Wichmann Enten
Die Wichmann Enten GmbH mit Hauptsitz in Wachenroth, Ortsteil Warmersdorf, bei Erlangen in Bayern ist einer der größten Mastbetriebe für Enten in Europa.
Struktur
Das Unternehmen Wichmann hält die gesamte Wertschöpfungskette der Entenmast und der anschließenden Verarbeitung zu Geflügelfleisch in eigenen Händen und zwar komplett in Deutschland. Das Unternehmen ist zertifiziert nach den Systemen IFS (International Food Standard) und DIN EN ISO 9001:2000. In Wachenroth beschäftigt das Unternehmen 70 Mitarbeiter. Die von einem Tochterunternehmen durchgeführte Mastküken-Brüterei ist im niedersächsischen Ermke (Ortsteil von Molbergen bei Cloppenburg) angesiedelt. Rund um die Brüterei liegen mehrere Elterntierfarmen. Nach Schutzimpfung kommen die geschlüpften Tiere als Eintages-Küken zur Mästung nach Wachenroth oder ins niedersächsische Westerscheps (Ortsteil von Edewecht). In Wachenroth werden die Enten in insgesamt 15 Ställen gemästet. In der firmeneigenen Schlachterei, ebenfalls in Wachenroth, werden die Tiere bei einem erreichten Gewicht von etwa drei Kilogramm auch geschlachtet. Anschließend kommen sie ggf. zur Weiterverarbeitung in die eigene Braterei, dann in die ebenfalls firmeneigene Tiefgefrieranlage (beide in Wachenroth). Die Produktpalette des Unternehmens umfasst ganze Enten, Ententeile, sowie diverse tiefgefrorene Fertigprodukte. Abnehmer sind sowohl die Gastronomie als auch diverse Supermarktketten. Teile des Sortiments sind mit dem deutschen staatlichen Bio-Siegel („Künast-Siegel“) als den Kriterien der EG-Öko-Verordnung entsprechend gekennzeichnet. Die Veterinär-Kontrollnummer der Wachenrother Unternehmen ist ESG 60.
Geschichte
Bereits seit 1934 ist die Familie Wichmann als Geflügelmäster tätig. 1967 wurde in Wachenroth eine Geflügelzuchtanlage errichtet. Zwischen 1986 und 1993 geriet das Unternehmen, damals noch geführt von Günther Wichmann, in die Kritik von Tierschutz- und Umweltorganisationen: Sie warfen Wichmann unter anderem Schwarzbauten, tonnenweise Ablagerung von Schlachtabfällen im Wald, Gewässerverschmutzung durch ungeeignete Kläranlagen, Überschreitungen der genehmigten Tierplatzzahlen, später quälerische Tiertransporte, Verstöße gegen das Arbeitsrecht, tätliche Angriffe auf Journalisten, Naturschützer und betroffene Bürger vor.[1][2] 1998 starben zwei Mitarbeiter der Geflügelschlachterei an der Papageienkrankheit.
Ende der 1990er Jahre geriet das Unternehmen Wichmann in wirtschaftliche Schwierigkeiten, meldete 1998 Insolvenz an, lebte kurzzeitig unter der Firmierung «Gepro Geflügel-Produktions-Gesellschaft mbH» wieder auf. Das Landgericht Nürnberg bestätigte 2001, dass der Bund Naturschutz in Bayern (BN) die Gepro eine «tierquälerische Massentierhaltung» nennen durfte.[1]
Heute führen die Söhne Horst Wichmann (Geschäftsleiter der Betriebe in Bayern) und Dieter Wichmann (Geschäftsleiter der Betriebe in Westerscheps und Ermke), sowie die Tochter Annette Wichmann (Geschäftsleiterin der Bereiche Verkauf und Marketing) das Nachfolgeunternehmen unter dem Namen «Wichmann Enten GmbH». Der Standort Westerscheps wurde Anfang 2005 von der im April 2004 in Insolvenz geratenen Stolle-Gruppe (Georg Stolle GmbH, Marke «Bölts») übernommen.
Vogelgrippe-Ausbruch 2007
Am 24. August 2007 wurde im Zuge turnusmäßiger Untersuchungen an fünf aus der unternehmenseigenen Brüterei in Niedersachsen stammenden Küken in einem Wachenrother Maststall des Unternehmens eine Infektion mit dem H5-Virus entdeckt. Bei weiteren Untersuchungen wurden nun auch bei Tieren aus zwei anderen Wachenrother Ställen des Unternehmens das Virus nachgewiesen. Kurz darauf verendeten auf dem Betrieb 400 etwa vier Wochen alte Tiere in einem mit insgesamt 44.000 Küken besetzten Stall. Laut dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz handelte es sich dabei um den „bislang mit Abstand gravierendsten Fall in Deutschland“[3]
Am 25. und 26. August 2007 wurden in Reaktion darauf, nach Anordnung durch das Landratsamt Erlangen, sämtliche 166.000 in Wachenroth aufgestallte Enten und Jungtiere des Unternehmens in mobilen Keulungsanlagen des Freistaates Bayern getötet (die Küken durch Vergasung mit Kohlendioxid, die Frühmastenten durch einen Stromstoß im Wasserbad), die bis dahin größte Keulungsaktionen in Deutschland.
