Ostroh

Ostroh (ukrainisch Острог; russisch Острог Ostrog, polnisch Ostróg) i​st eine ukrainische Stadt i​n der Oblast Riwne m​it etwas m​ehr als 14.000 Einwohnern.

Ostroh
Острог
Ostroh (Ukraine)
Ostroh
Basisdaten
Oblast:Oblast Riwne
Rajon:Kreisfreie Stadt
Höhe:195 m
Fläche:10,89 km²
Einwohner:14.325 (2004)
Bevölkerungsdichte: 1.315 Einwohner je km²
Postleitzahlen:35807
Vorwahl:+380 3654
Geographische Lage:50° 20′ N, 26° 32′ O
KOATUU: 5610900000
Verwaltungsgliederung: 1 Stadt
Bürgermeister: Taras Pustowit
Adresse: вул. Ревкомівська 4
35800 м. Острог
Website: http://www.ostroh.rv.ua
Statistische Informationen
Ostroh (Oblast Riwne)
Ostroh
i1

Geographische Lage

Ostroh liegt südlich der Bezirkshauptstadt Riwne kurz vor der Grenze zur Oblast Chmelnyzkyj an der Fernstraße M 21 sowie am Zusammenfluss der Wilija mit dem Horyn. Die nächstgrößeren Städte sind Riwne und Schepetiwka.

Blick auf die Stadt vom Fluss Horyn aus

Geschichte

Der Ort w​urde 1100 z​um ersten Mal v​om Kiewer Chronisten Nestor a​ls „Stadt m​it Burg“ schriftlich erwähnt, existierte a​ber schon l​ange vorher. Im 13. Jahrhundert w​urde die Siedlung v​on den Mongolen gebrandschatzt. Im 14. Jahrhundert w​urde die Region z​um Zankapfel zwischen Polen u​nd Litauen. 1386 f​iel die Stadt a​n Litauen. Seit d​em 15. Jahrhundert existierte h​ier eine bedeutende jüdische Gemeinde m​it eigener Talmudschule, s​o dass i​m 16. Jahrhundert e​ine gemauerte Renaissance-Synagoge erbaut wurde. 1577 gründete h​ier Iwan Fjodorow d​ie erste Druckerei, welche d​ie weltweit ersten Bücher i​n Kirchenslawisch produzierte, darunter d​ie Ostroger Bibel. 1579 stiftete h​ier Fürst Konstanty Wasyl Ostrogski e​ine griechisch-orthodoxe Akademie, weshalb d​ie Stadt z​u einem wichtigen Bildungs- u​nd Kulturzentrum w​urde und d​en Beinamen „Ostroher Athen“. Es existierten h​ier damals n​eun orthodoxe Kirchen. 1585 b​ekam Ostroh Stadtrechte verliehen. Im 17. Jahrhundert existierte h​ier auch e​ine Schule d​er Arianer. 1624 stiftete Fürstin Anna Chodkiewiczowa e​in Jesuitenkolleg. In d​en Jahren 1609 b​is 1753 w​ar Ostroh d​as Zentrum e​iner großen Ordination, w​as die Entwicklung d​er Stadt beförderte.

In d​en 1640er Jahren w​urde die Stadt mehrfach v​on Kosaken u​nd Tataren überfallen. Die katholische Bevölkerung w​urde dabei f​ast vollständig ausgerottet u​nd die katholischen Einrichtungen zerstört. Von diesen Zerstörungen h​atte sich d​ie Stadt wirtschaftlich n​ie vollständig erholt, obwohl d​ie Jesuitenschule f​ast zwei Jahrhunderte weiter betrieben wurde.

1793 f​iel Ostroh i​m Rahmen d​er zweiten Teilung Polens a​n Russland u​nd in d​en Jahren 1795 b​is 1825 w​ar es Sitz d​es Gouverneurs. 1796 wurden d​ie ehemalige Jesuitenschule i​n ein russisch-orthodoxes Seminar umgewandelt, d​as allerdings n​ach einem schweren Brand 1821 n​icht wieder aufgebaut w​urde und verfiel. 1897 w​urde an dieser Stelle d​as polnische Kreisgymnasium, e​in bis h​eute existierendes Gymnasium, erbaut. 1826 wurden h​ier einige Dekabristen exekutiert. Wirtschaftlich verfiel d​ie Stadt i​m 19. Jahrhundert zunehmend, d​a sie n​icht an d​as Eisenbahnnetz angeschlossen w​urde (die nächstgelegene Station namens Ostroh a​n der Bahnstrecke Kowel–Kosjatyn befindet s​ich 14 Kilometer nördlich).

