Dewindtit
Dewindtit ist ein seltenes Mineral aus der Mineralklasse der Phosphate, Arsenate und Vanadate. Es kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem mit der chemischen Zusammensetzung Pb3[(UO2)3|O|OH|(PO4)2]2·12H2O[1] und ist damit chemisch gesehen ein wasserhaltiges Blei-Uranyl-Phosphat mit zusätzlichen Sauerstoff- und Hydroxidionen.
Dewindtit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
Andere Namen |
Stasit |
Chemische Formel | Pb3[(UO2)3|O|OH|(PO4)2]2·12H2O[1] |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Phosphate, Arsenate und Vanadate |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
8.EC.10 (8. Auflage: 7/E.07) 42.09.08.01 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | orthorhombisch |
Kristallklasse; Symbol | orthorhombisch-dipyramidal, 2/m 2/m 2/m |
Raumgruppe | Bmmb (Nr. 63, Stellung 6) |
Gitterparameter | a = 16,03 Å; b = 17,62 Å; c = 14,61 Å[1] |
Formeleinheiten | Z = 4[1] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 2,75[2] |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 5,03; berechnet: 5,12 |
Spaltbarkeit | Vollkommen an {100} |
Bruch; Tenazität | spröde |
Farbe | kanariengelb, teilweise mit grünstich |
Strichfarbe | helles gelb |
Transparenz | halbtransparent |
Glanz | Harz- bzw. Wachsglanz[3] |
Radioaktivität | vorhanden |
Kristalloptik | |
Brechungsindizes | nα = 1,760 bis 1,762 nβ = 1,767 bis 1,768 nγ = 1,768 bis 1,770[4] |
Optischer Charakter | zweiachsig positiv |
Achsenwinkel | 2V = moderat bis groß[4], 30°[2] |
Pleochroismus | X = farblos, Y = Z = goldgelb[4] |
Weitere Eigenschaften | |
Chemisches Verhalten | löslich in Säuren |
Besondere Merkmale | grüne Fluoreszenz |
Dewindtit bildet tafelige Kristalle entlang [100] mit einer Größe von bis zu 3 mm. Die Kristalle sind feinkörnig bis massiv. Dewindtit hat eine gelbe Farbe. Aufgrund seines Pleochroismus reicht die Farbe je nach Blickrichtung von farblos bis kanariengelb. Das Mineral ist durchscheinend und zeigt auf den Oberflächen einen harz- bis wachsähnlichen Glanz auf.
Etymologie und Geschichte
Das Mineral wurde 1922 von Alfred Schoep in einer Probe aus Katanga, Demokratische Republik Kongo entdeckt und nach dem belgischen Geologen Dr. Jean Dewindt benannt, der im Tanganjikasee (Kongo) ertrunken war.[3] Schoep entdeckte 1923, dass das Mineral identisch mit Stasit ist. Der Status von Dewindtit war lange Zeit sehr unklar. Es wurde auf Grundlage von Untersuchungen mit Röntgenstrahlen vermutet, dass Mineral wäre eine Mischung aus Renardit und Phosphuranylit. Zudem war auch die chemische Zusammensetzung nicht ganz klar, so wurden als chemische Formeln z. B. auch Pb2(UO2)4(PO4)3(OH)3·7H2O angegeben, basierend auf einer Analyse mit Röntgenstrahlen von Hogarth und Nuffield aus dem Jahr 1954.[5]
Die oben angegebene Formel wurde 1990 von Paul Piret, Jacqueline Piret-Meunier und Michel Deliens nach neueren Analysen mithilfe der Röntgendiffraktometrie neu definiert und entspricht, wenn auch in etwas anderer Schreibweise (H2Pb3(UO2)6O4(PO4)4·12H2O) der aktuell (2015) von der International Mineralogical Association (IMA) verwendeten Formel.[6]
Das Typmaterial wird im Königlichen Museum für Zentral-Afrika in Tervuren, Belgien (Katalog-Nr. RGM6433) und im Naturkundemuseum Paris (Katalog-Nr. 122.106) aufbewahrt.[4]
Klassifikation
Bereits in der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Dewindtit zur Mineralklasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort zur Abteilung der „Uranylphosphate/Arsenate und Uranylvanadate“, wo er zusammen mit Althupit, Arsenovanmeersscheit, Arsenuranylit, Bergenit, Dumontit, Françoisit-(Ce), Françoisit-(Nd), Hügelit, Kamitugait, Kivuit, Metavanmeersscheit, Mundit, Phosphuranylit, Phuralumit, Phurcalit, Vanmeersscheit und Yingjiangit die unbenannte Gruppe mit der Systemnummer VII/E.07 bildete.
Die seit 2001 gültige und von der IMA verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Dewindtit ebenfalls in die Abteilung der „Uranylphosphate und Arsenate“ ein. Diese ist jedoch weiter unterteilt nach dem Verhältnis von Uranyl zu Anionen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „UO2 : RO4 = 3 : 2“ zu finden ist, wo es mit Arsenuranylit, Phosphuranylit und Yingjiangit in der Phosphuranylit-Phurcalit-Gruppe mit der Systemnummer 8.EC.10 ist.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Dewindtit in die Klasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort in die Abteilung „Wasserhaltige Phosphate etc., mit Hydroxyl oder Halogen“ (Nr. 42) und dort in die Untergruppe „mit (A)3(XO4)2 Zq × x(H2O)“ ein. Hier ist er als einziges in der unbenannten Gruppe mit der Systemnummer 42.09.08 zu finden.