Das nach Entdeckung der Vogelgrippe-Infektion eingeschaltete Friedrich-Loeffler-Institut bestätigte kurz darauf die hochansteckende Variante des Virus (Influenza A/H5N1). Die Quelle der Infektion ist bisher ungeklärt. In der Brüterei und drei weiteren in Niedersachsen untersuchten Ställen wurden keine Auffälligkeiten entdeckt. Seit im März 2006 im Landkreis Erlangen-Höchstadt mehrere Wildvögel an der Vogelgrippe verendet waren und die Gegend zum «Risikogebiet» erklärt wurde, wurde an der Zufahrt zu dem Betrieb in Wachenroth eine Hygieneschleuse eingerichtet, später auch ein freiwilliger Sperrbezirk um ihn herum. Amtstierärzte hatten dem Unternehmen daher vor Ausbruch der Vogelgrippe «vorbildliche Hygiene» attestiert. Durch vorsorgliche Vergrämungsmaßnahmen gibt es seither in der unmittelbaren Umgebung auch kein freilebendes Wassergeflügel mehr.
Zugleich mit der Keulung wurde auch der Verkauf sämtlicher nach dem 31. Juli eingelagerten Produkte des Unternehmens aus Wachenroth untersagt, die danach ausgelieferten Enten vom Unternehmen zurückgerufen. Die Gemeinden Wachenroth, Lonnerstadt und Vestenbergsgreuth im Landkreis Erlangen-Höchstadt wurden vom Landratsamt zum Sperrgebiet erklärt. Im Umkreis von 13 Kilometern um den Geflügelhof Wichmann gilt ein Transportverbot für Geflügel.
Nachdem eine H5-Virusvariante auch auf zwei Entenmasthöfen in Trumling bei Nittenau und Hofing bei Bruck in der Oberpfalz (beide im Landkreis Schwandorf, Bayern, etwa 150 km von Wachenroth entfernt gelegen) entdeckt wurde (ein definitiv positiver Befund für die hochpathogene Variante ergab sich dort nicht, lediglich bei einer Probe konnte das Vorhandensein des H5N1-Virus nicht ausgeschlossen werden, auch das Krankheitsbild war dort bislang nicht aufgetreten)[4], wurde am 8. September 2007 eine noch größere Keulungsaktion eingeleitet, die unter Zuhilfenahme zweier zusätzlicher mobiler Keulungsanlagen aus Niedersachsen nochmals rund 205.000 Enten umfasste (28.000 Tiere im kleineren Betrieb, 177.000 im größeren). Die betroffenen Betriebe sind Tochterunternehmen der Wichmann Enten GmbH. In rund 20 weiteren überprüften Betrieben, die Kontakt mit Betrieben der Wichmann-Gruppe hatten, wurde kein Virus nachgewiesen.[5]
Wenige Tage später wurden erneut rund 41.000 Enten eines Mastbetriebs im niederbayerischen Dietersburg im Landkreis Rottal-Inn getötet, da in dem Bestand eine niedrigpathogene H5-Virenvariante nachgewiesen wurde. In einem weiteren Mastbetrieb im niederbayerischen Simbach, Landkreis Dingolfing-Landau, wurden am 14. September nochmals niedrigpathogene H5-Grippeviren nachgewiesen, die nach Auffassung von Experten aber schnell zu hochpathogenen Erregern mutieren könnten, daher wurden vorsichtshalber auch dort alle rund 26.000 Tiere getötet. Beide Mastbetriebe gehörten nicht zur Wichmann-Gruppe, waren aber in Kontakt zum Wichmann-Mastbetrieb in Wachenroth gestanden und daher beprobt worden.[6]
Einzelnachweise
- Pressemitteilung der BN-Landesfachgeschäftsstelle (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive), Nr. 11707, vom 27. August 2007
- Tierschutzorganisation «Vier Pfoten» (Memento vom 29. September 2007 im Internet Archive), Pressemitteilung vom 10. September 2007
- zitiert nach: Süddeutsche Zeitung (Memento vom 28. August 2007 im Internet Archive), 26. August 2007
- Presseerklärung vom 7. September 2007 (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive)
- Netzeitung (Memento vom 21. Mai 2007 im Internet Archive), 10. September 2007
- Passauer Neue Presse (Memento vom 26. September 2007 im Internet Archive)
Weblinks
- Website der Wichmann Enten GmbH
- Bild eines der Mastställe in der Oberpfalz
- Die vermeidbaren Qualen der Ente (PDF; 54 kB) – SWR Report Mainz – 3. Juli 2012