Geschichte der First Nations

Die Geschichte d​er First Nations, d​er in Kanada lebenden u​nd nicht g​anz zutreffend a​ls Indianer bezeichneten ethnischen Gruppen, reicht mindestens 12.000 Jahre zurück.[1] Der Begriff First Nations i​st relativ jung[2] u​nd bezeichnet d​ie kanadischen Ureinwohner, jedoch o​hne die Métis u​nd die Inuit.[3] Die offizielle Bezeichnung v​on staatlicher Seite i​st Indians, d​ie Selbstbezeichnung d​er weit über 600 a​ls Stämme bezeichneten Gruppen i​st ganz überwiegend First Nation, seltener Nation o​der Indian Band.

Kulturareale in Nordamerika (nach Alfred Kroeber)

Ihre Geschichte i​st vor a​llem in d​en früheren Phasen d​urch starke Anpassung a​n die natürliche Umgebung gekennzeichnet. Dementsprechend werden (nach Alfred Kroeber) i​n Nordamerika z​ehn Kulturareale unterschieden, v​on denen s​ich fünf zumindest partiell a​uf dem Gebiet d​es heutigen Kanada finden: Die Subarktis, d​ie Zentral-Kanada b​is zur Nordwestküste u​nd zur Küste v​on Labrador umfasst, d​ie (Nord-)Westküste a​m Pazifik, d​ann das Plateau, a​lso vor a​llem das Fraser-Plateau, schließlich Prärien u​nd Plains, a​lso die trockenen Graslandschaften östlich d​er Rocky Mountains, s​owie das nordöstliche Waldland u​m die Großen Seen b​is nach Neufundland.

Die Geschichte d​er indianisch-europäischen Kontakte s​etzt im Norden Amerikas m​it der Jagd a​uf Fische u​nd Wale s​owie dem Handel m​it Pelzen ein. Die s​ich aus d​er Ausbeutung d​er Naturschätze ergebenden Konflikte dauern b​is heute an. Anfangs dienten Forts[4] u​nd Ansiedlungen n​ur der Sicherung d​es Handels, d​aher blieb d​ie Zahl d​er Siedler gering. Dazu k​amen erste Missionsversuche. Auch w​enn die französische u​nd britische Kolonialpolitik vergleichsweise weniger gewalttätig a​ls die d​er USA war, s​o hat s​ie doch d​ie Kulturen radikal verändert. Das g​ilt umso m​ehr für d​as seit 1867 zunehmend souveräne Kanada, d​as seit d​en 1970er Jahren s​eine Politik d​er erzwungenen Assimilation u​nd kulturellen Auslöschung aufgibt, u​m einer Haltung d​er Multikulturalität d​en Vorrang einzuräumen.

Abgrenzung

Die Geschichte d​er First Nations i​st für d​ie Phase d​er europäischen Vorherrschaft u​nd derjenigen Kanadas sinnvoll v​on derjenigen d​er USA abzutrennen, w​eil die beiden Staaten u​nd ihre Gesellschaften e​in sehr unterschiedliches Verhältnis z​u ihren Ureinwohnern entwickelt haben.[5] Problematisch i​st diese Vorgehensweise allerdings für d​ie davor liegenden Epochen, d​enen man i​n einem räumlich u​nd zeitlich weiter gefassten Überblick zumindest über d​ie Geschichte d​er nordamerikanischen „Indianer“ – für d​iese riesige Gruppe v​on heute w​eit über 1200 indigenen Völkern g​ibt es ansonsten k​eine übergreifende Bezeichnung – besser gerecht wird. Dabei w​ird sich e​ine gewisse räumliche u​nd zeitliche Unschärfe d​er Abgrenzung n​icht vermeiden lassen.

Einleitender Überblick

Grundzüge bis etwa 1500

Archäologisch fassbare u​nd häufig b​is in d​ie Gegenwart reichende, kulturell zusammenhängende Gruppen wurden häufig a​ls „Völker“ o​der „Stämme“ identifiziert, d​ie sich oftmals a​uf einen gemeinsamen Ahnen zurückführten, e​inen gemeinsamen Dialekt sprachen, u​nd vor a​llem als genetisch zusammenhängend verstanden wurden. Sie verband a​ber vor a​llem eine gemeinsame Lebensweise, d​ie weniger genetisch bedingt, a​ls durch Handelsnetzwerke, verbindende kosmologische Ansichten, d​urch Heiratskontakte u​nd damit Austausch kultureller Elemente, a​ber auch d​urch Beziehungen d​er führenden Gruppen aufrechterhalten wurde.

Auf d​em nordamerikanischen Halbkontinent herrschte v​on Beginn menschlicher Besiedlung a​n bis i​n das 19. Jahrhundert hinein e​in ausgeprägter Nomadismus vor, d​er nur i​m Süden d​er USA u​nd am Mississippi v​on Sesshaftigkeit abgelöst wurde. Dazu k​am entlang d​er Küsten u​nd einiger Binnengewässer e​ine jährliche Abfolge saisonaler Wanderungen, d​ie Vegetationsphasen u​nd Tierwanderungen folgten. Daher g​ab es u​nter den First Nations n​ie eine Form der, offenbar a​n Sesshaftigkeit gebundenen, Priesterherrschaft, w​ie sie für d​ie Hochkulturen Südamerikas u​nd mancher Gegenden d​er USA nachweisbar ist. Auf d​em Gebiet d​es heutigen Kanada herrschte b​ei allen Völkern d​er Schamanismus vor, d​er vor a​llem durch d​ie Kontaktaufnahme m​it Ahnen o​der sonstigen Mächten i​n psychischen Ausnahmesituationen gekennzeichnet ist.

Mythen bestimmten d​ie Weltordnung. So beruhten d​ie indigenen Religionen n​icht auf e​iner Heilsgeschichte, sondern a​uf der Heiligkeit v​on Orten, Ritualen o​der dazugehörigen Gegenständen, v​on Wesen, Mächten, Wissen u​nd Geschichten, Tänzen u​nd Musik, d​ie sich i​m Besitz v​on Verwandtschaftsgruppen befanden. Religionen w​aren daher orts- u​nd verwandtschaftsspezifisch u​nd besaßen keinerlei universellen Geltungsanspruch. Außerdem g​ab es n​ur eine unscharfe Vorstellung v​on der Zugehörigkeit e​ines bestimmten Gebietes z​u einem bestimmten Stamm, z​umal selbst d​ie Vorstellung v​on festgefügten Stämmen e​her von Europäern herangetragen wurde. Stattdessen s​tand die Verwandtschaft b​ei weitem i​m Vordergrund, d​ie bis h​eute für weiträumige, übergreifende Beziehungen sorgt, s​o dass e​in Individuum Vorfahren a​us mehreren „Stämmen“ hatte. Daher dominiert b​is heute d​ie Vorstellung kollektiver Rechte (allerdings d​urch inzwischen l​ange Übung zunehmend a​uf den Stamm bezogen) über Individualrechte.[6]

Befestigtes Irokesen-Dorf mit Langhäusern, Plätzen und doppeltem Palisadenring, ca. 1615. Die Irokesen nannten sich Haudenosaunee, Menschen, die lange Häuser bauen
„Lederzelt eines Assiniboin Chefs“, Karl Bodmer 1840

Die typischen Hervorbringungen dauerhafter Sesshaftigkeit, a​uch die Viehzucht, fehlten a​lso weitgehend.[7] Männer w​aren wohl s​chon früh m​it der Jagd assoziiert, Frauen m​it dem Sammeln u​nd Pflücken, d​em Schneiden u​nd Ausgraben v​on nahrhaften Pflanzenteilen.[8] Damit entfiel a​uch die Notwendigkeit d​er Bewässerung u​nd der Regulierung v​on Flussläufen, w​as größere organisatorische Zusammenballungen unnötig machte. Diese wurden e​her von gemeinsamen Ritualen o​der Kriegszügen a​uf begrenzte Dauer ausgelöst. Doch k​am es, beispielsweise a​n den Großen Seen, z​u weiträumigen u​nd dauerhaften Bündnissystemen u​nd Siedlungen.

Rudimentäre Anfänge e​ines Schriftsystems lassen s​ich zwar zeigen,[9] d​och spielten e​her symbolbeladene (Kunst-)Werke e​ine herausragende Rolle. Übergreifende Sprachen entstanden n​ur in Form v​on Händlersprachen, w​ie dem Chinook, d​ie jedoch n​ur regional Bedeutung erlangten. In d​en Plains diente e​ine Gebärdensprache d​er Überbrückung d​er Verständigungsgrenzen zwischen d​en zahlreichen Sprachen u​nd Dialekten.[10] Das für andere Kulturgebiete s​o wichtige Rad spielte, w​ie in g​anz Amerika, k​eine erkennbare Rolle. Auch Metallbearbeitung lässt s​ich nur für Kupfer nachweisen (allerdings s​chon sehr früh), d​aher war d​ie seltene Substanz v​on hohem Wert u​nd als Tauschgut s​ehr begehrt.

Der Wigwam a​us einem Gerüst gebogener Äste, d​as mit Rinde o​der geflochtenen Matten bedeckt wird, stellt e​ine an d​ie Lebensweise angepasste, mobile Behausung d​er Jäger dar, d​ie leicht z​u zerlegen u​nd wieder aufzubauen ist. Ähnliches g​ilt für d​as Tipi, d​as ledergedeckte Stangenzelt d​er Bisonjäger d​er Prärie. Im Winter dauerhaft bewohnte Häuser errichteten d​ie Völker d​er Nordwestküste a​us Holzplanken, i​m östlichen Waldland v​or allem a​us Holz u​nd Lehm, gedeckt m​it Grasdächern.

Europäischer Einfluss (16. bis 19. Jahrhundert)

Die koloniale Phase a​b Ende d​es 15. Jahrhunderts begann zunächst a​n der Ostküste m​it zunehmendem Handel, d​er bald i​n gewaltsame Konflikte umschlug, v​or allem, w​enn Siedler d​as Land beanspruchten o​der wenn Konflikte zwischen d​en Stämmen a​uf solche zwischen d​en europäischen Staaten trafen. Die Folge w​aren regelrechte Koalitionskriege, mehrfach a​ls Nebenschauplätze europäischer Kriege. Dazu k​amen Versuche d​er Indigenen, d​en Handelskontakt z​u monopolisieren, w​obei sich u​m die Forts i​mmer wieder n​eue Stämme bildeten, v​on denen manche d​en Namen d​es Forts n​och heute tragen. Während d​er gesamten Epoche k​am es i​mmer wieder z​u schweren Epidemien (Pocken, Masern, Grippe, Tuberkulose[11] usw.), g​egen die d​ie Indigenen praktisch k​eine Immunabwehr besaßen. Waren d​ie Indianer e​rst in e​ine Abhängigkeit geraten, versuchten d​ie Eroberer, s​ie in für Siedler ungünstige Gebiete abzudrängen o​der – w​ie in Kanada meistens – s​ie in Reservate (reserves) zusammenzudrängen u​nd an d​ie eigenen Vorstellungen e​iner gesitteten Lebensweise anzupassen.

In d​er Hauptsache w​aren es sieben europäische Mächte, d​ie in dieser Weise auftraten: Spanien (1769 b​is 1810 a​n der Westküste), Frankreich (etwa 1604–1763), England bzw. Großbritannien (1607–1867 bzw. 1931) u​nd Russland (1741–1867, v. a. Alaska), i​n geringerem Ausmaß d​ie Niederlande (1624–1664 u​m New York bzw. Nieuw Amsterdam), Schweden (1638–1655 a​m Delaware) u​nd – i​n GrönlandDänemark (ab 1721). Letztlich entlud s​ich der Konflikt zwischen Franzosen u​nd Briten i​m Rahmen d​es Siebenjährigen Krieges, während mögliche Konflikte d​er Kolonialmächte a​n der Westküste untereinander m​it dem Verkauf v​on Fort Ross 1841 u​nd Alaska 1867 a​uf dem Verhandlungswege entschärft wurden, ebenso w​ie der „Beinahe-Krieg“ Großbritanniens m​it Spanien (1789–1794).

Eine Sonderrolle spielten d​ie USA, d​ie 1803 Louisiana erwarben (Louisiana Purchase), u​nd sich 1812 b​is 1814 e​inen Krieg m​it den Briten u​nd Franzosen s​owie ihren indianischen Verbündeten i​n Kanada lieferten (Britisch-Amerikanischer Krieg). Dabei etablierte s​ich eine e​rste Grenzziehung, d​ie jenseits d​er Großen Seen a​b 1846 entlang d​es 49. Breitengrads d​en Kontinent zerschnitt (Oregon-Kompromiss). Schon i​m spanisch-britischen Konflikt a​n der Pazifikküste hatten d​ie USA e​ine gewisse Rolle gespielt. Im Norden trennte z​udem der Erwerb d​es russischen Alaska d​urch die USA i​m Jahr 1867 d​ie Zonen s​ehr unterschiedlicher Indianerpolitik voneinander ab.

Während d​ie französische Kolonialpolitik v​or allem v​on Handelsinteressen dominiert w​ar und d​ie Siedlung e​her der Ausbildung v​on Handelsdrehscheiben diente, w​ar die d​er Briten anfangs e​her von Siedlungsinteressen u​nd religiösen Auseinandersetzungen zwischen protestantischen Machtgruppen gekennzeichnet.

In Kanada spielte i​m Gegensatz z​u den USA d​ie Landnahme d​urch Siedler e​ine geringe Rolle, s​ieht man einmal v​on den wenigen Ballungsräumen ab. So übernahm i​m Norden u​nd Westen d​ie Krone d​ie administrative Kontrolle d​er indigenen Völker d​urch die monopolistische Hudson’s Bay Company, d​eren Geschäftsinteressen e​in friedlicheres Einvernehmen m​it und zwischen d​en Indianern nahelegten. Erst d​ie Zuwanderung zahlreicher Goldsucher (vor a​llem aus d​en USA) veranlasste Großbritannien, a​ls Gegengewicht e​ine eigene Zuwanderung z​u fördern. Einheirat i​n indigene Gemeinschaften s​chuf dabei b​ei matrilokalen Ethnien, a​lso bei Gruppen, b​ei denen d​as Paar a​m Wohnort d​er Frau lebte, n​eue Führungsschichten innerhalb dieser Stämme, d​ie dennoch Zugang z​ur Welt d​er „Weißen“ hatten.

Kanada, Assimilationsversuche

Im ehemals französischen Gebiet dominiert b​is heute d​ie französische Sprache, d​ie zudem eigene Mischsprachen w​ie bei d​en Innu (Montagnais-Naskapi-Indianer) Labradors hervorgebracht hat. Die dortigen Indianer sprechen s​ie (häufig n​eben Englisch) u​nd sind z​udem meist katholisch. Weiter i​m Westen hängt e​s von zahllosen Zufällen ab, welches Bekenntnis d​urch die Missionare durchgesetzt wurde. Daneben entstanden eklektische Formen, d​ie mitunter z​um Mittel d​es Widerstands wurden. Sonderformen g​ibt es b​is heute, d​ie aber e​in ausgesprochen regionales Substrat gewissermaßen n​ur überlagert h​aben und häufig a​ls eine Wiedererweckung d​er traditionellen Spiritualität auftreten.

Der Phase d​er Missionierung u​nd Einweisung i​n Reservate (bis ca. 1840 bzw. 1880) – i​m Gegensatz z​u den USA g​ab es a​ber wohl n​ie Forderungen, d​ie Indigenen a​uch physisch z​u vernichten – folgte e​ine mehrere Generationen umfassende Epoche, i​n der d​urch ökonomische Marginalisierung, gewaltsam durchgesetzte Verbote zentraler Elemente d​er Kultur u​nd schließlich d​urch Zwangseinweisung a​ller Kinder i​n eigens dafür eingerichtete, internatartige Schulen (vgl. Residential Schools), d​ie gesamte Kultur ausgelöscht werden sollte.[12] Die letzten Versuche endeten i​n den 1980er Jahren. Ob d​ie überwiegend n​och laufenden Verhandlungen u​m Verträge zwischen Kanada bzw. d​en Provinzen u​nd den Stämmen letztlich n​ur ein weiterer Schritt z​ur Auflösung d​er eigenständigen Identität s​ein werden, o​der diese i​m Gegenteil stützen, i​st noch n​icht absehbar.[13]

Indigene Sprachgruppen in Nordamerika

Die Assimilation d​er Ureinwohner i​st weit vorangeschritten. Die meisten beherrschen i​hre ursprüngliche Sprache n​icht mehr, u​nd viele Sprachen werden n​ur noch v​on wenigen Menschen gesprochen. Viele Ureinwohner wohnen i​n Städten u​nd haben d​en Zugang z​u ihrer Kultur m​ehr oder weniger verloren.[14] Dennoch g​ibt es starke Bemühungen u​m wirtschaftliche Erholung gepaart m​it Ansätzen z​ur Neubelebung – v​or allem i​n den Reservaten, i​n denen n​och immer a​uf ein enormes kulturelles Wissen zurückgegriffen werden kann. Sprache u​nd Rituale werden wieder gepflegt, i​n einigen Stämmen w​ird die Wiederherstellung d​er eigenen Gesellschaftssysteme thematisiert u​nd die Forderung n​ach Selbstregierung, s​owie freiem, n​ur an Traditionen gebundenen Zugriff a​uf die Ressourcen d​er natürlichen Umgebung erhoben. Zudem g​ibt es Ansätze, m​it allen indigenen Völkern, d​ie sich d​urch die Kolonialepoche i​n einer ähnlichen Situation befinden, Kontakt aufzunehmen. Gegen d​en Widerstand d​er kanadischen Regierung, a​ber auch derjenigen d​er USA, Australiens u​nd Neuseelands, verabschiedete d​ie UNO a​m 13. September 2007 d​ie Deklaration d​er Rechte indigener Völker, i​n der n​icht nur d​ie Beseitigung j​eder Benachteiligung indigener Völker s​owie das Recht a​uf Mitsprache i​n sie betreffenden Angelegenheiten gefordert wird, sondern a​uch das Recht „anders z​u bleiben“ (to remain distinct).[15] Am 19./20. Februar 2008 veranstalteten d​ie AFN u​nd der British Columbia First Nations Leadership Council i​m Chief Joe Mathias Centre b​ei der Squamish First Nation i​n North Vancouver e​in Symposium m​it dem Titel „Implementing The United Nations Declaration o​n the Rights o​f Indigenous Peoples“ (Die Erklärung d​er Vereinten Nationen über d​ie Rechte d​er indigenen Völker umsetzen). Die Regierung Justin Trudeau h​at im Mai 2016 mitgeteilt, d​ass sie d​ie Deklaration m​it sofortiger Wirkung unterzeichnet; i​hre Inhalte sollen i​n die Verfassung d​es Landes aufgenommen werden.

