447
Weblinks
Einzelnachweise
- Landesamt für Statistik Niedersachsen, LSN-Online Regionaldatenbank, Tabelle A100001G: Fortschreibung des Bevölkerungsstandes, Stand 31. Dezember 2020 (Hilfe dazu).
- Homepage Ammerländer Wasseracht
- Homepage Fischeiverein Edewecht
- Homepage Fischeiverein Scheps e. V. von 1931
- Homepage Landkreis Ammerland
- Homepage DWD Friesoythe-Altenoythe
- Ortsverein Süddorf (Hrsg.) (2020): Chronik der Bauerschaft Süddorf - Eine Chronik zum 100-jährigen Bestehen.
- Dieter Zoller: Beiträge zur archäologischen Landesaufnahme für den Landkreis Ammerland Gemeinde Edewecht III.
- Hartmut Kahlen und Chronikteam Portsloge (2003): Unser Portsloge. Dorfleben im Ammerland. Bildchronik.
- Ortsverein Süddorf (Hrsg.) (2020): Chronik der Bauerschaft Süddorf - Eine Chronik zum 100-jährigen Bestehen.
- Ortsverein Süddorf (Hrsg.) (2020): Chronik der Bauerschaft Süddorf - Eine Chronik zum 100-jährigen Bestehen.
- Christoph Müller (2000): Die Kirchengemeinde Edewecht in der Zeit des Nationalsozialismus. Oldenburger Jahrbuch 100: 161 – 176
- Karl Ludwig Sommer: Edewecht vom Ende des Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. In: Albrecht Eckardt (Hrsg.): Geschichte der Gemeinde Edewecht im Ammerland. S. 310 f. Isensee, Oldenburg 2005, ISBN 3-89995-226-X
- FRAGMENTE aus der Geschichte der KIRCHENGEMEINDE EDEWECHT. (PDF) In: Achim Neubauer. Ev.-Luth. Kirchengemeinde Edewecht, abgerufen am 28. Juni 2019.
- Kriegsgräberfriedhof Edewecht, abgerufen am 19. August 2015
- Homepage 5th US Army Artillery Group
- Chronik des Flugabwehrraketenbataillon 24
- Atomwaffen für die Luftwaffe in Niedersachsen
- Winkler, S. 336
- Winkler, S. 286
- Einwohnerentwicklung Edewecht (Memento vom 10. Oktober 2007 im Internet Archive)
- Winkler, S. 335
- Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) in der Fassung vom 17. Dezember 2010; § 46 – Zahl der Abgeordneten, abgerufen am 6. Januar 2017
- Gesamtergebnis Gemeindewahl 2016 11.09.2016, abgerufen am 6. Januar 2017
- Hauptsatzung der Gemeinde Edewecht
- http://www.jeddeloh2.de/html/breddin.html
- Homepage Speelkoppel Friedrichsfehn
- Homepage Edewechter Kunstfreunde (Memento vom 27. Februar 2014 im Internet Archive)
- Niedersächsische Mühlenstraße: Kokermühle Edewecht
- Homepage Edewechter Reit- und Fahrverein e.V.
- Homepage Schiffsmodellclub Bad Zwischenahn-Edewecht e. V.
- Homepage des TC Edewecht
- Homepage Boßelerverein "Frei weg" Portsloge e. V. gegr. 1919
- Homepage Vergnögde Goodheit
- Homepage des Vereins "De Afrümers"
- Homepage Trecker Treck Edewecht e. V. (Memento vom 19. Mai 2014 im Internet Archive)
- Homepage Veranstaltungsforum Edewecht e. V.
- Homepage Meica
- Standorte. (Nicht mehr online verfügbar.) DMK Deutsches Milchkontor GmbH, archiviert vom Original am 29. November 2014 .
- Homepage Dt. Milchkontor Edewecht (Memento vom 23. Februar 2014 im Internet Archive)
- Homepage Abrahams (Memento vom 7. Juni 2008 im Internet Archive)
- Homepage Bley
- Homepage Haskamp
- Homepage Backhus Eggersmann Group
- Bürgerbus Edewecht (Fahrplan)
- Ammerland-Route
- Historische Brand Werft
- Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogthum Oldenburg 1–2. Stalling, Oldenburg 1867, Abschnitt 111
- Abbildung dazu in: Friedrich Winkler: Die Gemeinde Edewecht in alten Bildern. Plois, Westerstede 1992, ISBN 3-9802558-0-8