Während des Polnisch-Sowjetischen Krieges 1918–1920 war die Stadt drei Mal umkämpft. Zwischen 1920 und 1939/45 war Ostroh unter dem polnischen Namen Ostróg Grenzstadt zwischen Polen und der Sowjetunion. Hier war eine große Garnison der polnischen Grenztruppen KOP angesiedelt. Während sich Polen seit 1. September im Krieg gegen das III. Reich befand, wurde die Stadt am 17. September 1939 von der Roten Armee besetzt, nachdem sich die polnischen Grenztruppen KOP zurückgezogen hatten. Im Dezember 1939 wurde Ostroh zum Verwaltungszentrum des Oblast Rowno. Im Sommer 1941 wurde Ostroh von der Wehrmacht besetzt, kurz nachdem der Krieg zwischen Deutschland und Sowjetunion ausbrach. Während des Zweiten Weltkrieges hatte die Stadt viele Einwohner verloren: Erst wurden viele Juden, die vor Kriegsbeginn noch 61 % der Bevölkerung stellten, nach Sibirien deportiert. Von den etwa 7000, die bleiben durften, wurden die etwa 6500 in den Jahren von 1941 bis 1944 von den Nazis und ihren lokalen Helfershelfern in vier „Aktionen“ exterminiert. Allein am 15. Oktober 1942 wurden 2000 Menschen erschossen[1], als das Ghetto aufgelöst wurde. Später wurde die Stadt zum Zufluchtsort der Polen, die hier Schutz vor ukrainischen Nationalisten suchten, bevor die Stadt am 5. Februar 1944 von der Roten Armee zurückerobert wurde. Ab 1945 gehörte Ostroh offiziell zur Sowjetunion und die hier lebenden Polen wurden überwiegend „repartiiert“. Seitdem befand sie sich in der Ukrainischen SSR, die 1991 sich für unabhängig erklärte. 1994 wurde das „Ostroher Höheres Kollegium“ (ukr. Острозький Вищий Колегіум) gegründet, welches 1996 den historischen Namen „Ostroger Akademie“ (ukr. Острозька академія) annahm und im Jahre 2000 zur nationalen Universität erklärt wurde. Juli 1995 wurde Ostroh der Status einer Stadt unter Rajonsverwaltung verliehen, seither ist sie nicht mehr administrativer Teil, jedoch weiterhin administratives Zentrum des gleichnamigen Rajons Ostroh[2].

Ostroh pflegt e​ine Städtepartnerschaft m​it der polnischen Stadt Sandomierz.