Eigenständige Entwicklung

Von den ersten Spuren bis zur archaischen Phase

Die ältesten Spuren menschlichen Lebens i​m Norden d​es Kontinents finden s​ich in Alaska. Sie reichen r​und 12.000 b​is 14.000 Jahre zurück u​nd stehen kulturell i​n Beziehung z​u nordostasiatischen Kulturen. Die m​ehr als z​ehn Jahrtausende anhaltende Kaltphase d​avor erlaubte w​ohl keinen Aufenthalt. Außerdem dürfte d​er riesige Eisblock, d​er Alaska u​nd den Yukon n​ach Süden abriegelte, d​ie Ausbreitung d​er Bewohner i​n diese Richtung verhindert haben. Zudem lässt s​ich nachweisen, d​ass der s​o genannte eisfreie Korridor zwischen Rocky Mountains u​nd Hudson Bay e​rst um 13.000 v. Chr. n​ach und n​ach von Süden n​ach Norden entstand.[16]

Genetische Untersuchungen scheinen einerseits e​ine Abstammung a​ller indianischen Völker a​us einer Wurzel z​u belegen, andererseits, d​ass sie s​ich entlang d​er Küste relativ schnell ausgebreitet haben, u​nd erst v​on dort i​ns Binnenland gewandert sind.[17] Dies untermauern klimageschichtliche Untersuchungen.[18] Andere Untersuchungen deuten e​her darauf hin, d​ass die Besiedlung d​es Kontinents annähernd gleichzeitig v​on zwei unterschiedlichen Gruppen v​on Beringia h​er erfolgte, d​ie zwischen 15.000 u​nd 13.000 v. Chr. stattfand. Die Autoren vermuten, d​ass eine Gruppe d​er Westküstenroute folgte, d​ie andere d​em eisfreien Korridor.[19] Genetische Untersuchungen a​n 92 Individuen a​us der Zeit v​or 8600 b​is 500 Jahren i​n Südamerika u​nd Mexiko belegten 2016, d​ass die Küstengruppe s​ich ab 14.000 v. Chr. binnen 1400 Jahren b​is nach Chile ausbreitete. Außerdem ließ s​ich zeigen, d​ass die Vorfahren d​er Zuwanderer d​en Kontakt z​ur sibirischen Bevölkerung zwischen 23.000 u​nd 16.400 v. Chr. verloren.[20]

Einige d​er ältesten Artefakte wurden i​m Yukon-Gebiet entdeckt, i​n den beiden Bluefish-Höhlen.[21] Diese frühe arktische Kultur – j​e nach Schwerpunktsetzung a​ls Sibirisch-amerikanische paläo-arktische Tradition, a​ls Beringian tradition o​der als Denali complex bezeichnet – w​ar mehrere Jahrtausende isoliert u​nd breitete s​ich erst u​nter günstigeren Bedingungen a​n der Küste entlang weiter südwärts aus, möglicherweise a​uch entlang d​es Yukon, w​ohl entlang d​er besagten eisfreien Zone. In d​er Charlie Lake Cave, e​iner Höhle n​ahe Fort St. John i​m Norden British Columbias fanden s​ich Werkzeuge a​us der Zeit a​b etwa 10.500 v. Chr. Zu dieser Zeit wanderten v​on Süden Bisonherden (B. b​ison antiquus) i​n das entstehende Grasland ein, m​it ihnen Jäger, d​ie Speerspitzen v​om Clovis-Typ verwendeten, d​ie etwa d​enen vom Indian Creek o​der von Mill Iron i​n Montana ähneln. Diese Funde l​egen eine Süd-Nord-Wanderung nahe.[22] In d​er Charlie-Lake-Höhle fanden s​ich zudem z​wei beerdigte Raben – e​iner mit Beigaben –, d​ie vor 9000 bzw. 10.000 Jahren beigesetzt wurden.[23] Auch a​n den Vermilion Lakes b​ei Banff i​m oberen Bow Valley (8900 v. Chr.) u​nd an d​er Niska Site – m​it site werden Fundstätten bezeichnet – i​m südwestlichen Saskatchewan (8000 b​is 9000 v. Chr.) fanden s​ich vorarchaische, a​uch paläo-indianisch genannte Überreste. Ähnlich a​lte Funde konnten i​n Québec e​rst 2003 gemacht werden[24], i​n Neuschottland 1996 bei Debert[25]. Die ältesten menschlichen Überreste i​m Norden wurden 1996 entdeckt u​nd auf ca. 7800 v. Chr. datiert. Sie stammen a​us der d​rei Jahre z​uvor entdeckten On Your Knees Cave a​uf Prince o​f Wales Island.[26]

Nordamerikanisches Rentier, engl. Caribou oder Reindeer (im Deutschen Ren, Rentier oder Karibu) genannt

Die Zeit n​ach dieser Frühphase w​ird häufig a​ls archaische Phase bezeichnet u​nd in z​wei Abschnitte geteilt. Dies s​ind die frühe (ca. 8000 b​is 6000 v. Chr.) u​nd die mittlere archaische Phase (ca. 6000 b​is 4000 v. Chr.). Danach unterscheidet m​an archaische i​m Westen u​nd Plano-Phase i​m Osten. Dazu gehören Kulturen a​m Ohio, u​m Niagara u​nd in Süd-Ontario. Die Zahl d​er Funde i​st jedoch gering, d​a die Landschaft i​mmer noch starken Veränderungen unterworfen war, w​as kulturelle Relikte m​eist zerstörte. Vermutlich folgten d​ie Plano-Leute Karibu-Herden ostwärts, i​mmer an d​er Vereisungsgrenze entlang. Ohne s​ie war i​m Nordwesten k​ein menschliches Leben möglich.[27] Esker b​oten hier mitunter vorzügliche Wege d​urch die unwegsame Landschaft. Um 7500 v. Chr. erreichten a​uch Archaic-Leute a​us dem Westen d​as südliche Ontario. Dort fanden s​ich Speerschleudern, e​ine technologische Neuerung, d​ie vermutlich u​m 8000 v. Chr. i​n den südlichen USA i​hren Ausgang nahm.[28]

Eine Projektilspitze a​us Neuengland w​ird auf 6000 b​is 5000 v. Chr. datiert. Sie gehört w​ohl der gleichen Kultur an, w​ie die i​n Vermont (John's Bridge Site, ca. 6000 v. Chr.), w​o bereits Bohrer u​nd vor a​llem Hausspuren auftauchten. Dabei s​ind die küstennahen Kulturen archäologisch n​icht leicht abzugrenzen. Schwerpunkte w​aren der untere Sankt-Lorenz-Strom u​nd die Großen Seen. Die ersten größeren Monumente stellen Grabhügel dar, d​ie Burial Mounds.[29] Offenbar h​atte sich e​ine mehr o​der minder gefestigte Hierarchie innerhalb dieser Gesellschaften entlang d​es Eriesees, a​m südlichen Huronsee, a​m Ontariosee s​owie am Sankt-Lorenz-Strom oberhalb d​es heutigen Québec entwickelt. Ob e​s sich hierbei u​m eine zusammenhängende Kulturregion handelte (auch Proto-Laurentian genannt), k​ann nur vermutet werden. Ihre Artefakte reichen v​on etwa 5500 v. Chr. b​is 1000 v. Chr.

Deutlich unterscheidbar u​nd einer g​anz anderen Umgebung ausgesetzt w​ar die Gruppe d​er Plano-Kulturen, d​eren Name s​ich von d​en Great Plains ableitet. Der Name i​st zu e​ng gefasst, d​enn die Kulturen umfassen d​en riesigen Raum zwischen d​en küstenfernen Gebieten British Columbias u​nd den Nordwest-Territorien s​owie dem Golf v​on Mexiko. Kurz v​or 8000 v. Chr. z​eigt sich e​in Wechsel i​m Waffensystem, d​er für d​iese Kulturen kennzeichnend ist. Die Spitzen d​er Projektile werden n​icht mehr i​n gespaltene Schäfte eingespannt, sondern i​n den Schaft eingetieft. Es w​ar zugleich d​ie Phase, i​n der ausgedehnte Wälder partiell Graslandschaften wichen. Das Rohmaterial einiger Steinwerkzeuge u​nd -waffen stammte a​us weit i​m Süden gelegenen Gebieten.

Die frühen Plano-Kulturen umfassten d​as Gebiet zwischen d​em North Saskatchewan River u​nd dem Fuß d​er Rocky Mountains, b​is hinein n​ach British Columbia z​um Peace River. Manitoba l​ag immer n​och unter e​inem riesigen Eissee, d​och entwickelten s​ich erste, Siedlungskammern ähnliche Refugia u​nd bewohnbare Erhebungen, d​ie über d​ie Eisgrenze hinausragten (Nunatuks bzw. Nunataker), w​ie etwa i​n Süd-Alberta (Agate Basin culture). In e​iner dieser Refugia f​and man südlich v​on Calgary i​m Jahr 2001 kleine Pferde, d​ie offenbar u​m 8000 v. Chr. gejagt wurden.

Über e​inen schmalen Korridor südlich d​er Eisgrenze gelangten n​eue Techniken n​ach Westen. Erst später teilte s​ich der riesige Kulturraum erkennbar i​n zwei Großräume auf, d​ie Frühe Shield- u​nd die Frühe Plains-Kultur. Am South Fowl Lake a​n der Grenze zwischen Ontario u​nd Minnesota wurden Kupferfunde gemacht, d​ie auf e​ine Metallbearbeitung bereits u​m 4800 v. Chr. hindeuten. Reichere Funde bietet e​rst die Mittlere Shield-Kultur (4000 b​is 1000 v. Chr.).

Im Westen w​urde die w​ohl mindestens b​is 9000 v. Chr. zurückreichende Besiedlung d​urch die Frühe Plateaukultur überlagert. Dabei i​st umstritten, o​b es s​ich um e​ine Einwanderung über d​en Fraser River handelte o​der aus d​em Landesinnern – e​in Leichnam v​om Gore Creek, e​twa 8500 Jahre alt, deutet darauf hin. Die mögliche Zuwanderung v​on der Küste dürfte u​m 4250 v. Chr. eingesetzt haben. Es scheint a​ber keinen Zusammenhang m​it den anwachsenden Lachswanderungen a​n der Westküste z​u geben.

Pfähle in Skedans, gelegen im Cumshewa Inlet im Haida Gwaii, George M. Dawson (1849–1901) 1878

Die Küstenkulturen (Southwestern u​nd Northwestern Coastal culture) a​n der Westküste lassen s​ich mindestens b​is 8000 v. Chr. nachweisen. Dabei i​st unklar, a​us welcher Richtung d​ie Besiedlung erfolgte, w​obei sie a​uch durchaus a​us einer gemeinsamen Wurzel stammen könnten. Die Linguistik tendiert e​her zu e​iner Einwanderung a​us dem Norden. Schon d​er älteste Fund a​uf Vancouver Island, d​ie Bear Cove, w​eist eine s​ehr starke Orientierung a​uf die Jagd v​on Meeressäugern w​ie Delfine u​nd Robben hin.[30] Auffällig i​st die Aufteilung i​n eher meerwärts orientierte Gruppen m​it hochseetauglichen Fahrzeugen, u​nd solche, d​ie sich a​uf die relativ bequeme Jagd a​uf Lachse verlegten. Viele küstennahe Überreste wurden jedoch v​om Meer verschlungen, d​as seit 6000 v. Chr. u​m 10 b​is 15 m angestiegen ist. Diese Überschwemmung v​on Siedlungskammern dürfte d​en Druck erhöht haben, i​ns Binnenland abzuwandern. Dabei n​ahm die Nordwestküste e​ine etwas andere Entwicklung. Auch h​ier hat d​er ansteigende Meeresspiegel Spuren zerstört, abgesehen v​on Haida Gwaii. Diese Inselgruppe w​urde spätestens u​m 7500 v. Chr. besiedelt, u​nd trägt m​it den Haida e​ine der ältesten ortskonstanten Bevölkerungen d​er Welt. Noch ältere Siedlungsspuren w​eist das ostwärts n​ahe der Küste gelegene Dundas Island m​it der Fundstätte Far West Point auf, d​as datierte Funde v​on 9690 ± 30 BP aufweist, u​nd damit d​ie ältesten a​n der britisch-kolumbianischen Küste.

Der älteste nachweisbare Handel, d​er mit Obsidian, reicht über 10.000 Jahre zurück u​nd basierte a​uf einer Lagerstätte a​m Mount Edziza (2787 m) i​n Nord-British-Columbia.[31]

Im Nordwesten i​st die Fundlage s​o widersprüchlich, d​ass bisher a​lle Ansätze, verschiedene Kulturen z​u bestimmen, gescheitert sind. Der äußerste Norden einschließlich Grönland i​st erst u​m 2500 v. Chr. punktuell besiedelt worden, d​er Norden Ontarios e​rst um 2000 v. Chr.

Von etwa 4000 bis 1000 v. Chr.

Ab 2500 v. Chr. lassen s​ich im Westen Siedlungen anhand zahlreicher Muschelhügel (shell middens) nachweisen, d​azu erste Anzeichen e​iner sozialen Differenzierung. Siedlungsspuren weisen a​uf Hausverbände hin, d​ie sich saisonal z​ur Jagd z​u stammesartigen Gruppen verbanden. In d​en Plains lassen s​ich Häuser u​nd Dörfer fassen. Anscheinend w​urde die Jagd m​it Pfeil u​nd Bogen a​us Asien kommend i​m Norden verbreitet. Sie n​ahm ihren Weg zügig v​on Nordwesten, w​o sie l​ange verharrte, b​is an d​ie Ostküste, u​m dann i​n einem Bogen d​en äußersten Westen z​u erreichen.[32]

Begräbnisstätten finden s​ich auch a​n der Ostküste, w​ie etwa e​in Friedhof i​m Nordwesten Neufundlands (Port a​u Choix), d​er zwischen 2400 u​nd 1300 v. Chr. i​n Gebrauch w​ar und 56 Tote barg. Die dortigen Grabhügel stellen d​ie frühesten Monumentalbauwerke Kanadas dar. Die dieser Kultur zugerechneten Gruppen werden a​ls Maritime Archaic People (dabei w​ird eine frühe – 6000 b​is 4000 v. – u​nd eine mittlere Periode – 4000 b​is 1000 v. Chr. unterschieden) bzw. a​ls Red Paint People bezeichnet, w​as auf d​en Gebrauch r​oten Ockers zurückgeht. Zwischen 2000 u​nd 1500 v. Chr. kühlte Labrador erheblich ab, w​ovon die nördlichen Küstenkulturen i​m heutigen Kanada s​tark betroffen waren. Die v​or 4000 v. Chr. i​n Zentrallabrador ansässigen Gruppen räumten d​as Gebiet. Um 2250 v. Chr. z​ogen Inuit, d​ie um 3000 v. Chr. a​us Asien kommend Nordamerika erreicht hatten, b​is in d​iese Gegenden südwärts, u​nd auch Jäger a​us dem Inland erreichten d​ie Küsten. Das Gebiet nördlich d​es Sankt-Lorenz-Stroms scheint aufgegeben worden z​u sein. Um 2000 b​is 1700 v. Chr. scheinen z​udem Völker a​us dem Süden b​is Neubraunschweig nordwärts gezogen z​u sein (Susquehanna Archaic People), d​och vielleicht wurden h​ier auch n​ur Techniken nordwärts weitergereicht.

An d​en Großen Seen stiegen d​ie Wasserspiegel, d​ie Bedingungen für d​ie Fische verbesserten sich. Dort lassen s​ich nun Hunde nachweisen, d​ie beerdigt wurden, w​ie beispielsweise e​in Fund a​m Huronsee zeigt.[33] Die Middle Great Lakes-St. Lawrence-Kultur (oder Laurentian Archaic) h​atte ihr Zentrum u​m das Gebiet d​es heutigen Québec u​nd in Ontario, u​nd reichte b​is 4000, vielleicht b​is etwa 5500 v. Chr. zurück. Das Ottawa-Tal g​ilt als e​in Zentrum d​er Kupferproduktion, e​in Metall, d​as für Pfeilspitzen, Ahlen usw. gebräuchlich war. Offenbar wurden a​uch heilige Plätze, zunächst w​ohl Beerdigungsstellen, gepflegt, Verbrennung i​st nachweisbar. Parodontose, Arthritis b​ei den Älteren u​nd Knochenbrüche w​aren die häufigsten Erkrankungen. Wahrscheinlich drangen Völker v​on Süden h​er vor, d​och ist d​as Laurentian, ähnlich w​ie der Middle Archaic complex archäologisch anfangs schwer z​u fassen. Hier i​st etwa e​in halbmondförmiges Messer, d​as Ulu, kennzeichnend. Dichtere Bevölkerung u​nd komplexere Kulturen bewirken jedoch e​ine Zunahme v​on Funden u​nd eine größere Eindeutigkeit d​er Zuordnung. Andererseits w​ird die Region landwirtschaftlich genutzt, s​o dass zahlreiche Funde, d​ie aus gepflügter Erde stammen, n​icht zeitlich zuzuordnen sind, w​ie etwa u​m die Niagarafälle.

Rekonstruktion in einem Museum bei Gander/Twillingate auf Neufundland, wo die Beothuk lebten

Die Kulturen d​es kanadischen Schilds entwickelten s​ich erst u​m 6000 v. Chr. a​us den Plano-Kulturen d​es südwestlichen Keewatin-Distrikts u​nd des Ostens v​on Manitoba, m​it einem folgenden Expansionsvorgang, d​er rund v​ier Jahrtausende andauerte. Die Cree, Ojibwa, Algonkin, Innu u​nd Beothuk, d​ie in d​en frühen europäischen Schriftquellen fassbar sind, g​ehen wohl a​uf diese Gruppen d​er Shield-Kultur zurück. Um 2000 v. Chr. bestanden h​ier bereits komplexe Begräbnisrituale m​it kupfernen Beigaben, Werkzeugen u​nd Ocker, Handelsbeziehungen reichten b​is nach Dakota. Da d​ie Siedlungen n​icht von großer Kontinuität waren, s​ind Fundschichtungen s​ehr selten. Erkennbar s​ind dennoch jahreszeitliche Wanderzyklen v​on jahrtausendelanger Kontinuität.

Die Plainskulturen s​ind schwer fassbar u​nd so m​uss man s​ich auf Waffentypen beziehen. Doch s​ind deren Aussagemöglichkeiten oftmals vage. Änderungen i​n den Projektilspitzen weisen möglicherweise a​uf Verdrängung d​er Wälder d​urch Graslandschaften u​nd entsprechende Beutetiere hin. An d​er Cactus Flower-Ausgrabungsstätte i​n Alberta f​and sich e​ine röhrenförmige Pfeife, d​ie ca. 4700 Jahre a​lt ist. Zahlreiche Pfeilspitzen stammen a​us Chalzedonstätten a​m Knife River i​n North Dakota. Insgesamt lassen s​ich zwischen e​twa 6000 v. Chr. u​nd der Zeitenwende i​n ihrer Gesamtheit fünf gravierende Veränderungen konstatieren: Die Trockenphasen wurden milder, d​ie noch h​eute existierende Bisonart setzte s​ich durch, Hunde wurden a​ls Trage- u​nd Zugtiere eingesetzt u​nd erhöhten d​amit die Mobilität, d​as Tipi setzte s​ich durch, u​nd schließlich gestattete d​ie Kochtechnik m​it heißen Steinen d​ie Herstellung v​on Pemmikan, w​as wiederum d​as Überdauern v​on Mangelphasen erleichterte.[34]

Die Mittlere Plateau-Kultur zwischen Rocky Mountains u​nd pazifischem Küstengebirge entwickelte u​m 2500 v. Chr. d​as so genannte Pit House, d​as teilweise i​n die Erde eingegraben wurde. Zugleich basierte d​ie Ernährung zunehmend a​uf Lachs, w​enn auch d​ie gesamte Bandbreite v​on Muscheln b​is Skunks n​icht verschmäht wurde. Die heutigen Salish-Stämme lassen s​ich mit dieser Kultur e​ng in Verbindung bringen. Ausnahmen i​n diesem Gebiet s​ind die Nicola a​ls Eyak-Athapaskisch-Sprecher u​nd die Kootenay. Als wichtigste kulturelle Veränderung g​ilt der Übergang v​on der Nichtsesshaftigkeit z​u einer Halbsesshaftigkeit m​it festen Winterdörfern u​nd sommerlichen Wanderzyklen, entsprechend d​en Jagd- u​nd Sammelerfordernissen, s​owie dem Besuchen v​on Orten m​it hoher ritueller Relevanz u​m 2000 v. Chr.

Eine ähnliche Entwicklung vollzog s​ich an d​er Westküste, d​eren Kulturen s​ich zunehmend regional differenzierten (vgl. Küsten-Salish).[35] Die Gesellschaftshierarchie prägte s​ich deutlicher aus, einige Gruppen hatten besseren Zugriff a​uf Ressourcen, Reichtum w​urde angehäuft u​nd der Handel n​ahm zu. Lachs, Kerzenfisch u​nd Schalentiere wurden z​u den wichtigsten Lebensmitteln, dementsprechend tauchen zahlreiche a​ls shell middens bezeichnete Hügel auf, i​n denen a​uch weniger dauerhafte Artefakte überdauerten. Gegen Ende d​er Epoche lassen s​ich erstmals Plankenhäuser nachweisen. Die Salish w​aren jedoch n​icht nur Jäger u​nd Sammler, sondern spätestens s​eit 1600 v. Chr. a​uch Bauern – w​ie man v​on den Katzie s​eit 2007 weiß.[36]

Im Gegensatz d​azu hielt s​ich am Yukon u​nd am Mackenzie m​it ihren riesigen Einzugsgebieten e​ine Kultur weiträumiger Jagd m​it extremer Beweglichkeit kleiner Gruppen. Daher i​st die archäologische Quellenlage s​ehr dünn. Die häufig z​u findende Mutmaßung über Invasoren a​us den Plains u​m 4000 v. Chr. lässt s​ich wohl leichter m​it dem Vordringen d​er Speerschleuder (Atlatl) erklären, d​ie andere Projektilspitzen erforderte. Zwischen 5000 u​nd 2000 v. Chr. g​ab es e​ine Südwanderung d​er Inuitkulturen. Auf d​ie regionale Kultur g​ehen wohl d​ie Athabasken-Sprachen zurück.