Chemismus
Dewindtit besteht theoretisch, das heißt in idealer Zusammensetzung aus 49,18 % Uran, 21,41 % Blei, 4,27 % Phosphor, 0,90 % Wasserstoff und 24,24 % Sauerstoff.[7]
Kristallstruktur
Dewindtit kristallisiert orthorhombisch in der Raumgruppe Bmmb (Raumgruppen-Nr. 63, Stellung 6) mit den Gitterparametern a = 16,03 Å, b = 17,62 Å und c = 14,61 Å und vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]
Eigenschaften
Physikalische Eigenschaften
Durch seinen Urangehalt von bis zu 49,18 %[7] ist das Mineral sehr stark radioaktiv. Unter Berücksichtigung der natürlichen Zerfallsreihen bzw. vorhandener Zerfallsprodukte wird die spezifische Aktivität mit 88,04 kBq/g[7] angegeben (zum Vergleich: natürliches Kalium 0,0312 kBq/g). Der zitierte Wert kann je nach Mineralgehalt und Zusammensetzung der Stufen deutlich abweichen, auch sind selektive An- oder Abreicherungen der radioaktiven Zerfallsprodukte möglich und ändern die Aktivität.
Unter kurz- und langwelligem UV-Licht zeigt Dewindtit eine grüne Fluoreszenz.[4]
Bildung und Fundorte
Dewindtit bildet sich als Sekundärmineral in der Oxidationszone von Uraninit oder anderen uranhaltigen Mineralien. Es bildet Vergemeinschaftungen mit Torbernit, Parsonsit, Dumontit, Uraninit, Bergenit, Autunit, bariumhaltigem Uranophan, Uranosphärit und Wölsendorfit.[4]
Von Dewindtit sind 88 Fundorte bekannt (Stand: 2015).[3]
Die Typlokalität von Dewindtit liegt in der Demokratischen Republik Kongo. Neben der Typlokalität ist es noch aus der Swambo Mine im Kongo bekannt.
In Deutschland sind neun Fundorte bekannt. In Baden-Württemberg im Schwarzwald gibt es eine Fundstelle bei Menzenschwand. In Bayern sind drei Fundorte bekannt: einmal im Fichtelgebirge, ein zweiter in Wösendorf und ein dritter in Zandt. Auch in Rheinland-Pfalz gibt es eine Fundstelle beim Ort Ellweiler im Landkreis Birkenfeld. In Sachsen gibt es einen Fundort im Erzgebirge bei Schneeberg und zwei Fundorte im Vogtland. Ein letzter deutscher Fundort befindet sich in Thüringen bei Wurzbach.[3]
In der Schweiz finden sich im Kanton Wallis zwei Fundorte: Einmal bei Finhaut und einmal bei Les Marécottes.[3]
Erstaunlich viele Fundorte gibt es in Frankreich, welches 30 Fundorte aufzeigen kann. Sie liegen in den Regionen Auvergne-Rhône-Alpes, Bretagne, Bourgogne-Franche-Comté, Okzitanien, Nouvelle-Aquitaine, Pays de la Loire und Provence-Alpes-Côte d’Azur.[3]
Die weiteren Fundorte liegen in Argentinien, Australien, Gabun, Italien, Kanada, Kolumbien, Madagaskar, Portugal, Slowenien, Tadschikistan, Tschechien, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika.[3]
Vorsichtsmaßnahmen
Aufgrund der Toxizität und der starken Radioaktivität des Minerals sollten Mineralproben vom Dewindtit nur in staub- und strahlungsdichten Behältern, vor allem aber niemals in Wohn-, Schlaf- und Arbeitsräumen aufbewahrt werden. Ebenso sollte eine Aufnahme in den Körper (Inkorporation, Ingestion) auf jeden Fall verhindert und zur Sicherheit direkter Körperkontakt vermieden sowie beim Umgang mit dem Mineral Atemschutzmaske und Handschuhe getragen werden.
Siehe auch
Literatur
- C. Palache, H. Berman, C. Frondel: Dana’s system of mineralogy. 7. Auflage. Band 2, 1951, S. 875, 928.
- Clifford Frondel: Systematic Mineralogy of Uranium and Thorium In: U.S. Geological Survey Bulletin, 1958 (PDF).
- D. D. Hogarth, E. W. Nuffielt: Studies of radioactive compounds: VII – Phosphuranylite and dewindtite. In: American Mineralogist, Vol. 39, 1954, S. 444–447 (PDF).
- Paul Piret, Jacqueline Piret-Meunier, Michel Deliens: Composition chimique et structure cristalline de la dewindtite Pb3[H(UO2)3O2(PO4)2]2·12H2O. In: European Journal of Mineralogy, Band 2, 1990, S. 399–405 doi:10.1127/ejm/2/3/0399 (Französisch mit englischer Kurzbeschreibung).
Weblinks
Einzelnachweise
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 528.
- Mineralienatlas:Dewindtit.
- Mindat – Dewindtit.
- Dewindtite, In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America, 2001 (PDF 59,7 kB).
- Clifford Frondel: Systematic Mineralogy of Uranium and Thorium In: U.S. Geological Survey Bulletin, 1958 (PDF).
- IMA/CNMNC List of Minerals Dezember 2014 (englisch, PDF).
- Webmineral – Dewindtit