Personen mit Bezug zu Ostroh

  • Herassim Smotryzkyj († 1594), ukrainischer Schriftsteller, Dichter und Pädagoge
  • Iwan Fjodorow (1510–1583), Druckereipionier
  • Fürst Konstanty Wasyl Ostrogski (1526–1608), Magnat, Kulturförderer, Heerführer
  • Fürstin Elżbieta Ostrogska (1539–1582), die „Schwarze Dame“
  • Jan Latosz (1539–1608), Arzt und Astronom
  • Andrzej Rymsza (ukr. Андрій Римша) (ca. 1550 – nach 1595), polnisch-russischer Schriftsteller und Dichter
  • Hiob Knyahynytskyi (ca. 1550–1621), orthodoxer hl. Mönch
  • Iwan Wyschenskyj (um 1550 – nach 1620), ruthenischer Mönch und Gelehrter
  • Fürst Janusz Konstantynowicz Ostrogski (1554–1620), Magnat und Heerführer
  • Jesaja Horovitz (1565–1630), Talmudforscher und Kabbalist
  • Samuel Edels (1555–1631), Talmudforscher, Rektor der Rabbinerschule, auch als Maharscha bekannt.
  • Hiob (Iwan Borecki) († 1631), orthodoxer Metropolit von Kiew
  • Simon Pekalid (1567 – nach 1601), Hofdichter
  • Chrystofor Filalet Bronski (Mitte 16. Jh. – Mitte 17. Jh.), Schriftsteller und Philosoph
  • Meletij Smotryzkyj (1577–1633), Theologe und Philologe
  • Damian Naliwajko († 1627), orthodoxer Geistlicher, Schriftsteller und Pädagoge
  • Petro Konaschewytsch-Sahaidatschnyj (1570–1622), Kosakenführer
  • Semka Levkowitz (ukr.: Земка Тарасій Левкович) († 1632), orthodoxer Diakon, Pädagoge in Kiew
  • David ben Samuel ha-Levi (um 1586–1667), Begründer einer Talmudschule um 1641
  • Andreas Vengerscius (1600–1649), protestantischer geistlicher und Schriftsteller
  • Anna Chodkiewiczowa (1600–1654), Wohltäterin, letzte Fürstin Ostrogski
  • Fürstin Anna Jabłonowska (1728–1800), Politikerin, Publizistin und Wohltäterin
  • Jan Paweł Woronicz (1757–1829), polnischer Dichter, Politiker, Primas von Polen
  • Nikolai Iwanowitsch Kostomarow (1817–1885), ukrainisch-russischer Sozialaktivist, Dichter und Historiker
  • Pantelejmon Kulisch (1819–1897), ukrainischer Ethnologe, Historiker und Publizist
  • Stanisław Kardaszewicz (1826–1886), Jurist und Lokalhistoriker
  • Iwan Netschuj-Lewyzkyj (1838–1918), ukrainischer Schriftsteller, Lehrer, Übersetzer
  • Menachem Mendel Biber (1848–1923), jüdischer Lokalhistoriker
  • Kazimierz Kardaszewicz (1855–1945), Militärarzt, General in Polen und Russland
  • Mychajlo Kotsjubynskyj (ukr.: Михайло Михайлович Коцюбинський) (1864–1913), ukrainischer Schriftsteller
  • Ioannikij Malinowskij (1868–1932), ukrainisch-russischer Rechtshistoriker
  • Michailo Tutschmeskij (1872–1945), orthodoxer Kleriker, Pädagoge, Lokalaktivist
  • Jewhen Spektorskyj (1875–1951), ukrainischer Philosoph und Rechtswissenschaftler
  • Hilarion (Iwan) Ohienko (1882–1972), Publizist, Politiker, orthodoxer Kleriker, Kirchenhistoriker, Metropolit von Kanada
  • Wolodimir Salskyj (1883–1940), General der Streitkräfte der Ukrainischen Volksrepublik
  • Wolodimir Duditsch (1885–1920) Sozialdemokrat, Mitglied des ukrainischen Zentralrats
  • Alexei Innokentjewitsch Antonow (1896–1962), sowjetischer Armeegeneral
  • Sr. Barbara (Vera Grosser) (1908–1986), orthodoxe Ordensfrau in Polen
  • Pf. (Bolesław) Remigiusz Kranc (1910–1977), polnischer Kapuziner, Widerstandskämpfer
  • Bolesław Drobiński (1918–1995), Fliegerass, polnischer und britischer Major der Luftwaffe
  • Oleg Saretschniuk (1923–2002), ukrainischer Chemiker und Pädagoge
  • Petro Andrjuchov (1924–1996), ukrainischer Historiker und Landeskundler
  • Mikola Kowalskij (1929–2006), ukrainischer Historiker und Pädagoge
  • Bogusław Litwiniec (* 1931), polnischer Theaterregisseur und Politiker
  • Anna Cieplewska (1936–2006), polnische Film- und Theaterschauspielerin
  • Mirosława Lombardo (* 1937), polnische Film- und Theaterschauspielerin
  • Igor Demidowitsch Pasitschnyk (1946), Psychologe, Rektor der Ostroger Akademie
  • Mikola Kutscheruk (1947–2013), Architekt, Denkmalschützer
  • Alexander Тarchanow (* 1961), ukrainisch-russischer Opernsänger und Schauspieler
  • Witalij Kosowski (* 1973) ukrainischer Fußballspieler
  • Sergij Sachartschuk (* 1984), Sportler-Gewichtheber, Stadtrat

Siehe auch

Literatur

  • Ostróg, in: Guy Miron (Hrsg.): The Yad Vashem encyclopedia of the ghettos during the Holocaust. Jerusalem : Yad Vashem, 2009 ISBN 978-965-308-345-5, S. 557f.
Commons: Ostroh – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas/Stiftung Topographie des Terrors (Hrsg.): Massenerschießungen. Der Holocaust zwischen Ostsee und Schwarzem Meer 1941-1944. 2016, ISBN 978-3-941772-22-9, S. 316.
  2. Верховна Рада України; Постанова від 07.07.1995 № 275/95-ВР Про віднесення міста Острога Рівненської області до категорії міст обласного підпорядкування
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