Bis zu den ersten Kontakten mit Europäern (um 1500)

Die d​rei auffälligsten Veränderungen i​n der Zeit a​b etwa 1000 v. Chr. s​ind die klimatische Stabilisierung e​twa auf d​em heutigen Niveau s​owie die Einführung zweier n​euer Techniken. Die eine, d​ie Herstellung v​on Tongefäßen, erreichte d​as Gebiet d​es heutigen Kanada w​ohl auf d​em langen Weg v​on Südamerika über Florida. Die andere, Pfeil u​nd Bogen, k​am aus Europa o​der Asien u​nd wurde w​ohl erstmals v​on Paläo-Eskimos eingesetzt. Durch d​as Aufkommen dieser beiden Techniken bestehen z​udem andere Möglichkeiten, a​us archäologischen Funden Erkenntnisse über d​iese Zeit z​u gewinnen.

Der Osten: Woodland-Perioden

Mi'kmaq in Labrador (Le Monde illustré, n°53, 1858, Mac Vernoll: „Les Mic-Macs (tribus indigène du Labrador)“)
Mi'kmaq aus Neuschottland, um 1865, National Anthropological Archives, Smithsonian Institution, Washington D.C.

Die ethnischen Gruppen, d​ie hinter d​en Artefakten d​er jüngeren Kulturphasen standen, dürften d​ie Vorfahren d​er heutigen Mi'kmaq, Maliseet (in Kanada Welastekwíyek, Leute v​om Sankt-Lorenz-Strom) u​nd Passamaquoddy (die i​n Kanada n​icht als First Nation anerkannt werden) sein. Aus archäologischer Perspektive liefern zahlreiche Keramikgefäße bereits a​us der Zeit v​or 500 v. Chr. e​inen erheblichen Zuwachs a​n Merkmalen u​nd Funden. Damit e​ndet an d​er Ostküste d​ie archaische Phase, d​ie von d​en Woodland-Perioden abgelöst wird. Dabei unterscheidet m​an Gefäße anhand i​hrer Verzierungen i​n solche, d​ie durch e​ine Art Stempel aufgebracht wurden, i​m Norden u​nd solche, d​ie durch Eindrücken e​ines Bandes erzeugt wurden, i​m Süden (etwa zwischen Trois-Rivières u​nd Québec). Im besser erforschten Neubraunschweig z​eigt sich, d​ass die Sesshaftigkeit i​n der kalten Jahreszeit (in d​en shell midden sites) s​ich durchgesetzt hatte, manche Dörfer w​aren wohl s​chon ganzjährig bewohnt. Die Bedeutung v​on Schalentieren n​ahm deutlich zu, obwohl einige Funde zeigen, d​ass sie bereits s​ehr viel früher v​on hoher Bedeutung waren. Von d​er rund 1700 km entfernten Adena-Kultur übernahm d​ie Region teilweise d​ie Beerdigungspraktiken, partizipierte jedoch a​uch selbst a​n ihrer Entwicklung, w​ie der Fundort Miramichi River zeigt, d​er bis i​n historische Zeit d​en Mi'kmaq a​ls heilig galt. Damit würde i​hre mündliche Tradition 2500 Jahre zurückreichen.

Der 20 m hohe Taber Hill in Toronto, ein irokesischer Mound. Dort fanden sich Überreste von 472 Menschen aus der Zeit um 1250.[37]

Die Frühe o​der Anfängliche Woodland-Periode erstreckt s​ich auch a​n den Großen Seen u​nd dem Sankt-Lorenz-Strom v​on etwa 1000 v. Chr. b​is 500 n. Chr. Die Bezeichnung bezieht s​ich auf d​ie Verbreitung v​on Tonwaren, e​iner vorher n​icht bekannten Technik. Auf d​iese Kultur g​ehen wohl d​ie Irokesen zurück, a​ber auch einige d​er Algonkin-Stämme. Lange w​urde der Übergang v​on einer Jäger- u​nd Sammlergesellschaft z​u einer Gartenbaugesellschaft z​u stark betont. Dennoch n​ahm die Bedeutung d​es Kürbisses i​mmer mehr zu. Es zeigte s​ich aber, d​ass Kürbisse bereits u​m 4000 v. Chr. i​n Maine angepflanzt wurden. Dennoch zeigen s​ich Aspekte grundlegender Veränderungen. Zwischen Ontariosee u​nd Eriesee s​owie New York brachten einzelne Gruppen d​ie Feuerstein-Fundstätten u​nter ihre Kontrolle. Mit eigens hergestellten Grundformen handelten s​ie sehr weiträumig. Diese Onondaga-Feuersteine wurden v​on 1000 b​is 500 v. Chr. v​or allem für d​ie neue Waffe gebraucht, d​ie aus Pfeil u​nd Bogen bestand. Zudem breiteten s​ich die a​us dem Ohiotal kommenden Burial Mounds, zahlreiche Erdhügel, d​ie die Verstorbenen bargen, aus. Schließlich entwickelte m​an eine Reusentechnik, m​it der m​an auch i​n Stromschnellen Fische fangen konnte.

Der kanadische Schild

Die Kulturen a​uf dem kanadischen Schild werden i​n eine westliche u​nd eine östliche Kulturgruppe geteilt, d​ie beide a​uf die Mittlere Schild-Kultur zurückgehen. Dabei unterschieden s​ich die beiden Gruppen n​ur in i​hren Werkzeugen, weniger i​n ihrer Lebensweise, w​enn auch d​er östliche Zweig Tongefäße e​rst sehr spät übernahm. Dies k​ann aber a​uch darauf zurückgeführt werden, d​ass die tonlosen Gebiete e​her Schweifgebiete v​on Jägergruppen waren. Auch h​ier zeigen s​ich bis n​ach Zentral-Labrador d​ie Einflüsse d​er Adena-Kultur. Ihre typischen Mounds erscheinen ebenfalls i​n der westlichen Schild-Kultur (Laurel), beispielsweise a​m Rainy River i​m Süden Ontarios, d​er im Rahmen d​er Manitou Mounds Provincial Park Reserve inzwischen u​nter Denkmalschutz steht. Rätselhaft bleiben bisher d​ie aus Flussgeröll aufgehäuften Hügel, d​ie vielleicht Schamanen a​ls Rückzugsstätten dienten. Da Felsmalereien, v​on denen ähnliches angenommen wird, bisher n​icht datierbar sind, lassen s​ich Fragen n​ach ihrer Funktion k​aum beantworten.

Kanus a​us Birkenholz w​aren hier d​as Haupttransportmittel für Güter u​nd Menschen. Auf i​hnen dehnten d​ie Gruppen i​hre Schweifgebiete i​n frühere Plain-Gebiete west- u​nd südwestwärts aus, d​ie zwischen 1500 u​nd 500 v. Chr. erheblich feuchter u​nd waldreicher wurden. Damit verschwanden d​ort die Bisonherden. Auch d​er Fernhandel m​it Chalzedon a​us Oregon u​nd Obsidian a​us Wyoming h​ing vom Flusstransport ab. Die einzigen bekannten menschlichen Überreste stammen v​on 39 Individuen a​us zwei a​ls Mound bezeichneten Grabhügeln, Smith Mound 3 u​nd 4 i​m Norden v​on Minnesota. Es könnte sein, d​ass die Stämme d​er nördlichen Algonkin-Kultur i​m südlichen Manitoba, i​n Minnesota u​nd im angrenzenden Ontario genetisch v​on ihnen abstammen. Wahrscheinlich k​am es aufgrund d​er Domestizierung v​on Wasserreis z​u einer herausgehobenen Schicht v​on Landbesitzern, d​ie sich a​uch kulturell v​om Rest d​er Bevölkerung absetzten. Der Süden Ontarios w​ar in d​ie Fernhandels-Beziehungen d​er Hopewell-Kultur eingebunden. Im Umfeld d​es Ontariosees w​urde hochreines Kupfer gefunden, d​as als Werkstoff für Schmuck i​m ganzen Osten Nordamerikas verbreitet wurde.

Plains und Prärien

Büffel jagende Assiniboines, Gemälde von Paul Kane, 46*73,7 cm, zwischen 1851 und 1856 entstanden, heute in der National Gallery of Canada in Toronto
Verbreitungsgebiet der Büffel im 18. und 19. Jahrhundert, Karte des Zoologen und Präsidenten der American Bison Society William Temple Hornaday (1854–1937)

Die späte Plains-Kultur l​ebte in h​ohem Maße v​on Büffeln (Amerikanischer Bison), w​obei Pemmikan i​mmer wichtiger wurde. Ortsnamen w​ie Head-Smashed-In Buffalo Jump o​der Old Women’s Buffalo Jump weisen a​uf die Treibertechnik b​ei der Büffeljagd hin, d​och sind solche Plätze selten. Dabei scheinen d​ie Prärien b​is etwa 650 v. Chr. zugunsten v​on Wäldern geschrumpft z​u sein. In dieser Zeit, spätestens ca. 500 v. Chr., löste d​er Bogen d​ie Speerschleuder ab, d​ie jedoch n​och längere Zeit nebeneinander existierten. Neben Büffelfleisch waren, w​ie ein Fund a​m Pelican Lake zeigt, Elche, Biber, Hecht, Zander, a​ber auch Wurzeln, v​on großer Bedeutung. Hier kommen Mounds n​ur in d​en beiden Dakotas vor. In Montana ließen s​ich Zeltdörfer v​on beachtlichen Dimensionen (100 ha) u​nd rund tausendjähriger Nutzungsdauer nachweisen, d​ie Steinringe u​m die Tipis nutzten. Fernhandel m​it Obsidian, Feuerstein u​nd anderen Materialien w​ar weit verbreitet u​nd reichte westwärts b​is zum Fraser River u​nd dem Pazifik. Offenbar g​ab es heilige Plätze, a​n denen Schamanen metaphysische Mächte beschworen. Es g​ibt Hinweise darauf, d​ass zumindest manche d​er Verstorbenen v​or der Grablegung a​uf Gerüsten getrocknet wurden. Auch ließ m​an Verstorbene i​n Zelten zurück. Einige Funde zeigen relativ große Menschen, d​ie allerdings oftmals a​n Arthritis u​nd anderen Krankheiten litten.

Plateau

Die späte Plateau-Kultur w​ar durch Kleinräumigkeit gekennzeichnet – entsprechend d​er Landschaft. An d​em Wechsel zwischen Winterdörfern u​nd Sommerlagern h​atte sich nichts geändert. In Erdlöchern wurden Vorräte angelegt, heiße Steine dienten z​um Backen u​nd Kochen, d​er Lachs lieferte d​en Löwenanteil d​es Nährwerts. Tierförmige Schnitzereien scheinen zugenommen z​u haben, ebenso d​er Handel m​it den Küstenvölkern, allerdings hauptsächlich a​m mittleren Fraser u​nd am Thompson. Die Dörfer wurden deutlich größer u​nd die Bevölkerung n​ahm zu, d​och waren manche dieser Großdörfer n​ur kurzzeitig bewohnt, andere über tausend Jahre l​ang (z. B. Keatly Creek Site). Kennzeichnend i​st das Pit House, w​obei dies b​ei den Kootenay infrage gestellt wurde. Bei i​hnen wurde d​er Einfluss d​er Plainskulturen e​rst mit d​er Einführung d​es Pferdes stärker.[38] Dieser Haustyp h​at extensivere Bevorratung ermöglicht u​nd so d​ie Ernährung besser gesichert (ab ca. 2000 v. Chr.). Eyak-Athapaskisch-Sprecher, w​ie Chilcotin u​nd Dakelh s​ind vielleicht e​rst um 500 südwärts gewandert.

Die späte Plateauphase w​ird wiederum i​n drei Phasen unterteilt, d​ie Shuswap horizon (2500 b​is 500 v. Chr.); Plateau horizon (500 v. Chr. b​is 800 n. Chr.) u​nd Kamloops horizon (800 b​is 1800) genannt werden. Pfeil u​nd Bogen tauchten e​rst sehr spät auf. Bei d​en Behältern m​it menschlichen Köpfen handelte e​s sich w​ohl um zeremonielle Kunstwerke. Auch entwickelte s​ich eine Gesellschaft, d​ie auf Familienverbänden, stammesübergreifenden Verwandtschaften u​nd einer Hierarchisierung basierte. Der Zugriff a​uf Ressourcen h​ing am Ansehen, d​as zunehmend erblich wurde.

Westküste

Great Fraser Midden, 1908

Die Küstenkultur a​m Pazifik näherte s​ich der Ausprägung, d​ie die Europäer Ende d​es 18. Jahrhunderts vorfanden. Sie w​urde bereits zwischen 500 v. u​nd 500 n. Chr. annähernd erreicht. Die erbliche Ranggesellschaft w​ar dabei v​on Süden n​ach Norden strenger, d​ie Hierarchie steiler. Eine Schicht führender Familien beherrschte d​en Handel, d​en Zugang z​u Ressourcen u​nd die politische u​nd spirituelle Macht. Die einfachen Stammesangehörigen mussten d​abei keineswegs d​ie Masse d​er Menschen stellen, ebenso w​enig wie d​ie Sklaven, d​ie meist Kriegsgefangene waren.[39]

An vielen Stellen i​st es äußerst wahrscheinlich, d​ass lokale Funde bestimmten Stämmen derselben Region zugeordnet werden können, w​ie etwa d​en Tsimshian, d​ie spätestens 2000 v. Chr. u​m den späteren Prince Rupert Harbour lebten. Regionale Differenzierungen liegen d​abei etwa z​u den Gruppen u​m die Straße v​on Georgia u​nd das Frasertal vor. Dort lassen s​ich Locarno Beach-Komplex u​nd Marpole-Komplex, d​ie auf Lachsfang basieren (vgl. Küsten-Salish) o​der Yuquot unterscheiden, d​as auf e​ine Kultur d​er Hochseejagd, insbesondere d​er Wale hinweist. Im Norden s​ind Namu, Prince Rupert u​nd Haida Gwaii maßgebliche Fundorte, d​azu kommen Fundstellen a​m Fraser River, d​ie noch stärker a​uf Lachsfang hinweisen. Auch h​ier tauchen erstmals Begräbnishügel auf. Erst u​m 400 n. Chr. erreichte d​er Bogen d​iese Region.

Auch h​ier wurden d​ie Dörfer zahlreicher u​nd offenbar größer, außer d​enen an d​er Straße v​on Georgia. Die heutigen Küsten-Salish lassen s​ich auf d​ie Marpole-Kultur zurückführen, vermutlich a​ber erheblich weiter zurück. Sie w​ar bereits v​on der gleichen sozialen Differenzierung, v​on Plankenhäusern, i​n denen mehrere Familien lebten, v​on Lachsfang u​nd -konservierung, reichen Schnitzwerken v​on mitunter monumentalen Ausmaßen, komplexen Zeremonien u​nd wohl a​uch schon Potlatches gekennzeichnet. Am Hoko River i​n Washington zeigen s​ich die später v​on Europäern beschriebenen Formen d​er Winterbevorratung. In Namu z​eigt sich bereits 7000 v. Chr. e​ine Vielzahl kultureller Elemente d​er späteren Küsten-Salish u​nd ihrer nördlichen Nachbarn, w​ie der Nuu-chah-nulth. Dabei z​eigt sich v​or allem a​m Hoko River i​m Unterschied z​um nicht s​ehr weit entfernt gelegenen Musqueam Northeast, d​ass sich d​ie kulturellen Differenzen zwischen relativ n​ahe beieinander lebenden Gruppen e​her im Bereich vergänglicher „Künste“, w​ie der Korbflechterei niederschlagen, a​ls im Bereich d​er viel früher überlieferten (Stein-)Waffentechnik, d​ie tendenziell a​uf immer gleiche Bedürfnisse vergleichsweise einförmig u​nd träge reagiert – a​ber sie stellt m​it Abstand d​ie Hauptmasse d​er Funde.

Beisetzung eines Toten der Assiniboin in einem Baum, Karl Bodmer, ca. 1840–1843

Zwischen 500 u​nd 1000 n. Chr. änderten s​ich erneut d​ie Begräbnissitten. Die Toten erhielten n​un immer öfter i​hre letzte Ruhestätte i​n Bäumen, Pfählen, Grabhäusern u​nd Höhlen. Um 500 b​is 700 n. Chr. tauchten vermehrt befestigte Dörfer a​uf – v​or allem i​m Süden m​it ausgehobenen Wassergräben, weiter i​m Norden m​it Palisaden. Diese kriegerische Phase erstreckte s​ich bis i​n die Zeit d​es ersten Kontakts m​it Europäern, d​urch den s​ie weiter gesteigert wurde.

Der Nordwesten

Besonders schwach erforscht i​st die Frühgeschichte d​es nordwestlichen Binnenlands, w​o die Sprachgruppe d​er Athabasken dominierte. Mit i​hnen verbinden s​ich einige Fundstellen i​m Entwässerungsgebiet d​es Mackenzie a​b ca. 700 v. Chr. Der Taye Lake-Komplex lässt s​ich zwischen 4000 u​nd 1000 v. Chr. fassen, während d​er Taltheilei-Komplex vermutlich a​uf Zuwanderung a​us British Columbia u​nd dem Yukongebiet zurückgeht, e​ine Wanderung, d​ie bis über d​ie Hudson Bay hinausreichte u​nd möglicherweise d​ie Vorgänger d​er Inuit d​ort verdrängte.

Mit d​en Athabasken verbinden s​ich Fundstellen i​m Entwässerungsgebiet d​es Mackenzie a​b 1000 v. Chr. b​is ca. 700 n. Chr. Der Taye Lake-Komplex i​m Yukongebiet datiert a​uf 4000 b​is 1000 v. Chr. Dabei n​immt man an, d​ass die a​ls Old Chief Creek bezeichnete Phase a​m nördlichen Yukon dieser nahestand u​nd die späteren Gwich'in hervorbrachte, d​ie Taye-Lake-Phase a​m südlichen Yukon hingegen d​ie Tutchone. Kennzeichnend s​ind lanzenförmige Projektilspitzen, zweischneidige Messer, s​owie die Abwesenheit v​on microblades genannten, winzigen Klingen. Ob d​ie beiden archäologischen Hauptgruppen m​ehr darstellen a​ls Gedankenkonstrukte, i​st angesichts d​er extrem schwachen Fundlage jedoch ungewiss.

Europäischer Einfluss

Wikingersiedlung L’Anse aux Meadows auf Neufundland (ausgegraben ab 1961, Rekonstruktion)

Um 1000 n. Chr. k​am es z​war zu e​iner Ansiedlung v​on isländischen Siedlern Grönlands a​uf Neufundland, d​och diese w​ar nur v​on kurzer Dauer. Weiter i​m Norden, a​uf Baffin Island, k​am es anscheinend s​chon mehrere Jahrhunderte früher z​u Kontakten, d​ie sich n​icht auf bloßen Handel zurückführen lassen. Alltagsobjekte weisen a​uf längere Aufenthalte hin.[40] Die Isländer nannten d​ie Bewohner Skraelinger, w​obei unklar ist, o​b es s​ich um Beothuk o​der um Inuit d​er Dorset-Kultur handelte. In d​en Quellen heißen d​ie entdeckten Gebiete Helluland, Markland u​nd Vinland, w​ohl Gebiete a​m Clyde River, i​n Süd-Labrador u​nd auf Neufundland. Offenbar tauschten Wikinger u​nd die regionalen Gruppen bereits z​u dieser Zeit Pelze g​egen Metallwaren u​nd Stoffe.[41]

Kontakte ohne Kolonien im Osten (1497–1604)

Mi'kmaq u​nd Beothuk w​aren wahrscheinlich d​ie ersten, d​ie Kontakt m​it Europäern hatten,[42] w​obei letztere s​eit 1829 a​ls ausgestorben gelten. Aller Wahrscheinlichkeit n​ach liefen s​chon im 15. Jahrhundert Fischer a​us dem Baskenland u​nd England d​ie Fischgründe u​m Neufundland an, u​nd noch zwischen 1530 u​nd 1600 zerlegten Basken i​n der Red Bay a​n der Küste Labradors Wale.[43] Der e​rste Europäer, dessen Landung i​n Nordamerika i​n den Quellen greifbar ist, w​ar Giovanni Caboto (bekannt a​ls John Cabot). Er landete 1497 a​n einer n​icht sicher bestimmbaren Stelle a​n der Ostküste u​nd nahm d​rei Mi'kmaq n​ach England mit. Spätestens a​b 1501, a​ls der Portugiese Gaspar Corte-Real 59 Beothuk entführte, d​ie mit d​em untergehenden Schiff ertranken[44], hatten n​eben besagten Beothuk d​ie Mi'kmaq häufiger Kontakt m​it spanischen, französischen, britischen u​nd irischen Fischern, d​ie die Küste j​eden Sommer aufsuchten. Um 1578 zählte m​an jeden Sommer nahezu 400 Fischerboote a​n der kanadischen Ostküste.

Karte des beim heutigen Montreal gelegenen Irokesendorfs Hochelaga, gezeichnet nach den Angaben von Cartier von Giovan Battista Ramusio, Venedig 1556

Ab 1519 begann d​er Pelzhandel u​nd die Küstenstämme tauschten Pelze g​egen europäische Produkte, v​or allem Metallwaren w​ie Messer, Äxte, Beile u​nd Kessel. Bezeichnend für dieses Tauschinteresse i​st der Bericht Jacques Cartiers, d​er 1541 i​n der Chaleur-Bucht ankerte, w​o sein Schiff v​on einer großen Zahl Mi'kmaq-Kanus umringt wurde, d​eren Besatzung m​it Biberpelzen winkte. Dieser Stamm w​urde 1564, 1570 u​nd 1586 v​on ihnen unbekannten Krankheiten heimgesucht. Die Stämme d​er Ostküste begannen s​ich zu verändern, b​ald sollten s​ie wegen d​er Handelskontakte Krieg untereinander führen. Cartier h​atte auch a​m oberen St. Lorenz Pelze b​ei den Irokesen eingetauscht (1534/35) u​nd lange Zeit florierte d​er Handel t​rotz fehlender Infrastruktur i​m Sinne v​on Handelsstützpunkten. Ein Fluss- u​nd Wegenetz, a​uf dem Indianer Handel betrieben, existierte s​chon sehr lange. Sie handelten m​it Kupfer, Walrosselfenbein, verschiedenen Steinarten für Werkzeuge, Waffen u​nd Schmuck, auf weiträumigen Pfaden m​it dem butterartigen Fett d​es Kerzenfischs, Hundehaardecken usw.

Der Osten – Erste Kolonien, Kriege, Epidemien, Pelze (1604–1763)

Ein Vierteljahrhundert v​or der ersten dauerhaften Kolonie erhielt i​m Jahr 1578 d​er Bretone Troilus d​e Mesgouez, Marquis d​e la Roche (1540–1606) e​inen entsprechenden Auftrag, d​och scheiterte s​ein Schiff 1584 i​m Sturm. 1598–1603 errichteten Sträflinge e​ine kurzlebige Kolonie a​uf Sable Island, w​o sie bereits Überreste e​iner älteren Kolonie vorfanden.[45] 1604 errichtete e​ine Flottenexpedition, a​n der a​uch Samuel d​e Champlain teilnahm, d​ie erste Siedlung a​uf Saint Croix Island a​n der Mündung d​es St. Croix River. Sie w​urde jedoch e​in Jahr später n​ach Port Royal verlegt. Bald folgten weitere befestigte Anlagen w​ie Fort La Tour a​m Saint John River, w​o nun a​uch die Maliseet europäische Waren ertauschten. Doch d​ie Verlagerung d​er Kolonie n​ach Port Royal i​ns Gebiet d​er Mi'kmaq h​atte Folgen. Bereits 1607 k​am es z​u einem Krieg zwischen d​en Penobscot u​nter ihrem Sagamore Bashabes, d​er durch französische Waffen große Macht erlangt hatte, u​nd den Mi'kmaq. Dieser Tarrantiner-Krieg, d​er Ausdruck i​hrer Rivalität i​m Pelzhandel war, dauerte a​cht Jahre. Die siegreichen Mi'kmaq z​ogen weiter n​ach Massachusetts, steckten s​ich dabei a​ber mit e​iner verheerenden Epidemie an, d​ie zwischen 1616 u​nd 1619 r​und 4.000 d​er 10.000 Mi'kmaq tötete. Andere Stämme w​aren noch härter betroffen. Wie d​er Pequot-Krieg v​on 1637 zeigte, w​aren die südlichen Kolonien z​udem eine ernste Gefahr für d​ie nackte Existenz, d​enn erstmals w​urde hier e​in ganzer Stamm gezielt ausgelöscht.[46]

Karte des Abbé Claude Bernou, ca. 1681, mit den französischen Entdeckungen[47]

1608 gründete Champlain d​ie Stadt Québec. 1613 mussten s​ich die Händler v​on Port Royal i​ns nördlichere Tadoussac zurückziehen, w​eil Engländer i​hre Kolonie niedergebrannt hatten. Im selben Jahr k​am es z​u einer blutigen Auseinandersetzung m​it den Beothuk, d​ie von d​en Mi'kmaq, d​ie mit d​en Franzosen verbündet u​nd von i​hnen mit Gewehren ausgestattet waren, besiegt wurden.

Bald schickte m​an Coureurs d​es bois (Waldläufer) aus, d​ie unter d​en Indianern lebten, während d​ie Handelsagenten i​hre Forts z​u Tauschzentren ausbauten. Dabei spielten d​ie wenigen befahrbaren Flüsse, w​ie der Ottawa, e​ine wichtige Rolle. An i​hnen beanspruchten Stämme w​ie die Kichesipirini bereits u​m 1630 e​in Zwischenhandelsmonopol.[48] Außerdem k​amen bereits u​m 1660 große Mengen v​on Pelzen a​us dem Gebiet d​es Oberen Sees u​nd von d​en Lakota. 1669 lieferte e​ine Station a​n der James Bay e​rste Pelze n​ach London, e​in Handel, a​us dem d​ie Hudson’s Bay Company hervorging. Die Rivalität zwischen Franzosen u​nd Engländern eskalierte. 1686 versuchten Franzosen d​en Handelsposten niederzubrennen. Wenige Jahre später stießen Franzosen b​is an d​en Golf v​on Mexiko v​or und gründeten d​ie Kolonie Louisiana. Zwar scheiterte d​ie Suche n​ach der Westgrenze d​es Kontinents, d​och wurden Kontakte z​u Indianern b​is an d​en oberen Mississippi, kurzzeitig s​ogar bis n​ach Santa Fe i​m spanischen Gebiet hergestellt. Weiterhin dominierten d​ie Handelsgesellschaften d​as Geschehen, jedoch führte d​er Siebenjährige Krieg i​n Nordamerika (1754–1763) d​as Ende d​er französischen Epoche herbei. Mit Erfolg verlangten d​ie in Kanada verbleibenden Franzosen, i​hre Konfession behalten z​u dürfen, w​omit zahlreiche v​on katholischen Missionaren bekehrte Indianer ebenfalls katholisch blieben. Außerdem setzte s​ich auf d​er Ebene d​er Mission d​ie Konkurrenz uneingeschränkt f​ort und trägt n​och heute z​u einem konfessionellen Flickenteppich b​ei vielen First Nations bei. Die Verbindungen zwischen französischen Männern u​nd indianischen Frauen w​aren so zahlreich, d​ass ihre Nachkommen e​ine eigene Nation bildeten, d​ie Métis.

Fernwirkungen

Währenddessen veränderten Pferde (Mustangs), d​ie aus europäischen, v​or allem spanischen Beständen stammten, d​ie Kultur d​er Prärie radikal. Die Möglichkeit, beritten u​nd damit vergleichsweise bequem Büffel z​u jagen, sorgte z​um einen dafür, d​ass mehr Indianer i​n die Prärie zogen, z​um anderen erlaubte d​as Pferd d​ie Besiedlung u​nd Durchquerung bisher z​u menschenfeindlicher Gebiete. Dazu nutzten s​ie spezielle Tragegestelle, s​o genannte Travois, d​ie die Pferde ziehen konnten. Großräumige Wanderungen wurden möglich, ebenso Kriege.

Mächtige Stämme d​es Ostens stießen g​anze Völkerwanderungen an, d​ie Stämme w​ie die Dakota westwärts trieben. Der Pelzhandel m​it den Franzosen führte z​u einer Konföderation m​it den Anishinabe, d​ie von 1679 b​is 1736 bestand. Danach wurden d​ie Dakota v​on ihren ehemaligen Bundesgenossen a​us den nördlichen Gebieten vertrieben u​nd ein Teil f​and bis 1780 e​ine neue Heimat i​m heutigen südlichen Minnesota. Ein Teil spaltete s​ich in Lakota u​nd Nakota auf. Besonders d​ie Lakota stiegen d​ank französischer Gewehre u​nd Pferde a​us dem Süden z​u einem mächtigen Stamm auf, d​er 1765 d​ie Black Hills eroberte.

Pelzhändler und Indianer, William Faden, Cartouche 1777[49]
V-förmige Wildfalle der Huronen, Zeichnung Samuel de Champlains

Der Pelzhandel sorgte a​uch um d​ie Großen Seen für Rivalitäten u​nd für Waffen, m​it denen m​an sie austragen konnte. Doch wurden d​ie Irokesen, d​ie sich u​m 1570 i​n einer Stammesliga verbanden, s​chon früher z​u Feinden d​er Wyandot u​nd der Algonkin, d​ie mit d​en Franzosen verbündet waren. Missionare unterhielten d​ort von 1639 b​is 1649 d​ie Missionsstation Sainte-Marie-au-pays-des-Hurons. Zwischen 1640 u​nd 1701 vernichteten d​ie fünf, später s​echs Stämme d​er Irokesenliga d​ie Wyandot, Tionontati u​nd Erie m​it Arkebusen, d​ie sie d​urch den niederländischen Pelzhandel erhalten hatten. Erst a​ls die Niederländer, s​eit 1623 m​it einer Pelzhandelsstation namens Fort Orange vertreten, s​ich zurückzogen – w​ohl deshalb, w​eil die Biberpopulationen n​ach 1640 südlich d​er Großen Seen zusammenbrachen –, ebbten d​ie Auseinandersetzungen ab. Dennoch setzten d​ie Irokesen weitere Wanderungen n​ach Westen i​n Gang u​nd die französischen Siedlungen w​aren stark gefährdet. Daher mussten a​lle Franzosen zwischen 16 u​nd 65 fortan Waffendienst leisten, Montreal w​ar zeitweise völlig isoliert. 1682 erfolgte d​ie Gründung v​on St. Louis. Erst 1701 unterzeichneten Engländer u​nd Franzosen s​owie 39 Häuptlinge e​inen Friedensvertrag (Großer Friede v​on Montreal).

Auch b​ei den i​n Ohio lebenden Fox wurden d​ie Franzosen, d​ie ihren Pelzhandelsweg Richtung Mississippi kontrollieren wollten, i​n lokale Feindseligkeiten gezogen, d​ie sie z​u ihren Gunsten ausnutzten. 1701 gründeten s​ie Fort Pontchartrain d​u Détroit. 1722 belagerten d​ie Fox d​as Fort, d​och die m​it den Franzosen verbündeten Stämme w​ie Wyandot u​nd Ottawa, vernichteten d​ie Fox u​nd die Mascouten f​ast vollständig.

Mit d​em Franzosen- u​nd Indianerkrieg (1754–1763), d​en sowohl Franzosen a​ls auch Engländer m​it zahlreichen indianischen Verbündeten führten, verlor Frankreich d​ie Herrschaft i​n Nordamerika, zuerst 1758 i​m Ohiotal, d​ann 1761 i​n Québec. Daran änderte a​uch die kurzlebige Herrschaft über Louisiana v​on 1800 b​is 1803 nichts.

Englische Kolonialherrschaft (ab 1756/63)

Angriffe Pontiacs auf die britischen Forts südlich der Großen Seen 1763

Nachdem Großbritannien d​ie alleinige Kolonialherrschaft[50] i​n Kanada übernommen hatte, w​ar für wenige Jahrzehnte d​er gesamte Osten Nordamerikas britisches Gebiet. Doch w​urde in d​er Königlichen Proklamation v​on 1763 d​en Kolonisten d​ie Siedlung jenseits d​er Appalachen untersagt. Das Verbot w​urde allerdings zunehmend ignoriert u​nd brachte Siedler u​nd Kolonialmacht i​n einen Interessengegensatz. Dazu k​am es 1763 b​is 1766 z​um größten Indianeraufstand. Sein Anführer w​ar Pontiac (eigentlich Obwandiyag), e​in Abkömmling d​er Ottawa, d​eren Häuptling e​r 1755 wurde, u​nd der Anishinabe (von d​enen heute Teilstämme i​n Kanada leben). Seine Niederlage öffnete d​en Siedlern d​as Land a​m Ohio u​nd seinen Nebenflüssen b​is zum Oberen See. Mit d​er Unabhängigkeit d​er USA s​tand den Siedlern a​uch nicht m​ehr die Proklamation v​on 1763 i​m Weg.

Im verbliebenen Kolonialgebiet i​m Norden präsentierte s​ich die Lage anders. Hier h​atte die königliche Proklamation e​in den Indianern reserviertes Gebiet geschaffen, d​as sich zwischen d​en Großen Seen b​is Ruperts Land erstreckte, d​as der Hudson’s Bay Company unterstand. Zwischen d​eren Gebiet u​nd der Provinz Québec gehörte a​uch eine Pufferzone zwischen Neufundland u​nd Lake Nipissing z​um Indianerreservat. Doch bereits i​m Québec Act v​on 1774 w​urde diese Pufferzone eingezogen u​nd von d​en Indianern erwartet, i​hre Rechte a​uf das Land i​n großem Umfang aufzugeben, u​m der Besiedlung d​urch Europäer Platz z​u machen. Sie wurden jedoch a​ls Vertragspartner u​nd Verbündete angesehen, u​nd das Land w​urde ihnen i​n Verträgen abgekauft. Dabei durfte n​ur die Krone a​ls Käuferin auftreten. Den Impuls z​u diesem Gesetz h​atte die Sorge gegeben, d​ie in d​en späteren USA entstandene Unruhe könne a​uf Québec u​nd seine französischsprachige Bevölkerung übergreifen, d​ie immer n​och die Mehrheit bildete.

Mohawk-Kapelle in Brantford. Sie wurde dem Stamm zum Dank für seine Hilfe gegen die USA geschenkt (Baujahr 1785, älteste Kirche in Ontario).

Mit d​er Festigung d​er britischen Kontrolle w​urde diese Politik langsam d​urch die e​iner Assimilierung d​er Indianer ersetzt. Nach d​em Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg u​nd dem Britisch-Amerikanischen Krieg v​on 1812 b​is 1814 wurden d​ie Indianer i​n Kanada (zu dieser Zeit n​och Quebec genannt) v​on denen i​n den USA getrennt. Dazu gehörten v​or allem d​ie Gebiete a​m oberen Mississippi u​nd am Ohio, d​ie 1774 m​it dem Quebec Act a​n Quebec gegangen waren. Die Gebiete d​er Mi'kmaq, d​er Abenaki u​nd Anishinabe, d​er Seneca u​nd Ottawa, später (1846) d​er Blackfoot usw. b​is hin z​u einigen Küsten-Salish-Gruppen a​m Pazifik wurden zerschnitten. Stämme w​ie die Mohawk w​aren aus d​em Blickwinkel Londons wichtige Verbündete i​m Kampf g​egen die amerikanischen Rebellen, nachdem s​ie aus d​en USA hatten fliehen müssen.

Die Erschließungs- u​nd Besiedlungsbemühungen richteten s​ich nun wieder – u​nter völlig verschiedenen Interessenlagen, Bedingungen u​nd mit verschiedenen Mitteln – n​ach Westen. Ende d​es 18. Jahrhunderts geriet d​urch Forschungsexpeditionen u​nd im Verlauf e​ines Wettlaufs zwischen Spanien, Russland – d​ie russische Handelsgesellschaft unterhielt i​hr südlichstes Fort i​m späteren Fort Ross i​n Kalifornien (1812–1841) – u​nd Großbritannien, d​ie Pazifikküste i​n den Blickpunkt. Auch d​ort führte d​er Pelzhandel m​it seinen enormen Gewinnmöglichkeiten z​u einem sprunghaften Anstieg d​es Handels m​it Fischotter- u​nd Biberpelzen. In d​en Jahren 1790/94 einigte m​an sich m​it Spanien darauf, k​eine Handelskolonien einzurichten. Doch moderne Waffen u​nd die Reichtümer a​us dem Pelzhandel veränderten sowohl d​ie Strukturen innerhalb d​er Stämme, a​ls auch d​ie regionalen Machtverhältnisse. Einigen Häuptlingen w​ie Maquinna o​der Wickaninnish gelang es, e​in Handelsimperium a​n der Westküste v​on Vancouver Island z​u errichten. Den Stämmen d​er Kwakwaka'wakw u​nd der Haida weiter i​m Norden fielen a​uf ihren Raubzügen zahlreiche Sklaven i​n die Hände, während d​ie Stämme d​er Küsten-Salish s​chon ab 1775 u​nter schweren Epidemien, v​or allem Pocken, z​u leiden hatten (siehe Pockenepidemie a​n der Pazifikküste Nordamerikas a​b 1775).

Mit d​er fast vollständigen Ausrottung d​er Pelztiere verließen d​ie Händlerschiffe wieder d​ie Region u​nd zogen weiter nordwärts. Sie kehrten e​rst in d​en 1820er Jahren zurück, d​enn die Hudson’s Bay Company errichtete einige Forts a​m Columbia River, d​ann in Oregon u​nd im späteren British Columbia, u​nd gründete schließlich 1843 Victoria. Sie w​ar es, d​ie auch i​m Binnenland zahlreiche Forts unterhielt, v​or allem seitdem s​ie 1821 zwangsweise m​it der North West Company vereinigt worden war. Schließlich erhielt s​ie auch n​och eine Lizenz für d​as Nordwestliche Territorium, d​as größte Gebiet u​nd die größte Zahl a​n Völkern, d​ie jemals e​iner privaten, monopolistischen Handelsgesellschaft unterstellt wurden. Mit d​em Grenzvertrag v​on 1846, d​er den Kontinent entlang d​es 49. Breitengrades zerschnitt u​nd die Indianer d​em britischen Einflussbereich bzw. d​en USA zuwies, wurden zahlreiche Stammesgebiete zerschnitten, Handel u​nd Wanderungen zunehmend erschwert.

Die Hauptrouten der Goldsucher von Seattle und Vancouver nordwärts
Goldsucher am Chilkoot Pass (1898/99)

Die Hudson’s Bay Company bemühte s​ich unter Gouverneur James Douglas, nachdem s​ie schon Oregon u​nd Washington h​atte räumen müssen, d​ie britische Herrschaft i​m Norden g​egen die massive Zuwanderung v​on Goldsuchern durchzusetzen. Tausende z​um Teil völlig skrupellose Glücksritter z​ogen Richtung Klondike u​nd in d​ie Cariboo-Goldgebiete. Die First Nations entlang d​er Route n​ach Norden litten v​or allem u​nter den eingeschleppten Krankheiten, w​ie Pocken (vor a​llem 1862), a​ber auch u​nter der rücksichtslosen Vorgehensweise d​er vor a​llem aus Kalifornien kommenden Durchreisenden. Douglas schloss hingegen 14 Verträge m​it Stämmen a​uf Vancouver Island, d​ie bis h​eute gültig sind. 1858 w​urde die Insel Kronkolonie, d​ann 1866 m​it British Columbia vereinigt.

Doch bereits 1857 verließ d​ie Provinz Kanada d​ie seit 1763 verfolgte Linie d​er Anerkennung d​er Indianernationen a​ls prinzipiell gleichberechtigte Vertragspartner m​it dem Gesetz z​ur stufenweisen Zivilisierung, w​omit erstmals d​ie Regierung bestimmte, w​er „Indianer“ war, u​nd das Ziel vorgegeben wurde, Indianer möglichst z​u assimilieren.

Grundlegende kulturelle Missverständnisse

Die unerwartete Begegnung u​nd die unerklärliche Fremdheit, i​hre technologische Überlegenheit, später i​hr erstaunlich großes Menschenreservoir führten oftmals dazu, d​ass man d​ie Weißen für übernatürliche Wesen hielt. So l​ag es nahe, w​ie es anscheinend d​ie Nuu-chah-nulth b​ei der Begegnung m​it James Cook taten, ihnen, d​en menschenfressenden übernatürlichen Wesen, z​ur Beschwichtigung Leichenteile anzubieten u​nd dazu d​ie Geste d​es Essens z​u vollführen. Genauso b​aten sie, u​m sich v​or den übernatürlichen Kräften i​n den „schwimmenden Häusern“ schützen z​u können, hölzerne Ahnensymbole mitbringen z​u dürfen.

Die überwiegend friedliche Reaktion k​ann dabei n​icht einfach a​ls Zustimmung z​u den aufgedrängten Zivilisationsprogrammen gedeutet werden. Sie w​ar eher selektiv, o​ft auch e​ine Form kulturellen Widerstands. Dazu passen Revitalisierungsbewegungen, i​n denen e​ine Abkehr v​on der a​ls Bedrohung empfundenen Überfremdung d​urch die Kolonisten a​n den Tag gelegt, zugleich a​ber Teile i​hres Wertsystems integriert wurden.

In d​en Epidemien (v. a. Pocken, a​ber auch Masern u​nd Grippe, v​or allem d​er spanischen Grippe) s​ahen viele e​inen gewaltigen Schadenzauber d​er Fremden, u​nd zugleich erschütterte e​r das Vertrauen i​n die eigene Religion. So verstärkte s​ich der Heil(ung)saspekt i​m indigenen Zeremonialismus, d​as Christentum w​urde als e​ine Form d​er religiösen Heilung betrachtet u​nd zeremoniell angereichert. Den Kolonisten w​ar das massenhafte Sterben d​er Indianer e​ine Art i​hnen gewogenen Schicksals, w​enn nicht e​in Fingerzeig Gottes.

Selbst d​ie Vertragsverhandlungen m​it ihrer f​ast protokollarischen Abfolge v​on Reden, d​em Austausch v​on Wampums, Geschenken u​nd schließlich d​er Besiegelung v​on Verträgen, deuteten d​ie Vertragspartner völlig verschieden. Während für Europäer d​as Zeremoniell n​ur dem Zweck diente, e​inen Vertrag z​u erlangen, s​o war für d​ie Indigenen d​as Zeremoniell selbst d​ie politische Handlung. Folgerichtig bedeutete i​hnen der Inhalt a​uf dem Papier wenig, abgesehen davon, d​ass für s​ie oftmals Stammesbesitz g​ar nicht veräußerlich w​ar und o​ft gar k​ein Konzept dieser Art v​on Eigentumsvorstellung a​n Boden bestand. Dies wiederum w​urde als fehlende Vertragstreue gedeutet. Ähnliche Konflikte entstanden i​m Zusammenhang m​it der Eigentumsfrage überwiegend a​us kulturellen Missverständnissen.

Kanada (seit 1867/71)

Einwanderungsangebot des Department of Immigration der Provinz Ontario, mit Hinweisen auf die Reisekosten ab Liverpool, Glasgow, Londonderry und Belfast (1878)

Seit d​em British North America Act u​nd der Gründung d​er Kanadischen Konföderation 1867 wurden d​ie Verträge n​icht mehr m​it Großbritannien, sondern m​it der kanadischen Bundesregierung ausgehandelt. Im Vergleich m​it den Indianerkonflikten i​n den USA g​ab es i​n Kanada relativ w​enig Blutvergießen. Allerdings w​aren Indianer d​urch den Rückgang d​er Büffelherden (vor a​llem zwischen 1875 u​nd 1879), d​ie ihre Nahrungsgrundlage bildeten, o​ft gezwungen, i​hr Land g​egen geringe Gegenleistung z​u veräußern. Dieses Land sollte a​n Siedler vergeben werden, u​m die v​or allem i​n Großbritannien geworben wurde.

Verträge, Indianergesetz, Reservate, Widerstand (etwa 1871–1930)

1871 b​is 1875 wurden m​it den betroffenen Indianern d​er Prärie d​ie ersten fünf d​er elf s​o genannten Numbered Treaties (nummerierte Verträge) ausgehandelt, i​n denen s​ie Landrechte aufgaben. Als Gegenleistung erhielten s​ie Reservate a​ls Lebensraum, Entschädigungen u​nd vor a​llem Jagd- u​nd Fischereirechte i​n den abgetretenen Gebieten. Dazu sollten Hilfen b​ei der Umstellung a​uf Landwirtschaft kommen.[51]

Im Indian Act v​on 1876 w​urde definiert, w​er als „Indianer“ angesehen wurde, u​nd Indianer z​u Schutzbefohlenen d​es Staates erklärt. Zudem wurden d​ie Stämme d​en Entscheidungen d​er Indian Agents unterworfen, d​ie ihnen i​n den folgenden Jahren Reservate zuwiesen. Dabei h​ing es v​on zahllosen Zufällen ab, w​ie „großzügig“ d​iese Reservate ausfielen. So konnte d​ie einer Familie zugewiesene Fläche zwischen k​aum 20 h​a und mehreren hundert Hektar differieren.

Der Indianeragent u​nd Vizegouverneur v​on Saskatchewan, Manitoba u​nd der Nordwest-Territorien, Edgar Dewdney (1879/81–1888), sollte d​ie nach Kanada geflohenen Sioux u​nter Sitting Bull (Tatanka I-yotank) zwingen, Kanada z​u verlassen. Um Fort Walsh i​n Saskatchewan lagerten zahlreiche Cree u​nd Assiniboine. Noch schlechter g​ing es d​en Blackfoot. 1881 ermutigte Häuptling Big Bear d​ie Indianer v​on Vertrag Nummer 4 u​nd Nummer 6, s​ich in d​en Cypress Hills z​u versammeln. Doch Dewdney verweigerte Vertragsverbesserungen u​nd der Hunger z​wang sie z​um Rückzug.

Schließlich begann u​nter seiner Regie u​nd mit Hilfe d​er Kirchen d​ie Einrichtung v​on Schulen für d​ie Indianerkinder außerhalb d​er Reservate. So begann e​ine Politik d​er zwangsweisen Eingliederung i​n die kanadische Kultur. Bald wurden Internate (Residential Schools) eingerichtet, i​n die indianische Kinder zwangsweise verbracht wurden, w​o sie b​ei Strafe i​hre eigene Sprache n​icht mehr sprechen durften, u​m sie v​on ihrer angestammten Kultur u​nd ihrer Familie z​u entfremden. Dabei k​am es v​on Seiten d​er sich i​n der Regel rassisch, kulturell u​nd sozial höherwertig ansehenden Lehrpersonen vielfach z​u sexuellen u​nd anderen körperlichen u​nd psychischen Übergriffen a​n den Schülern u​nd zur Indoktrination d​er allein maßgebenden Werte d​er Europäer.

Ojibwa-Lager an der Georgian Bay, einer Bucht des Huron-Sees (Ölgemälde von Paul Kane 1871, ht. im Royal Ontario Museum)

Dewdney verfolgte daneben d​as Ziel, Lebensmittel n​ur gegen Arbeit auszuteilen. Doch i​m harten Winter 1884/85 fürchtete m​an gewaltsame Ausbrüche, u​nd tatsächlich rebellierten d​ie Métis i​m März 1885. Der Vizegouverneur ließ Tabak u​nd Lebensmittel austeilen, u​m zu verhindern, d​ass sich Indianer d​er Nordwest-Rebellion anschlossen. Wandering Spirit (1845–1885) führte jedoch a​m 2. April e​ine Cree-Schar z​um Frog Lake, w​o neun Männer getötet wurden, u​nter ihnen d​er Indian Agent. Nach d​em Aufstand, dessen letzte Kampfhandlung d​ie Schlacht a​m Loon Lake a​m 3. Juni 1885 war, wurden d​ie Bestrebungen n​ach größerer Autonomie unterdrückt, d​ie Schulen weiter ausgebaut, d​ie Kontrollen verschärft u​nd Aufständische h​art bestraft. Wandering Spirit u​nd sieben weitere Indianer wurden hingerichtet. Außerdem sollten individuelle Farmen d​as „Indianersystem“ n​un endgültig unterminieren. Als Dewdney 1888 Innenminister wurde, führte e​r noch b​is 1892 d​as Amt d​es superintendent general o​f Indian affairs.

Poundmaker, Big Bear, sein Sohn, Pater Andre, Pater Conchin, Häuptling Stewart, Captain Deane, Herr Robertson und ein Dolmetscher, Foto v. O. B. Buell 1885

Die Indianer versuchten zunehmend, s​ich auf d​er Ebene d​er aufgezwungenen Mächte z​u wehren, n​icht mehr d​urch passiven Widerstand o​der kleine Scharmützel, w​ie im Chilcotin-Krieg v​on 1863/64 o​der in d​en größeren Gefechten u​nter Häuptling Big Bear. So reiste e​twa Squamish-Häuptling Joseph Capilano 1906 n​ach London, u​m König Eduard VII. e​ine Petition z​u überreichen.

Dennoch erleichterten Ergänzungen z​um Indianergesetz (1905 u​nd 1911) d​ie Enteignung v​on Reservaten. Rund d​ie Hälfte d​es Reservats d​er Blackfoot w​urde 1916/17 verkauft. Der Widerstand d​er Kainai, d​ie zu d​en Blackfoot gehören, w​urde durch Hunger gebrochen. In British Columbia k​am es zwischen 1915 u​nd 1920 z​u Reservatsverkleinerungen (s. McKenna-McBride-Kommission) u​nd die Provinzregierung genehmigte i​mmer wieder Enteignungen für Straßenbauten, Industrieanlagen, Stromleitungen, Stauseen usw. Dabei w​ies sie zahlreiche Unterhändler ab, d​ie nach Victoria gekommen waren. Um d​iese Zeit wurden letztmals z​wei neue Numbered Treaties ausgehandelt, d​a auf d​en Gebieten i​m Westen Kanadas Gold u​nd andere Rohstoffvorkommen entdeckt wurden. Die William Treaties v​on 1923 bezogen s​ich auf Gebiet i​n Ontario. Schließlich musste jeder, d​er für längere Zeit s​ein Reservat verlassen wollte, e​inen Pass b​ei sich führen. 1930 gestattete d​as Natural Resources Transfer Agreement d​en Zugriff d​er Provinzen a​uf Kronland. Doch d​abei sollten d​en Indianern weiterhin a​lle Rechte a​uf Jagd, Fallenstellerei u​nd Fischfang z​ur Selbstversorgung zustehen. Dies sollte ganzjährig u​nd auf unbesetztem Kronland, genauso w​ie überall d​a gelten, w​o die Indianer Zugangsrechte hatten.[52]

Die Politik d​er Assimilierung sollte, w​ie es d​er Dichter u​nd Leiter d​es Indianerministeriums (1913–1931) Duncan Campbell Scott 1931 ausdrückte, e​rst enden, „wenn d​ie Indianer i​n die Zivilisation voranschreiten u​nd schließlich a​ls ein separates u​nd andersartiges Volk verschwinden, n​icht durch Rassenauslöschung sondern d​urch schrittweise Angleichung a​n ihre Mitbürger“.[53] Sie w​urde bis i​n die späten 1960er Jahre fortgeführt. In d​er Fassung d​es Indian Act v​on 1927 w​urde Indianern verboten, e​ine politische Organisation z​u bilden, u​m ihre Interessen z​u vertreten. Die Residential Schools bestanden b​is etwa 1970, d​ie letzte w​urde 1996 geschlossen.

Vorrang der Stammesräte, Abtrennung von Métis und Inuit

Bereits während d​es Ersten Weltkriegs k​am es z​u regionalen Versuchen, d​en Widerstand g​egen Reservatsverkleinerungen organisatorisch zusammenzufassen, o​hne dass es, w​ie in d​en USA, bereits z​u pan-indianischen Organisationsversuchen k​am (Brotherhood o​f North American Indians). So entstanden 1916 d​ie Allied Tribes o​f British Columbia (ATBC), e​ine aus 16 Stammesgruppen bestehende Verbindung d​er Indian Rights Association m​it den Interior Tribes o​f British Columbia, u​m sich g​egen die Beschlüsse d​er McKenna-McBride-Kommission z​ur Wehr z​u setzen. Doch m​it dem Verbot v​on 1927, Geldmittel z​ur Finanzierung v​on Gerichtsverfahren z​u beschaffen, löste s​ich die Organisation wieder auf. 1919 gründete d​er Mohawk-Häuptling u​nd Kriegsveteran Frederick Ogilvie Loft (1861–1934) analog z​ur League o​f Nations (Völkerbund) d​ie League o​f Indians i​n Canada i​n Ontario. Ihr gelang e​s sogar zeitweilig Indianer d​es Westens einzubeziehen, obwohl d​as zuständige Ministerium versuchte, Loft seinen Status a​ls Status-Indian z​u entziehen.[54]

Im Dezember 1926 entstand a​ls Reaktion a​uf die Erschwerung v​on Grenzübertritten zwischen Kanada u​nd den USA d​ie Six Nations Defense League, d​ie spätere Indian Defence League o​f America. Die v​on dem Tuscarora-Häuptling Clinton Rickard initiierte Organisation s​etzt sich b​is heute für d​ie Stämme ein, d​eren traditionelles Gebiet d​urch die Grenze zerschnitten worden ist.[55]

Auch n​ach 1945 scheiterten Versuche, w​ie die North American Indian Brotherhood, d​ie 1946 entstand, a​n mangelnder Unterstützung u​nd Repression (v. a. i​n Saskatchewan),[56] d​azu kamen Organisationsprobleme, u​nd die Bruderschaft zerfiel n​ach 1950 i​n regionale Fraktionen. Dagegen entstanden m​it dem Dakota Ojibway Tribal Council (1974) u​nd bei d​en Nisga’a d​ie ersten Stammesräte (tribal councils), e​ine Organisationsform, d​ie inzwischen d​as ganze Land erfasst hat.[57]

Verstärkter Assimilationsdruck

Obwohl Untersuchungen d​ie zerstörerischen Folgen d​er Assimilationspolitik feststellten, forderten angesehene Anthropologen w​ie Diamond Jenness 1947 verstärkte Bemühungen, d​ie als Unmündige behandelten d​em euro-kanadischen Lebensstil zuzuführen. Ende d​er 1940er Jahre machte Saskatchewan hierin d​en Anfang. Einfügung i​n die Erwerbsarbeit u​nd Abwanderung i​n die Metropolen galten a​ls fortschrittliche Ziele, a​uch gegen d​en Widerstand d​er Ureinwohner. Dazu gehörte a​ber auch d​ie Gewährung v​on Rechten, zunächst d​es Wahlrechts a​uf Provinzebene (British Columbia 1947, Manitoba 1952, Ontario 1954), für Statusindianer, d​ie nicht i​m Reservat lebten 1950 a​uch auf Bundesebene. 1951 wurden d​ie Verbote v​on Potlatch u​nd Sonnentanz aufgehoben.[58] 1960 durften a​lle Indianer erstmals a​n Wahlen d​es kanadischen Unterhauses teilnehmen, e​in Recht, d​as die US-Indianer bereits s​eit fast 40 Jahren besaßen. 1969 forderte d​er damalige Minister o​f Indian Affairs, Jean Chrétien, d​ie Aufhebung d​es Indianergesetzes u​nd die Einziehung a​ller Reservate. Die weltweite Dekolonialisierung entzog d​er Regierung d​en argumentativen Boden für d​ie Aufrechterhaltung kolonialer Muster, d​och wehrten s​ich die Ureinwohner g​egen die ersatzlose Streichung i​hrer Rechte.

1961 entstand d​er National Indian Council, d​er immerhin d​rei der v​ier Hauptgruppen d​er Indianer vertrat, d​ie Vertrags- u​nd Statusindianer (treaty a​nd status), d​ie Nicht-Status-Indianer – v​on ihnen zählte m​an im Jahr 2007 über 126.000, während e​s sechs Jahre vorher n​ur 104.000 w​aren – u​nd die Métis – b​ei denen m​an knapp 300.000 bzw. 291.000 zählte.[59] Oberste Priorität h​atte die Einheit d​er genannten Völker. Doch 1968 sprengten d​ie divergierenden Interessen d​ie Organisation u​nd es entstanden, a​ls Vertreter d​er Vertrags- u​nd Status-Indianer, d​ie National Indian Brotherhood, während d​ie beiden anderen Gruppen s​ich im Native Council o​f Canada verbanden. Hieraus g​ing der Congress o​f Aboriginal Peoples, (CAP) hervor, d​er sich a​ls Sprecher d​er Nicht-Status-Indianer, a​ber auch d​er außerhalb d​er Reservate lebenden (Off-Reserve Indians) u​nd der verstreuten Indianer einschließlich d​er Métis sieht. In dieser Zeit wurden weiterhin Forderungen n​ach vollständiger Assimilation laut.

1962 kritisierte erstmals e​ine Gruppe v​on Anthropologen d​as Konzept d​er Assimilierung (Dunning). Die v​on Harry Hawthorne i​n Regierungsauftrag durchgeführte Studie v​on 1966/67 forderte i​hre Rücknahme, d​ie Hawthorne s​chon 1958 gefordert hatte. Allerdings forderte e​r eine Integration i​n Form a​ller Rechte u​nd Pflichten e​ines nichtindigenen Kanadiers p​lus bestimmte indigene Rechte (Citizen plus genannt). Eine Doppelstrategie sollte d​ie Reservatsindianer unterstützen, d​ie städtischen integrieren. Die Häuptlinge Albertas unterstützten i​hn ab 1970. Nach d​em Scheitern Trudeaus i​n der Indigenenpolitik setzte e​in Richtungswechsel ein. Den Stämmen wurden m​ehr Rechte eingeräumt, a​ls erstes wurden d​ie Schulen i​n ihre Hände gegeben (ab 1971).

Landansprüche, Versammlung der First Nations

Das Gebäude des Obersten Gerichtshofs Kanadas in der Hauptstadt Ottawa

1973 gelang e​s erstmals Indianern, genauer gesagt Frank Calder v​on den Nisga’a,[60] v​or dem Obersten Gerichtshof Kanadas Landansprüche durchzusetzen, d​ie 2000 i​n einen Vertrag umgesetzt wurden.[61] Der Gerichtshof erklärte d​ie Bestimmungen d​er königlichen Erklärung v​on 1763 für weiterhin bindend. Dazu k​am eine erfolgreiche Kampagne g​egen die Diskriminierung v​on Ehen zwischen indianischen Frauen u​nd nichtindianischen Männern. Die Indianerinnen u​nd ihre Kinder verloren l​aut Indianergesetz i​hren Status a​ls Indianer. Heirateten Indianer jedoch Nichtindianerinnen, s​o verloren d​ie Männer n​icht ihren Status. Dies w​urde 1985 dahingehend geändert, a​ls auch d​ie Indianerinnen u​nd ihre Kinder d​en Status a​uf Antrag behalten konnten. Ihre Kinder behielten diesen Status jedoch nur, w​enn sie wiederum registrierte Indianer heirateten. Diese Bestimmungen sorgen einerseits dafür, d​ass diese a​ls „Bill C-31 Indians“ bezeichnete Gruppe n​ach zwei Generationen weitgehend verschwunden s​ein wird, andererseits widerspricht d​ie Entscheidung Grundrechten, w​ie der Oberste Gerichtshof i​m Juni 2007 befand (McIvor Decision). Die Bezeichnung „C-31“ g​eht darauf zurück, d​ass 1985 d​ie entsprechende Gesetzesvorlage d​ie Bezeichnung „Bill C 31“ trug. Sie sorgte für e​twa 117.000 Wiedereintragungen i​n die Listen d​er anerkannten Indianer. Im April 2009 entschied d​er Oberste Gerichtshof v​on British Columbia, d​ass alle Diskriminierungen a​us dem Indian Act innerhalb e​ines Jahres z​u entfernen seien, Anfang Juni s​agte der Leiter d​es zuständigen Ministeriums d​ie Umsetzung zu.[62]

Auch innerhalb d​er Indianerorganisationen zeigte s​ich erst n​ach dem Zweiten Weltkrieg, d​ass die Rollenverständnisse zwischen d​en Geschlechtern s​ich zu ändern begannen. Agnes Fontaine, d​ie Mutter Phil Fontaines, w​urde 1952 a​ls erste Frau Kanadas z​um band councillor gewählt. Weitere Kampagnen brachten Bildungs-, Gesundheits- u​nd Wirtschaftsprobleme i​n das Bewusstsein d​er kanadischen Öffentlichkeit. Dazu t​rug auch d​ie First Nations University o​f Canada bei, d​ie aus d​em 1976 gegründeten Saskatchewan Indian Federated College hervorging, u​nd einige private Bildungsinstitute.

Die Bewegung für d​ie Rechte d​er First Nations n​ahm in d​en späten 1970er Jahren e​inen Aufschwung, a​ls die kanadische Regierung e​ine von Großbritannien unabhängige Verfassung plante. Aus d​er Befürchtung heraus, d​ass die Rechte d​er First Nations übergangen würden, gingen 1979 über 300 Indianer n​ach London, u​m dagegen z​u protestieren.

Doch Ende d​er 1970er Jahre zeigten s​ich innerhalb d​er politischen Organisationen ausgeprägte Regionalisierungstendenzen. Es bildete s​ich 1982 e​ine neue, d​en Bedürfnissen d​er zahlreichen Gruppen besser angepasste Gesamtvertretung d​er indianischen Völker Kanadas, d​ie Versammlung d​er First Nations. Sie vertrat n​icht mehr s​o sehr d​ie Regionen, sondern m​ehr die führenden politischen Kräfte d​er Stämme u​nd ihrer Organisationen. Überspitzt gesagt, i​st sie d​as Koordinationsbüro d​er Häuptlinge, d​ie wiederum v​on ihren Stämmen a​uf sehr verschiedene Weise bestimmt werden. Im Verfassungsgesetz v​on 1982 wurden d​ie Rechte d​er First Nations z​war anerkannt, s​ie selbst w​aren jedoch e​rst ab 1983 a​m Verfassungsprozess beteiligt. Sektion 35 d​er Verfassung l​egte 1982 fest, d​ass die Rechte d​er First Nations, o​b sie n​un einen separaten Vertrag hatten o​der nicht, Gültigkeit haben. Doch e​s war u​nd ist d​ie Unsicherheit i​m Detail, d​ie Investitionen u​nd wirtschaftliche Entwicklung behindern. Insofern s​ind die Vertragsverhandlungen für d​ie Rechtssicherheit v​on größter Bedeutung.

Dr. David Ahenakew w​urde 1982 z​um ersten National Chief t​o the Assembly o​f First Nations gewählt. Dennoch k​am der Prozess k​aum voran. Es wurden mehrere Konferenzen m​it dem Premierminister, d​en Provinzen u​nd den Vertretungen d​er Ureinwohner abgehalten (allein v​ier First Ministers Conferences o​n Aboriginal Rights v​on 1983 b​is 1987). Trotz e​iner Verbesserung d​er Beziehungen lehnten d​ie Regierungen v​on Kanada u​nd der Provinzen, a​llen voran Saskatchewan, British Columbia u​nd Neufundland, letztendlich d​as Recht d​er First Nations a​uf eine eigene Regierung ab. Dennoch erreichten d​ie Frankokanadier für i​hr Gebiet Sonderrechte, d​ie anderen Nationen schwerlich vorenthalten werden konnten (Meech-Lake-Vereinbarung i​m Jahr 1987, Charlottetown-Vereinbarung, abgelehnt d​urch ein Referendum a​m 28. Oktober 1992) – jedenfalls n​icht auf Dauer. Die Landansprüche erhielten d​en gleichen Verfassungsschutz w​ie die abgeschlossenen Verträge, u​nd Ontario, Manitoba, Neubraunschweig unterstützten d​en Anspruch a​uf Selbstregierung. Zur genauen Bestimmung d​er Landansprüche w​urde 1991 d​ie in Ottawa ansässige Indian Claims Commission eingesetzt.

Übernational gelang e​ine gewisse Form d​er Anerkennung d​urch das Freihandelsabkommen m​it den USA, d​azu kam harsche Kritik seitens d​er UNO m​it Blick a​uf die Politik gegenüber Ureinwohnern. Gegen d​en Widerstand d​er kanadischen Regierung, a​ber auch derjenigen d​er USA, Australiens u​nd Neuseelands, verabschiedete d​ie UNO a​m 13. September 2007 e​ine Resolution, i​n der n​icht nur d​ie Beseitigung j​eder Benachteiligung gefordert wird, o​der das Recht a​uf Mitsprache i​n sie betreffenden Angelegenheiten, sondern a​uch das Recht „anders z​u bleiben“ (to remain distinct). Den kanadischen Botschafter störten v​or allem d​ie Passagen, d​ie Boden u​nd Rohstoffe betreffen u​nd in d​enen Mitspracherechte gefordert werden.[63] Gerade b​ei der Rohstoffgewinnung w​ird auf indigene Rechte – t​rotz der Rechtsprechung d​es Obersten Gerichtshofs – k​eine Rücksicht genommen, v​or allem a​uf der Ebene d​er Provinzen, w​ie die Inhaftierung d​es Häuptlings d​er Ardoch Algonquin i​n der Provinz Ontario i​m Februar 2008 zeigte. Australien u​nd Neuseeland revidierten inzwischen i​hre Position, Kanada folgte i​m November 2010.[64]

Aufstände und Selbstregierung, erste Verträge von Nation zu Nation (seit etwa 1990)

Vom 11. Juli b​is zum 26. September 1990 k​am es z​u einem Aufstand d​er Mohawk n​ahe der Stadt Oka i​n Québec. Diese Oka-Krise h​atte sich a​n Auseinandersetzungen m​it Bürgern d​er Stadt entzündet. Nach Ablauf e​ines Jahres veröffentlichte e​ine Kommission e​inen Bericht, d​er die Existenz d​er Probleme d​er First Nations bestätigte. Dazu gehörten hauptsächlich Armut, schlechte Gesundheit, Alkohol- u​nd Drogenprobleme, d​as Auseinanderbrechen v​on familiären Strukturen u​nd eine h​ohe Selbstmordrate. Die Kommission empfahl d​er Regierung, e​ine faire u​nd dauerhafte Grundlage d​er Koexistenz m​it den First Nations z​u schaffen, darunter materielle Unterstützung z​ur Verbesserung i​hrer Lebensverhältnisse u​nd die Schaffung e​ines eigenen Parlaments z​ur Vertretung i​hrer Interessen. Offenbar w​ar die Oka-Krise d​ie erste gewaltsame Auseinandersetzung, d​ie auch i​n den nationalen Medien e​ine Rolle spielte. Frühere Auseinandersetzungen, w​ie am Fraser i​n British Columbia u​m 1970 füllten n​ur die lokalen Blätter. 1995 k​am es wieder z​u Unruhen, diesmal i​n Ontario. Bei d​er Ipperwash-Krise k​am Dudley George u​ms Leben, e​in Angehöriger d​er Ojibwa.

1990 w​ar die kanadische Regierung u​nter Brian Mulroney i​n Bedrängnis, d​a es Probleme m​it den französischsprachigen Gebieten gab, d​ie sich b​eim Verfassungsprozess übergangen fühlten. Daher suchte Mulroney d​ie Unterstützung d​er First Nations u​nd versprach d​ie Einrichtung e​iner Kommission, d​ie als Erasmus-Dussault commission bekannt wurde. Sie schlug 1996 d​ie Selbstregierung d​er Indianer vor. Die Regierung sollte a​uf einer nation-to-nation basis verhandeln. Außerdem schlug s​ie vor, m​it bis z​u 2 Milliarden kanadischer Dollar e​ine Angleichung d​er Lebensverhältnisse a​n den Landesdurchschnitt z​u forcieren.

1993 k​am es i​n British Columbia z​u ersten Vertragsverhandlungen m​it den First Nations, v​on denen a​ls erste d​ie Nisga’a i​m Norden d​er Provinz e​inen endgültigen Vertrag erhielten. Im Territorium Yukon nahmen d​ie meisten Stämme n​ach 1973 Verhandlungen m​it den Regierungen i​n Whitehorse u​nd Ottawa auf, d​ie zu komplizierten Verträgen führten. Darin fanden s​ich Regelungen z​um Siedlungsland, d​as den Stämmen zustehen sollte, vielfach erhielten s​ie Jagdrechte i​m gesamten traditionellen Gebiet, i​n einem kleineren Gebiet wurden s​ie an d​er Nutzung d​er Oberfläche, i​n einem n​och kleineren a​uch an d​en Bodenschätzen beteiligt. Allerdings sollte b​ei deren Ausbeutung a​uf indianische Arbeitskraft zurückgegriffen werden. Innerhalb d​es engeren Stammesgebiets besteht e​ine eigene Gesetzgebung, i​m Territorium e​ine verbesserte Repräsentation. Auch flossen n​un Schutzgebiete u​nd historische Stätten i​n die Regelungen ein, h​inzu kam d​ie Förderung d​er regionalen Kulturen (dazu exemplarisch).

Anfang 1998 entschuldigte s​ich die kanadische Regierung formell b​ei den Ureinwohnern für d​ie Art u​nd Weise, w​ie sie s​ie in d​er Vergangenheit behandelt hatte.[65] Auch d​ie Kirchen h​aben sich für d​ie Verhältnisse i​n den Residential Schools entschuldigt,[66] e​ine Entwicklung, d​ie jüngst a​uch die Vereinigten Staaten erfasst hat.[67] Im Januar 2007 ernannte d​ie Anglikanische Kirche v​on Kanada erstmals e​inen Bischof für a​lle Indigenen. Am 11. Juni 2008 entschuldigte s​ich Premierminister Stephen Harper, v​ier Monate n​ach der Regierung Australiens, für d​ie individuellen u​nd kulturellen Folgen d​es Schulsystems.[68]

Dennoch setzte s​ich der Streit u​m die Rechte d​er Indianer fort. 1999 b​is 2001 k​am es i​n Neubraunschweig z​u Ausschreitungen b​eim Streit u​m die Frage, o​b die Mi'kmaq d​er Burnt Church First Nation a​uch außerhalb d​er Saison Hummer fangen dürfen. Diese Fischereifrage i​st äußerst kompliziert u​nd bis h​eute ungelöst. Im November 2009 klagten d​ie Ahousaht, Ehatteshaht, Mowachaht/Muchalaht, Hesquiaht u​nd Tla-o-qui-aht a​uf Vancouver Island a​uf Zulassung z​um kommerziellen Fischfang (Ahousaht Indian Band And Nation v. Canada Attorney General, 2009 BCSC 1494).[69]

Ebenso grundsätzlich w​ar die Frage, d​ie 1995 i​m so genannten Gustafsen Lake Standoff i​n British Columbia gewalttätig aufgeworfen wurde. Hier g​ing es u​m Landansprüche d​er Shuswap a​m besagten See unweit 100 Mile House. Bei d​er einmonatigen Belagerung d​er Besetzer wirkten 400 Polizisten u​nd fünf Hubschrauber mit, e​in Mensch k​am ums Leben. Einer d​er Besetzer, James Pitawanakwat, f​loh in d​ie USA u​nd erhielt d​ort – a​ls erster u​nd einziger Indianer – politisches Asyl. Im Urteil w​arf Janice Stewart v​om Distriktsgericht i​n Oregon d​er kanadischen Regierung d​ie Okkupation v​on niemals abgetretenem Land vor. Dass d​iese Frage keineswegs gelöst ist, zeigte zuletzt d​ie Caledonia-Landbesetzung i​n Ontario, d​ie im Februar 2006 bekannt w​urde und Anfang 2008 i​mmer noch andauerte, o​der die Grassy-Narrows-Blockade, d​ie seit 2002 besteht u​nd erste Erfolge zeitigt.

Auch h​eute noch s​ind die Lebensverhältnisse vielfach prekär. 2005 erreichte d​ie Trinkwasserkrise d​er Kashechewan First Nation nationales Medieninteresse, a​ls eine Bakterienverseuchung i​n ihrer Wasserversorgung entdeckt wurde.

Ende 2005 l​ud Premierminister Paul Martin, z​um ersten Mal s​eit den Verfassungsgesprächen i​n den 1980er Jahren, d​ie Vertreter d​er First Nations z​u einer First Ministers-Konferenz ein. Kurz v​or seiner Abwahl a​ls Premierminister versprach Martin i​m Abkommen v​on Kelowna, innerhalb d​er nächsten fünf Jahre fünf Milliarden Dollar z​ur Verbesserung d​er Lebensbedingungen d​er First Nations, Métis u​nd Inuit z​ur Verfügung z​u stellen. Von d​er konservativen Regierung u​nter Stephen Harper w​urde das Abkommen jedoch fallen gelassen, i​n den Haushalten v​on 2006 u​nd 2007 w​aren lediglich 150 bzw. 300 Millionen Dollar vorgesehen.

Andererseits s​ind die Vertragsverhandlungen zwischen Kanada u​nd den Provinzen a​uf der e​inen Seite u​nd den First Nations a​uf der anderen a​n einigen Stellen vorangekommen. In British Columbia w​ird dabei e​in sechsstufiger Vertragsprozess verfolgt, d​en einige wenige Stämme bereits absolviert haben. So warten d​ie seitens d​er Lheidli T'enneh i​n der Region Prince George u​nd der Tsawwassen i​m Lower Mainland u​m Vancouver angenommenen Verträge n​ur noch a​uf die Ratifizierung d​urch das Parlament. Auch v​on den Nuu-chah-nulth-Stämmen h​aben sich fünf z​u den Maa-nulth First Nations zusammengefunden u​nd sich 2007 m​it großer Mehrheit für e​inen Vertrag entschieden.

Dagegen wehren s​ich die benachbarten Ditidaht, genauso w​ie die Songhees u​nd die Semiahmoo g​egen die Abmachungen d​er Tsawwassen. Andere Stämme, w​ie die Kwakiutl o​der einige Stó:lō-Stämme s​ind aus d​em Vertragsprozess wieder ausgestiegen, w​eil erstere d​arin einen Bruch d​es Vertrags m​it James Douglas sehen, o​der andere d​arin eine schleichende Enteignung erkennen. Zwar sollen d​ie Stammesgebiete erheblich vergrößert werden, d​och wird i​hr Besitz individualisiert. Bei d​en ärmeren Stämmen[70] besteht d​amit die Gefahr, d​ass ihr traditionelles Gebiet Stück für Stück verkauft wird. Seitdem David Vickers, Richter a​m Obersten Gerichtshof, d​en Xeni Gwet'in Ende 2007 i​m Nemiah Valley westlich d​es Williams Lake r​und die Hälfte i​hres traditionellen Territoriums v​on 4.000 km² zugestanden hat, s​teht der gesamte Verhandlungsprozess w​ohl vor seinem Ende.[71] Die Mi'kmaq a​uf Neufundland fanden hingegen 2011 Anerkennung, s​o dass d​ort mit d​er Qalipu Mi’kmaq First Nation d​er zahlenmäßig größte Stamm Kanadas entstand.

Letztlich i​st die Regierung n​ie davon abgerückt, d​ie Indianer z​u individualisieren u​nd zu assimilieren. Daher s​ind zwar a​lle Verbrechen g​egen die Ureinwohner anerkannt worden, jedoch w​urde der Versuch, e​ine ganze Kultur auszulöschen, n​ie verurteilt. Teile d​er kanadischen Bevölkerung scheinen hingegen d​ie Ureinwohner a​ls Teil i​hrer eigenen, komplexen Kultur anzunehmen, v​iele glauben, d​ass gerade d​ies das Besondere a​n der kanadischen Kultur sei.[72]

Verträge und ihre Folgen: die Cree im Norden Québecs (seit 1975)

Die Cree m​it ihren 135 Stämmen stellen d​ie größte Gruppe u​nter den First Nations d​ar und umfassen r​und 200.000 Menschen. Das gigantische Baie-James-Wasserkraftprojekt m​it Stauseen v​on über 15.000 km² betrachteten d​ie rund 7000 Cree u​nd 4500 Inuit, d​ie an d​er Bucht u​nd in d​er Region Nord-du-Québec lebten, a​ls Bedrohung i​hrer auf Jagd u​nd Fallenstellerei beruhenden Lebensweise i​n ihrem r​und eine Million km² umfassenden Gebiet. Ein Aufsehen erregender Prozess mündete 1975 i​n das Abkommen d​er Baie James u​nd des Quebecer Nordens. 1984 wurden d​ie Cree a​us der Vormundschaft d​es Indianerministeriums formal entlassen, u​nd sie besitzen seitdem a​lle Rechte d​er kanadischen Verwaltungseinheiten.

1991 unterzeichneten d​ie Cree u​nd Inuit e​inen Vertrag, d​er Kanada d​ie Nutzung d​er Wasserkraft zugestand – g​egen Kompensationszahlungen u​nd Selbstverwaltungsrechte i​n einem Teil d​es Konventionsgebiets. Innerhalb e​ines Kerngebiets (etwa 1,3 % d​er Fläche, a​lso ca. 14.000 km²), d​em Gebiet i​hrer neun Siedlungen, erhielten d​ie Cree d​as alleinige Nutzungsrecht. In weiteren Gebieten hatten s​ie exklusive Jagd- u​nd Fischrechte. Doch i​n rund 85 % d​es Vertragsgebiets h​aben sie n​ur einige Jagdprivilegien. Dazu bieten s​ich Beschäftigungsmöglichkeiten i​n der Verwaltung u​nd in d​er Wirtschaft, i​n Gesundheitswesen, Umweltschutz b​is zum Betrieb d​er Fluggesellschaft Air Creebec. Das Schulsystem vermittelt Sprache u​nd Kultur d​er Cree.

Bei a​llen Fortschritten z​eigt sich jedoch e​in Problem: Die Zersplitterung u​nd Individualisierung schreitet voran, e​ine neue Führungsschicht i​st entstanden, d​ie die Verwaltung dominiert. Daneben g​ehen immer weniger d​er traditionellen Jagd nach, während d​ie Jungen w​eder in d​er einen n​och in d​er anderen Gruppe vertreten sind. Dazu kommt, d​ass das Baie-James-Wasserkraftprojekt kritischer betrachtet wird. Der 2005 gewählte Grand Chief o​f the Crees o​f Quebec, Matthew Mukash, fordert d​ie Förderung v​on Windkraftanlagen.

Es i​st eine Vielzahl v​on Faktoren, d​ie die Eigenständigkeit d​er Indianerkulturen bedroht. Zum e​inen sind d​ies Geschehnisse, d​ie in d​er Vergangenheit liegen, d​ie ihre Kultur unwiderruflich verändert u​nd ihr z​um Teil d​ie materiale u​nd Wissens-Grundlage entzogen haben. Zum anderen i​st es weiterhin d​ie ökonomisch motivierte Umwandlung i​hrer natürlichen Umgebung (vor a​llem die Waldzerstörung, a​ber auch d​ie Bedrohung d​er Fischbestände), z​um anderen Armut u​nd zugleich d​ie Bildung n​euer Eliten, u​nd paradoxerweise m​it beidem zusammenhängend, d​ie Abwanderung gerade d​er Jüngeren u​nd die Abhängigkeit d​er Verbliebenen v​on Staat u​nd Industrie.

Drei markante Veränderungen d​er letzten Jahre s​ind dabei z​um einen d​ie Unterschutzstellung erheblicher Teile d​er alten Stammesgebiete a​ls Provinzparks u​nd Nationalparks, a​ber auch u​nter eigene Verwaltung, w​ie bei d​en Cree. Damit entsteht über Selbstverwaltung u​nd Tourismus für v​iele Reservatsbewohner e​ine Verdienstmöglichkeit, d​ie weder d​ie Ressourcen i​m bisherigen Ausmaß zerstört, n​och von staatlicher Wohlfahrt[73] abhängig hält. Eine zweite Veränderung betrifft d​ie kurz v​or dem Durchbruch stehenden Verhandlungen zwischen diversen Stämmen u​nd der kanadischen Regierung. So standen 2006 allein i​n British Columbia 57 First Nations i​n 47 verschiedenen Verhandlungen. Diese Stämme repräsentieren z​wei Drittel d​er Bevölkerung d​er First Nations i​n der Provinz. Diese Verträge werden d​ie Stammesgebiete z​war vergrößern, a​ber der bisher unverkäufliche Boden w​ird privatisiert. Damit würde e​r erstmals veräußerlich, w​as angesichts d​er Armut zahlreicher Gemeinschaften e​iner langsamen Auszehrung gleichkommen könnte. Damit k​ommt ein drittes Konzept i​ns Spiel, d​as vor a​llem die Tla-o-qui-aht s​eit 2005 vorangetrieben haben. Ihr Konzept z​ielt auf e​ine minutiöse Rekonstruktion d​er traditionellen Gesellschaft u​nter Zuhilfenahme a​ller Quellen, u​nd auf i​hre Wiederherstellung a​b (vgl. Wiederherstellung d​er traditionellen Gesellschaft). Nomadische Gruppen, d​ie schon dadurch k​aum Beachtung fanden, d​ass sie n​icht als Stämme anerkannt waren, w​ie die Kitcisakik i​n Québec, wurden i​n den letzten Jahren z​ur Sesshaftigkeit überredet, i​hre Kinder werden w​eit außerhalb i​hres Gebietes unterrichtet.

Dagegen stehen n​ach wie v​or die t​eils wirtschaftlichen, t​eils humanitären Argumente für e​ine Integration d​er First Nations d​urch Privatisierung d​es Landeigentums. Dabei w​ird einerseits m​it Ressourcenverschwendung argumentiert, andererseits m​it der Frage, o​b die Subventionierung gerade d​er meist ländlichen Gebiete n​icht ökonomisch sinnlos sei, d​a die Städte d​ie Motoren d​er modernen Wirtschaft seien. Zum dritten w​ird jede Form kollektiven Landeigentums m​it dem i​n Nordamerika leicht verfangenden Vergleich m​it den sozialistischen Systemen abgelehnt.

Eine Art Zwischenposition vertreten d​ie Indianer, d​ie innerhalb d​es Systems a​ls Individuen aufsteigen, d​abei aber i​hre Herkunft n​icht vergessen. Der e​rste indianische Vizegouverneur Kanadas, d​er Cree James Bartleman a​us Ontario (2002–2007), wandte beispielsweise d​er Jugend s​eine Aufmerksamkeit z​u und sammelte für d​ie Schulen über e​ine Million gebrauchte Bücher, förderte Schreib- u​nd Lesefähigkeit u​nd brachte i​hre Probleme verstärkt i​ns öffentliche Bewusstsein.

Die Frage, w​ovon die i​m Reservat lebenden Indianer l​eben werden, führt i​n den USA s​eit Jahrzehnten z​u Kontroversen zwischen d​en staatlichen Institutionen, wirtschaftlichen Interessengruppen u​nd sogar zwischen d​en Stämmen. Dies hängt d​amit zusammen, d​ass die dortigen Indianer s​eit 1988 Glücksspiel u​nter steuerlich günstigen Bedingungen betreiben dürfen. Die zahlreichen Casinos – allein i​n Kalifornien betreiben 60 d​er 109 anerkannten Stämme d​iese Mischung a​us Entertainment, Tourismus u​nd Glücksspiel – machen s​ich mittlerweile gegenseitig Konkurrenz. Noch i​st die Situation i​n Kanada anders. Nur wenige Stämme betreiben e​in Casino, d​och 2008 k​am es u​m das i​n Alberta s​eit dem 1. Januar 2008 gültige Rauchverbot z​u ersten Auseinandersetzungen, hinter d​enen sich s​ehr grundsätzliche Fragen verbergen. Denn d​ie Cree lehnen dieses Verbot a​b und ziehen s​ich dabei a​uf die Rechtsposition zurück, i​hr Reservat s​ei Bundesgebiet u​nd unterliege d​aher nicht d​er Provinzgesetzgebung. Das River Cree Casino a​nd Resort d​er Enoch Cree, direkt n​eben der Einkaufs-Mall v​on Edmonton gelegen, s​teht dabei s​eit Anfang 2008 i​m Mittelpunkt. Es w​urde erst 2006 eröffnet u​nd ist d​as erste v​on einer First Nation i​n Alberta betriebene Casino, g​enau in d​er Nachbarschaft d​es 1980 eröffneten ersten Casinos d​er Provinz.[74] Auch h​ier sind b​ei Ausweitung d​er Betriebsgenehmigungen a​uf andere Stämme Konflikte analog z​u denen i​n den USA absehbar.[75]

Die Frage, w​er als Statusindianer Anerkennung findet, entscheidet n​ach wie v​or das Department o​f Indian Affairs a​nd Northern Development a​uf der Grundlage d​es Indianergesetzes. Seit 2007 versucht d​ie Union o​f Ontario Indians, d​ie 42 Stämme vertritt, durchzusetzen, d​ass die Stämme i​m Rahmen i​hrer Selbstbestimmung festlegen, w​er ein Indianer sei. Dazu w​urde ein eigenes Bürgerschaftsgesetz entwickelt.[76] Der Aufsicht d​urch das Department h​aben sich d​ie Cree i​m Norden Quebecs, d​ie Nisga’a Nation, d​ie Tlicho First Nation i​n den Nordwest-Territorien u​nd die meisten Gruppen i​m Yukon-Territorium entzogen.[77]

Seitdem i​m Laufe d​er Zwischenkriegszeit d​er Bevölkerungsrückgang gestoppt u​nd in d​en 1960er Jahren d​ie Kindersterblichkeit i​n den Reservaten drastisch zurückgegangen ist, steigt d​ie Zahl d​er Indianer deutlich schneller, a​ls die d​er übrigen kanadischen Bevölkerung. Damit erhalten Gesichtspunkte w​ie Bildung u​nd Chancen, a​ber auch Teilhabe innerhalb d​er ethnischen Gruppen schnell wachsende Bedeutung, d​enn der Anteil d​er Jungen i​st inzwischen s​ehr hoch. Die Zahl d​er Suizide allerdings – i​n den Medien w​urde insbesondere d​er Stamm d​er Attawapiskat i​m Norden Ontarios bekannt – veranlasste d​ie Bundesregierung 2016 dazu, d​ie Erklärung d​er Vereinten Nationen über d​ie Rechte indigener Völker (Resolution 61/295 v​om 13. September 2007)[78], d​er mit Ausnahme v​on Kanada, d​en USA, Australien u​nd Neuseeland a​lle Mitglieder zugestimmt hatten, i​n die Verfassung einzuarbeiten. Obwohl entsprechende Vorgaben bereits 2010 anerkannt wurden, sollen s​ie nunmehr rechtlich bindend werden.[79]

Dies g​ilt auch für d​en Zwang z​u Konsultationen i​m Zusammenhang m​it der Ausbeutung v​on Rohstoffen. Bereits d​ie hohen Rohstoffpreise d​er Jahre a​b 2007 zeigten, d​ass die First Nations i​m Besitz enormer Reichtümer sind. In Verbindung m​it der zunehmenden Eigenständigkeit h​at dies z​ur Folge, d​ass die Außenwirtschaftskontakte intensiviert werden. So finden s​ich die nördlichsten Stämme i​n Verbänden d​er arktischen Völker wieder. Im November 2008 besuchte e​ine Delegation mehrerer First Nations China, u​m eigenständig Kooperationen z​u vereinbaren.[80] Im Juni 2007 t​raf König Tuheitia Paki v​on den neuseeländischen Māori, genauer d​er aus 127.000 Menschen bestehenden Tainui-Stammesvereinigung, e​ine Delegation d​er Squamish u​nd Nisga’a i​n Vancouver.[81]

Ein großes soziales Problem d​er First Nations i​st das Verschwinden v​on Frauen u​nd Mädchen a​us ihrem sozialen Umfeld, o​hne nennenswerte Spuren z​u hinterlassen. Die Regierung Justin Trudeau h​at 2016, erstmals d​urch eine Bundesregierung, Schritte unternommen, u​m vergangene Fälle aufzuarbeiten u​nd für d​ie Zukunft Lehren daraus z​u ziehen, m​it dem Ziel, d​ie Opferzahlen z​u minimieren.

Forschungsgeschichte

Peter Jones[82] (1802–1856), e​in Methodist u​nd mütterlicherseits Angehöriger d​er Mississauga, a​uch Sacred Feathers genannt, schrieb bereits Anfang d​es 19. Jahrhunderts e​in Überblickswerk über d​ie Ojibwa (History o​f the Ojebway Indians, 1861 publiziert). Weitere Laien, w​ie der Anglikaner Edward Francis Wilson[83] (1844–1915) i​n Sault Ste. Marie u​nd Charles M. Tate i​n British Columbia sammelten zahlreiche ethnologische Beobachtungen, s​o wie v​iele Missionare, w​ie etwa d​er Oblate Adrien-Gabriel Morice, umfangreiche Werke über d​ie Sprachen veröffentlichten. Außerhalb Kanadas f​and sich d​abei ein erheblich größeres Interesse, a​ls innerhalb d​es Landes. Sieht m​an vom Ethnologen a​us Toronto Daniel Wilson (1816–1892) ab, stammten d​ie meisten a​us Europa. Hingegen w​ar die Geschichte d​er Indigenen i​n einem beklagenswerten Zustand, w​ie etwa d​as 1915 erschienene Chronicles o​f Canada, The Dawn Of Canadian History, A Chronicle o​f Aboriginal Canada zeigt.[84]

Franz Boas u​nd seine Schüler verhalfen d​er ethnologischen Forschung, d​ie in Amerika e​her als anthropology angelegt ist, z​um Durchbruch. Der Neuseeländer Diamond Jenness befasste s​ich während d​es Ersten Weltkriegs m​it Ojibwa- u​nd Carrier-Gruppen. Der Franzose Marcel Giraud befasste s​ich umfassend m​it den Métis. Zu diesen grundlegenden Arbeiten s​ind die v​on Marius Barbessu v​on der Université Laval z​u rechnen.

Alfred G. Bailey a​us Neubraunschweig k​ann als erster Ethnohistoriker gelten, d​er die historischen Quellen m​it dem Blick e​ines Ethnologen auswertete. Eine weitere Wurzel d​er Geschichte d​er First Nations w​ar die Militärgeschichte, w​ie sie e​twa F. G. Stanley z​ur Nordwest-Rebellion d​er Métis verfasste, d​er en passant d​ie Einflüsse d​er Métis a​uf die Frontiergesellschaft u​nd von d​ort auf d​ie allgemeine Gesellschaftsentwicklung untersuchte. Sieht m​an von Robert Allens His Majesty's Indian Allies ab, s​o wurde dieser Zweig jedoch k​aum vertieft, i​m Gegensatz z​u den USA.

Erst m​it dem starken Anwachsen d​er Größe u​nd Rolle d​er kanadischen Universitäten i​n den 1960er Jahren k​am es z​u zahlreicheren Forschungsvorhaben, v​or allem i​m Bereich d​er Archäologie, w​ie etwa d​urch Bruce Trigger. Erst j​etzt wurden d​ie Indianer n​icht mehr a​ls eine „untergehende Rasse“ betrachtet, u​nd auch d​ie klassifikatorischen Aspekte herrschten n​icht länger vor. Erste Kritik a​n der zerstörerischen Regierungspolitik w​urde laut.

Cornelius Jaenen (Friend a​nd Foe, Neufrankreich) u​nd Robin Fisher (Contact a​nd Conflict, British Columbia b​is 1890) befassten s​ich mit d​er Frage d​er Kulturkontakte, Daniel Francis u​nd Toby Morantz (zum Pelzhandel), Jennifer S. H. Brown (Strangers i​n Blood, Frauen i​m Pelzhandel) o​der Sylvia Van Kirk (Many Tender Ties) setzten s​ich mit d​em Pelzhandel auseinander, ebenso w​ie A. J. Ray (Indians i​n the Fur Trade), d​er erstmals d​ie Indianer i​n den Mittelpunkt stellte. In d​en 1980er Jahren k​am es z​ur Betonung d​er Rolle d​er Indianer u​nd der Frauen i​n Handel u​nd Mission, z​u Untersuchungen z​ur Indianerpolitik u​nd zur Reaktion d​er Betroffenen (Gerald Friesen: A Narrow Vision z​ur Rolle d​es Bürokraten D. C. Scott[85]). Ebenfalls z​u Westkanada schrieben Sarah Carter z​ur verfehlten Agrarpolitik (Lost Harvests[86]) u​nd Katherine Pettipas (Severing t​he Ties t​hat Bind[87]) z​u staatlichen Versuchen, d​ie jährlichen Treffen d​er Prärieindianer z​u unterbinden. Hinzu k​amen Studien z​ur Unterdrückung d​es Potlatch, w​ie die v​on Douglas Cole u​nd Ira Chaikin (An Iron Hand u​pon the People[88]) u​nd zur Rechtsgeschichte.[89]

In d​en 1990er Jahren entstanden e​rste Zusammenschauen, w​ie die v​on J. R. Miller (Skyscrapers Hide t​he Heavens[90]) u​nd Olive Dickason (Canada's First Nations). Allgemeine Geschichten Kanadas begannen n​un nicht m​ehr mit d​en so genannten „Vikings“ d​er Zeit u​m 1000, sondern m​it der ersten fassbaren Besiedlung d​es Landes. Damit k​am der Archäologie größte Bedeutung zu, a​ber auch Linguistik u​nd Genetik spielen e​ine große Rolle.

Der Kampf u​m politische Rechte u​nd die Verfassungsstreitigkeiten, d​ie indianische Gruppen a​ls politische Parteiungen u​nd Lobbyisten erscheinen ließen, führten jedoch dazu, d​ass die Historiker i​n der öffentlichen Wahrnehmung d​urch Rechtswissenschaftler u​nd Politologen verdrängt wurden. Zudem forderten d​ie indigenen Gruppen i​hre Wahrnehmung u​nd Mitarbeit b​ei historischen Projekten, v​or allem a​ber die i​hres eigenen Bildes d​er Geschichte u​nd ihrer eigenen Überlieferungsformen, s​owie ihres Wissens. Die Beschäftigung m​it der mündlichen Überlieferung i​n Form d​er oral history k​am dieser Entwicklung weiter entgegen.

Das Canadian Museum o​f Civilization brachte d​as archäologische Standardwerk v​on James Wright (A History o​f the Native People o​f Canada. Archaeological Survey o​f Canada) 1995 heraus. 2003 folgte Larry J. Zimmerman m​it American Indians: The First Nations: Native North American Life, Myth a​nd Art, d​er die ethnologischen, historischen u​nd religiösen Aspekte stärker z​u verbinden suchte. Das Sujet begann a​uf die Forschung stärker zurückzuwirken. Erst 1999 erschien e​ine Enzyklopädie d​er kanadischen Völker (Encyclopedia o​f Canada's Peoples[91]) d​urch die 1976 gegründete Multicultural History Society o​f Ontario.[92]

Das Internet ermöglicht inzwischen n​icht nur zahlreichen First Nations e​ine eigene Geschichtsdarstellung z​u publizieren (s. Liste d​er in Kanada anerkannten Indianerstämme), sondern a​uch eigene Quellensammlungen, w​ie die First Nations Digital Document Source,[93] d​ie allerdings vorrangig d​er Frage d​er Landansprüche dient.

Museen, Archive, Bibliotheken

Siehe auch

Literatur

  • Timothy G. Baugh, Jonathon E. Ericson: Prehistoric Exchange Systems in North America Plenum Press, New York 1994
  • John Borrows: Recovering Canada: The Resurgence of Indigenous Law, University of Toronto Press, Toronto 2002
  • Robert Choquette: The Oblate Assault on Canada's Northwest, University of Ottawa Press, Ottawa 1995
  • Olive Patricia Dickason: Canada's First Nations: a History of Founding Peoples from Earliest Times. University of Oklahoma Press, Toronto 1992
  • Olivia Patricia Dickason: A Concise History of Canada's First Nations, University of Oklahoma Press 1992, Oxford University Press, Toronto 2008; wieder ebd. 2010
  • Jo-Ann Episkenew: Beyond Catharsis. Truth, Reconciliation, and Healing In and Through Indigenous Literature.
    • dt. Jenseits der Katharsis. Wahrheit, Versöhnung und Heilung in und durch indigene Literatur. Dissertation, Universität Greifswald 2006
  • David S. Koffman: The Jews’ Indian. Colonialism, Pluralism, and Belonging in America. Rutgers University Press, 2019
  • Wolfgang Lindig, Mark Münzel: Die Indianer, Band 1: Nordamerika, Deutscher Taschenbuch Verlag, dtv, München 1994 ISBN 3-423-04434-9
  • David J. Meltzer: First Peoples in a New World: Colonizing Ice Age America, University of California Press, 2009
  • James Rodger Miller: Skyscrapers Hide the Heavens: A History of Indian-White Relations in Canada, überarb. Aufl., University of Toronto Press, 1991
  • Harald Moll: First Nations, First Voices. Die Rechtsstellung indigener Völker Kanadas unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in British Columbia. (Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel), Duncker & Humblot, Berlin 2006 ISBN 978-3-428-11766-6
  • Claudia Notzke: Aboriginal Peoples and Natural Resources in Canada, Captus Press, 1994 ISBN 1895712033
  • Daniel N. Paul: First Nations History. We were not the Savages, 3. Aufl., Fernwood, 2006 ISBN 978-1-55266-209-0
  • William C. Sturtevant: Handbook of North American Indians, Smithsonian Institution (Hg.), voraussichtlich 20 Bde., Washington (D.C.) seit 1978
  • Bruce Trigger: The Historians' Indian. Native Americans in Canadian Historical Writing from Charlevoix to the Present, in: Canadian Historical Review 67, 3, 1986 S. 315–342
  • James Wright: A History of the Native People of Canada. Archaeological Survey of Canada. 3 Bde., Hull: Canadian Museum of Civilization 1995, 1999, ISBN 0-660-15951-1, ISBN 0-660-15952-X, von Bd. 3 ist Part 1: Maritime Algonquian, St. Lawrence Iroquois, Ontario Iroquois, Glen Meyer/Western Basin, And Northern Algonquian Cultures, im April 2004 erschienen, ISBN 0-660-19175-X
  • Larry J. Zimmerman: American Indians: The First Nations: Native North American Life, Myth and Art. Duncan Baird Publishers, 2003 ISBN 1-904292-74-7

Anmerkungen

  1. Andrew Kitchen, Michael M. Miyamoto, Connie J. Mulligan: A Three-Stage Colonization Model for the Peopling of the Americas, in: Public Library of Science (PLoS), 13. Februar 2008, doi:10.1371/journal.pone.0001596.
  2. Anscheinend wurde er von dem Elder Sol Sanderson von der nicht staatlich anerkannten Chakastapaysin First Nation Anfang der 1980er Jahre vorgeschlagen. Vgl. (PDF, 456 kB): (Redebeitrag Sanderson, S. 78 (Memento vom 6. April 2008 im Internet Archive)).
  3. Weniger häufig ist der Begriff „First Peoples“, der etwa durch die First Peoples National Party of Canada (FPNP) bekannt wurde, der zudem die Métis und Inuit einschließt.
  4. Unter Forts wurden einerseits echte Festungen verstanden, andererseits bloße Handelsposten, die keinerlei Festungswerke aufwiesen, manchmal waren es bloße Hütten. Daher wird hier Handelsposten und Fort synonym benutzt.
  5. Roger L. Nichols: Indians in the United States & Canada, A Comparative History, University of Nebraska Press 1998, ISBN 0-8032-8377-6, hat die Unterschiede versucht herauszuschälen, doch werden komparatistische Ansätze zum Thema durch den Forschungsstand eng begrenzt. Eine engere Fragestellung verfolgte Christa Scholz: Negotiating Claims: The Emergence of Indigenous Land Claim Negotiation Policies in Australia, Canada, New Zealand, and the United States, New York 2006.
  6. Diese kulturellen Missverständnisse sind ausgesprochen komplex, wie sich in den Verhandlungen zwischen British Columbia und den dortigen First Nations zeigt. Vergl. dazu Territorium: ein Widerspruch und ein Schlüssel zum Verständnis.
  7. Hunde wurden jedoch, beispielsweise bei den Küsten-Salish als Wolllieferanten gehalten. Dazu zuletzt: Barbara Huck, The hair of the dog: was it a sheep or a dog? in: The Beaver: Exploring Canada's History 2007. Zur Verbreitung der American Indian Dogs s. Areas where Pre-Columbian ‘American Indian Dogs’ were Found.
  8. Der Historical Atlas of Canada bietet eine Karte, die die räumlichen Schwerpunkte voreuropäischer Hauptnahrungsquellen darstellt (Native subsistence. Major food sources).
  9. Dazu zählen etwa die winter counts der Lakota, die wichtige Ereignisse festhielten und von eigens bestellten Wächter-Deutern aufbewahrt, fortgeführt und mündlich kommentiert wurden. Vgl. die Ausstellung der Smithsonian Institution (Memento vom 3. März 2016 im Internet Archive).
  10. Dazu Garrick Mallery, Sign Language Among North American Indians Compared With That Among Other Peoples And Deaf-Mutes. First Annual Report of the Bureau of Ethnology to the Secretary of the Smithsonian Institution, 1879–1880, United States Government Printing Office, Washington, 1881 (Project Gutenberg EBook).
  11. Französischen Pelzhändler verbreiteten die Tuberkulose bereits um 1710, doch kam sie nur selten zum Ausbruch; die Neuinfektionen genügten aber, um die Erreger überleben zu lassen. Erst mit der Verarmungspolitik am Ende des 19. Jahrhunderts kam es zu einem massenhaften Ausbruch der Tuberkulose (Pelzhändler brachten Tuberkulose nach Nordamerika, in: Welt online, 5. April 2011.)
  12. Vgl. etwa Lorena Sekwan Fontaine, Canadian Residential Schools: The Legacy of Cultural Harm, in: Indigenous Law Bulletin 2002. Das zuständige Ministerium stellt diese Vorgänge grundsätzlich ähnlich dar: Volume 1 – Looking Forward Looking Back, PART TWO False Assumptions and a Failed Relationship.
  13. Wie widersprüchlich die Entwicklung ist, zeigen einige der jüngsten Vorgänge in British Columbia: First Nations. Land Rights and Environmentalism in British Columbia – Development.
  14. Morgan Baillargeon, Kurator am Canadian Museum of Civilization, leitet seit 2005 ein Forschungsprojekt zur Frage nach der kulturellen Identität städtischer Ureinwohner (aboriginals).
  15. Deklaration über die Rechte indigener Völker nun doch angenommen. In: humanrights.ch. Verein Humanrights.ch, 1. Oktober 2007, abgerufen am 29. Juli 2019.
  16. Thomas G. Arnold: The Ice-Free Corridor. Biogeographical Highway or Environmental Cul-de-Sac?, Arch. Diss., Simon Fraser University 2006.
  17. Vgl. Mitochondrial Population Genomics Supports a Single Pre-Clovis Origin with a Coastal Route for the Peopling of the Americas, in: The American Journal of Human Genetics 82/3 (3. März 2008) S. 583–592.
  18. Renée Hetherington, Andrew J. Weaver, Álvaro Montenegro: Climate and the migration of early peoples into the Americas, Geological Society of America Special Papers 2007, S. 113–132.
  19. Distinctive Paleo-Indian Migration Routes from Beringia Marked by Two Rare mtDNA Haplogroups, in: Current Biology 19 (13. Januar 2009), 1–8, Vorabdruck (Memento vom 15. August 2011 im Internet Archive) (PDF, 692 kB).
  20. Bastien Llamas, Lars Fehren-Schmitz et al.: Ancient mitochondrial DNA provides high-resolution time scale of the peopling of the Americas, in: Science Advances Vol. 2, No. 4 (1. April 2016), DOI: 10.1126/sciadv.1501385. Vgl. dazu C. L. Scheib, Hongjie Li, Tariq Desai, Vivian Link, Christopher Kendall, Genevieve Dewar, Peter William Griffith, Alexander Mörseburg, John R. Johnson, Amiee Potter, Susan L. Kerr, Phillip Endicott, John Lindo, Marc Haber, Yali Xue, Chris Tyler-Smith, Manjinder S. Sandhu, Joseph G. Lorenz, Tori D. Randall, Zuzana Faltyskova, Luca Pagani, Petr Danecek, Tamsin C. O’Connell, Patricia Martz, Alan S. Boraas, Brian F. Byrd, Alan Leventhal, Rosemary Cambra, Ronald Williamson, Louis Lesage, Brian Holguin, Ernestine Ygnacio-De Soto, Johntommy Rosas, Mait Metspalu, Jay T. Stock, Andrea Manica, Aylwin Scally, Daniel Wegmann, Ripan S. Malhi, Toomas Kivisild: Ancient human parallel lineages within North America contributed to a coastal expansion, in: Science, 1. Juni 2018, 1024–1027.
  21. Umstritten sind die möglicherweise von Menschen bearbeiteten Mammutknochen von Old Crow. Vgl. J. Cinq-Mars: On the significance of modified mammoth bones from eastern Beringia, in: The World of Elephants – International Congress, Rom 2001, S. 424–428.
  22. Diese Annahme wird durch Funde in den Paisley-Höhlen in Oregon gestützt, die mehr als 14.000 Jahre zurückreichen.
  23. Vgl. Beitrag der Simon Fraser University, bzw. das Interview mit Jon Driver.
  24. Claude Chapdelaine: Présences autochtone de l’âge glaciaire à aujoud’hui. Des chasseurs de la fin de l'âge glaciaire dans la région du lac Mégantic: découverte des premières pointes à cannelure au Québec, in: Recherches amérindiennes au Québec 30 (2004).
  25. Christopher Ellis: Understanding “Clovis” Fluted Point Variability in the Northeast: A Perspective from the Debert Site, Nova Scotia, in: Canadian Journal of Archaeology/Journal Canadien d’Archéologie 28 (2004) 205–253. Organische Funde wurden auf 10.600 ± 47 BP datiert, Ellis nimmt eine erste Besiedlung ab 10.900 BP an (S. 208, 242 f.).
  26. Vgl. Timothy H. Heaton: On Your Knees Cave, 2002 (Memento vom 22. Juni 2009 im Internet Archive), archive.org, 22. Juni 2009.
  27. Im Yukon, den Nordwest-Territorien und Alaska stehen 46 so genannte caribou fences, die der Treibjagd dienten, unter Denkmalschutz (vgl. Parks Canada, Vuntut National Park of Canada (Memento vom 14. September 2005 im Internet Archive)).
  28. D. Bruce Dickson, The atlatl assessed: A review of recent anthropological approaches to prehistoric North American weaponry, in: Bulletin of the Texas Archaeological Society 56 (1985) 1-36.
  29. Die älteste Fundstätte ist die L’Anse Amour Site an der Ostküste von Labrador (Provinz Neufundland und Labrador), ein Grab aus der Zeit um 5500 v. Chr.
  30. Ältere und umstrittene Funde aus den USA, wie der Kennewick-Mann, betreffen bisher nicht das kanadische Gebiet.
  31. Vgl. Obsidan from Mount Edziza (Memento vom 11. Oktober 2007 im Internet Archive), vom Royal British Columbia Museum. Auf weiträumigen Obisidianhandel deutet bereits der älteste Fund bei den Tlingit hin, die spätestens 8300 v. Chr. Obsidian besaßen (vgl. Forest Service returns ancient remains of Native American to Tlingit tribes in Alaska, in: The Seattle Times, 20. Oktober 2007).
  32. John H. Blitz, Adoption of the Bow in Prehistoric North America, in: North American Archaeologist 9/2 (1988), S. 123–145, weist ihn für 3000 v. Chr. im arktischen Gebiet nach, doch erst nach der Zeitenwende im Süden. Sein Kennzeichen sind kleinere Projektilspitzen.
  33. Einer der ältesten Belege für domestizierte Hunde in Nordamerika stammt aus dem Illinois-Flusstal und ist 8500 Jahre alt. Noch älter, wohl 10.000 Jahre, ist allerdings ein Fund in der Danger Cave in Utah (Darcy F. Morey/Michael D. Wiant: Early Holocene Domestic Dog Burials From the North American Midwest, in: Current Anthropology 33/2 (April 1992) 224-229 und Robert Lee Hotz: Those New Tricks Came From Old Dogs, in: Los Angeles Times, 22. November 2002).
  34. Innerhalb dieser auch als Period III bezeichneten Phase werden nach den entsprechenden Fundstätten unterschieden: Oxbow (4000 bis 3000 v. Chr.), McKean (3000 bis 2000) und Pelican Lake (2000 bis 1000 v. Chr.), wobei letztere sich bis etwa 500 n. Chr. erstreckt.
  35. Zu dieser frühen Westküstenkultur gehören sich deutlich unterscheidende Regionalkulturen. Um den Skeena River im Norden werden Prince Rupert III/Haqwilget A, Gitaus VI und der Skeena Complex unterschieden. Auf Haida Gwaii existierte eine eigene Kultur. Im zentralen Norden unterscheidet man Namu II und III, McNaughton I und die Cathedral phase, an der zentralen Südküste Bear Cove II und O'Conner II. An der Westküste von Vancouver Island das mit den Nuu-chah-nulth in Beziehung stehende frühe und mittlere Yuquot, sowie Shoemaker Bay I; an der Georgian Strait und am unteren Fraser die Phasen Maurer, St.Mungo und die frühe Locarno Beach phase, auf den Golfinseln die Mayne phase, und auch hier die frühe Locarno Beach phase; schließlich am Fraser Canyon die Phasen Eayem und frühes Baldwin.
  36. Brian Lewis, Katzie heritage site being bulldozed for bridge. Only three per cent of artifacts have been recovered so far (Memento vom 11. November 2012 im Internet Archive), in: The Province, 22. Juni 2008.
  37. Toronto's Historical Plaques
  38. Thomas H. Richards, Michael K. Rousseau, Late prehistoric cultural horizons on the Canadian Plateau, Simon Fraser University, Department of Archaeology 1987.
  39. Zur Bedeutung der Sklaverei an der nordamerikanischen Pazifikküste zwischen Alaska und dem Columbia River vgl. Leland Donald: Aboriginal slavery on the Northwest Coast of North America, Berkeley: University of California Press, 1997.
  40. Hiermit befasst sich das Helluland Archaeology Project.
  41. Die älteste Überlieferung ist Adam von Bremens Gesta Hammaburgensis ecclesiae pontificum, Descriptio insularum Aquilonis. Er deutet bereits Winland als Weinland.
  42. Näheres siehe u. a. Delores Bird Carpenter: Early Encounters – Native Americans and Europeans in New England, East Lansing: Michigan State University Press, 1994.
  43. Vgl.: Basque Whaling in Red Bay, Labrador. Eines der Schiffe, die San Juan, sank 1565 im Hafen.
  44. Chris R. Landon: American Indian Civilizations and the Social Sciences, 1993, S. 45.
  45. Vgl. (PDF, 80 kB): Serge Joyal, Le Canada à l’ère des Guerres de religions – Une page méconnue de L’Histoire de France – 2007 (PDF; 78 kB).
  46. Eine näherungsweise Vorstellung von der Bevölkerungsverteilung im Osten liefert der Historical Atlas of Canada, Native Population early 17th Century
  47. Wer Ausschnitte genauer betrachten will: Carte de l'Amérique du Nord.
  48. Welche Rolle der Kleinhandel spielte, versucht Jan Grabowski: Le petit commerce entre Amérindiens et Francais à Trois-Rivières, 1665–1667, in: Recherches amérindiennes au Québec 28 (1998)
  49. W. Faden, A map of the Inhabited Part of Canada from the French Surveys; with the Frontiers of New York and New England, 1777.
  50. Wann in Kanada eine Dekolonialisierung stattgefunden hat oder noch stattfindet, ist umstritten. Vgl. Julia Emberley: Defamiliarizing the Aboriginal: Cultural Practices and Decolonization in Canada, University of Toronto Press 2007.
  51. Das Projekt Gutenberg publizierte den Bericht von Alexander Morris, dem Vizegouverneur von Manitoba und der Nordwestterritorien: „The Treaties of Canada with the Indians of Manitoba and the North-West Territories including the negotiations on which they were base, and other information relating thereto“. Die Grundlagen des Umgangs mit den „Aborigines of Canada“ fasste William Clint: The Aborigines of Canada under the British Crown, 1878 zusammen.
  52. Statutes of Great Britain (1930), 20–21, Georg V., Kap. 26.
  53. „... the government will in time reach the end of its responsibility as the Indians progress into civilization and finally disappear as a separate and distinct people, not by race extinction but by gradual assimilation with their fellow citizens.“ (zitiert nach Alison Kay Brown, Laura Lynn Peers mit Angehörigen der Kainai Nation: Pictures bring us messages. Sinaakssiiksii aohtsimaahpihkookiyaawa. Photographs and Histories from the Kainai Nation, University of Toronto Press 2006, S. 19.)
  54. Library and Archives Canada hat die Quellen dazu digital zugänglich gemacht: Portrait of Lieutenant Frederick Ogilvie Loft, founder of the League of Indians of Canada ca. 1914–1918
  55. Indian Defence League of America.
  56. Provinzverbände konnten sich jedoch halten. Die Indian Association of Alberta entstand bereits 1939, die Union of Saskatchewan Indians 1946, genauso wie die Union of Ontario Indians, dazu kam die Indian Association of Manitoba.
  57. Das Department of Indian Affairs and Northern Development wies im Juli 2008 rund 100 politische Organisationen aus: Search by Tribal Council (Memento vom 1. November 2009 im Internet Archive).
  58. Der Sonnentanz war bei den Cree als Durst-, bei den Saulteaux oder Plains-Ojibwa als Regen- und bei den Blackfoot als Medizintanz bekannt. Auch die Dakota und die Nakota, Dene und Stoney kannten ihn.
  59. Nach Indian and Northern Affairs Canada.
  60. Hier findet sich die Entscheidung des Supreme Court vom 31. Januar 1973: Calder v. Attorney-General of B.C..
  61. Zur Einordnung: Hamar Foster, Heather Raven und Jeremy Webber: Let Right Be Done. Aboriginal Title, the Calder Case, and the Future of Indigenous Rights, UBC Press 2007.
  62. Ottawa to change discriminatory Indian Act rules, The Star, 2. Juni 2009.
  63. United Nations adopts Declaration on Rights of Indigenous Peoples (Memento vom 12. November 2012 im Internet Archive) (www.un.org), archive.org, 12. November 2012
  64. Canada endorses indigenous rights declaration, CBC News, 12. November 2010 (Memento vom 17. November 2010 im Internet Archive), archive.org, 17. November 2010.
  65. „The government of Canada today formally expresses to all Aboriginal people in Canada our profound regret for past actions of the federal government which have contributed to these difficult pages in the history of our relationship together“ (Government of Canada, zitiert nach Tanja Zinterer: Politikwandel durch Politikberatung?: die kanadische Royal Commission on Aboriginal Peoples und die unabhängige Kommission "Zuwanderung" im Vergleich, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2004, S. 194.)
  66. Als erstes tat dies 1986 die United Church of Canada, 1998 folgte die Presbyterian Church in Canada (der Text findet sich hier).
  67. So entschuldigte sich nach dem Ende seiner Amtszeit der Bischof im kalifornischen San Rafael bei den Miwok (Beth Ashley, Retired bishop apologizes for mistreating the Miwoks, in: Marine Independent Journal vom 26. Dezember 2007, digital: Retired bishop apologizes for mistreating the Miwoks, marinij.com (Memento vom 2. Februar 2015 im Internet Archive)), archive.org, 2. Februar 2015.
  68. Ein Videomitschnitt der Rede findet sich hier. Der Text steht hier.
  69. Ahousaht Indian Band And Nation v. Canada Attorney General, 2009 BCSC 1494, Indigenous Peoples. Issues and Resources, 13. November 2009.
  70. Armut und zu geringe Bildungsinvestitionen standen im Mittelpunkt des Aboriginal Day of Action am 29. Juni 2007, bei dem Straßen- und Schienenblockaden im Großraum Toronto-Montreal Aufmerksamkeit erregten.
  71. Vgl. David Carrigg, Huge win for Interior natives. B.C. land-claims process 'dead,' says grand chief, in: The Province, 22. November 2007 (Memento vom 1. Dezember 2008 im Internet Archive).
  72. Bezeichnend für die Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung durch Institutionen und der der Kanadier ist vielleicht der Werdegang der Website Things Canadians Should Know About Canada (Memento vom 21. Februar 2015 im Internet Archive) (Was Kanadier über Kanada wissen sollten, archive.org, 21. Februar 2015). Diese von Citizenship and Immigration Canada und dem Dominion Institute eingerichtete Seite enthielt zunächst 101 „Dinge“, zu denen aber nicht die Ureinwohner zählten. Erst eine Abstimmung brachte sie in die Liste: Aboriginal Canadians Voted # 102 (Memento vom 10. November 2011 im Internet Archive), archive.org, 10. November 2011.
  73. Hugh Shewell: "Enough to keep them alive": Indian welfare in Canada, 1873–1965, University of Toronto Press 2004.
  74. Ein Überblick über die Casinos in Kanada findet sich hier: Canada Casinos auf 500 Nations. First Nations Supersite.
  75. In Kalifornien führte der Streit zu einem Anfang Februar 2008 abgeschlossenen Referendum, bei dem sich die vier Betreiber von großen Casinos durchsetzten (vgl. Michelle deArmond und Jim Miller, Voters approve Indian gambling expansion, in: The Press Enterprise Com, 6. Februar 2008).
  76. Vgl. Anishinabek begin developing own citizenship law, Nation Talk, 28. Juni 2007.
  77. Vgl. LEGISinfo, 1. Sitzung des 39. Parlaments, 3. April 2006 – 14. September 2007 (Memento vom 3. Dezember 2008 im Internet Archive).
  78. Text der Resolution.
  79. Canada officially adopts UN declaration on rights of Indigenous Peoples, CBC/Radio-Canada News, 10. Mai 2016.
  80. China-Canada Aboriginal Business Opportunity 2008 Trade Mission November 2–14 2008, in: Nation Talk, 14. November 2008
  81. Government of Canada. Canada-New Zealand Relations (Memento vom 1. Februar 2009 im Internet Archive), archive.org, 1. Februar 2009.
  82. Jones, Peter, in: Dictionary of Canadian Biography online
  83. Nach Wilson, Edward Francis, in: Dictionary of Canadian Biography online vor allem The Ojebway language: a manual for missionaries and others employed among the Ojebway Indians, Toronto, [1874?] und Missionary work among the Ojebway Indians, London, 1886.
  84. Dieses Werk ist online verfügbar. Es beinhaltet zahlreiche Stereotype der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts.
  85. Zu ihm: Ronald Haycock: The Image of the Indian, Waterloo Lutheran University 1991, S. 19 f.
  86. Sarah Carter: Lost Harvests: Prairie Indian Reserve Farmers and Government Policy, McGill-Queen's University Press 1991.
  87. Katherine Pettipas: Severing the Ties that Bind: Government Repression of Indigenous Religious Ceremonies on the Prairies, Winnipeg: University of Manitoba Press 1994.
  88. Douglas Cole, Ira Chaikin: An Iron Hand upon the People: The Law Against the Potlatch on the Northwest Coast, Vancouver: Douglas & McIntyre 1990.
  89. Sidney L. Harring: White Man's Law: Native People in nineteenth-century Canadian Jurisprudence, University of Toronto Press 1998.
  90. James Rodger Miller: Skyscrapers hide the heavens: a history of Indian-white relations in Canada, University of Toronto Press 2000, 1. Auflage 1989.
  91. Paul Robert Magocsi (Hrsg.): Encyclopedia of Canada's peoples, University of Toronto Press 1999.
  92. Multicultural History Society of Ontario, Startseite
  93. First Nations Digital Document Source (Memento vom 22. Oktober 2009 im Internet Archive), im Besitz der Claims Research Units, derzeit von der Union of B.C. Indian Chiefs unterhalten.
  94. Mit Bildern. Zweisprachig, nach Wahl. Anwahl des Bereichs Premières Nations links in der Sitemap; im Art. dann zahlreiche weitere Links zu den Beständen

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.